Steuerautonomie: Mehr Leistung, mehr Wachstum, ausgeglichener Wohlstand

von Christian Keuschnigg, 09.10.2015

Fiskalischer Wettbewerb könnte auch in der Politik Ansporn für ein besseres Paket an staatlichen Leistungen und Steuerbelastung im Interesse der Bürger und Unternehmen in den Regionen sein. Mehr lokale Steuerautonomie gibt den Bundesländern ein mächtiges Instrument, um die Politik auf die örtlichen Gegebenheiten zuzuschneiden. Wirtschaftsstarke Ballungsgebiete haben andere Bedürfnisse und können angesichts natürlicher Standortfaktoren höhere Steuern durchsetzen. Andere Länder können mit niedriger Steuerbelastung andere Standortnachteile wettmachen.

 

In Österreich können Länder und Gemeinden fast keine Steuern autonom festlegen. Sie bekommen für die Erledigung ihrer Aufgaben einen fixen Anteil an den gemeinsamen Steuereinnahmen im Rahmen des Finanzausgleichs zugewiesen. Weil damit die Höhe ihrer Steuereinnahmen fest vorgegeben ist, können sie weder höhere Ausgaben im Interesse des Landes selbst finanzieren noch können sie größere Einsparungen in Form von Steuersenkungen an die eigenen Bürger weitergeben.  Das hebelt die Sparanreize im Staat aus und nimmt den Ländern eines der wichtigsten Instrumente, um Ausgaben und Steuerbelastung auf die regionalen Bedürfnisse zuzuschneiden.

Für einen Steuerwettbewerb eignen sich am besten die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Körperschaftsteuer. Erst mit diesen breiten Steuern können die Länder ihre Einnahmen ausreichend erhöhen oder spürbar senken.  Ein konkretes Modell für mehr Steuerautonomie könnte wie folgt aussehen: der Bund senkt seine Steuersätze und lässt anstatt dessen die Länder einen überall gleich hohen Zuschlag einheben. Laut den Berechnungen der Studie entspricht dieser Zuschlag etwa 7,3 Prozentpunkten der Lohn- und Einkommensteuer. Mit den Einnahmen müssen die Länder die ihnen zugewiesenen Aufgaben selber finanzieren. In diesem ersten Schritt ändern sich weder die Steuerbelastung der Bürger noch die Einnahmen von Bund und Ländern.

Mit einem einheitlichen Zuschlag würden aufgrund der unterschiedlich großen Steuerbasis (viele Gutverdiener oder nicht, viele oder wenige Unternehmen) die einzelnen Ländern mehr oder auch weniger einnehmen als bisher. Das zeigt, dass der bisherige Verteilschlüssel für die gemeinsamen Steuereinnahmen versteckt umverteilt, von den "reicheren" zu den "ärmeren" Bundesländern, aber das Ausmaß dieser Umverteilung ist ohne aufwendige Berechnungen nicht feststellbar und damit auch nicht verhandelbar. Konkret sind derzeit bereits Wien, Salzburg, Tirol und Vorarlberg Nettozahler und Kärnten und Burgenland Nettoempfänger. Die Berechnungen zeigen, dass die regionale Umverteilung durch den Verteilschlüssel für die Körperschaftsteuer tendenziell grösser ist, aber auch davon abhängt, ob die Steuer am Hauptstandort eines Betriebs oder an den jeweiligen Produktionsstandorten eingehoben wird. Die versteckte Umverteilung wird in transparente Finanzausgleichszahlungen umgewandelt, damit es keine Verlierer und Gewinner gibt und alle Länder mit den gleichen Zuschlagssätzen in den Wettbewerb starten können.

Nun kann ein Bundesland seine Aufschläge verringern, um Betriebe und Arbeitnehmer anzulocken. Die Sparanreize verbessern sich, weil jede Einsparung den eigenen Bürgern und Unternehmen in Form einer geringen Steuerbelastung weitergegeben werden kann, anstatt sie wie derzeit mit allen neun Ländern teilen zu müssen. Die wegfallenden Steuereinnahmen werden wenigstens teilweise durch verbesserte Standortattraktivität gegenüber anderen Bundesländern und dem Ausland wettgemacht. Genauso gut könnten Länder mit einem konkurrenzfähigen Gesamtpaket ihre Zuschläge erhöhen, um besonders wichtige Leistungen für die Region zu finanzieren. Für die Steuerzahler ist die Steuerbelastung nicht das einzige Kriterium für die Wahl des Wohnorts bzw. Betriebsstandorts. Eine gute Verkehrsanbindung, eine verlässliche Gesundheitsversorgung, Kindergartenplätze und eine gute Infrastruktur für die Wirtschaft sind ebenfalls wichtige Faktoren.

In mehreren Simulationsszenarien zeigt die Studie, wie sich Steuerwettbewerb und mehr Finanzautonomie der Bundesländer auswirken könnten:

Diese Ergebnisse zeigen, was die Erfahrungen in anderen föderalen Staaten lehren: Würden die großen Fehlanreize in der bestehenden Form des österreichischen Governance beseitigt, wäre ein spürbarer Wohlstandsgewinn für unser Land möglich.

 

Informationen zu Christian Keuschnigg



Christian KeuschniggProfessor für Nationalökonomie, insbesondere öffentliche Finanzen, an der Universität St. Gallen, Direktor des Instituts für Höhere Studien 2012 - 2014, Leiter des Wirtschaftspolitischen Zentrums Wien

christian.keuschnigg@unisg.ch

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