Die regionale Handlungsebene ist der Schlüssel für eine erfolgreiche dezentrale Konzentration!
von Helmut Hiess, 03.10.2019In einer parlamentarischen Enquete setzte sich der Bundesrat der Republik Österreich am 9. Oktober 2019 mit den Chancen und Möglichkeiten der Dezentralisierung auseinander. DI Helmut Hiess von Rosinak & Partner ZT GmbH spricht sich für die Stärkung der regionalen Handlungsebene und die Schaffung dezentraler Zentren aus.
Alle Politischen Bezirke außer den Städten sind in Österreich von Bevölkerungsrückgang betroffen: 40 Prozent der Gemeinden weisen einen Bevölkerungsrückgang auf (2005–2015). Hauptgrund für den Bevölkerungsrückgang ist nicht, wie vielfach angenommen, die Abwanderung, sondern eine negative Geburtenbilanz. 2015 hatte nur mehr eine Region (Politischer Bezirk) mit Bevölkerungsrückgang eine negative Wanderungsbilanz, aber alle Regionen außer einer hatten eine negative Geburtenbilanz.
In den ländlichen Regionen geht es nicht mehr so sehr darum, Abwanderung zu verhindern, sondern Zuwanderung, vor allem aber Rückwanderung zu unterstützen. Rückwanderung von Personen, die aus Ausbildungsgründen in die Städte gezogen sind, Zuwanderung von Personen, die auf den regio-nalen Arbeitsmärkten dringend gesucht werden (z. B. Facharbeiter in den Industrieregionen, Beschäf-tigte im Tourismus, Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter in den regionalen Zentren).
Den Rück- und Zuwanderinnen und -zuwanderern muss ein attraktives Lebensumfeld geboten werden, das Qualitäten von Stadt und Land miteinander verknüpft. Dazu zählen:
- attraktive Landschaft und intakte Natur (meist vorhanden)
- ganztägige Kinderbetreuungseinrichtungen und Ausbildungsstätten
- vielfältige Freizeit- und Kulturangebote
- Mobilitätsmöglichkeiten auch unabhängig vom Pkw
- attraktive Versorgung mit Einrichtungen der Daseinsvorsorge
Gleichzeitig sehen wir, dass Dienstleistungen, die vom Markt erbracht werden, immer stärker konzentriert werden. Dabei wird die verbesserte Erreichbarkeit mit der Nutzung von Größenvorteilen kombiniert:
- Die stationären Einzelhandelsgeschäfte haben sich zwischen 2007 und 2017 um ein Fünftel verringert.
- Die Zahl der Lebensmittelgeschäfte ist seit 1960 von ca. 24.000 auf 5.500 zurückgegangen.
- Die Zahl der Poststellen hat sich seit 1989 von 3.500 auf 1.700 mehr als halbiert.
- Die Zahl der Bankstellen hat seit 1991 um ein Viertel angenommen.
Auch die öffentliche Hand gerät unter Druck. Die Qualitätsansprüche an die zu erbringenden Leistun-gen steigen, gleichzeitig wird ein effizienterer und sparsamerer Einsatz von öffentlichen Geldern gefordert – welchen Ausweg aus diesem Dilemma gibt es?
Die Erhaltung und Schaffung von attraktiven Wohn-, Arbeits- und Lebensstandorten im ländlichen Raum erfordert die Stärkung der regionalen und kleinregionalen Zentren. Die Kehrseite der Dezentra-lisierung ist daher Konzentration gepaart mit Erreichbarkeit auf der regionalen Ebene.
Dezentrale Konzentration kann nur gelingen, wenn eine gemeinsame regionale Sicht entwickelt wer-den kann, wenn Kooperation und regionale Zusammenarbeit erfolgreich etabliert wird. Es geht darum, einen fairen Ausgleich zwischen den Zentren und den Gemeinden herzustellen und Konkurrenzverhältnisse zu überwinden. Dazu zählen z. B.
- die Entwicklung interkommunaler Betriebsgebiete an den besten Standorten
- die Entwicklung von regionalen Qualitätsangeboten für Wohnen, Kultur und Freizeit mit einem interkommunalen Finanzausgleich
- die gemeinsame Festlegung von attraktiven Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulstandorten
Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Der Teufel liegt im Detail. Voraussetzung ist die Etablierung einer regionalen Handlungsebene, auf der das Zusammenspiel aller Akteure (Gemeinden, Kammern, NGOs, Land, Bund) organisiert und gemanagt wird, Vertrauen entstehen kann und gemeinsam Ent-scheidungen getroffen werden. Die regionale Handlungsebene ist der Schlüssel zum Erfolg für eine geglückte dezentrale Konzentration.
Informationen zu Helmut Hiess

hiess@rosinak.at
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