Die Zuständigkeitsübertragung in der Landesregierung

von Tobias Huber, 07.07.2025

Für eine effiziente Verwaltung in einem liberalen Rechtsstaat ist es unerlässlich, dass Verwaltungsorgane ihre Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse selbständig übertragen können. Durch die Aufteilung von Leitungsbefugnissen nach Sachzusammenhängen in der Verwaltungsspitze können Zuständigkeitsbereiche sinnvoll gebündelt werden.

 

Der Übertragungsmodus von Entscheidungsbefugnissen auf Ebene der Landesregierung

Für die oberste Bundesverwaltung ist eine Aufteilung der Zuständigkeitsbereiche auf die jeweiligen Bundesministerinnen und Bundesminister gesetzlich vorgesehen. Sie sind verfassungsrechtlich als oberste Organe monokratisch organisiert. Im Bereich der Landesverwaltung enthält die Verfassung keine Vorgaben, ob die Letztverantwortlichkeit stets bei der Landesregierung zu liegen hat (Entscheidungsbefugnisse also nur per Mandat übertragen werden können), oder ob die Landesregierung Zuständigkeiten auch per Delegation auf ihre Mitglieder übertragen kann. Die zentrale Bestimmung des B VG zur obersten Landesverwaltung, Art 101 B VG, spricht nämlich ausschließlich von der Landesregierung als oberster Behörde. Die Rechtsprechung scheint dementsprechend stets die Landesregierung als (oberstes) Zurechnungssubjekt in der Zuständigkeitsordnung anzusehen. In der Lehre besteht hingegen weitgehend Einigkeit, dass eine tatsächliche Zuständigkeitsübertragung auf die einzelnen Mitglieder der Landesregierung möglich ist und diese – vergleichbar mit der obersten Bundesverwaltung – auch zu monokratischen obersten Organen in einem Ressortsystem werden. Für Adolf J. Merkl war dies die „praktisch wichtigste Organisationsfrage“ der Landesverwaltung.

Eine umfassende Interpretation der einschlägigen bundesverfassungsrechtlichen Bestimmungen vermag die in der Judikatur (und vereinzelt im Schrifttum) vorzufindenden Zweifel an der Möglichkeit einer Zuständigkeitsübertragung per Delegation jedoch zu beseitigen: Historische, systematische und grammatikalische Argumente sprechen dafür, dass die Bundesverfassung die Möglichkeit vorsieht, eine ressortmäßige Organisationsstruktur auf oberster Landesverwaltungsebene nach dem Muster der obersten Bundesverwaltung einzurichten. Zweifel in Rechtsprechung und Schrifttum sind großteils auf begriffliche Unschärfen zurückzuführen. Sie dürfen nicht von der Intention des Bundesverfassungsgesetzgebers ablenken. Eine rezente Änderung des § 3 Abs 1 BVG ÄmterLReg, der das zentrale Argument für die Einrichtung eines Ressortsystems und damit einhergehende Zuständigkeitsübertragungen darstellt, hat dieses Interpretationsergebnis zuletzt gestärkt: Die durch die Bestimmung verliehene mögliche Leitungsbefugnis des einzelnen Mitglieds der Landesregierung bezieht sich nunmehr auf „das Amt der Landesregierung“, und nicht mehr – wie in der Fassung vor der B-VG-Novelle BGBl I 14/2019 – (nur) auf „[d]ie Abteilungen des Amtes der Landesregierung“. Ob diese Änderung der Bestimmung (auch) dazu dienen sollte, Klarheit hinsichtlich des Betrauungsmodus zu schaffen, lässt sich aus den Gesetzesmaterialien zwar nicht erschließen, ihre Aussagekraft wird dadurch aber nicht geschmälert: Wenn verfassungsrechtlich die Befugnis eingeräumt wird, das Handeln des gesamten und einzigen behördlichen Hilfsapparats der obersten Landesverwaltungsebene zu bestimmen, der den Behördenwillen nach außen trägt, wäre die Unzulässigkeit einer Zuständigkeitsbegründung und damit einer Verantwortlichkeitszuweisung an das willensbildende Organ unschlüssig.

 

Die Landesverfassung als Determinante

Für eine Zuständigkeitsübertragung von der Landesregierung auf ihre einzelnen Mitglieder muss eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage in der Landesverfassung gegeben sein. Im Ergebnis handelt es sich bei der Entscheidung, ob auf oberster Landesverwaltungsebene ein Ressortsystem installiert werden kann, also um eine Kompetenz des jeweiligen Landesverfassungsgesetzgebers. Der Blick auf die einschlägigen Bestimmungen der Landesverfassungen zeigt, dass in allen acht in Frage kommenden Bundesländern (§ 3 BVG ÄmterLReg ist auf Wien nicht anwendbar; das zentrale Argument für die Möglichkeit einer Zuständigkeitsübertragung fällt für die Bundeshauptstadt somit weg und ist auch im Ergebnis zu verneinen) diese Möglichkeit besteht. Die einzelnen Mitglieder der Landesregierung haben jedoch kein subjektives Recht darauf, mit der Führung von obersten Landesverwaltungsgeschäften betraut zu werden.

 

Folgen und Grenzen der Zuständigkeitsübertragung

Durch eine entsprechende Zuständigkeitsübertragung werden die einzelnen Mitglieder der Landesregierung selbst zu obersten Organen der Landesverwaltung. Sie stehen sodann als monokratische Organe auf gleicher Ebene wie die Landesregierung. Die Anzahl der Mitglieder in den Landesregierungen und damit auch der möglichen obersten Organe ist von Bundesland zu Bundesland auffallend unterschiedlich.

Bei der Zuständigkeitsübertragung sind der Landesregierung jedoch Grenzen gesetzt. Zwar steht die Regelung des zulässigen Übertragungsumfangs grundsätzlich im Ermessen des Landes(verfassungs)gesetzgebers, die Bundesverfassung kennt jedoch ausdrückliche Vorbehalte zugunsten der Landesregierung und des Landeshauptmannes. Zuständigkeiten, die bundesverfassungsrechtlich dem Kollegialorgan Landesregierung oder dem Landeshauptmann zugewiesen werden, können weder durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen noch durch einfache Landesgesetze oder Verordnungen der Landesregierung einzelnen Mitgliedern der Landesregierung zur monokratischen Erledigung delegiert werden. Zudem darf die Landesregierung nicht alle ihrer Zuständigkeiten abgeben – sonst würde sie nämlich als von der Bundesverfassung eingesetztes Organ kompetenzlos.

Weil es bei der Einrichtung eines Ressortsystems zu Änderungen der objektiven Zuständigkeitsordnung kommt, muss die Delegation außenwirksam sein. Aus Art 103 Abs 2 B VG ergibt sich, dass die Landesregierung ihre Aufgabenbereiche durch eine „Geschäftsordnung“ übertragen kann. Die Geschäftsordnung ist somit das bundesverfassungsrechtlich vorgesehene, außenwirksame Instrument für die Zuständigkeitsübertragung. Sie ist ein Willensakt der Landesregierung und hat als Verordnung zu ergehen. Weil eine Änderung der objektiven Zuständigkeitsordnung auch die Allgemeinheit berechtigt und verpflichtet, ist die Geschäftsordnung der Landesregierung als Rechtsverordnung zu qualifizieren. Zudem handelt es sich um eine gesetzesvertretende, verfassungsunmittelbare Verordnung. Die sich aus der Delegation ergebende Änderung der Zuständigkeitsordnung hat darüber hinaus zur Konsequenz, dass unzuständiges Organhandeln vorliegt, wenn die Landesregierung als Kollegialorgan entscheidet, obwohl die Angelegenheit in den (delegierten) Zuständigkeitsbereich eines ihrer Mitglieder gefallen wäre.

Informationen zu Tobias Huber



Tobias HuberTobias Huber, LL.M. (WU) ist Universitätsassistent (prae doc) am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien und Träger des Preises für Föderalismus- und Regionalforschung 2025.

tobias.huber@wu.ac.at

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