Normen II: Fachliche Positionen

von Institut für Föderalismus, Eigenblog, 16.01.2015

Im Vorfeld der Erarbeitung einer österreichischen Normungsstrategie und der Novellierung des Normengesetzes 1971 – beides im aktuellen Arbeitsprogramm der Bundesregierung vorgesehen – hat das Institut für Föderalismus in Zusammenarbeit mit dem Land Oberösterreich im Rahmen einer Fachtagung die inhaltlichen Anforderungen präzisiert. Hier die Positionen der Referenten auf der Konferenz vom 20. November 2014 in Linz (Siehe auch Blog „Normen I – Herausforderung für Rechtsetzung und Wirtschaft“:

Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus: Die Judikatur der ordentlichen Gerichte und des Verwaltungsgerichtshofes macht ÖNORMEN auch dort verbindlich, wo sie vom Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht erwähnt werden. Damit entsteht eine gewisse Unentrinnbarkeit, vor allem im Hinblick auf die Interpretation des Standes der Technik. Die Transparenz des Normierungsprozesses ist trotz ordentlicher Begutachtung mangelhaft.  Zunehmend greift das Normungswesen über ihr eigentliches Tätigkeitsfeld der Technik (technisches Anlagenrecht, Abfallwirtschafts-, Elektrotechnik-, Vergabe-, Kommunikations- und Umweltrecht)  hinaus, zum Beispiel mit der Ö-Norm zur Bewertung von Bodenfunktionen. Damit könnte auch ein Unterlaufen der Kompetenzverteilung einhergehen.        

 Konrad Lachmayer, Universität Wien: Das Normungswesen als kompetenzneutraler Regelungsbereich agiert außerhalb der Bund-Länder-Zuständigkeiten, weist jedoch einige Defizite vor allem hinsichtlich Fragen der demokratischen Legitimation und des Rechtschutzes auf. Die Vereinsstruktur des Österreichischen Normungsinstituts ist in der anstehenden Novellierung zu hinterfragen.

Karl Grün, Austrian Standards Institute: Austrian Standards bemüht sich um transparente Normsetzungsprozesse, von zahlreichen Vorschlägen werden nicht wenige wieder verworfen. Ca. 90 Prozent der geltenden Normen stammen von der europäischen bzw. internationalen Ebene. Die vielfach kritisierte schwere Zugänglichkeit zu ÖNORMEN wäre etwa durch Publikation im Bundegesetzblatt zu lösen, Austrian Standards Institute stellt auch Ausbildungsstätten Normen zu günstigen Konditionen zur Verfügung.

Wolfgang Steiner, Landtagsdirektor und Leiter des OÖ-Verfassungsdienstes: Normung ist der natürliche Feind der Deregulierung. Sie kann zu einer Verringerung von staatlichen Regelungen führen, nicht aber zu einer Verringerung des Regelungsumfangs insgesamt und der Regelungskomplexität. Deregulierung braucht die Entkoppelung von Normung und staatlicher Regelung. In Gesetzen und Verordnungen sollte es keine Verweise oder Verbindlicherklärungen geben. Entscheidende Bedeutung kommt den an den Normungsverfahren beteiligten Akteurinnen und Akteuren zu; sie sollten inhaltliche Vorgaben zur Deregulierung erhalten. Für sämtliche Bereiche der Normung sollte das Prinzip der Deregulierung zur Übernorm gemacht werden.

Anne Mautner Markhof, Vizepräsidentin der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten: „Zu teuer, zu viel“. Die Architekten und Ingenieurkonsulenten sprechen nicht mehr nur von einer Normenflut, sondern von einem regelrechten Tsunami. In der ersten Republik gab es 700 Normen, 1998 10.000, 2008 bereits 20.000 und 2013 24.000 Normen, die aus Gründen der Haftungsfeststellung wie Gesetze wirken, auch wenn sie keine sind. Die Berufsgruppe stößt sich daran, dass volkswirtschaftliche Notwendigkeit und Nutzen nicht begründet werden müssen, auch fehlt die Folgekostenabschätzung. Die Kammer fordert ein neues Geschäftsmodell für Austrian Standards; das Institut soll nicht darauf angewiesen sein, durch mehr Normen zu höheren Einnahmen zu kommen.

Christoph Schneider, Stabsabteilung Wirtschaftspolitik, WKO: Die Wirtschaft erwartet sich österreichischen Normenstrategie eine Begrenzung der Normung nach den Gesichtspunkten von Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit,  Wirtschaftlichkeit und Transparenz. Der Zugang zu durch Gesetz oder Verordnung verbindlich erklärten Normen österreichischen Ursprungs muss kostenfrei sein. Die Finanzstruktur des Normungsinstitutes ist neu auszurichten; die Finanzierung des Normungsprozesses darf nicht von der Zahl und der Laufzeit der Normen abhängig sein. Der Normung selbst sind dort Grenzen zu setzen, wo der Gesetzgeber bewusst einen regelungsfreien Raum offen gehalten hat.

Martin Haidvogl, Magistratsdirektor der Stadt Graz: Die Konstruktion der österreichischen Normung spiegelt sich im Finanzierungssystem wider: Wer an der Normung mitarbeitet, zahlt dafür, und in der Folge kauft er das von ihm mitentwickelte Ergebnis. Die Kriterien, nach denen Normen entstehen, sind für den Praktiker nicht nachvollziehbar. Es gibt keine statistischen Hinweise, dass etwa Kinder in Gründerzeithäusern mit nicht genormten Stiegen und Handläufen mehr Unfälle haben als in anderen Häusern. Auch den Brandtechnikern ist kein Fall bekannt, bei dem mangelnde Fluchtmöglichkeiten zu Unfällen geführt hätten. In den Normungskomitees sitzen in erster Linie Techniker, die die Haftung im Kopf haben, nicht die Wirtschaftlichkeit. „Wer die Norm hat, hat den Markt“   - allein diese Formulierung auf der Homepage des Austrian Standards Institute besagt sehr viel über Organisation und  Umfang des österreichischen Normungswesens.

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