Föderalistische Bemerkungen zum Reformdialog "Verwaltungsvereinfachung" des Bundes

von Peter Bußjäger, 25.06.2015

Unter dem Titel "Reformdialog Verwaltungsvereinfachung" hat die Bundesregierung am 23. Juni 2015 ein Papier vorgelegt, das hier aus der Sicht des Instituts für Föderalismus einer kritischen Würdigung unterzogen wird:

Einfachere und günstigere Unternehmensgründungen: Die hier vorgestellten Massnahmen sind gewiss sinnvoll. Sie beziehen sich vor allem auf die verstärkte Nutzung von elektronischen Medien und die Vereinfachung von Formvorschriften.

Dienstleistungen und Service für Österreichs Wirtschaft: Vorgeschlagen wird u.a. eine Neuregelung der Normenverfahren, die zu Deregulierung führen soll. Die Teilnahme am Normungsprozess soll transparent und kostengünstig möglich sein.  Eine Schlichtungsstelle soll geschaffen werden und die Zugänglichkeit der vom Gesetzgeber für verbindlich erklärten Normen soll mittelfristig kostenlos sein.

Auch diese Massnahmen können unterstützt werden.  Fraglich ist lediglich, ob damit eines der zentralen strukturellen Probleme des Normungswesens, dass nämlich die Ausarbeitung der – entweder im Wege der Rechtsetzung oder Rechtsprechung – für verbindlich erklärten Normen durch Fachgremien ohne politische Verantwortlichkeit erfolgt, behoben wird.

Ein weiterer Vorschlag bezieht sich auf die Abschaffung des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafverfahren. Dies führt nämlich in Einzelfällen dazu, dass für eine Tat mehrere Verwaltungsstrafen verhängt werden, die in Kumulation sehr hohe Summen erreichen können. Dieser Vorschlag ist diskutabel, wenngleich die Zielsetzung, Unternehmen, die gegen Rechtsvorschriften verstossen haben, finanziell zu entlasten, im Interesse der Akzeptanz der Rechtsordnung durchaus hinterfragt werden kann.

Schnellere und einfachere Verfahren für Unternehmen: Für die Bundesländergrenzen überschreitende UVP-Verfahren soll es eine Neuregelung geben, die wohl nur darin bestehen dürfte, dass die Zuständigkeit zur Abwicklung auf ein Bundesorgan übertragen wird. Es ist nicht ersichtlich, welche Vorteile daraus zu erwarten wären. Solche Verfahren sind nämlich selten.  Der als Beispiel herangezogene Fall der 380.KV-Leitung in Salzburg und Oberösterreich hat sich gerade nicht wegen Abstimmungsproblemen zwischen den beiden Ländern, sondern aus anderen Gründen verzögert.

Weiters soll ein One-stop-shop bei der Bezirkshauptmannschaft für anlagenbezogene Verfahren eingerichtet werden. Die Verfahren im Baurecht, Naturschutzrecht, Gewerberecht oder Wasserrecht sollen konzentriert im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren abgewickelt werden. Dies ist nach bestehender Rechtslage jetzt schon weitgehend im Wege organisatorischer Verfahrenskonzentration möglich. Dies hat den Vorteil, dass weit flexibler und den Erfordernissen des konkreten Falles angepasst vorgegangen werden kann.

Die Einbeziehung von Bauverfahren der Gemeinden kann derzeit im Wege freiwilliger Delegation von Gemeinden auf die Bezirkshauptmannschaften erfolgen. Ein Vorteil einer gesetzlichen Verankerung, für welche es eine bundesverfassungsrechtlich Ermächtigung mit Eingriff in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden bedürfen würde, ist nicht zu erblicken.

Ein bundesweites Verfahrensmonitoring soll zu Transparenz und Verfahrensbeschleunigung führen. Prinzipiell ist gegen  Benchmarking in der Verwaltung nichts einzuwenden. Die Länder haben in den vergangenen Jahrzehnten ein solches Verfahrensmonitoring in vielen Fällen bereits eingeführt. Einer  zusätzlichen Aufsichtsbürokratie durch den Bund bedarf es nicht. Sie würde nur weiteren administrativen Aufwand erfordern, ohne dass die Vergleichbarkeit verbessert wird. Bereits jetzt ist diese schwer herzustellen.

Einheitliche Rahmenbedingungen für ganz Österreich: Dies ist der kritischste Punkt des gesamten Dokuments: Das Papier schlägt praktisch eine Vereinheitlichung des gesamten Baurechts mit Ausnahme der regionalspezifischen baulichen Gestaltung vor, was immer das sein soll. Welche Einsparungen damit erzielt werden sollen, sagt das Papier nicht, vor allem nicht, wie hoch der Anteil dieser Massnahme an den Gesamteinsparungen von 30 Mio für die Verwaltung und 40 Mio für die Wirtschaft wäre. Vermutlich wäre er sehr niedrig.

Die Unterlage operiert mit einer Falschaussage, wenn behauptet wird, dass Unternehmen – nach der Vereinheitlichung – beispielsweise moderne Baustoffe bundesweit einheitlich einsetzen könnten. Damit wird suggeriert, dass dies derzeit nicht möglich sei, was unrichtig ist, denn die Funktion einer solchen bundesweiten Zulassung erfüllt das OIB.

Für die Länder besteht durch die Vereinheitlichung des Bautechnikrechts die Gefahr eines beträchtlichen Bürokratisierungsschubs, weil dadurch die Standards ähnlich wie im Normenwesen in die Höhe getrieben werden können und statt Deregulierung zusätzlicher Aufwand produziert würde.  Diese Vorschläge sind daher strikt abzulehnen, ganz abgesehen davon, dass durch die Vereinheitlichung des anlagenbezogenen Baurechts weitere Deregulierungsbemühungen der vergangenen Jahre zunichte gemacht würden.

Ähnlich kritisch muss das Vorhaben betrachtet werden, die sogenannten Landesgewerbe (Theater-, Kinowesen, Tanzschulen, private Zimmervermietung, Fremdenverkehr, Campingwesen, Buchmacher, Veranstaltungswesen, Ski- und Bergführertätigkeiten) in die Gewerbeordnung einzubeziehen. Abgesehen davon, dass solche schwerwiegenden Kompetenzverschiebungen wie beim Baurecht nicht singulär zu diskutieren wären, sondern nur im Zuge einer grundlegenden, föderalistisch orientierten Kompetenzreform, würden diese Zentralisierungen keine Vereinfachungen, sondern im Gegenteil neue Regulierung bringen:

Tanzschulen unterliegen in verschiedenen Bundesländern (z.B. Tirol und Vorarlberg) keinen gesetzlichen Beschränkungen mehr und würden dadurch wieder reguliert. Umgekehrt hat wohl das Burgenland keinen Bedarf an einer  Regelung des Schischulwesens, was in anderen Ländern hingegen in durchaus unterschiedlichem Ausmass der Fall ist.  Diese unterschiedlichen Regelungen belasten die Wirtschaft in keiner Weise. Dies gilt in gleicher Weise für gewerberechtliche Aspekte des Veranstaltungswesens, die in den Ländern im Vergleich zur Gewerbeordnung nur zurückhaltend reguliert sind. Von Vereinfachungen könnte daher keinesfalls gesprochen werden.

Die Umsetzung der Massnahmen ist in Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Länder geplant und soll bis 2016 erfolgen. Die Länder werden sich daher gegenüber diesen Bestrebungen entsprechend kritisch äussern müssen.

E-Government: Services für Bürgerinnen und Bürger: Diese Massnahmen können sinnvoll sein.

Entbürokratisierung konsequent leben: Zu diesem Zweck soll eine „unabhängige Monitoringstelle“ eingerichtet werden. Ihre Aufgabe soll sein, die Umsetzung der Verwaltugnsreform zu koordinieren, zu beobachten und darüber Bericht zu erstatten. Dem Institut für Föderalismus erschliesst sich nicht, welche Vorteile aus der Einrichtung einer neuen Aufsichtsbürokratie zu lukrieren wären. Die Bundesministerien haben im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung bereits jetzt die Möglichkeit, Informationen einzuholen und Berichte zu erstatten, soweit sie für die Verwaltungsreform nicht ohnehin selbst oder die ihnen unterstellten Behörden verantwortlich sind.

Viele der vorgeschlagenen Massnahmen  sind grundsätzlich sinnvoll und können unterstützt werden. Überaus kritisch zu sehen sind die geplanten Vereinheitlichungen im Bereich des Baurechts und der sogenannten Landesgewerbe, die zu mehr Bürokratie als bisher führen würden. Ebenso ist im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand Bestrebungen kritisch gegenüberzustehen, eine neue Aufsichtsbürokratie zu installieren wie dies bei der unabhängigen Monitoringstelle der Fall wäre.

Auffallend ist, dass das Papier keine einzige Massnahme enthält, in welchen Zuständigkeiten der Bundesminister oder unmittelbarer Bundesbehörden im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Standortattraktivität auf Landesbehörden delegiert werden sollen.  Dies deutet nicht gerade darauf hin, dass auch eigene Zuständigkeiten hinterfragt wurden wie dies eine entschlossene Verwaltungsreform tun sollte.

Informationen zu Peter Bußjäger



Peter BußjägerUniv.-Prof. Dr. Peter Bußjäger ist Direktor des Institutes für Föderalismus und Professor am Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre der Universität Innsbruck.




peter.bussjaeger@foederalismus.at

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