GVO: Bundesrat lehnt EU-Verordnungsentwurf als Scheinsubsidiarität ab
von Edgar Mayer, 09.07.2015In einer Mitteilung an die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament lehnte der EU-Ausschuss des Bundesrats in der Sitzung vom 1. Juli unter meinem Vorsitz den Verordnungsentwurf „ hinsichtlich der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Verwendung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen“ ab. Zuvor haben sich schon der Länder in einer einheitlichen Stellungnahme kritisch zum EU-Gesetzesentwurf geäußert. Hier der Text der formellen Mitteilung gemäß Art. 23 f Abs. 4 B-VG:
Mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag möchte die Europäische Kommission formal die Rolle der Mitgliedstaaten im Zulassungsverfahren stärken, indem sie ihnen die Möglichkeit einräumt, die Verwendung von zugelassenen GVO und gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln in ihrem Hoheitsgebiet zu untersagen. Es handelt sich beim vorliegenden EU-Vorhaben um den seltenen Fall, dass die EU einen bereits harmonisierten Bereich lockert und den Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum als bisher einräumt. Nach eingehender Prüfung kommt der Bundesrat allerdings zum Schluss, dass es sich hierbei nur um eine Scheinsubsidiarität handelt, die nach Ansicht des Bundesrates sogar eine Verschlechterung der Situation der Mitgliedstaaten befürchten lässt.
Die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, die Verwendung von GVO und gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln zu untersagen, ist bereits durch die Formulierung des Verordnungsvorschlages extrem eingeschränkt. Mitgliedstaaten dürfen sich bei der Entscheidung nämlich nicht auf Gründe im Zusammenhang mit der Bewertung von Gesundheits- und Umweltrisiken berufen, da diese nach Ansicht der Kommission bereits im Zulassungsverfahren und durch die Risikobewertung der EFSA umfassend abgehandelt seien. Es sind aber gerade die Aspekte des Schutzes menschlicher und tierischer Gesundheit sowie des Umweltschutzes, die gegen die Zulassung von GVO und gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln sprechen. In der Praxis schränkt damit die Kommission die mitgliedstaatlichen Rechtfertigungsmöglichkeiten massiv ein. Mit der Forderung, dass die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Gründe entweder in Artikel 36 AEUV oder in der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bereits genannt wurden, spricht die Kommission den Mitgliedstaaten zudem die Möglichkeit ab, neue Begründungen zu entwickeln. Dies zeigt deutlich, dass es sich bei der angeblichen Erweiterung der mitgliedstaatlichen Rechte lediglich um Theorie handelt.
Der Bundesrat befindet darüber hinaus, dass in der Praxis eine Verschlechterung der Situation der GVO-kritischen Mitgliedstaaten und sogar eine Erhöhung der Anzahl von in Europa zugelassenen GVO und gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermittel zu befürchten ist. Es ist nach Ansicht des Bundesrates zu befürchten, dass künftig im Risikobewertungsverfahren von GVO ein liberalerer Beurteilungsmaßstab angelegt werden könnte, da eine nähere Berücksichtigung der mitgliedstaatlichen Interessen zumindest der Form nach ohnehin in den vorgesehenen Untersagungsmöglichkeiten enthalten ist. Wenn somit eine höhere Anzahl an GVOs zugelassen werden und die Untersagungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten sich aber als zahnlos und fiktiv erweisen, würde im Ergebnis die Zahl der in Europa zugelassenen GVO und gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermittel steigen.
Diese Gefahr wird weiters durch die Tatsache verschärft, dass durch die Unkontrollierbarkeit des Warenverkehrs in Europa selbst im Falle der Untersagung der Verwendung von GVO und gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln durch einen Mitgliedstaat (soweit dies unter Anführung anderer Gründe als den Umwelt und Gesundheitsschutz gelänge) keine Möglichkeit bestünde, die faktische Einfuhr in diesen Mitgliedstaat zu verhindern. Selbst wenn ein Staat die Verwendung von GVO untersagt hätte, wäre es nahezu unmöglich zu verhindern, dass in anderen Staaten zugelassene GVO im eigenen Staatsgebiet in Verkehr gebracht werden.
Aus Sicht des Bundesrates steht der vorliegende Verordnungsvorschlag in einem Spannungsverhältnis mit dem Subsidiaritätsprinzip.
Der Bundesrat hält den Verordnungsvorschlag nicht für geeignet, das angestrebte Ziel der Erweiterung des mitgliedstaatlichen Spielraums zu erreichen. Der Bundesrat steht dem Verordnungsvorschlag in der derzeitigen Form ablehnend gegenüber.
Informationen zu Edgar Mayer

edgar.mayer@parlament.gv.at
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