Die Dorfgemeinschaft als Innovationsschmiede – neue Wege der Governance?

von Dalilah Pichler, 18.11.2019

Die Arbeit von Kommunalpolitikerinnen und -politikern ist fordernd. Man will die eigene Stadt oder Gemeinde positiv verändern, übernimmt Verantwortung und versucht sein Möglichstes, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen.

Grenzen erwachsen im Arbeitsalltag aber leider allzu oft gleich von mehrfacher Seite. Einerseits konstatieren gesellschaftspolitische Entwicklungen eine allgemeine Politikverdrossenheit und eine Individualisierung der Gesellschaft. Jeder will, dass die eigenen Interessen als prioritär gesehen werden und damit natürlich auch für die kommunalpolitischen Entscheidungsträgerinnen und -träger ausschlaggebend sein sollen.

Andererseits reichen die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger an die kommunale Ebene häufig über die durch das föderale System eingeräumten gesetzlichen Möglichkeiten des Handelns hinaus. Man müsste eigentlich in Handlungsbereiche anderer Akteure hineinwirken, wenn man eine Herausforderung direkt lösen möchte. Spielt das Gegenüber nicht mit, steht es vielfach schlecht um eine Problemlösung. Für die Politik besteht die Gefahr, in Ohnmacht zu verfallen, da man einer verfahrenen Situation nicht Herr wird.

Genau das Gegenteil ist erfreulicherweise jedoch auch schon gelebte Praxis! Durch Innovation und unter Anwendung moderner Governance-Prinzipien finden Kommunalpolitikerinnen und -politiker erfrischende, neue Wege, um letztlich doch durch Innovation zum Ziel zu gelangen. Einige Fälle aus ganz Europa, die auf lokaler Ebene auf dringliche Herausforderungen neue Wege der Governance eingeschlagen haben, haben wir untersucht. Was ist uns dabei besonders aufgefallen?

Beim Vergleich der Fälle sogenannter „Governance Innovationen“ haben wir ein stark ausgeprägtes Kollaborationsverständnis der politischen Führungskräfte erkennen können. Die dort in Gang gesetzten Innovationsprozesse zeichneten sich besonders durch vier Merkmale aus. Erstens ermöglichten und unterstützten die Politikerinnen und Politiker formelle und auch informelle Treffen der relevanten Stakeholder. Hier liegt es an der politischen Führungskraft, die richtigen Akteure an den Tisch zu bringen und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenvertretungen über die „üblichen Verdächtigen“ hinaus sicherzustellen.

Vertrauen ist das nächste Stichwort im Innovationsprozess, denn ein zweiter Aspekt war die hohe Vertrauensbasis zwischen den beteiligten Akteurinnen und Akteuren und der Politik. Diese war fundiert durch den politischen Willen, Veränderungsprozesse zu starten, Prioritäten auf die politische Agenda zu setzen und Neues zu probieren.

Der dritte Ansatz liegt bei gleichberechtigten Entscheidungskompetenzen. Partizipation und Beteiligung standen bei diesen Prozessen an erster Stelle. Es sind Strukturen zu entwickeln, bei denen sich die Akteurinnen und Akteure möglichst früh einigen, wie bindende Entscheidungen getroffen werden sollen. Unterschiedliche Beteiligungsprozesse finden in Österreich bereits vor allem durch die Lokale Agenda 21 statt und können als Grundlage dienen, in Gemeinden Bürgerbeteiligung zu fördern.

Letztlich und ganz zentral gilt, dass die Politik die Innovationsbereitschaft vorlebt und davon überzeugt ist, dass neue Wege in ihrem Kontext beschritten werden können. Diese Offenheit und Risikobereitschaft müssen Politikerinnen und Politiker vorleben und vermitteln, damit die Zivilgesellschaft und Verwaltungsbedienstete sich befähigt fühlen und aktiv werden.

Empfehlungen

Was haben wir aus diesen Erkenntnissen auch für andere Kommunen gelernt und wie können Lokalpolitikerinnen und -politiker diese so wichtigen Innovationen in ihren Kommunen fördern und steuern?

Zuallererst sehen wir es als wesentlich an, dass ein unterstützendes Innovationsklima innerhalb und über Organisations- und Sektorengrenzen hinweg geschaffen wird, damit innovatives Denken gedeihen kann. Die Befähigung von Verwaltungsbediensteten sowie Bürgerinnen und Bürgern durch die Gewährung von Gestaltungsfreiraum führt zu einem offeneren Austausch von Information, Wissen und anderen Ressourcen. Als gewählte Vertretung sollten Politikerinnen und Politiker es als Hauptaufgabe sehen, Inklusion und Partizipation der weniger aktiven Bürgerinnen und Bürger zu fördern, um so ein Ungleichgewicht der Interessensvertretungen zu vermeiden.

Eine weitere Empfehlung ist, dass politische Führungskräfte die zugrunde liegende Komplexität eines Problems anerkennen. Je sensibler oder komplexer das Thema ist, desto mehr müssen Führungskräfte den Innovationsprozess schützen, indem sie Haltung zeigen, (politische) Risiken eingehen und Verantwortung für den Prozess übernehmen. Hier gehört es zur Aufgabe der Politik, vorzuleben, dass man bereit dazu ist, Neues zu wagen bzw. auszuprobieren. In einer Welt mit einer immer aktiver werdenden Zivilgesellschaft werden nur ganzheitliche Lösungsansätze langfristig Wandel herbeiführen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kreativität und Mut im Gestaltungsprozess sowie Beharrlichkeit zum Erreichen der gemeinsamen Ziele maßgeblich beitragen. Trotz aller impliziten und expliziten Hindernisse während eines politischen Prozesses zeigen die untersuchten Beispiele, dass ein Fehlen von institutionalisierten Strukturen kein Hindernis für eine politische Vision sein muss. Vielmehr öffnen agile Strukturen und ein modernes Kollaborationsverständnis bei den Entscheidungsträgerinnen und -trägern genau jene Türen, die ansonsten häufig verschlossen bleiben würden.

 

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Version des gleichnamigen Artikels in der KDZ Publikation „Nachhaltig wirken: Impulse für den öffentlichen Sektor“. Der vollständige Artikel inklusive einer Beschreibung der untersuchten Beispiele ist hier abrufbar: https://www.kdz.eu/de/content/die-dorfgemeinschaft-als-innovationsschmiede-neue-wege-der-governance

 

 

Informationen zu Dalilah Pichler



Dalilah PichlerDalilah Pichler, MSc. ist seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Junior Beraterin beim KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung. Sie studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien mit den Schwerpunkten Public Management und Accounting. Nach 3 Jahren Berufserfahrung in der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung absolvierte sie ein Masterstudium in Public Administration an der Erasmus Universität Rotterdam. Zu ihren Arbeits- und Forschungsschwerpunkten zählen die Haushaltsrechtsreform, Public Governance und Städtepolitik.

pichler@kdz.or.at

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