Es braucht ein Nebeneinander

von Walter Leiss, 14.02.2018

Replik zum Beitrag „Was niemandem nützt“ von Bernhard Müller über die Dezentralisierung von Bundesbehörden. Beide Kommentare sind in der "Wiener Zeitung" veröffentlicht worden.

Viel wurde in den vergangenen Wochen über den „Masterplan für den ländlichen Raum“ berichtet. Ein Punkt daraus, die Dezentralisierung von Bundesstellen, hat dabei besondere Aufmerksamkeit nach sich gezogen.

Unbestritten ist Österreich sehr zentralistisch organisiert. Weder in der Schweiz noch in Deutschland ist eine derartige Konzentration an Bundesdienststellen und nachgelagerten Einrichtungen feststellbar. Die Ministerien, die Obersten Gerichtshöfe, die Nationalbank, die Kammern, der Hauptverband der Sozialversicherungsanstalt, Universitäten etc. . Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Zu diesen Stellen gehört auch das Bundesumweltamt.

Die Folgen sind für den Standort sehr bedeutsam. Hochqualifizierte Arbeitsplätze, mehr Einwohner, Stärkung der Kaufkraft - all das hat auch wesentliche Auswirkungen auf das Steueraufkommen der Standortgemeinde, in dem Fall Wien. Nicht verschwiegen werden sollen auch die Herausforderungen, die damit verbunden sind. Von der Infrastruktur, die bereitzustellen ist, bis zu den Auswirkungen am Wohnungsmarkt. Die Intention zu überprüfen, ob all diese Einrichtungen ihren Sitz in Wien haben müssen und auch Verlagerungen vorzunehmen, kann nur begrüßt werden. Ob Klosterneuburg der geeignete Ort für das Umweltbundesamtes ist, soll an dieser Stelle nicht behandelt werden (wie hätten die Kommentare gelautet wäre Liezen oder Gmünd als neuer Standort präsentiert worden?). Es geht um die grundsätzlichen Bemerkungen, die Bernhard Müller vom Urban Forum in seinem Kommentar angestellt hat.

Er stellt die Hypothese auf, dass derartige Dezentralisierungsmaßnahmen niemand nützen würden.

  1. Hohe Kosten würden verursacht. Richtig, aber die Kosten würden auch bei einem Neubau oder einer Renovierung am bisherigen Standort anfallen.

  2. Keine neuen Arbeitsplätze würden entstehen. Das ist richtig, aber jeder weiß, dass diese Arbeitsplätze in den strukturschwachen Regionen einen Überlebensgarant darstellen. Ohne Arbeitsplätze kommt es zu Abwanderung hin in die Zentren, die dann ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können - von notwendigen Neuinvestitionen in den Ballungsräumen bis zu damit verbundenen sozialen Problemen.

  3. Keine zusätzlichen Einnahmen für die neuen Standorte. Richtig, nicht jede Bundesbehörde unterliegt der Kommunalsteuerpflicht – das Bundesumweltamt allerdings schon. Langfristig betrachtet bringen die neuen Arbeitsplätze auch neue Bewohner und das ist relevant für die Verteilung der Ertragsanteile.

    Als ehemaliger Bürgermeister der zweitgrößten Stadt in Niederösterreich, Wiener Neustadt, sollte Bernhard Müller doch um die Auswirkungen der Gründung einer eigenen Landeshauptstadt und die Verlegung der Landesverwaltung nach St. Pölten wissen. Nicht nur die Verwaltung, sondern auch viele nachgelagerte Einrichtungen von Kammern bis Versicherungen haben nach und nach ihren Standort von Wien verlegt. Auswirkung davon ist, dass St. Pölten, das immer unter 50.000 Einwohner hatte, nun bei fast 65.000 Einwohner liegt und weiter wächst. Und auch Wiener Neustadt hat von dieser Verlegung profitiert, da viele wichtige Forschungseinrichtungen nach dorthin geholt wurden, von der Fachhochschule bis zu Med Austron. Die Impulse die damit ausgelöst wurden, kann jeder nachvollziehen.

  4. Menschen werden zu Pendlern. Für den ersten Moment zutreffend, aber in der langfristigen Perspektive werden sich wie das Beispiel St. Pölten zeigt, auch die Menschen an ihrem neuen Arbeitsplatz ansiedeln. Und dass man vielen Menschen das Pendeln in Hauptstadt damit erspart, führt auch zu kürzeren Wegen. Viele unserer Mitbürger würden sich das Pendeln in die Hauptstadt gerne ersparen.

Dass mit einer Verlegung die kurzen Wege nicht ausgeschlossen sind, zeigt der Einsatz neuer Technologien. Für viele Aufgaben ist es nicht erforderlich, in der Stadt seinen Arbeitsplatz zu haben – gute Glasfaseranbindungen schaffen Ersatz dafür.

Es braucht ein Nebeneinander von Zentren und ländlichem Raum. Dazu braucht es aber auch Impulse für den ländlichen Raum. Den ländlichen Raum auf die Lunge Österreichs zu reduzieren, scheint hier zu kurz gegriffen.

Informationen zu Walter Leiss



Walter LeissDr. Walter Leiss ist Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes

office@gemeindebund.gv.at

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