Im Juni 2003 startete der Österreich-Konvent mit seiner ersten Sitzung das wohl ambitionierteste Reformprojekt der Zweiten Republik. Das 71-köpfige Gremium hatte keine geringere Aufgabe, als – wie es im Gründungsauftrag wörtlich lautete – „Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform auszuarbeiten, die auch Voraussetzungen für eine effizientere Verwaltung schaffen soll. Die künftige Verfassung soll eine zukunftsorientierte, kostengünstige, transparente und bürgernahe Erfüllung der Staatsaufgaben ermöglichen“. Als der Konvent eineinhalb Jahre später seine Tätigkeit beendete, konnte er dem Parlament tatsächlich keine neue Bundesverfassung vorlegen – maßgeblich waren zwei wesentliche Konfliktlinien: Der Föderalismuskonflikt, der nicht nur Bund und Länder trennte, sondern teilweise auch die Parteien und der Konflikt um soziale Grundrechte. Der Entwurf, den der Vorsitzende Franz Fiedler der Öffentlichkeit im Jänner 2005 vorlegte, verfolgte zumindest in föderalistischer Hinsicht eine eigenwillige Linie: Der Bundesrat wäre ohne wirkliche Stärkung in seiner bisherigen Form bestehen geblieben, das Gesundheits- und Bildungswesen wären vollständig zentralisiert worden. Von einem Kompromiss im Föderalismuskonflikt war der Entwurf meilenweit entfernt, so wie man sich auch nicht auf einen neuen Grundrechte-Katalog einigen konnte.
Was blieb also vom Österreich-Konvent? Eine nähere Betrachtung ergibt ein weitaus positiveres Bild als die Konflikte an der Oberfläche vermuten lassen:
· Bereits 2008 erfolgte eine Bereinigung der Bundesverfassung von überflüssigem Verfassungsrecht, wie dies im Konvent vorgeschlagen worden war. Seither bedarf auch nicht mehr jede Weisungsfreistellung eines Verwaltungsorgans einer Verfassungsbestimmung. Änderungen von Bundes- und Landesgrenzen bedürfen keiner Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder mehr.
· Praktisch zeitgleich wurden mit einer weiteren Novelle 2008 die verfassungsrechtlichen Grundlagen für das neue Haushaltsrecht des Bundes geschaffen. Dieses Modell, das vom Finanzministerium in den Konvent eingebracht worden war, wird nun auch nach und nach von den Ländern übernommen.
· 2011 wurden neue bundesverfassungsrechtliche Grundlagen für Gemeindekooperationen geschaffen. Auch diese Bestimmungen waren Resultat der Beratungen des Konvents. Gemeindeverbänden können nunmehr auch ganze Aufgabenbündel übertragen werden.
· Der wohl größte Erfolg gelang mit der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012. Das sog „9+2-Modell“ der Verwaltungsgerichte (neun Landesverwaltungsgerichte, ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht, die insgesamt 120 Sonderbehörden des Bundes und der Länder ersetzen) war im Konvent entworfen worden. Am 1. Jänner 2014 wird diese bedeutsamste Änderung der österreichischen Verwaltungsorganisation seit 1920 in Kraft treten. Im Zuge dieser Novelle gelang es auch, einige andere Konsense aus dem Konvent umzusetzen: So wurde etwa das schon lange überflüssige Einspruchsrecht der Bundesregierung gegenüber Gesetzesbeschlüssen der Landtage abgeschafft.
· Auch die oben skizzierte Gesetzesbeschwerde, mit welcher es nun auch den Parteien eines Verfahrens vor den Gerichten möglich sein wird, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, und die vor wenigen Tagen im Parlament beschlossen wurde, war Gegenstand der Beratungen des Konvents gewesen.
Der Österreich-Konvent hat, auch wenn er den „großen Wurf“ nicht realisierte, wichtige Grundlagen für einzelne Reformen geliefert. Sie bieten auch Potenziale für Einsparungen, wie etwa das Haushaltsrecht oder die Gemeindekooperationen. Spätestens seit der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 wäre es jedenfalls falsch, zu behaupten, dass der Konvent gescheitert sei.