Subsidiaritätsprüfungsverfahren: Regionen pochen auf stärkere Mitwirkung

von , 04.02.2019

 Mit der „Brüsseler Erklärung 2019“ haben die  Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente sowie des Südtiroler Landtages und unter Beteiligung des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens anlässlich ihrer Europa-Konferenz am 28. und 29. Januar 2019 in Brüssel zur Weiterentwicklung des Subsidiaritätsprüfungsverfahrens nach dem Vertrag von Lissabon Stellung genommen und Vorschläge zur besseren Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften unterbreitet. Nachfolgend veröffentlichen wir die Stellungnahme zu den maßgeblichen Empfehlungen im Wortlaut.                                                         Anmerkung der Redaktion

 

1.    Die Präsidentinnen und Präsidenten begrüßen, dass die Task Force und die Kommission bereits seit längerem von den Präsidentinnen und Präsidenten geforderte Maßnahmen zur Stärkung des Gedankens der Subsidiarität aufgegriffen haben:

  -   Die rechtzeitige und gezielte Einbeziehung der Regionalparlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen in die Konsultationsprozesse der Kommission bei spezifisch regionalen Interessen; Fristen bei Konsultationsprozessen sollten flexibel gehandhabt werden.

  -   Den pragmatischen Ansatz der Task Force, die Frist von 8 Wochen flexibel anzuwenden. Die von der Task Force angeregte Verlängerung der Frist zur Prüfung von Subsidiaritätsbedenken auf 12 Wochen im Wege einer nächsten Vertragsänderung ist weiterhin anzustreben.

 -    Die Aufnahme von Subsidiaritätsbedenken der regionalen Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen im Einzelnen im Jahresbericht der Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, gleichsam den begründeten Stellungnahmen der nationalen Parlamente.

 

2.    Die Präsidentinnen und Präsidenten erkennen an, dass die Task Force und die Kommission darüber hinaus weitere Maßnahmen für eine bessere Einbeziehung der Regionen bei der Gestaltung und Umsetzung der europäischen Rechtsetzung vorschlagen:

  -  Die Präsidentinnen und Präsidenten sind sich darin einig, dass die Einführung eines Prüfrasters auf fakultativer Basis mit einer Evaluation nach einer anfänglichen Probephase erfolgen sollte, ohne dabei den direkten Dialog der Regionalparlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen mit der Kommission einzuschränken oder zu ersetzen. Den Regionalparlamenten muss es weiter möglich sein, parlamentarische Beschlüsse und politische Argumente unmittelbar an die Kommission zu übermitteln. Die Präsidentinnen und Präsidenten begrüßen grundsätzlich die Nutzung des vorgeschlagenen gemeinsamen Prüfrasters bei der Erstellung der Normvorschläge, um die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit bereits bei Ausarbeitung von Rechtsetzungsvorhaben ins Zentrum der Überlegungen zu stellen.

 -   Nach Auffassung der Präsidentinnen und Präsidenten sollten die Mitgesetzgeber (Europäisches Parlament und Rat) stets umfassend über alle relevanten Umstände informiert sein, um verantwortlich entscheiden zu können. Sie begrüßen, dass aufbauend auf der Empfehlung der Task Force die Kommission beabsichtigt, generell bei jedem Gesetzgebungsverfahren eine Übersicht über alle eingegangenen parlamentarischen Stellungnahmen – auch die der Regionalparlamente - zu erstellen und nicht nur, wenn eine erhebliche Anzahl von begründeten Stellungnahmen vorliegt.

-    Mit der Umsetzung und Vollziehung von Unionsrecht sind überwiegend private und öffentliche Stellen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene befasst. Deshalb erscheint im Rahmen der von der Kommission beabsichtigten stärkeren Hervorhebung der territorialen Folgenabschätzung in ihren Rechtsetzungsleitlinien eine stärkere Berücksichtigung der Erfahrungen der lokalen und regionalen Ebene bei der Bewertung und Überarbeitung von Unionsrecht notwendig.

 

3.    Die Präsidentinnen und Präsidenten nehmen zu den Empfehlungen der Task Force und der betreffenden Mitteilung der Kommission, die zu einer besseren Rechtsetzung von Unionsrecht und damit zur Stärkung des Prinzips der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit beitragen können, wie folgt Stellung:

  -     Die Präsidentinnen und Präsidenten begrüßen die Empfehlung der Task Force an die Kommission und die Mitgesetzgeber (Europäisches Parlament und Rat) nach einer neuen Ausbalancierung der europäischen Rechtsetzung. Dabei sollten sich Europäisches Parlament, Rat und Kommission darin einig sein, die der Europäischen Union übertragenen begrenzten Einzelermächtigungen zurückhaltend und selbstbeschränkend auszuüben.

-     Die Präsidentinnen und Präsidenten betonen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips die Notwendigkeit, die Zuordnung und das Maß der Inanspruchnahme der Kompetenzen regelmäßig auf Sachgerechtigkeit hin zu überprüfen. Des Weiteren sollten eine Reduzierung der Regelungsdichte angestrebt und Beihilfe- und Vergaberegelungen auf das für das Funktionieren des Binnenmarktes unbedingt notwendige Ausmaß reduziert werden.

-    Um den Mitgliedstaaten und Regionen darüber hinaus einen möglichst großen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung von Unionsrecht zu sichern, sollte der Richtlinie politisch der Vorzug vor der Verordnung eingeräumt werden. Auch das Rechtsinstrument der delegierten Rechtsakte, das der formalen Subsidiaritätskontrolle nicht unterliegt, sollte deutlich restriktiver eingesetzt werden.

 

4.    Die Präsidentinnen und Präsidenten nehmen zu Empfehlungen der Task Force und der betreffenden Mitteilung der Kommission, die auf eine Vertiefung der Zusammenarbeit der europäischen Institutionen (Europäisches Parlament, Rat und Kommission) wie auch der nationalen und regionalen Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen zielen, wie folgt Stellung:

 -    Sie begrüßen, dass neben der Task Force auch die Kommission die nationalen Parlamente auffordert, im Rahmen ihrer Prüfung der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit die Landesparlamente zu konsultieren.

 -    Die Überlegungen der Task Force und das Angebot der Kommission zu einer aktiveren Zusammenarbeit der Kommission, der nationalen Parlamente und der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften noch vor der Annahme des Arbeitsprogramms durch die Kommission werden von den Präsidentinnen und Präsidenten grundsätzlich begrüßt.

 -    Die Präsidentinnen und Präsidenten begrüßen die von der Kommission unterstützte Empfehlung der Task Force an das Europäische Parlament und den Rat als Mitgesetzgeber, zu ihren Ausschuss- und Arbeitsgruppensitzungen sowie zu Anhö­rungen Vertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften einzuladen, so­weit dies für den betreffenden Vorschlag relevant ist.

 -    Sie begrüßen die angekündigten Bemühungen der Kommission zum Aufbau einer interinstitutionellen EU-Datenbank und sprechen sich dafür aus, dass diese die Stellungnahmen und Beschlüsse aller EU-Institutionen sowie aller demokratisch legitimierten nationalen, regionalen und lokalen Autoritäten enthält. Die Schaffung und Nutzung gemeinsamer Informationsplattformen kann zu einer verbesserten Subsidiaritätskontrolle der Landesparlamente beitragen.

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