Das Institut für Föderalismus, das Peter Pernthaler von 1975 bis 2000 aufgebaut und zu einer anerkannten wissenschaftlichen Forschungsinstitution gemacht hat, beglückwünscht seinen ersten Institutsdirektor recht herzlich. Seine umfangreichen Werke – wie u.a. zu Raumordnung und Verfassung (in drei Bänden 1975, 1978 und 1990 erschienen), zur Kompetenzverteilung in der Krise (1989) oder zum differenzierten Bundesstaat (1992) –, vielfach in der Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus erschienen, haben den österreichischen Bundesstaat wesentlich geprägt und weiterentwickelt.
Für Peter Pernthaler war nicht nur die Entwicklung wissenschaftlicher Theorien wichtig, sondern auch deren erfolgreiche Umsetzung in die Praxis. Seine Arbeiten und sein Engagement haben Impulse für Gesetzgebung und Verwaltung gesetzt und das Verständnis und die Wertschätzung für den Föderalismus in unserer Gesellschaft gestärkt. Mit der Vergabe des Preises wird auch die Tätigkeit und das Wirken des Instituts für Föderalismus anerkannt.
Über den Beschwerdeführer wurde von der BH Korneuburg eine Strafe verhängt, da er sich durch das Tragen einer Burka im Bahnhofsbereich der Erfassung durch die den öffentlichen Raum erfassende Videoüberwachungskamera zu entziehen suchte und somit gegen § 2 Abs 1 Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz (AGesVG), BGBl I 68/2017 verstoßen habe. Das LVwG NÖ wies die gegen diesen Strafbescheid erhobene Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer vorbrachte, dass das AGesVG verfassungswidrig sei (insbesondere wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Datenschutz), als unbegründet ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer eine Erkenntnisbeschwerde an den VfGH wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.
In dieser brachte der Beschwerdeführer – neben anderen Bedenken – vor, dass sich das gesamte AGesVG nicht auf den Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG stützen lasse, da nicht nachvollziehbar sei, inwiefern ein Verhüllungsverbot mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu tun habe.
In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1586 BlgNR 25. GP, 11) wird dazu ausgeführt: „Die Regelung stützt sich kompetenzrechtlich auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei). Die öffentliche Ordnung im Sinne dieser Kompetenzbestimmung bezeichnet nicht die Rechtsordnung, sondern die äußerliche Ordnung, d.h. ‚die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen angesehen wird‘ (VwSlg 543 A/1948). Der Verfassungsgerichtshof fasst unter den Begriff der öffentlichen Ordnung ‚Regelungen, die für das Funktionieren des Zusammenlebens der Menschen im Staate wesentlich sind‘ (VfSlg 15394). Die Ermöglichung zwischenmenschlicher Kommunikation ist eine wesentliche Funktionsbedingung für ein friedliches Zusammenleben in einem demokratischen Rechtsstaat. Für Kommunikation bildet das Erkennen des Anderen bzw. dessen Gesichts eine notwendige Voraussetzung.“
Der VfGH wies die Beschwerde als unbegründet ab. In seinen Entscheidungsgründen hält der VfGH zu den kompetenzrechtlichen Bedenken des Antragstellers fest: „Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof auch keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen das AGesVG. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AGesVG stufen das Erkennen der Gesichtszüge einer Person in der Öffentlichkeit als wesentliche Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in einem demokratischen Rechtsstaat ein […]. Regelungen, deren Befolgung als Voraussetzung für ein funktionierendes Zusammenleben in der Gesellschaft wesentlich ist, sind vom Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG (‚Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung‘) erfasst.“
Diese – wohl etwas zu allgemein gehaltene – Aussage lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass sich jedwede Regelung, welche für ein „funktionierendes Zusammenleben in der Gesellschaft wesentlich ist“, auf Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG stützen lasse. Wie bereits aus der in den Gesetzesmaterialien zitierten Judikatur hervorgeht, muss es sich dabei um Regelungen handeln, welche für das friedliche Zusammenleben „unentbehrliche Voraussetzung“ bzw „wesentlich“ sind.
Im gegenständlichen Verfahren mag dies bezogen auf das Gesichtsverhüllungsverbot wohl der Fall gewesen sein (die mehr oder weniger vollständige Verhüllung einer Person ist auch ein Sicherheitsaspekt, was gerade im Beschwerdefall deutlich wurde, war doch der Beschwerdeführer ein Mann, der durch die den öffentlichen Raum erfassende Videoüberwachungskamera nicht erfasst werden und in der Öffentlichkeit nicht erkannt werden wollte); nähere Ausführungen des VfGH zu der Frage, aus welchen konkreten Gründen das Erkennen der Gesichtszüge einer Person in der Öffentlichkeit eine wesentliche Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben, hätten diesbezüglich für weitere Klarheit sorgen können.
So antworteten 36% bzw. 21% der Befragten, dass sie der Gemeinde- bzw. Landespolitik am meisten vertrauen. 11% bzw. 7% nannten die Bundes- und EU-Politik. Diese Werten verhalten sich seit der ersten Erhebung der Gemeindebundstudie im Jahre 2021sehr stabil. Die Menschen differenzieren also klar zwischen einer „Politik der Nähe“ (Gemeinde- und Landespolitik) und einer „Politik der Ferne“ (Bundes- und Europapolitik). Ein föderaler Staatsaufbau kann also für das wichtige gesellschaftliche Kapital des Vertrauens und der Zufriedenheit unterstützend wirken.
Es stellt sich die Frage, ob diese beiden Besonderheiten – man führe sich etwa im Vergleich dazu die entsprechenden Regelungen zur Wahl des Nationalrats vor Augen – mit dem wahlrechtlichen Homogenitätsprinzip vereinbar sind.
Hier gibt das Erk VfSlg 19.820/2013 Aufschluss: Der VfGH prüfte in diesem Fall eine Bestimmung der NÖ LTWahlO, welche einen Vorrang der Vorzugsstimme vor der Parteistimme festlegt („Wenn eine gültige Vorzugsstimme für Bewerber der selben Parteiliste […] abgegeben wurden, so gilt der Stimmzettel als gültige Stimme für diese Partei, selbst wenn eine andere Partei bezeichnet wurde.“), und diese für verfassungskonform befunden. In dieser Entscheidung wurde generell zur Ausgestaltung eines Vorzugsstimmensystems auf Landesebene ausgeführt: „Das System der Vorzugsstimmen stellt einen wesentlichen Aspekt der Personalisierung der Parteilisten dar. So hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Personalisierung den wahlwerbenden Parteien (VfSlg 10.178/1984) insbesondere ermöglichen soll, im Wege der Kandidatur von für die Wähler besonders attraktiven Bewerbern die Parteienpräferenz der Wähler zu beeinflussen; ein Effekt, der durch das Fehlen des ‚Stimmensplitting‘ und die Regelung, wonach eine Stimme für eine wahlwerbende Partei auch dann gültig ist, wenn zwar nicht diese, wohl aber mindestens ein Bewerber einer Parteiliste, bezeichnet ist, noch verstärkt wird.“ Weiters hielt der VfGH in diesem Erk fest: „Die Bundesverfassung enthält keine ausdrücklichen Vorschriften über die Frage der Gültigkeit bzw. Zurechenbarkeit von Stimmzetteln insgesamt und der von Vorzugsstimmen im Speziellen. Auch bilden die in der Nationalrats-Wahlordnung 1992 enthaltenen Bestimmungen keinen abschließenden Maßstab für die Ausgestaltung des Verhältniswahlsystems durch die Landesgesetzgeber […], sodass sie beispielsweise an kein bestimmtes Wahlsystem gebunden sind und ihnen auch die Regelung der Wahlkreise sowie der Wahlzahl überlassen bleibt (zB VfSlg 8852/1980). Die Entscheidung, wie die Frage der Gültigkeit eines Stimmzettels, auf dem sowohl eine Partei angekreuzt als auch ein Bewerber einer anderen Wahlpartei bezeichnet ist, geregelt wird, liegt ebenso innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des jeweiligen Gesetzgebers, weshalb sich auch ein Vergleich mit den anderen Bundesländern und der Nationalrats-Wahlordnung 1992 erübrigt.“
Das zur Regelung in der NÖ LTWahlO Ausgeführte lässt sich auch auf § 61 Abs 5 und § 77 Bgld LTWO anwenden: Dem Burgenländischen Landesgesetzgeber steht es frei, ein solches Vorzugsstimmensystem, welches von den Bestimmungen der NRWO abweicht, zu regeln; das wahlrechtliche Homogenitätsprinzip steht dem jedenfalls nicht entgegen. Es ist erfreulich, wenn die Länder, wie hier Niederösterreich und Burgenland, Möglichkeiten nutzen, innerhalb der Schranken des wahlrechtlichen Homogenitätsprinzips für eine stärkere Personalisierung des Wahlrechts zu sorgen.
Das Institut für Föderalismus möchte dem scheidenden Institutsassistenten MMag. Dr. Mathias Eller für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren herzlichen Dank aussprechen. Zahlreiche Publikationen, viele gemeinsam mit dem Institutsdirektor Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger, stellen die gute Kooperation eindrucksvoll unter Beweis (Auswahl):
Für seine weitere berufliche Laufbahn in der Tiroler Landesverwaltung wünscht das Institut für Föderalismus MMag. Dr. Mathias Eller alles Gute!
Um diesen Zweck zu erreichen, wird in Art. 15 B-VG ein neuer Abs. 5 eingefügt. Der Landesgesetzgebung soll damit, entgegen der bisherigen, eine solche Option ablehnenden Rechtsprechung des VfGH,[1] eine Koppelung von hoheitlicher Flächenwidmung und privatrechtlicher Vereinbarung in der örtlichen Raumplanung ermöglicht werden. Gemeinden sollen damit Flächenwidmungen an bestimmte Auflagen knüpfen können. So könnte beispielsweise die Umwidmung eines Grundstückes in Bauland mit der Bedingung verbunden werden, einen Teil des Grundstückes zur Schaffung leistbaren Wohnraums zu verwenden.
Ob das angestrebte Ziel der „Rechtssicherheit“ durch diese Novelle tatsächlich erreicht werden kann, ist dennoch fraglich. Gerade das bereits bisher bestehende Rechtsschutzproblem, das der Vertragsraumordnung innewohnt, könnte durch die gegenständliche Novelle vielmehr befeuert werden, da Grundstückseigentümer bis zu einem gewissen Grad der Willkür des Gemeinderates bzw. der Gemeindevertretung ausgeliefert sind, der bzw. die – sofern damit öffentliche Interessen verfolgt werden – hoheitliche Handlungen oder Flächenwidmungen vom Zustandekommen eines zivilrechtlichen Vertrags abhängig machen kann. Entscheidend wird wohl sein, wie die Landesgesetzgebung die Möglichkeit der Gemeinden, derartige zivilrechtliche Verträge bei Widmungen bzw. anderen hoheitlichen Handlungen abzuschließen, legistisch verankert. Für die Gemeinden wird indes das Hauptaugenmerk darauf liegen, unsachliche Bedingungen in zivilrechtlichen Verträgen hintanzuhalten. Solche unsachlichen Bedingungen könnten – im Rahmen der Anfechtung eines Flächenwidmungsplanes – in Form eines Individualantrages auch direkt an den VfGH herangetragen werden.
[1] Vgl. grundlegend VfSlg. 15.625/1999.
Die wesentlichen Eckpunkte dieses Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes wurden den Ländern vom Bundesministerium für Klimaschutz anlässlich einer Besprechung Ende Februar 2024 vorgestellt. Ein Entwurf eines solchen Gesetzes wurde bislang jedoch nicht veröffentlicht. Die Länder äußerten im Rahmen der ihnen eingeräumten Stellungnahmemöglichkeit auch einige Bedenken gegen die Pläne des Bundes.[1]
Wenngleich der Ausbau erneuerbarer Energie durch Beschleunigung der Genehmigungsverfahren grundsätzlich zu begrüßen ist, besteht die Gefahr, dass es durch das geplante Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz zu einem weitreichenden Kompetenzverlust der Länder in den Bereichen Anlagenrecht und Raumplanungsrecht kommen könnte.
Einige der im Frühjahr seitens des Bundes geplanten Änderungen wären im Übrigen auch nicht zur Umsetzung der RED III erforderlich:
So scheint etwa der Bund die Auffassung zu vertreten, dass nach der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie für sämtliche Vorhaben im Anwendungsbereich dieser Richtlinie ein konzentriertes Genehmigungsverfahren zu etablieren ist. Diese Auslegung wird jedoch durch den Wortlaut einzelner Richtlinienbestimmungen nicht gestützt. Die Einführung eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens für alle in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Anlagen und der damit zwangsläufig verbundene Eingriff in die Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz der Länder, insbesondere in Angelegenheiten des Baurechts, des Naturschutzrechts und des Elektrizitätswirtschaftsrechts, scheint daher unionsrechtlich nicht geboten. Auch die vom Bund beabsichtigte Erlassung grundsatzgesetzlicher Vorgaben für Beschleunigungsgebiete im Raumplanungsrecht würde einen weitgehenden Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz der Länder bewirken und ihren Handlungsspielraum massiv einschränken. Die maßgeblichen inhaltlichen Vorgaben, die die Länder bereits derzeit im Rahmen ihrer Raumordnungskompetenz treffen können, ergeben sich ohnehin aus der Richtlinie selbst.
Vereinzelt wäre es zudem zweckmäßiger, den Landesgesetzgeber zu ermächtigen, die erforderliche Verfahrenskonzentration im landesrechtlichen Verfahren vorzusehen, etwa bei Vorhaben, die einer Naturverträglichkeitsprüfung bedürfen.
Es bleibt abzuwarten, inwiefern der Bund die durchwegs berechtigten Bedenken der Länder berücksichtigt. Die Umsetzung drängt jedenfalls, da sie bis spätestens 21. Mai 2025 zu erfolgen hat bzw. einige Bestimmungen sogar bereits implementiert werden hätten müssen, was bislang – soweit ersichtlich – großteils aber noch nicht erfolgt ist.
[1] Siehe VSt-2600/3 vom 3.4.2024 sowie die entsprechende Beilage dazu.
Die entsprechenden Änderungen im B-VG wurden mit BGBl I 68/2024 kundgemacht.
Während im ursprünglichen Initiativantrag (3848/A), der in den Nationalrat eingebracht wurde, noch eine Regelung enthalten war, wonach die Berechtigung zur Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten und Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten, zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch für Landtage und deren Mitglieder sinngemäß gelte, wurde diese Bestimmung im Rahmen der Ausschussberatungen ersatzlos gestrichen. Es stellt sich daher nun die Frage, ob der Landesgesetzgeber selbst eine entsprechende Regelung für die Landtage erlassen darf. Ausweislich der Ausführungen im Abänderungsantrag des Ausschusses scheint der Bundesgesetzgeber davon auszugehen, dass es sich bei einer derartigen Regelung nicht primär um eine Angelegenheit des Datenschutzes (Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG), sondern um eine Frage der Geschäftsbehandlung im jeweiligen Vertretungskörper handelt. Folgt man dieser Auffassung, ist der Landesgesetzgeber auch ermächtigt, eine entsprechende Regelung für den Landtag vorzusehen.
Im Übrigen wurde durch die Verfassungsbestimmung des § 35a Informationsordnungsgesetz mit dem Parlamentarischen Datenschutzkomitee eine eigene Aufsichtsbehörde nach der DSGVO für den Bereich der Gesetzgebung eingerichtet. Auch die Landtage können sich durch Landesverfassungsgesetz dieser neuen Behörde unterstellen (Abs. 2 leg. cit.).
Konkret wird mit der B-VG-Novelle „die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung“ von Wohnungen in die Zuständigkeit der Länder übertragen. Dabei geht es auch um Zweitwohnsitze. Außerdem stellt eine ergänzende Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes sicher, dass die Länder auch dann Leerstandsabgaben einheben dürfen, wenn der Bund ähnliche Steuern beschließt.
Diese Kompetenzänderung zugunsten der Länder ist jedenfalls zu begrüßen, da den Ländern dadurch mehr Handlungsspielraum eingeräumt wird und sie nunmehr auch Leerstandabgaben mit hinreichend steuernder Wirkung einheben dürfen. Als weiteren Schritt zur Verminderung des Drucks am Wohnungsmarkt ist diese Maßnahme wichtig, dennoch aber nur ein Puzzlestück von vielen. Zahlreiche weitere Maßnahmen, wie etwa die Festlegung eines zwingenden Anteils an förderbaren Wohnungen bei Neubauprojekten, Eingriffe in den Siedlungsbestand, z.B. im Dienste von Klimawandelanpassung und Klimaschutz („Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen“) oder die Förderung von Rückbau, Abriss und Entsiegelung dort, wo keine Nachnutzung erfolgt, können auf Grund kompetenzrechtlicher Schranken nach wie vor nicht gesetzt werden. Das Institut für Föderalismus hat bereits in der Vergangenheit gefordert, dass die nicht aktiv ausgeübten Bundeskompetenzen „Volkswohnungswesen“ (Art. 11 Abs. 1 Z. 3 B-VG) und „Assanierung“ (Art. 11 Abs. 1 Z. 5 B?VG) nahezu gänzlich in die Kompetenz der Länder übertragen werden. Die Übertragung in die Landeskompetenz würde eine zielgerichtete, von den jeweiligen Bedürfnissen auf Landesebene abhängige und daher notwendigerweise differenzierte Steuerung ermöglichen. Auf diese Weise würde eine neue Landeskompetenz „Raumentwicklung“ geschaffen werden, die eine an den aktuellen Notwendigkeiten einschließlich des Klimaschutzes orientierte Regionalentwicklung ermöglichen würde.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Urteil vom 09.04.2024, Nr. 53.600/20, Verein KlimaSeniorinnen Schweiz ua (Große Kammer), erstmals über eine „Klimaklage“ entschieden und die Schweiz wegen unzureichender Klimaschutzmaßnahmen verurteilt.
Im gegenständlichen Urteil wurde festgestellt, dass Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) ein Recht auf wirksamen Schutz vor schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität umfasst.
Für Österreich bedeutet das, dass Klimaschutzorganisationen und Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen nun eine Verletzung in Grundrechten aufgrund unzureichender Klimaschutzmaßnahmen des Staates geltend machen können.
Darüber hinaus lag nach Ansicht des EGMR auch eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK vor, weil der beschwerdeführende Verein nach dem innerstaatlichen Recht keine Möglichkeit hatte, die Verletzung von Art. 8 EMRK durch die unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen der Schweiz geltend zu machen.
Es muss daher auch in Österreich ein ausreichender Rechtsschutz in derartigen Fällen sichergestellt sein. Die meisten Klimaklagen erfolgten hierzulande in Form von Individualanträgen nach Art. 139 oder 140 B-VG an den VfGH. Solche Individualanträge in Zusammenhang mit dem Klimaschutz wurden bislang stets aus formalen Gründen zurückgewiesen.[1] Es ist auch in Zukunft nicht damit zu rechnen, dass der VfGH seine strengen formalen Anforderungen (unmittelbare Betroffenheit, Umwegsunzumutbarkeit) an Individualanträge grundsätzlich lockern wird. Gerade für Verordnungen hat der VfGH in jüngerer Rechtsprechung im Bereich des Unionsumweltrechts einen zumutbaren Umweg (Stellung eines Antrages auf Erlassung, Änderung oder Aufhebung einer Verordnung bei der zuständigen Behörde, woraufhin diese jedenfalls einen bekämpfbaren Bescheid zu erlassen hat) aufgezeigt,[2] welchen er nun auch auf das – ebenfalls weitgehend unionsrechtlich determinierte – Klimaschutzrecht anwenden könnte. Da bei Änderung oder Aufhebung von Gesetzen kein vergleichbarer „Umweg“ ersichtlich ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der VfGH in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung eine Antragslegitimation bei Individualanträgen in Zusammenhang mit dem Klimawandel nunmehr anerkennt. Eine (gänzliche) Untätigkeit des Gesetzgebers kann nach dem österreichischen Rechtsschutzsystem dagegen wohl nicht bekämpft werden. Dies ist letztlich auch die Schwäche der „Klimaklagen“: Adressat ist der nicht entschlossen genug handelnde Gesetzgeber. Der VfGH ist jedoch kein positiver Gesetzgeber, der einen Rechtszustand schaffen kann, der den Anforderungen des Klimaschutzes entspricht. Dies bleibt daher Aufgabe und Verantwortung der demokratisch legitimierten Parlamente auf Bundes- und Landesebene. Alles andere wäre auch mit der Gewaltenteilung nicht vereinbar.
In Zukunft werden in Österreich wohl vermehrt sogenannte „Klimaklagen“ erhoben werden.[3] Der EGMR hat zwar betont, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, einen allgemeinen Rechtsrahmen zum Klimaschutz zu schaffen, räumt ihnen bei der Wahl der konkreten Maßnahmen aber einen weiten Entscheidungsspielraum ein, weshalb es wohl eher unwahrscheinlich ist, dass konkrete Projekte – bei Einhaltung der einfachgesetzlichen Voraussetzungen – durch Klimaklagen verhindert werden können, außer die Beschwerdeführer könnten nachweisen, dass die (verpflichtend festzulegenden) Klimaschutzziele und -pläne gerade durch das konkrete Vorhaben nicht eingehalten werden können.
Es bleibt auch abzuwarten, wie der EGMR in bei ihm bereits anhängigen Klimaklagen gegen Österreich entscheiden wird.[4]
[1] Z.B. VfGH 27.06.2023, G 139/2021; 27.06.2023, E 1517/2022; 27.06.2023, G 123/2023.
[2] VfGH 13.03.2024, V 62/2023.
[3] Experten erwarten mehr Klimaklagen in Österreich, MeinBezirk.at vom 10.04.2024, https://www.meinbezirk.at/c-politik/experten-erwarten-mehr-klimaklagen-in-oesterreich_a6628047 (abgerufen am 30.04.2024).
[4] Österreichische Klimaschützer ziehen mit Klage vor Gerichtshof für Menschenrechte, Die Presse vom 10.11.2023, https://www.diepresse.com/17809450/oesterreichische-klimaschuetzer-ziehen-mit-klage-vor-gerichtshof-fuer-menschenrechte (abgerufen am 30.04.2024); Reibenwein, Erfolgreiche Schweizer Klimaklage: Auch Österreicher zieht vor Gericht, Kurier vom 09.04.2024, https://kurier.at/chronik/oesterreich/schweiz-klimaklage-oesterreicher-gericht-egmr-mex-m-michaela-kroemer/402850249 (abgerufen am 30.04.2024).
Der Preis ist mit insgesamt 4.000 € dotiert; das Preisgeld kann an einen oder mehrere Preisträgerinnen bzw. Preisträger (Mindestbetrag 1.000 €) vergeben werden. Einreichungen sind bis spätestens Sonntag, 31. März 2024 an das Institut für Föderalismus zu richten.
Weitere Informationen, insbesondere die Ausschreibungsbedingungen sowie das Einreichformular sind unter https://foederalismus.at/de/foederalismus/foederalismus-preis/ abrufbar.
Im lange erwarteten Erkenntnis zur COFAG hob der VfGH Bestimmungen des ABBAG-Gesetzes wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot durch die Ausgliederung von staatlichen Verwaltungstätigkeiten an die COFAG, die Organisation der COFAG sowie die spezifische Art und Weise der Aufgabenerfüllung durch die COFAG auf.[1] Wenngleich Aufgaben der staatlichen Privatwirtschaftsverwaltung auf einen privaten Rechtsträger übertragen worden seien, sei die Tätigkeit der COFAG nichtsdestotrotz als staatliche Verwaltung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 B?VG zu qualifizieren. Begründet wurde dies damit, dass die COFAG einerseits in einem spezifischen organisatorischen Naheverhältnis zum Bund (Alleingesellschafter der COFAG) stehe und andererseits auch (auf Grund der zu besorgenden Aufgaben) ein spezifisches funktionelles Naheverhältnis gegeben sei. Darüber hinaus sei die COFAG befugt, hohe finanzielle Mittel an einen weiten Kreis begünstigter Unternehmer zu gewähren. Der VfGH hielt zudem – neben anderen, hier nicht zu behandelnden Punkten – fest, dass die COFAG nicht über die notwendige eigene Sachausstattung, insbesondere nicht die technische Ausstattung, verfüge, um ihre Aufgaben in einer Art und Weise besorgen zu können, die der Wahrnehmung dieser Aufgaben durch staatliche Organe gleichwertig sei. Die COFAG habe zudem keine wesentlichen, selbständig zu erledigenden Aufgaben, da die Kontrolle der Anspruchsvoraussetzungen nach dem COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz im Wesentlichen den Finanzämtern übertragen ist.
Die Leitungs- und Aufsichtsbefugnis des Finanzministers betreffend die COFAG ist hingegen über die im Alleineigentum des Bundes stehende ABBAG, die auf die Geschäftsführung der in der Rechtsform einer GmbH gegründeten COFAG Einfluss nehmen kann, ausreichend sichergestellt.
Der VfGH erachtete es zudem als sachlich nicht gerechtfertigt, dass kein Rechtsanspruch auf die Gewährung von COVID-19-Ausgleichsleistungen besteht, da die Finanzhilfen als Entschädigung für Nachteile anzusehen seien, die Unternehmen beispielsweise durch Ausgangsbeschränkungen oder Betretungsverbote entstanden seien.
Die Aufhebung der verfassungswidrigen Bestimmungen tritt mit Ablauf des 31. Oktober 2024 in Kraft.
Die Aussagen des VfGH entfalten losgelöst vom Anlassfall Bedeutung für die künftige Organisation der staatlichen Förderungsverwaltung sowie generell für die Tätigkeit ausgegliederter Rechtsträger im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung:[2] So wird im Hinblick auf die Abgrenzung von Privatwirtschaftsverwaltung zur „Nichtverwaltung“ insbesondere interessant sein, in welchen konkreten Fällen ein spezifisches organisatorisches Naheverhältnis zur Gebietskörperschaft oder ein funktionelles Naheverhältnis zwischen ausgegliedertem Rechtsträger und Gebietskörperschaft vorliegt. Während das Kriterium des organisatorischen Naheverhältnisses auf Grund seiner Unschärfe nur begrenzt zur Abgrenzung taugt, scheint das (materielle) Kriterium der funktionellen Nahebeziehung diesbezüglich eine größere Rolle spielen zu können. Aus der Entscheidung lässt sich ableiten, dass ein derartiges Naheverhältnis insbesondere dann vorliegen wird, wenn eine Tätigkeit (ausschließlich) im öffentlichen Interesse bzw. dem Interesse der Gebietskörperschaft vorgenommen und von der Gebietskörperschaft finanziert wird, der private Rechtsträger auf Grund entsprechender Determinierung durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber keinen eigenen unternehmerischen Gestaltungsspielraum besitzt und auch selbst keine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit erbringt sowie die erbrachte Tätigkeit ein Äquivalent zu hoheitlich zu vollziehenden Regelungen darstellt. Es bleibt abzuwarten, inwiefern der VfGH diese Rechtsprechung auch auf nachfolgende Fälle zur Anwendung bringt bzw. näher konkretisiert und welche weiteren Konsequenzen sie nach sich ziehen wird.
[1] VfGH 5.10.2023, G 265/2022 (G 265/2022-45).
[2] Vgl. dazu insbesondere auch die Beiträge von Fuchs, COFAG – Neues vom VfGH, ÖJZ 2024, 65; dies., Staatliche Förderung zwischen Verwaltung und und Nicht-Verwaltung, ÖJZ 2024, 70 ff.; sowie Th. Müller, VfGH: Neues zur Reichweite der Privatwirtschaftsverwaltung, ÖJZ 2024, 68 ff.; im Schwerpunktheft der ÖJZ zum COFAG-Erkenntnis.
Das Werk enthält eine ausführliche und aktuelle Kommentierung der Vorarlberger Landesverfassung, deren Stammfassung bis ins Jahr 1923 zurückreicht. Die einzelnen Bestimmungen werden von Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte, ihren Zusammenhang mit der Bundesverfassung, dem Unionsrecht wie auch dem sonstigen internationalen Recht erläutert und analysiert. Die Staatspraxis sowie ausführende Regelungen unterhalb des Verfassungsrechts finden ebenfalls Berücksichtigung. Die einzelnen Kommentierungen werden durch Hinweise auf weiterführende Literatur und Judikatur abgerundet.
Peter Bußjäger/Matthias Germann/Borghild Goldgruber-Reiner (Hrsg.), Vorarlberger Landesverfassung, Verlag Österreich, 2024, 259,00 Euro.
Der VfGH hat in seiner Herbstsession Teile der Bestellung und Zusammensetzung von ORF-Stiftungs- und Publikumsrats wegen Verstoßes gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebots nach dem BVG Rundfunk[1] als verfassungswidrig aufgehoben. Dem Gesetzgeber wurde bis 31. März 2025 eine Reparaturfrist gewährt, der bis dahin eine (verfassungskonforme) Neuregelung zu treffen hat. Die Gründe für die Aufhebung von Bestimmungen bestanden im Wesentlichen darin, dass hinsichtlich des Stiftungsrates der Einfluss der Bundesregierung (neun Mitglieder), hinsichtlich des Publikumsrates der Einfluss des Bundeskanzlers (17 Mitglieder) als zu weitreichend erachtet wurde.
Das Erkenntnis selbst ist deshalb hervorzuheben, weil der VfGH darin auch auf eine föderalistische Komponente Bezug nimmt: So wird die Bestellung von neun Mitgliedern im Stiftungsrat durch die Bundesländer ausdrücklich als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft. Wenngleich der Einfluss der Länder an der Bestellung der Stiftungsratsmitglieder ein vergleichsweise bescheidener ist, ist die Systematik, aus den Ländern je einen Stiftungsrat zu entsenden, als ein Ausdruck des vom BVG Rundfunk geforderten Pluralismusgebots zu werten.
Die nun anstehende Reform bietet die Möglichkeit, diesen föderalistischen Aspekt weiter zu betonen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die besondere Bedeutung der ORF-Landesstudios hinzuweisen, denen das Institut in jüngerer Vergangenheit bereits eine eigene Publikation gewidmet hat.[2]
[1] VfGH vom 5.10.2023, G 215/2022-26.
[2] Bußjäger/Keuschnigg/Schramek (Hg), Die föderale Bedeutung der ORF-Landesstudios, FÖDOK 42 (2020).
In der im Dezember erschienenen Ausgabe des Gemeindemagazins „public“ beschäftigen sich der Institutsdirektor und der Institutsassistent mit der nun getroffenen Einigung in den Finanzausgleichsverhandlungen.[1] Wenngleich durch das ausgehandelte Paktum einmal mehr die Funktionsfähigkeit des kooperativen Föderalismus unter Beweis gestellt wurde, wird im Kern kritisiert, dass sich am geltenden Verteilungsschlüssel – trotz eingehender Forderungen zu Beginn der Verhandlungen – auch in der kommenden Finanzausgleichsperiode nichts ändern wird. Zudem ist die Vorgehensweise, auf die Kompetenzen der Länder in Gestalt von Anschubfinanzierungen (Zukunftsfonds) Einfluss zu nehmen, als bedenklich einzustufen. Die föderalistische Problematik wird allerdings durch den fehlenden Sanktionsmechanismus in Zusammenhang mit den aus dem Zukunftsfonds abrufbaren Geldern entschärft. Dies ist allerdings auch als Auftrag an die Länder zu verstehen, die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel angepasst an die regionalen Gegebenheiten sowie bedarfsgerecht in den Bereichen Elementarpädagogik, Pflege und Gesundheit einzusetzen.
[1] Der Beitrag ist unter http://www.gemeindemagazin.at/epaper/_Online-Ausgaben/2023/Digi_03_2023/10/ frei abrufbar (13.12.2023).
Am 30. November 2023 fand im Sitzungszimmer des Chiemseehofes in Salzburg die vom Institut für Föderalismus organisierte und gut besuchte Tagung zum Thema „Die Rolle der Länder in der Energiewende“ statt. Die Referentinnen und Referenten der Tagung zeigten dabei eindrücklich, welchen Herausforderungen sich die Länder in rechtlicher und technischer Sicht bei der Umsetzung der Energiewende noch stellen müssen, zudem auch, welche Rolle und Spielräume die Länder in diesem Bereich gegenwärtig einnehmen. Klar wurde, dass die Länder bereits einige Anstrengungen unternommen haben (zB Ausweisung von Eignungszonen für Windkraft/PV; Verfahrensbeschleunigungen etc.), die landesrechtlichen Regelungen dennoch von einer auffallend hohen Dynamik gekennzeichnet sind. Das legt den Schluss nahe, dass die Umstellung auf Erneuerbare Energien die Länder auch in den nächsten Jahren intensiv – und auf mehreren Ebenen – beschäftigen wird.
Die Tagungsbeiträge sollen im nächsten Jahr in der Zeitschrift „Baurechtliche Blätter“ veröffentlicht werden.
Aus seiner Zeit in Innsbruck resultiert auch das 1976 als Band 2 der Schriftenreihe des damals gerade eben gegründeten Instituts für Föderalismus erschienene Werk „Der Bundesstaat zwischen Reiner Rechtslehre und Verfassungsrealität“. Weniger bekannt ist seine Arbeit rund um das VfGH-Erkenntnis zur „Vorarlberger Volksgesetzgebung“.[1] Das von ihm im Prüfungsverfahren für die Vorarlberger Landesregierung erstattete Gutachten[2] beurteilte den Prüfungsbeschluss kritisch. Die Entscheidung des VfGH, die ja auch auf das „Ludesch-Erkenntnis“[3] nachwirkt, wird in seinem bekannten, mit Harald Eberhard verfassten Standardlehrbuch zum Verfassungsrecht,[4] „weil sie die im bundesstaatlichen Prinzip inkludierende Verfassungsautonomie verkennt“, als „jedenfalls in Bezug auf die Landesebene verfehlt“ bezeichnet. Nicht zuletzt auch damit hat sich Theo Öhlinger um die Belange des Föderalismus verdient gemacht. Das Institut wird im stets ein ehrendes Andenken bewahren.
[1] VfSlg 16.241/2001.
[2] Siehe Öhlinger, Bundesverfassungsrechtliche Grenzen der Volksgesetzgebung, Montfort 2000, 402 ff.
[3] Vgl dazu auch Bußjäger et al, Möglichkeiten und Grenzen des Ausbaus direktdemokratischer Elemente auf Gemeindeebene ohne Gesamtänderung der Bundesverfassung, Online-Publikation 3 (2023).
[4] Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht13 (2022) Rz 66.
Die Umsetzung der Energiewende im Föderalismus ist eine der vordringlichsten, aber auch herausforderndsten Aufgaben, mit denen sich die Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Gemeinden aktuell konfrontiert sehen. Die vom Institut für Föderalismus organisierte Veranstaltung will veranschaulichen, welche Rolle der Föderalismus darin spielt und wie er dazu beitragen kann, die Umstellung in Erneuerbare Energien zu beschleunigen.
Die Veranstaltung findet am 30. November 2023 im Chiemseehof in Salzburg (5010 Salzburg, Chiemseehof) statt.
Um eine Anmeldung per E-Mail bis 23. November 2023 an andrea.schafferer@foederalismus.at wird gebeten.
Das Veranstaltungsprogramm und weitere Informationen sind unter https://www.foederalismus.at/de/foederalismus/veranstaltungen/ zu finden.
In ihrem Werk gehen der Autor und die Autorin dabei der Frage auf den Grund, wie sich die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern seit 1925 verändert hat, und ob der vielfach geäußerte Befund, wonach der Bund im Laufe der Jahre immer mehr Kompetenzen an sich gezogen hat, auch tatsächlich zutreffend ist.
Peter Bußjäger/Julia Oberdanner, Änderungen der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern 1925–2022, FÖDOK 46, Institut für Föderalismus, 2023, 5,00 Euro (Printversion) oder online kostenlos abrufbar unter https://www.foederalismus.at/de/publikationen/.
Das EURAC Research Center organisiert in Kooperation mit der Universität Innsbruck auch im Jahr 2024 die „Winter School on Federalism and Governance“, die in der ersten Woche traditionell in Innsbruck und in der zweiten Woche in Bozen stattfinden wird (5. Februar 2024 – 16. Februar 2024). Die diesjährige Tagung beschäftigt sich mit dem Thema „Federalism and Sustainability“. Die Teilnehmer*innen der Tagung, darunter junge Forscher*innen und Akademiker*innen aus aller Herren Länder, dürfen sich auf spannende Vorträge und Diskussionen einstellen.
Bewerbungen sind noch bis zum 15. Oktober 2023 online möglich. Nähere Infos zur Veranstaltung, insbesondere zu den erforderlichen Bewerbungsunterlagen, können der Website https://winterschool.eurac.edu/ entnommen werden.
Daneben besteht 2024 erstmals für einen Alumnus oder eine Alumna einer vorangegangenen Winter School die Möglichkeit, einen Vortrag im Rahmen der Winter School zum diesjährigen Tagungsthema zu halten. Weitere Informationen dazu und der Call for Presentations sind ebenfalls unter https://winterschool.eurac.edu/ zu finden.
Durch einen neuen § 41a Forstgesetz soll der Kostenersatz für die Waldbrandbekämpfung künftig nach einem bundeseinheitlichen System geregelt werden.[1] Die bisherige Ermächtigung der Länder zur Regelung der Tragung der Kosten der Waldbrandbekämpfung würde damit entfallen. Der geplante Paradigmenwechsel wird im Wesentlichen damit begründet, dass die einzelfallbezogene Abwicklung des Kostenersatzes zu aufwändig sei und ein einheitliches System mit näher geregelten Pauschaltarifen (nach Art und Ausmaß eines Brandes) verwaltungsökonomisch sinnvoller wäre.[2]
In ihren Stellungnahmen zum Begutachtungsentwurf haben die Länder zwar die Vereinfachung des Kostenersatzes grundsätzlich begrüßt, überwiegend allerdings auch darauf hingewiesen, dass der aktuelle Gesetzesentwurf aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung zu einer Überwälzung der gemäß § 2 F-VG 1948 grundsätzlich vom Bund zu tragenden Waldbrandbekämpfungskosten auf Länder und Gemeinden führen würde.[3] Die im Entwurf einer Waldbrand-Pauschaltarifverordnung vorgesehenen Pauschaltarife für die Abgeltung der Waldbrandbekämpfungskosten der Feuerwehren seien zu niedrig angesetzt und würden neben der Kostentragungsregel des § 2 F-VG 1948 wohl auch der Judikatur des VfGH, wonach der Bund der zuständigen Gemeinde sämtliche durch eine Waldbrandbekämpfung verursachten Kosten für den Einsatz der öffentlichen Feuerwehr einschließlich der Verpflegungskosten sowie für Schäden an deren Fahrzeugen, Geräten, Werkzeugen und Ausrüstungsgegenständen zu ersetzen hat, widersprechen. Die Pauschaltarife wären dabei in einer Höhe festzulegen und jährlich zu valorisieren, sodass im Ergebnis in einer Durchschnittsbetrachtung alle anfallenden Waldbrandbekämpfungskosten der Feuerwehren abgedeckt werden müssten. Dies sei umso wichtiger, als auch ausweislich der Erläuternden Bemerkungen zukünftig von einer erhöhten Anzahl von Waldbränden auszugehen ist.[4]
Konkret soll lediglich bei Extrembränden (ab 30 Hektar) der tatsächlich damit verbundene Aufwand ersetzt werden. Bei allen übrigen Brandereignissen (je nach betroffener Fläche erfolgt eine Einteilung in Klein-, Mittel- oder Großbrände) würden die Kosten durch einen Pauschaltarif ersetzt werden. Die Länder monieren in ihren Stellungnahmen im Wesentlichen, dass die vorgenommene Abgrenzung zwischen Großbränden und Extrembränden nicht nachvollziehbar und unter Berücksichtigung der vorgesehenen Pauschaltarife bei einem Großbrand unsachlich sei. Darüber hinaus dürfe nicht die veraltete Tarifordnung 2017 des Bundesfeuerwehrverbandes – eines privatrechtlich organisierten Rechtsträgers, auf den der Bund keine Ingerenzmöglichkeiten hat – als Grundlage für die Kosten, sondern jene aus dem Jahr 2023, herangezogen werden.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den (geplanten) Ersatz der Kosten für Löschflüge mit Hubschraubern, damit zusammenhängendem Personal sowie der Tätigkeiten der Bergrettung im Brandfall. Gemäß § 41a Abs. 6 des Entwurfs soll bei nach den landesrechtlichen Bestimmungen behördlich angeforderten Dienst- und Sachleistungen ein Anspruch der Verpflichteten auf Entschädigung durch den Bund bestehen. Angesichts des Zeitfaktors, dem im Rahmen der Bekämpfung eines Waldbrandes besondere Bedeutung zur Schadensminimierung zukommt, wird – richtigerweise – seitens der Länder gefordert, in der vorgesehenen Regelung klarzustellen, dass eine Anforderung einer Sach- und Dienstleistung auch in Form einer (nicht-hoheitlich verfügten) Beauftragung durch das landesgesetzlich zuständige Organ der Behörde erfolgen kann, um die Entschädigungspflicht des Bundes nach dieser Bestimmung auszulösen.
Zudem ging die Gemeinde in Bezug auf die angeforderten Sach- und Dienstleistungen bislang in Vorleistung. Mit der neuen Regelung in § 41a Abs 6 müsste jedoch der Verpflichtete (Hubschrauberunternehmen etc.) selbst seine Kosten beim zuständigen Bundesministerium geltend machen. Dadurch verschlechtere sich die Position privater, im Rahmen der Waldbrandbekämpfung allerdings äußerst wichtiger Partner und es bestehe die begründete Gefahr, dass im Bedarfsfall kein ausreichendes Angebot an Hubschraubern zur Bekämpfung von Waldbränden zur Verfügung steht, insbesondere dann, wenn die Abrechnung mit dem Bund mit deutlichen Abschlägen erfolgen sollte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Assistenzleistung des Bundesheeres gemäß § 2 Abs 1 lit c Wehrgesetz 2001 nur als „ultima ratio“ erfolgen soll, also erst, wenn mit den eigenen Mitteln oder unter Heranziehung privater Dienstleistungsunternehmen nicht das Auslangen gefunden werden kann. In diesem Zusammenhang wird vom Bundesministerium für Landesverteidigung darauf hingewiesen, dass eine Kostenersparnis – etwa seitens einer Gemeinde oder des Landes - keinen Grund für eine Assistenzanforderung darstellt.[5] Bereits derzeit übernimmt der Bund nur einen Teil der Kosten von Löschwasserflügen.
Dass der Bund die Kosten der Waldbrandbekämpfung auf Länder und Gemeinden überwälzen will, ist aus föderaler Sicht bedenklich.
[1] 282/ME XXVII. GP, 1 f und EB zu 282/ME XXVII. GP, 3 ff.
[2] EB zu 282/ME XXVII. GP, 3 ff.
[3] Vgl Stellungnahme des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, 16/SN-282/ME vom 07.08.2023, 2 f und 6 ff; Stellungnahme des Amtes der Tiroler Landesregierung, 32/SN-282/ME vom 11.08.2023, 1 ff; Stellungnahme des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, 26/SN-282/ME vom 10.08.2023, 3 f; Stellungnahme des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung 21/SN-282/ME vom 09.08.2023, 2 ff; Stellungnahme des Landes Salzburg, 40/SN-282/ME vom 29.08.2023, 2 ff.
[4] EB zu 282/ME XXVII. GP, 3.
[5] Darauf hinweisend die Stellungnahme des Landes Salzburg, 40/SN-282/ME vom 29.08.2023, 3.
Die Finanzausgleichsverhandlungen befinden sich aktuell in der entscheidenden Phase, was mitunter am etwas gereizteren Ton der Verhandlungspartner, dem Finanzminister, der Landeshauptleute sowie den Vertreterinnen und Vertretern des Städte- und Gemeindebunds sichtbar wird.
Entgegen der von vielen Medien verbreiteten Sichtweise gibt der Bund beim Finanzausgleich nicht Teile „seines“ Geldes an die Länder ab. Es handelt sich vielmehr um Mittel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die vom Bund im Wege verschiedener Steuern, wie etwa der Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer, eingehoben werden. Diese Steuern bilden die gesamten Staatseinnahmen, die schließlich im Rahmen des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt werden.[1] Die Bundesverfassung verlangt, dass diese Verteilung so zu erfolgen hat, dass jede staatliche Ebene ihre Aufgaben erfüllen kann. Eine gerechte Verteilung liegt nach der Judikatur des VfGH dann vor, wenn ihr Verhandlungen vorausgehen, im Rahmen derer die Beteiligten ihre Wünsche und Forderungen äußern können, und im Rahmen derer schließlich eine Einigung aller Verhandlungspartner erzielt wird.
Der erfolgreiche Abschluss der Finanzausgleichsverhandlungen wäre aus Sicht der Länder und Gemeinden insbesondere deshalb erforderlich, weil sich diese Ebenen primär im Gesundheits- und Pflegebereich mit ständig steigenden Kosten konfrontiert sehen. Daneben besteht in den Bereichen Klimaschutz (öffentlicher Personennahverkehr), im Bau- und Raumordnungsrecht oder der Wohnbauförderung ein notwendiger Finanzierungsbedarf.
Im Zuge der Verhandlungen werden allerdings vonseiten des Bundes als Gegenzug für mehr Finanzmittel immer wieder Forderungen nach Reformen in den Ländern laut – zuletzt etwa von Gesundheitsminister Johannes Rauch, der eine strukturelle Reform des Gesundheitswesens in den Bundesländern anstrebt.[2] Derartige Forderungen machen die Länder nicht nur zu Befehlsempfängern des Bundes, sondern verschleiern zudem, dass gerade auch im Bundesbereich Reformen dringend notwendig wären. Dies gilt insbesondere im von Minister Rauch angesprochenen Gesundheitswesen, wo die Länder zwar für den Spitalsbereich zuständig sind, der Bund aber für die niedergelassenen Ärzte und die Sozialversicherung verantwortlich ist.
Prinzipiell positiv zu bewerten ist der von Finanzminister Magnus Brunner geäußerte Vorschlag eines Zukunftsfonds, über den zusätzliche Mittel in die Bereiche Kinderbetreuung, Wohnen und Klima/Umwelt fließen sollen, wenn die Länder definierte und messbare Ziele in diesen Bereichen erreichen.[3] Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Zielvorgaben gemeinsam ausgearbeitet werden und den Ländern ein entsprechender Ermessensspielraum verbleibt.
Dem im Rahmen der Verhandlungen immer wieder erhobenen Ruf nach Zentralisierung verschiedener Aufgaben, zuletzt etwa im Bereich der Kinderbetreuung, mit der Begründung, dass die Aufgaben vom Bund effektiver erfüllt werden könnten, ist zudem eine klare Absage zu erteilen. Gerade im Bereich der Kinderbetreuung ist eine bedarfsorientierte Steuerung unerlässlich. Die Länder und Gemeinden können den in diesem Bereich bestehenden Bedarf auf Grund der größeren Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern wesentlich besser einschätzen als der Bund.
Der Österreichische Städtebund hat schließlich im Rahmen des 72. Städtetages am 1. Juni 2023 in Linz eine Resolution mit Schwerpunkt auf die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen beschlossen. In dieser Resolution werden ua steuerliche Maßnahmen sowie eine angepasste Verteilung der Finanzmittel zur Sicherstellung der Aufgabenerfüllung, die den Dynamiken der Aus- und Aufgabenbereiche der Gebietskörperschaften Rechnung trägt, gefordert.[4]
[1] Siehe dazu auch den neuen Föderalismus-Talk Nr. 24, in dem sich Institutsdirektor Peter Bußjäger ausführlich dem Thema Finanzausgleich widmet.
[2] Vgl zB Werner, Noch mehr Verhandlungsbedarf rund um die Gesundheitsreform, Vorarlberger Nachrichten vom 24.07.2023, https://www.vn.at/politik/2023/07/24/noch-mehr-verhandlungsbedarf-rund-um-die-gesundheitsreform.vn (abgerufen am 25.08.2023); Bußjäger, Geld und Reformen, vol.at (20.07.2023) https://www.vol.at/geld-und-reformen/8198017 (abgerufen am 25.08.2023).
[3] „Finanzausgleich: Wallner begrüßt Brunners Zukunftsfonds“, vorarlberg.orf.at (08.09.2023) https://vorarlberg.orf.at/stories/3223352/ (abgerufen am 12.09.2023).
[4] „Parteiübergreifende Einigkeit bei Resolution“, ÖGZ 8/2023, 16 f. Die gesamte Resolution ist abrufbar unter https://www.staedtebund.gv.at/organisation/oesterr-staedtebund/positionen/.
Nach dem Burgenland hat mit 1. Juli 2023 das südlichste Bundesland den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen. Im zweiten Halbjahr sollen unter dem Motto „Gemeinsam Krisen meistern und Zukunft schaffen“ die inhaltlichen Schwerpunkte auf den Themen Gesundheits- und Pflegeversorgung sowie Schutz vor Armut, insbesondere von Kindern, gelegt werden. Im Rahmen des Kärntner Vorsitzes wird auch weiterhin der neu auszuverhandelnde Finanzausgleich breiten Raum einnehmen.
Mit einer Novelle[1] zum Oö. Umweltschutzgesetz sollen erstmals Regelungen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung in landesrechtlichen Materien geschaffen werden (vgl dazu auch die programmatische Bestimmung in § 1 Abs. 1c Oö. Umweltschutzgesetz). Unter Lichtverschmutzung wird dabei die nicht notwendige Emission von Licht in die Umwelt verstanden. Ziel dieser Novelle ist die dauerhafte Verringerung der negativen Auswirkungen von künstlichem Licht zum Schutz der Umwelt. Durch die Verringerung von Beleuchtungen soll dabei nicht nur elektrische Energie eingespart werden, sondern auch die künstliche Aufhellung des Nachthimmels reduziert und – damit einhergehend – die Natur- und Tierwelt sowie das Landschaftsbild geschützt werden. Die Novelle umfasst dabei zwei Kernpunkte:
Einerseits soll die ÖNORM O 1052:2020-10 „Lichtimmissionen Messung und Beurteilung“,[2] Ausgabe 15.10.2022, für sämtliche Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich des Landes fallen, für verbindlich erklärt werden, soweit eine Beleuchtung des öffentlichen Raumes erfolgt und der Anwendung dieser ÖNORM im Einzelfall nicht Ruhe, Ordnung oder Sicherheit entgegenstehen (§ 41b Oö. Umweltschutzgesetz). In den Erläuternden Bemerkungen[3] werden als Ausnahmen von der Verbindlichkeit der Anwendung der genannten ÖNORM Fälle der Beleuchtung zur Vorsorge, zum Schutz, zur Abwehr und zur Beseitigung von Katastrophen oder im Zuge von Rettungseinsätzen bzw Hilfeleistungen genannt. Auch Beleuchtungen, die aus Sicherheitsgründen – etwa zur Vorsorge und Abwehr von kriminellen Handlungen – installiert oder betrieben werden, fallen unter diese Ausnahme.
Andererseits beinhaltet die geplante Novelle eine Pflicht für die Gemeinden zur energieeffizienten und umweltschonenden Errichtung und zum Betrieb von öffentlichen Außenbeleuchtungsanlagen (§ 41c Abs. 1 Oö. Umweltschutzgesetz). Der Begriff der „öffentlichen Außenbeleuchtungsanlage“ wird dabei erweitert und umfasst alle Außenbeleuchtungsanlagen, die mit künstlichem Licht den öffentlichen Raum beleuchten, wobei es unerheblich ist, ob das künstlich erzeugte Licht direkt oder indirekt auf den öffentlichen Raum einwirkt (vgl. die Begriffsdefinition in § 1a Abs. 5 Z 1 Oö. Umweltschutzgesetz). Unter diesen Begriff fallen auch Außenbeleuchtungsanlagen mit dekorativem Charakter und für Werbezwecke. Unter „öffentlichem Raum“ werden dabei alle der Öffentlichkeit zugänglichen oder zur Verfügung gestellten Bereiche, wie etwa Verkehrswege, Plätze, Parkplätze, Einrichtungen, Anlagen oder Sportstätten, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können, verstanden (vgl. § 1a Abs. 5 Z 2 Oö. Umweltschutzgesetz). Gemeinden müssen schließlich die Lichtstärke derartiger Außenbeleuchtungsanlagen und die Dauer der Beleuchtung auf jenes Maß beschränken, das aus Sicherheitsgründen unbedingt erforderlich bzw für den Verwendungszweck geboten ist.
In den Erläuternden Bemerkungen[4] wird zudem ausdrücklich festgehalten, dass Maßnahmen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung im Rahmen des § 7 Oö. Umweltschutzgesetz und entsprechend der Richtlinien zur Umweltförderung in Oberösterreich als Umweltschutzmaßnahmen gefördert werden können.
Mit dem Entwurf nimmt Oberösterreich in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein und ist davon auszugehen, dass sich auch die übrigen Bundesländer dieser Thematik zeitnah annehmen werden. Der Gesetzesbeschluss ist im Herbst 2023 geplant.
[1] Vgl. dazu den Entwurf eines Berichtes des Umweltausschusses betreffend das Landesgesetz, mit dem das Oö. Umweltschutzgesetz 1996 geändert wird (Oö. Umweltschutzgesetz-Novelle 2023), Stand 23.05.2023, sowie allgemein Amt der Oö. Landesregierung, Information zur Pressekonferenz mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder, Dr.in Sigrid Sperker (Leiterin Strahlenschutz – Land OÖ) und Mag. Jürgen Frank (Leiter Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Anlagenrecht) am 19. Juni 2023 zum Thema Oberösterreich bringt den Nachthimmel zurück – Gesetzesnovelle bringt Meilenstein zur Bekämpfung der Lichtverschmutzung – Gemeinden bekommen Regelwerk zur Umstellung auf energiesparende und umweltverträgliche Beleuchtung, abrufbar unter https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Mediendateien/LK/PKLRKaineder_1906233_Internet.pdf (12.07.2023); Pöchinger, Landtag erleuchtet und mit „Verdunkelungsgesetz“, krone.at vom 26.05.2023, abrufbar unter <https://www.krone.at/3016692> (12.07.2023); Gesetz gegen Lichtverschmutzung geplant, ooe.orf.at vom 20.06.2023, abrufbar unter https://ooe.orf.at/stories/3212379/ (12.07.2023).
[2] Die gegenständliche ÖNORM legt ua Grenzwerte für die Lichteinwirkung auf Menschen und Umwelt, welche durch Licht emittierende Anlagen hervorgerufen werden, fest.
[3] Entwurf eines Berichtes des Umweltausschusses betreffend das Landesgesetz, mit dem das Oö. Umweltschutzgesetz 1996 geändert wird (Oö. Umweltschutzgesetz-Novelle 2023), Stand 23.05.2023, 4.
[4] Entwurf eines Berichtes des Umweltausschusses betreffend das Landesgesetz, mit dem das Oö. Umweltschutzgesetz 1996 geändert wird (Oö. Umweltschutzgesetz-Novelle 2023), Stand 23.05.2023, 4.
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (COM[2022] 304 final vom 22. Juni 2022) dient der Umsetzung des European Green Deal und der EU-Biodiversitätsstrategie.[1] Die Festlegung rechtsverbindlicher Ziele soll dabei die Biodiversität fördern und den Naturschutz verbessern. Im Entwurf ist im Wesentlichen die (etappenweise) Wiederherstellung von 80 % der europäischen Lebensräume, die sich in einem schlechten Zustand befinden, wie etwa Wald- und landwirtschaftliche Flächen oder Meeres-, Süßwasser- und städtische Ökosysteme, vorgesehen. Bis 2030 sollen dabei in mindestens 20 % der betroffenen Land- und Meeresgebiete in der EU Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt und bis 2050 schrittweise auf alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme ausgedehnt werden.
Zentrales Element der Verordnung ist die Verpflichtung der EU-Mitglieder zur Entwicklung nationaler Wiederherstellungspläne, in denen die Maßnahmen zur Verwirklichung der in der Verordnung vorgesehenen verbindlichen Ziele, die wiederherzustellende Gesamtfläche sowie ein Zeitplan festgelegt werden. Beispiele für derartige Maßnahmen sind etwa die Wiedervernässung trockengelegter Torfmoore, das Entfernen nicht heimischer Gewächse auf Grünland, in Feuchtgebieten und Wäldern, ein verringerter Einsatz chemischer Pestizide und Düngemittel bzw. der Verzicht darauf oder die Förderung der Erhaltung unberührter Natur. Die geplanten verbindlichen Zielvorgaben würden zahlreiche Landeskompetenzen, wie Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei, Energiepolitik, Katastrophenschutz, Wasserbau oder Raumordnung, betreffen.
Die österreichischen Bundesländer äußerten in einer einheitlichen Länderstellungnahme gemäß Art. 23d Abs. 2 B-VG grundsätzliche rechtliche wie auch schwerwiegende fachliche Bedenken gegen eine Erlassung der Verordnung in der vorgeschlagenen Fassung. Obgleich Bestrebungen der Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität an sich zu begrüßen seien, werde der vorliegende Entwurf entschieden abgelehnt.[2] Tatsächlich stellt sich die Frage, wie die teilweise sehr einschneidenden Maßnahmen praktisch umgesetzt werden könnten.
Am 12. Juli 2023 hat das EU-Parlament mit knapper Mehrheit für die vorgeschlagene Verordnung der EU-Kommission zur Wiederherstellung der Natur gestimmt, nachdem der Entwurf vorher in mehreren Ausschüssen abgelehnt wurde. Es muss nunmehr noch ein endgültiger Kompromiss gefunden werden, damit die neuen Vorhaben in Kraft treten können.[3]
Kritiker der geplanten Verordnung befürchten auch einen Rückgang land- und forstwirtschaftlicher Flächen, da Produktionsflächen nicht mehr genutzt werden dürften. Dadurch würde nicht nur in Eigentum von Grundbesitzern eingegriffen, sondern es führe auch dazu, dass vermehrt Lebensmittel importiert werden müssten.[4]
[1] Vgl. dazu https://www.consilium.europa.eu/de/policies/nature-restoration/#:~:text=Mit%20der%20Verordnung%20zur%20Wiederherstellung,Feldvogelarten (18.07.2023); https://environment.ec.europa.eu/topics/nature-and-biodiversity/nature-restoration-law_en (18.07.2023); Institut für Föderalismus, 47. Bericht über den Föderalismus in Österreich (2022) (2023) (in Druck), 95 f.
[2] Institut für Föderalismus, 47. Bericht, 95 f (und Anhang 16).
[3] Siehe zB „Mit knapper Mehrheit: EU-Parlament für Renaturierungsgesetz“, news.ORF.at, https://orf.at/stories/3323616/ (18.07.2023).
[4] Siehe news.ORF.at, https://orf.at/stories/3323616/ (18.07.2023); https://ktn.lko.at/lk-k%C3%A4rnten-kritisiert-eu-parlamentsbeschluss-zur-wiederherstellung-der-natur-scharf+2400+3849864 (18.07.2023).
Das Werk analysiert die Effekte, welche die im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention eingegangenen Verpflichtungen auf föderale Regierungsstrukturen und die Gewaltenteilung in 14 föderalen Systemen, darunter Österreich, Deutschland, Italien, Kanada, Brasilien, Indien und das Vereinigte Königreich, haben. Es beinhaltet unter anderem Beiträge von Peter Bußjäger (Österreich), Felix Welti (Deutschland), Paolo Addis und Matteo Monti (Italien) oder Gilberto MA Rodrigues und Paloma Breit (Brasilien).
Delia Ferri/Francesco Palermo/Giuseppe Martinico (Hg), Federalism and the rights of persons with disabilities. The Implementation of the CRPD in Federal Systems and Its Implications, Hart Publishing, 2023, 120,00 Dollar
Im Regierungsprogramm der neuen Tiroler Landesregierung wird die Einführung einer Baulandabgabe forciert.[1] Ein entsprechender Antrag dazu soll bei der kommenden Landtagssitzung im Mai eingebracht werden. Durch die Baulandabgabe soll die Hortung von Bauland verhindert und leistbares Bauland verfügbar gemacht werden. In Tirol sind etwa über 3.000 ha an Baugrundstücken mit entsprechender Widmung unbebaut, das entspricht ca. 17,5 % des verfügbaren Baulandes. Nach Angaben von LH-Stv. Georg Dornauer (SPÖ) soll die Baulandabgabe vom tatsächlichen Verkehrswert der brachliegenden Liegenschaft bemessen und erst ab einer gewissen Liegenschaftsgröße – etwa von 500 oder 1.000 m2 – vorgeschrieben werden. Da es in Tirol zahlreiche Grundeigentümer:innen gibt, – gerade auch aus dem bäuerlichen Bereich – mit Baugrundstücken, die größer als 1000 m2 sind, wird durchaus mit entsprechendem Widerstand gegen die Einführung einer Baulandabgabe zu rechnen sein.[2]
Im Burgenland, Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark existieren allerdings solche Regelungen bereits.
Aus kompetenzrechtlicher Sicht kann dazu zunächst festgehalten werden, dass Länder (nur) dann über eine Abgabenkompetenz verfügen, als sie vom Bundesgesetzgeber überhaupt nicht geregelte und daher auch nicht von ihm beanspruchte Abgaben „erfinden“ können; gleichzeitig können sie innerhalb des bundesgesetzlichen Rahmens Abgaben erheben, wo der Bund zwar einen Abgabengegenstand geregelt hat, den Ländern dabei aber zumindest einen gewissen Spielraum belässt.[3] Dieser Spielraum ergibt sich je nach Abgabenart aus bundesgesetzlichen Vorgaben gemäß § 7 Abs 3 bis 5 F-VG sowie den bundesgesetzlichen Ermächtigungen gemäß § 8 Abs 3 und § 8 Abs 4 letzter Satz F?VG.[4] Da im Bereich der Baulandmobilisierung keine ausdrücklichen bundesrechtlichen Vorschriften zu finden sind, muss die konkrete Abgabe als „Erfindung“ der Länder den dafür vorgesehenen Voraussetzungen entsprechen. Der VfGH hat iZm dem im Oö. Raumplanungsgesetz 1994 vorgesehenen „Erhaltungsbetrag“ die Zulässigkeit einer derartigen Länderabgabe bestätigt.[5]
Im Burgenland ist eine entsprechende Baulandabgabe seit 2021 in § 24a Burgenländisches Raumplanungsgesetz 2019 („Baulandmobilisierungsabgabe“) festgelegt. Sie wird vom Land eingehoben und fließt zu je 50 % dem Land und der jeweiligen Gemeinde zu (§ 24a Abs 1 leg cit). Mit der Abgabe wird dabei auch im Burgenland das Ziel verfolgt, Grundstücke zu bebauen oder zu verkaufen.[6] Dort sind etwa 40 % der verfügbaren Baulandflächen ungenutzt. Gegenstand der Abgabe sind unbebaute Baulandgrundstücke, die als Bauland in bestimmten Widmungskategorien ausgewiesen sind und deren aktuelle Widmung vor mehr als fünf Jahren festgelegt wurde, wobei bestimmte Zeiten (zB Zeiten von Bausperren) nicht in die Fünfjahresfrist eingerechnet werden (§ 24a Abs 2 leg cit). Die Höhe der jährlich zu leistenden Abgabe – von näher im Gesetz bezeichneten Ausnahmen abgesehen[7] – ergibt sich aus einem Prozentsatz des Grundstückswertes. Der Grundstückswert ist dabei von der Gemeinde mittels Verordnung festzulegen. Der Prozentsatz für die Abgabe beträgt – gestaffelt nach der Grundstücksgröße – jährlich zwischen 0,5 und 2,5 % (§ 24a Abs 5 und 6 leg cit). Die im Bgld RPG 2019 vorgesehenen Ausnahmen sind freilich nicht unumstritten und werden von zahlreichen Grundstücksbesitzer:innen als unsachlich kritisiert, vom Haus- und Grundbesitzerbund Burgenland wird diesbezüglich sogar die Erhebung einer Sammelklage vor dem VfGH ins Auge gefasst.[8]
In Oberösterreich wird Eigentümer:innen von unbebauten Grundstücken mit Baulandwidmung zum Zweck der Baulandmobilisierung ein „Erhaltungsbeitrag“ je nach Aufschließung des Grundstücks durch eine gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage oder eine gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage vorgeschrieben (§ 28 Oö. ROG 1994). Dieser Beitrag ist erstmals fünf Jahre nach der Vorschreibung einzuheben (§ 28 Abs 2 leg cit). Der Erhaltungsbeitrag ist als reine Gemeindeabgabe iSd § 6 Abs 1 Z 5 F-VG 1948 ausgestaltet und abhängig von der Größe des Grundstückes (ohne Ausnahmen für kleinere Grundstücke). Die Höhe beträgt für die Aufschließung durch eine Abwasserentsorgungsanlage 24 Cent bzw für die Aufschließung durch eine Wasserversorgungsanlage 11 Cent pro Quadratmeter und wird jährlich an den Baukostenindex für den Straßenbau angepasst (§ 28 Abs 3 und 3a leg cit). In bestimmten Fällen kann die Gemeinde diesen Erhaltungsbeitrag durch Verordnung bis zum Doppelten pro Quadratmeter anheben (§ 28 Abs 3 leg cit).
In Salzburg wird eine Abgabe auf unbebautes Bauland unter dem Titel „Infrastruktur-Bereitstellungsbeitrag“ eingehoben. Sie ist seit 2018 in § 77b Sbg ROG 2009 normiert und als reine Gemeindeabgabe ausgestaltet. Gegenstand der Abgabe sind unbefristete unverbaute Baulandgrundstücke, die ab dem 1. Jänner 2018 seit mehr als fünf Jahren als Bauland in bestimmten Widmungskategorien ausgewiesen sind, wobei auch hier – wie im Burgenland – bestimmte Zeiten nicht in die Fünfjahresfrist einzurechnen sind (§ 77b Abs 2 leg cit). Die Bemessung der Abgabe richtet sich nach der Grundstücksgröße, wobei eine Abgabe – im Unterschied zum Burgenland, wo keine expliziten Ausnahmen für kleinere Grundstücke vorgesehen sind – erst ab einer Grundstücksgröße von 501 m2 eingehoben wird, und ist je nach Region bzw Stadt gestaffelt (§ 77b Abs 4 und 5 leg cit). Die Abgabenhöhen werden dabei direkt in § 77b Abs 5 leg cit normiert. Auch in Salzburg sind gewisse Personen bzw. Körperschaften von der Leistung der Infrastruktur-Bereitstellungsabgabe befreit, wie etwa Gemeinden im Fall von eigenen Baulandgrundstücken im Gemeindegebiet und die Baulandsicherungsgesellschaft mbH (§ 77 leg cit) sowie Grundstückseigentümer:innen, die schriftlich um eine entschädigungslose Rückwidmung ihrer Grundstücke in Grünland angesucht haben (§ 77b Abs 3 leg cit). Nach Angaben des Landes Salzburg sei bereits eine Baulandmobilisierung feststellbar.[9]
In der Steiermark kann die Einhebung einer „Raumordnungsabgabe“ bei unbebauten Baugrundstücken dann vorgesehen werden, wenn die Gemeinde im Flächenwidmungsplan eine fünfjährige Bebauungsfrist vorgesehen hat und das Grundstück innerhalb dieser Frist nicht bebaut wird (§ 36 Abs 1 und 3 Z 1 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010). Im Rahmen einer land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung bestehen abweichende Regelungen. Die jährlich vorzuschreibende Raumordnungsabgabe richtet sich diesfalls nach der Grundstücksgröße (unabhängig von einer bestimmten Mindestgröße), die mit dem aktuellen Baugrundstückspreis pro Quadratmeter multipliziert wird. 2 % dieses Betrages sind als Abgabe vorzuschreiben (§ 36 Abs 4 Z 1 leg cit). Die Baulandabgabe ist als reine Gemeindeabgabe iSd § 6 Abs 1 Z 5 F-VG 1948 ausgestaltet (§ 36 Abs 9 leg cit).
Am Beispiel der geschilderten Baulandabgabe ist der Wert des sogenannten „Laborföderalismus“ zu erkennen. So kann eine gezielte Maßnahme – räumlich begrenzt – eingeführt und deren Nutzen zunächst beobachtet werden. Ziel der Baulandabgabe ist es einerseits, der Gemeinde entstandene Kosten für die Infrastrukturanbindung von (unbebauten) Baulandgrundstücken abzudecken und andererseits insbesondere aber auch, die Hortung von bebaubaren Grundstücken zu verhindern und leistbares Bauland auf den Markt zu bringen. Stellt sich heraus, dass es sich um eine sinnvolle Maßnahme handelt, führt dies zu einem befruchtenden Wettbewerb und maßgeschneiderten Lösungen auch in anderen Regionen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich folgende Bewertung auf unserem Föderalismus-Barometer:
[1] Stabilität in der Krise. Erneuerung für Tirol. Regierungsprogramm für Tirol 2022 – 2027, 9, abrufbar unter https://www.tirol.gv.at/fileadmin/bilder/navigation/regierung/2022/Regierungsprogramm_2022_Stabilitaet_Erneuerung.pdf (abgerufen am 14.4.2023).
[2] Vgl auch https://tirol.orf.at/stories/3202725/ (abgerufen am 14.4.2023).
[3] Bußjäger/Eller, Verfassungsrechtliche Aspekte einer Leerstandsabgabe als Landesabgabe, ÖHW 2023, 1 (4 f).
[4] Bußjäger/Eller, ÖHW 2013, 5; Gamper, Die Kompetenzverteilung in der Finanzverfassung, in Bußjäger/Eller (Hg), Handbuch der österreichischen Finanzverfassung (2022) 85 (95).
[5] VfSlg 17.890/2006.
[6] Vgl https://www.burgenland.at/themen/wohnen/baulandmobilisierung/ (abgerufen am 14.4.2023).
[7] §§ 24a Abs 2 bis 7 Bgld RPG 2019.
[8] Siehe https://tirol.orf.at/stories/3202725/ (abgerufen am 14.4.2023).
[9] Siehe https://tirol.orf.at/stories/3202725/ (abgerufen am 14.4.2023).
In § 5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz[1] legt der Bund Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen fest. Die Wohnkostenpauschale und Zusatzleistungen zur Vermeidung besonderer Härtefälle sind dabei ausschließlich in Form von Sachleistungen zu gewähren (§ 5 Abs 5 und § 6 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz).
Der VfGH qualifizierte diese Regelung als Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Er erachtete es zwar als legitim, dass durch ein Sachleistungsgebot sichergestellt werden solle, dass Leistungen tatsächlich auch für jenen Zweck verwendet werden, für den sie gewährt wurden, allerdings könne es Fälle geben, in denen Hilfsbedürftige keinen Einfluss auf einen höheren Bedarf hätten, wie etwa bei besonders hohen Mietkosten. Es könnten also auch sachliche Gründe dafürsprechen, Zusatzleistungen durch Geld abzudecken. Der VfGH hob daher die entsprechenden Wortfolgen in § 5 Abs 5 zweiter und letzter Satz Sozialhilfe-Grundsatzgesetz als verfassungswidrig auf und stellte fest, dass die Wortfolge „in Form zusätzlicher Sachleistungen“ in § 6 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz verfassungswidrig war. Die nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz zusätzlich in Form einer Geldleistung gewährte Mietbeihilfe wurde auf Grund der Verfassungswidrigkeit des Zwanges zur Sachleistung nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz als zulässig erachtet.
Als verfassungswidrig qualifizierte der VfGH allerdings § 8 Abs 2 Z 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes[2], der festgelegt hat, dass monatliche Leistungen für Personen, die in einer Hausgemeinschaft leben, 75 % des Richtsatzes betragen dürfen. Nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes dürfen monatliche Leistungen für diese Personen nämlich maximal 70 % des Richtsatzes betragen. Es ist dem Landesgesetzgeber verwehrt, die im Grundsatzgesetz festgelegten Höchstsätze zu überschreiten. Diese Regelung sowie die auf Grundlage dieser Regelung festgesetzten Beträge in den jährlichen Verordnungen zum Wiener Mindestsicherungsgesetz wurden daher vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben.
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entscheidung des VfGH auf die entsprechenden Regelungen zur Mindestsicherung in den anderen Bundesländern auswirken wird und ob zur Deckung eines erhöhten Wohnbedarfs oder der Vermeidung von Härtefällen nunmehr auch in anderen Ländern Geld- statt Sachleistungen vorgesehen werden oder Anpassungen bezüglich monatlicher Leistungen für Personen, die in einer Hausgemeinschaft leben, erforderlich sind. Es bleibt jedoch bedauerlich, dass der VfGH, wie bereits in einer früheren Entscheidung[3] ausgesprochen, das System der vom Grundsatzgesetzgeber festgelegten Höchstsätze nicht beanstandet hat und daher das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz statt verbindlichen Mindeststandards vielmehr Höchstgrenzen, die in den einzelnen Ländern zu problematischen Verzerrungen führen können, vorgibt.
[1] BGBl I 41/2019.
[2] LGBl 38/2010 idF LGBl 2/2018.
[3] VfGH 12.12.2019, G 164/2019-25, G 171/2019-24.
Das Tagungsprogramm, weitere Informationen sowie das Anmeldeformular sind unter https://www.jku.at/institut-fuer-umweltrecht/forschung/veranstaltungen/programm-netzwerk-tagung-spannungsfeld-erneuerbare-energie-und-schutz-der-biodiversitaet/ zu finden.
Das Programm bietet einen dreiwöchigen Forschungsaufenthalt an der Eurac Reserach in Bozen inklusive Übernahme der Kosten für Reise und Unterkunft in Bozen sowie die Möglichkeit, sich mit Forscher:innen der Eurac Research in den Bereichen vergleichende Föderalismus- und Regionalismusforschung zu vernetzen. Einreichungen sind bis spätestens 1. Juli 2023 an die Eurac Research unter federalscholar@eurac.edu zu richten.
Weitere Informationen, insbesondere die Ausschreibungsbedingungen sowie Informationen über die einzureichenden Unterlagen sind unter https://www.eurac.edu/de/institutes-centers/institut-fuer-vergleichende-foederalismusforschung/pages/federal-scholar-in-residence-program abrufbar.
Der in 3. Auflage vorliegende Kommentar enthält Anmerkungen zu sämtlichen Bestimmungen des Parteiengesetzes sowie die dazugehörigen Materialien und die wichtigsten Entscheidungen des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats, des Bundesverwaltungsgerichts und auch des Verwaltungsgerichtshofs zu den Bestimmungen des Parteiengesetzes. Ebenfalls im Werk zu finden sind Änderungen des Parteien-Förderungsgesetzes 2012 und des Klubfinanzierungsgesetzes 1985 sowie eine Aktualisierung der bereits in den Vorfassungen enthaltenen Regelungen in den Bundesländern.
Christian Eisner/Michael R. Kogler/Andreas Ulrich, Recht der politischen Parteien
Jan Sramek Verlag, 3. erweiterte Auflage 2023, 174,00 Euro
Mag.a Julia Oberdanner studierte Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck. Sie ist dort neben ihrer Tätigkeit am Institut für Föderalismus auch noch als Universitätsassistentin am Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre beschäftigt und absolviert derzeit das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften.
Andreas Pehr, MA studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Gesellschaftswissenschaften an den Universitäten Basel, Freiburg i. Br., Los Angeles (Long Beach) und Salzburg. Er ist derzeit auch als Projektmitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck tätig.
Das Institut für Föderalismus freut sich sehr über die Verstärkung durch die beiden neuen Kolleg:innen.
Nach Wien hat mit Beginn des neuen Jahres das östlichste Bundesland den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen. Im ersten Halbjahr sollen unter dem Motto „Sicherheit in bewegten Zeiten“ die inhaltlichen Schwerpunkte auf den Themen Pflege, Gesundheit und Bewältigung der Energiekrise gelegt werden. Im Rahmen des burgenländischen Vorsitzes wird auch der neu auszuverhandelnde Finanzausgleich breiten Raum einnehmen.
Die Landeshauptleutekonferenz ist ein informelles Gremium, das dem Zweck dient, gemeinsame Interessen der Länder zu filtern und diese dann im Verhandlungswege mit und vor dem Bund zu vertreten. Der Vorsitz zwischen den Ländern wechselt dabei halbjährlich und nach alphabetischer Reihenfolge der Länder. Nach dem Burgenland wird daher Kärnten das vorsitzführende Land im zweiten Halbjahr des Jahres 2023 sein. Die Landeshauptleutekonferenz fasst ihre Beschlüsse einstimmig. Diese werden aufgrund des informellen Charakters der Treffen nicht veröffentlicht, sondern lediglich den Teilnehmern sowie der Bundesregierung, soweit sie davon betroffen ist, zugänglich gemacht. Die Beschlüsse selbst sind rechtlich unverbindlich, entfalten aber eine beachtliche politische Wirkung.[1]
[1] Folgende weiterführende Literatur zur Bedeutung der Landeshauptleutekonferenz ist zu empfehlen: Bußjäger, Föderalismus durch Macht im Schatten? – Österreich und die Landeshauptmännerkonferenz, in: Europäisches Zentrum für Föderalismusforschung Tübingen (Hg), Jahrbuch des Föderalismus 2003 (2003) 79 ff; Bußjäger, Die Landeshauptleutekonferenz: Vom Schatten in die Sonne?, in: Europäisches Zentrum für Föderalismusforschung Tübingen (Hg), Jahrbuch des Föderalismus 2012 (2012) 310 ff; aus politologischer Sicht vgl Karlhofer, Gestaltungskraft und Vetomacht. Funktion und Praxis der Landeshauptleutekonferenz, in: Rosner/Bußjäger (Hg), Im Dienste der Länder – im Interesse des Gesamtstaates. FS 60 Jahre Verbindungsstelle der Bundesländer (2011) 311 ff.
Ein für die Verfassungsautonomie der Länder wichtiges Verfahren betreffend die Prüfkompetenz des steiermärkischen Landesrechnungshofes (LRH) hinsichtlich der Gebarung gemeinnütziger Wohnbauträger in der Steiermark wurde nun vom VfGH entschieden.[1]
Hintergrund des Verfahrens war ein schwelender Streit zwischen dem LRH einerseits und insgesamt 27 steirischen Wohnbauträgern andererseits. Auf Antrag des steiermärkischen Landtages wurde ersterer nämlich beauftragt, die Gebarung der Wohnbauträger, die zum Teil mit Mitteln des Landes gefördert werden, umfassend zu prüfen. Nachdem sich letztere nicht bereit erklärten, einen ausführlichen Fragenkatalog zu beantworten, wandte sich der LRH direkt an den VfGH.[2] Bei der Behandlung des Antrags sind dem VfGH schließlich Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des Art 50 Abs 1 Z 7 Stmk L-VG entstanden und in der Folge ein Gesetzesprüfungsverfahren von Amts wegen eingeleitet worden.
Der VfGH begründete dies zum einen damit, dass die Prüfkompetenz öffentlich geförderter Wohnbauträger durch den LRH sich nicht (ausschließlich) aus dem Gesetz ergebe, sondern davon abhängig sei, ob die steiermärkische Landesregierung sich diese für das Land vertraglich vorbehalten hat („sofern sich das Land vertraglich eine solche Kontrolle vorbehalten hat“). Es dürfte demnach offenbar im freien Ermessen der Landesregierung liegen, bei der Gewährung von finanziellen Mitteln zur Wohnbauförderung für das Land eine Kontrolle durch den LRH Steiermark vertraglich vorzubehalten. Da der VfGH aber ausschließlich zur Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des LRH begründen, berufen sei, verstoße die Bestimmung daher gegen eine darauf gerichtete bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung (Art 127c Z 1 iVm Art 126a erster Satz B-VG). Zum anderen hegte der VfGH das Bedenken, dass im Umfang seiner Zuständigkeit gemäß Art 50 Abs 1 Z 7 Stmk L-VG nicht die im Art127c Z1 B-VG zugrunde liegende „Gleichartigkeit“ eines LRH mit dem Rechnungshof des Bundes aufweise.
Die Landesregierungen der Steiermark, Kärnten, Oberösterreichs und Vorarlberg, das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst sowie der Rechnungshof des Bundes erstatteten im Verfahren Äußerungen und wendeten im Wesentlichen ein, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die nach Art 127c B-VG geforderte „Gleichartigkeit“ des LRH Steiermark mit dem Rechnungshof des Bundes in Frage zu stellen sei, zumal gerade keine Deckungsgleichheit hinsichtlich der Prüfkompetenzen vorliegen müsse. Ferner wurde vorgebracht, dass der VfGH auch bei der Auslegung von (bundesverfassungs)gesetzlichen Bestimmungen, die Zuständigkeiten des Rechnungshofes des Bundes regeln, seiner Beurteilung privatrechtliche Gesichtspunkte zugrunde zu legen habe. Außerdem wurde eine (mögliche) verfassungskonforme Interpretation der Bestimmung insofern, als sich die Prüfungsbefugnis auf Wohnbauförderungen des Landes Steiermark zu beschränken habe, ins Spiel gebracht.
Im Ergebnis konnten die vom VfGH im Gesetzesprüfungsverfahren gehegten Bedenken nicht zerstreut werden. Er führte dabei aus, dass sich die zu prüfende Bestimmung von jenen über die Kontrolle von Unternehmen durch den Rechnungshof des Bundes darin unterscheidet, dass es diese (Verfassungs-)Bestimmungen einem Verwaltungsorgan gerade nicht ermöglichen, über die Zuständigkeit des Rechnungshofes zu disponieren. Die Begründung von Zuständigkeiten des RH müsse sich ausschließlich und unmittelbar im Wege von Gesetzen im formellen Sinn ergeben, um von einer „Gleichartigkeit“ mit dem RH des Bundes sprechen zu können. Eine verfassungskonforme Interpretation der Bestimmung komme ebenso wenig in Betracht.
Damit hat der VfGH nach Auffassung des Instituts für Föderalismus aber keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass es den Ländern grundsätzlich verwehrt wäre, eine Prüfkompetenz vorzusehen, wie sie in der Steiermark verankert war. Wenn allerdings der VfGH über Meinungsverschiedenheiten entscheiden können soll, muss sie nun so formuliert werden, dass sich die Zuständigkeit des LRH unmittelbar aus dem Gesetz (bzw der Landesverfassung) ergibt.
Der Ausgang des Verfahrens war auch für andere Bundesländer, die über ähnliche Bestimmung in ihren Landesverfassungen verfügen, bedeutsam. Diese werden vor dem Hintergrund dieses verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses wohl zeitnah novelliert werden.
[1] G 221/2022-14 vom 6.12.2022.
[2] Art 50 Abs 4 Stmk L-VG normiert, dass bei Entstehen von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Landesrechnungshof und einem Rechtsträger über die Auslegung der Zuständigkeiten des Landesrechnungshofs der VfGH ua auf Antrag des Landesrechnungshofes angerufen werden kann.
Nachdem im September 2022 die Begutachtungsfrist für einen Entwurf zu einer Novelle des UVP-G 2000 (200/ME. 27. GP) abgelaufen ist, wurde nun im Parlament eine entsprechende Regierungsvorlage eingebracht. Die vom Institut für Föderalismus im Begutachtungsverfahren abgegebene Stellungnahme ist – soweit ersichtlich – in der nun vorliegenden Regierungsvorlage[1] inhaltlich nicht berücksichtigt worden.[2]
Wenngleich das Bestreben, die Energiewende in Österreich voranzutreiben, grundsätzlich zu begrüßen ist, bestehen gegen die geplante Novelle weiterhin schwerwiegende Einwände seitens des Instituts. Strittig ist zum einen der Umfang und die Reichweite der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes. Das Institut geht davon aus, dass die vorgesehene Sistierung landesrechtlicher Genehmigungsvoraussetzungen nicht mehr von der genannten Kompetenz des Bundes umfasst ist und auch aufgrund des vom Bund zu beachtenden Berücksichtigungsgebots sachlich nicht gerechtfertigt erscheint. Darüber hinaus wird durch das Außerachtlassen von Festlegungen auf örtlicher Planungsebene (Flächenwidmungen) die Raumordnungskompetenz der Gemeinden ausgehebelt, was einen unzulässigen Eingriff in deren eigenen Wirkungsbereich dar (Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG) darstellt. Die als – aus der Sicht des Instituts ebenso zu hinterfragende – Kompensation in Gestalt eines Zustimmungserfordernisses der Standortgemeinde, die vom Projektwerber bzw. von der Projektwerberin mit dem Genehmigungsantrag nachzuweisen ist, steht im Übrigen mit Art 18 Abs 1 B-VG in Widerspruch, weil diese letztlich eine Bindung des obersten Organs (Landesregierung) an die Willensäußerung einer anderen Behörde bewirkt.
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem geplanten Gesetzgebungsvorhaben ist in einem Fachbeitrag in der Zeitschrift „ecolex“ erfolgt.[3]
Auf unserem Föderalismusbarometer wird die geplante Gesetzesnovelle daher nicht allzu positiv bewertet.
[1] RV 1901 BlgNR 27. GP.
[2] Siehe dazu auch die im Begutachtungsverfahren abgegebene Stellungnahme des Instituts, abrufbar unter https://www.parlament.gv.at/PtWeb/api/s3serv/file/0dd96e5b-7105-4fcc-822e-2f6b29dfe239 vom 31.8.2022.
[3] Bußjäger/Eller, Keine Flächenwidmung für Windräder?, ecolex 11/2022, 928 ff.
Der Preis ist mit insgesamt 4.000 € dotiert; das Preisgeld kann an einen oder mehr Preisträgerinnen bzw. Preisträger (Mindestbetrag 1.000 €) vergeben werden. Einreichungen sind bis spätestens Donnerstag, 31. März 2022 an das Institut für Föderalismus zu richten.
Weitere Informationen, insbesondere die Ausschreibungsbedingungen sowie das Einreichformular sind unter https://foederalismus.at/foederalismuspreis/ abrufbar.
Der VfGH hat im Bereich des Gesundheitswesens im August 2022 ein im November 2021 eingeleitetes Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Systems der Gesundheits-Zielsteuerung abgeschlossen und im Zuge dessen zwei Bestimmungen im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz als verfassungswidrig aufgehoben.[1]
Das Gesundheitswesen, wozu auch das Berufsrecht der selbständig niedergelassenen Ärzte gehört, ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache (Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG). Hingegen fallen Krankenhäuser einschließlich selbständiger Ambulatorien in die Regelungszuständigkeit der Länder; in diesem Bereich ist der Bund lediglich befugt, Grundsätze für die Landesgesetzgebung aufzustellen (Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG).
Vor dem Hintergrund dieser Kompetenzlage haben der Bund und die Länder zwei Vereinbarungen abgeschlossen:
In dieser zweiten Vereinbarung sind der Bund und die Länder übereingekommen, den Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) als zentrale Planungsinstrumente für eine integrative Versorgungsplanung einzusetzen: Diese erstreckt sich sowohl auf die niedergelassenen Ärzte (Gesundheitswesen, Kompetenz des Bundes) als auch auf die Krankenhäuser und Ambulatorien (Länderkompetenz). Es obliegt dabei der Gesundheitsplanungs GmbH, bestimmte Teile des ÖSG und der RSG durch Verordnung verbindlich zu erklären (§ 23 Abs 4 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz). Die Errichtung einer Bundesbehörde im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung hätte so der Zustimmung der Länder nach Art 102 Abs 1 und 4 B-VG bedurft, die allerdings nicht eingeholt wurde. Dies gilt auch dann, wenn Aufgaben der Bundesverwaltung einem selbständigen Rechtsträger zugewiesen werden.
Die organisationsrechtliche Anordnung, wonach die Landesgesetzgebung vorzusehen hat, dass die Verbindlicherklärung von Planungen, die Angelegenheiten des Krankenanstaltenrechts betreffen, der Gesundheitsplanungs GmbH zukommen, geht laut VfGH zudem über die Gesetzgebungskompetenz des Bundes hinaus und war daher wegen Verstoßes gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung aufzuheben.
Allerdings stellte der VfGH auch fest, dass – ungeachtet der Landeskompetenz zur konkreten Krankenanstaltenplanung – die „gesamthafte integrative Planung im Bereich des Gesundheitswesens (inklusive Krankenanstalten), etwa durch Vorgabe gemeinsamer Planungsziele […]“ in die alleinige Zuständigkeit des Bundes fällt. Hinsichtlich des Begriffs der „integrativen Planung“ bleibt der VfGH eine weitere Konkretisierung dennoch schuldig. So stellt sich insbesondere die Frage, wie tief diese integrative Planung unter Einschluss der Krankenanstalten gehen kann, ohne die Krankenanstaltenplanung, welche Angelegenheit des Art 12 B-VG ist, einzuschränken.
[1] VfGH vom 30. Juni 2022, G 334/2021 ua.
Sozialminister Johannes Rauch hat in einem unlängst geführten Interview laut über die Verschiebung der Flächenwidmungs-Kompetenz von den Gemeinden zu den Ländern nachgedacht. Er argumentiert dabei damit, dass die Bürgermeister:innen zu nahe an den lokalen Interessenlagen seien, um sich gegen kommerzielle Ansprüche wehren zu können. Der Gemeindebund konnte dem Vorschlag des Ministers wenig abgewinnen und erkannte einen „glatten Eingriff in die Gemeindeautonomie“.
Nach aktueller Verfassungsrechtslage fällt die Besorgung der behördlichen Aufgaben in Angelegenheiten der „örtliche[n] Raumplanung“ gemäß Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden. Bei den in dieser Gesetzesbestimmung aufgezählten Angelegenheiten handelt es sich um solche, die zum „Kern“ der im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden zu bewältigenden Aufgaben zu zählen sind. Wollte man den Gemeinden diese Kompetenz nehmen, wäre daher jedenfalls eine Änderung des B-VG und daher auch die für Verfassungsänderungen im Nationalrat notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.
Abgesehen davon, dass sich eine breite Mehrheit für eine solche Verfassungsänderung im vorgenannten Sinne nicht gerade abzeichnet, darf darauf hingewiesen werden, dass die Raumordnungsgesetze der Länder bereits den rechtlichen Rahmen für Flächenwidmungen auf kommunaler Ebene vorgeben. Die Flächenwidmungspläne haben dabei die Ziele der örtlichen Raumordnung sowie des örtlichen Raumordnungskonzeptes zu berücksichtigen, sich zudem an den Grundsätzen der überörtlichen Raumordnung zu orientieren. Der von den Gemeinderäten (und nicht den Bürgermeister:innen) zu beschließende Flächenwidmungsplan als zentrales Planungsinstrument auf kommunaler Ebene ist daher eingebettet in einen sogenannten „Stufenbau der Raumordnung“ und sind diese (sowie auch deren Änderungen) nach der Beschlussfassung durch den Gemeinderat der Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorzulegen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob ein Widerspruch zu überörtlichen Verordnungen (Landesentwicklungsprogrammen, Sachprogrammen) oder zu gesetzlichen Bestimmungen in den Raumordnungsgesetzen (Raumordnungsziele und -grundsätze) besteht.
Eine Verschiebung der Flächenwidmungskompetenz auf eine „höhere“ Ebene – Länder oder Bund – würde aus Sicht des Instituts für Föderalismus das Problem nicht lösen: Investoren, Industriebetriebe und andere starke Player würden dann eben versuchen, ihre Interessen auf dieser Ebene durchzusetzen. Sinnvoller ist es, den Planungsspielraum der Gemeinden durch eine Stärkung der überörtlichen Raumplanung einzugrenzen. Der Raumordnungsexperte Arthur Kanonier von der TU Wien schlägt in diesem Zusammenhang beispielsweise die Vorgabe von Widmungsquoten für gemeinnützige Bauprojekte vor, um sozialen Wohnbau zu begünstigen.
Die Fraktionen im Vorarlberger Landtag haben Ende September 2022 einstimmig eine Novelle des Parteienförderungsgesetzes beschlossen, das mehr Transparenz im Bereich der Parteienfinanzierung herstellen soll. Primäres Ziel des Gesetzes ist es, künftig alle Geldflüsse von und zu einer Partei sichtbar zu machen. Vorarlberg ist somit das erste Bundesland Österreichs mit einem Parteienförderungsgesetz, welches modernen Transparenz-Maßstäben gerecht wird und nimmt damit eine Vorreiterrolle auch für alle anderen Bundesländer sowie den Bund ein.
Dem beschlossenen Gesetz zufolge müssen die Vorarlberger Parteien ab 2023 Spenden von über 1.000 Euro angeben, davon betroffen sind auch deren Teilorganisationen bzw. einzelne Abgeordnete. Anonyme Spenden – sowohl für die Parteien als auch die Landtagsfraktionen –sind in Zukunft nicht mehr zulässig. Ebenso sind die Parteien verpflichtet, Berater- und Werbeunternehmen zu nennen, wenn höhere Entgelte als 1.000 Euro bezahlt werden. Weitere Maßnahmen betreffen etwa die Beschränkung der Wahlwerbung bei Landtagswahlen sowie die Einräumung der Befugnis an den Landesrechnungshof, die Parteienfinanzen zu prüfen. Im jährlich von den Parteien zu erstellenden Rechenschaftsbericht müssen alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Landesparteien samt nahestehenden Organisationen und Beteiligungsunternehmen angegeben werden. Verstöße gegen die Bestimmungen des Parteienförderungsgesetzes werden mit der Rückforderung von Förderungen sanktioniert.
Mit den nun beschlossenen strengen Vorschriften im Vorarlberger Parteienförderungsgesetz macht das Land von seiner Ermächtigung Gebrauch, über das Parteiengesetzes des Bundes hinausgehende strengere Spendenregelungen (siehe § 6 Abs 10 des Parteiengesetzes 2012) sowie strengere Sponsoring- und Inseratenregelungen (siehe § 7 Abs 4 des Parteiengesetzes 2012) vorzusehen. Die Regelung der Förderung von Parteien sowie parlamentarischer Fraktionen unterliegt, soweit es um die Tätigkeit von Parteien und Fraktionen auf Landesebene geht, indes der Landeskompetenz nach Art 15 Abs 1 B-VG; dies gilt ebenso für die Beschränkung der Wahlwerbung. Damit geht der Vorarlberger Landesgesetzgeber an die Grenzen dessen, was ihm die Verfassungsautonomie der Länder eröffnet. Entsprechend positiv fällt daher die Bewertung auf unserem Föderalismus-Barometer aus.
Die Veranstaltung findet in hybrider Form statt und kann sowohl in Präsenz als auch digital via Internet besucht werden. Das Tagungsprogramm sowie weitere Informationen sind auf unserer IFÖ-Homepage unter folgendem Link abrufbar: https://foederalismus.at/news_detail.php?id=1833
Die auf Basis der EVTZ-Verordnung nunmehr vorgesehene Möglichkeit der Gründung eines Europäischen Verbunds territorialer Zusammenarbeit zur Förderung interregionaler Arbeit wird anhand dreier Anwendungsfälle, namentlich den Europaregionen Tirol-Südtirol-Trentino, Galizien-Nordportugal, Eurodistrikt SaarMoselle und TransOderana, näher analysiert. Da die EVTZ insgesamt eine Erfolgsgeschichte der Regionalpolitik sind, ist dieses Werk zur praktischen Funktionsweise der Verbünde und die Einbeziehung der Bevölkerung von großer Bedeutung.
Peter Ulrich, Participatory Governance in the Europe of Cross-Border Regions
Nomos-Verlag, 2021, 134,00 Euro
Eine lang verhandelte Novelle (BGBl I 125/2022) zur Änderung des Bundesgesetzes über die Finanzierung politischer Parteien – Parteiengesetz 2012 hat im Nationalrat nunmehr breite Unterstützung erhalten (Zweidrittelmehrheit). Ziel des Gesetzespakets ist es, mehr Transparenz in die Parteienfinanzierung zu bringen und damit nicht zuletzt für mehr Fairness im politischen Wettbewerb zu sorgen.
Die Reform selbst ist grundsätzlich zu begrüßen, zumal die Prüfkompetenzen des Rechnungshofes (§ 10) erweitert, die Spendenregelungen verschärft sowie ein grundsätzliches Spendenannahmeverbot für parlamentarische Klubs und Parteiakademien (§ 6) festgelegt wurde. Dem Rechnungshof ist es nunmehr beispielsweise möglich, bei „begründetem Verdacht“ auf Verletzung des Parteiengesetzes diesem selbst nachzugehen.
Von der Fülle auch teils neuer Verfassungsbestimmungen erscheint aus grundsätzlicher verfassungspolitischer Perspektive vor allem die Bestimmung des § 3 erster Satz PartG bedenklich. Nunmehr müssen Bund und Länder, Gemeinden können politischen Parteien für ihre Tätigkeit bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung in Bund, Ländern und Gemeinden jährlich angemessene Fördermittel zuwenden. Als Folge des Wechsels von einer Kann- zu einer Mussbestimmung wird – abgesehen davon, dass damit für die bereits in den Parlamenten vertretenen Parteien und nur für diese, ein verfassungsmäßiges Parteienrecht auf angemessene Parteienförderung ausdrücklich festgelegt wird – die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt. Diese haben künftig nicht mehr die Möglichkeit, politischen Parteien für ihre Tätigkeit bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Land Fördermittel gänzlich zu versagen. Zudem darf sich eine finanzielle Zuwendung auch nicht mehr unterhalb des vom Bundesverfassungsgesetzgeber als „angemessen“ erachteten Mindestsatzes (dh betragsmäßig weniger als 3,10 EUR gemäß § 3 zweiter Satz bzw. den nach § 14 Abs 1 PartG valorisierten Betrag je Wahlberechtigtem) orientieren. Dies bedeutet auch einen massiven Eingriff in die Budgethoheit der Länder. Aus diesem Grund war auch eine qualifizierte Zustimmung des Bundesrats gemäß Art 44 Abs 2 B-VG erforderlich.
Im Ergebnis ist die Novelle des Parteiengesetzes daher zwiespältig zu beurteilen: Während zum einen die Transparenz im Bereich der Parteienförderung erhöht und auch die Kompetenzen des Rechnungshofes tatsächlich erweitert werden, werden die Handlungsspielräume der Länder in diesem Bereich neuerlich eingeschränkt und dem Kartell der bereits vertretenen Parteien ein Grundrecht auf Parteienförderung eingeräumt.
Im Mai dieses Jahres wurden Pläne des Verteidigungsministeriums bekannt, im Zuge einer Strukturreform offenbar auch eine Dezentralisierung anzustreben. So soll laut einem Entwurf zur Änderung des Wehrgesetzes beabsichtigt sein, „nach Maßgabe militärischer Interessen Teile des für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesministeriums außerhalb Wiens“ einzurichten. In den Erläuterungen dazu heißt es, „eine strikte Beschränkung der Zentralstelle des Verteidigungsressorts auf Wien“ sei „unzweckmäßig“ und widerspreche „aktuellen Bestrebungen für eine verstärkte Nutzung einer modernen Büroorganisation und -kommunikation“. Die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat kann allerdings nur mit Stimmen der Oppositionsparteien erreicht werden.
Das Institut für Föderalismus begrüßt den Reformvorstoß ausdrücklich und spricht sich schon seit geraumer Zeit für eine Verlagerung von Bundesdienststellen in die Peripherie aus.[1] Mit zunehmendem Ausbau der Digitalisierung gibt es zudem kaum noch Argumente, eine Dezentralisierung der Bundesverwaltung kategorisch abzulehnen. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Pläne des Verteidigungsministeriums tatsächlich in die Tat umgesetzt werden.
[1] Vgl Bußjäger/Keuschnigg/Radosavljevic, Der Bund und seine Dienststellen (2015); Bußjäger et al, Dezentralisierungspotentiale in der Bundesverwaltung (2017).
Mit Prüfungsbeschluss vom 18. Juni 2022, KR 1/2021-13, hat der VfGH die amtswegige Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Art 50 Abs 1 Z 7 Stmk L-VG auf Grund eines Antrages des Landesrechnungshofes des Landes Steiermark (LRH) gemäß Art 50 Abs 4 Stmk L-VG veranlasst. Im Vorverfahren wurden unterschiedliche Rechtsauffassungen hinsichtlich des Prüfungsumfanges des LRH artikuliert. Während sich der LRH für zuständig erachtete, die Gebarung von Wohnbauträgern umfassend zu prüfen, gingen die betroffenen Wohnbauträger von einer nur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des LRH aus.
Bei der Behandlung des Antrages des LRH kamen dem VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Art 50 Abs 1 Z Stmk L-VG, der wie folgt lautet: „Der Landesrechnungshof kontrolliert die Gebarung von Wohnbauträgern, die Mittel aus der Wohnbauförderung erhalten, sofern sich das Land vertraglich eine solche Kontrolle vorbehalten hat“. Zum einen stößt sich der VfGH daran, dass die Kontrollbefugnis des LRH von einer vertraglichen Vereinbarung durch das Land abhängt und daher durch diese und nicht durch die genannte landesverfassungsgesetzliche Regelung selbst begründet zu sein scheint. Aufgrund dieser Systematik dürfte im Ergebnis dem VfGH eine Zuständigkeit eingeräumt werden, die von der bundesverfassungsrechtlichen Ermächtigung des Landesverfassungsgesetzgebers zur Regelung einer Zuständigkeit des VfGH nach Art 127c Z 1 iVm Art 126a erster Satz B-VG nicht gedeckt sein dürfte. Überdies dürfte nach Ansicht des VfGH der LRH das dem Art 127c Z 1 B-VG zugrundeliegende Erfordernis der „Gleichartigkeit“ mit dem Rechnungshof des Bundes im Umfang seiner Zuständigkeit gemäß Art 50 Abs 1 Z 7 Stmk L-VG nicht aufweisen, wie der VfGH in seinem Prüfungsbeschluss näher ausführt. Schließlich hegt der VfGH Bedenken hinsichtlich des offenbar möglichen Umfangs der Gebarungskontrolle, die – eine entsprechende vertragliche Vereinbarung vorausgesetzt – nicht auf die Verwendung von öffentlichen Mitteln des Landes durch den Wohnbauträger eingeschränkt sein dürfte. Eine über die bloße Verwendung von Mitteln des Landes bezogene Prüfungsbefugnis des LRH begegnet laut VfGH wohl nicht nur kompetenzrechtlichen Bedenken – weder Art 99 Abs 1 noch Art 15 Abs 1 B-VG kämen als Kompetenzgrundlage in Frage –, eine uneingeschränkte Prüfungsbefugnis würde zudem auch dem die Rechnungshofkontrolle immanenten System, das auf die Kontrolle der Gebarung mit öffentlichen Mitteln abzielt, widersprechen und dürfte sachlich daher nicht gerechtfertigt sein.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob im weiteren Verfahren die Bedenken des VfGH zerstreut oder die Verfassungswidrigkeit der angesprochenen Bestimmungen tatsächlich festgestellt werden wird. In Bezug auf die bemängelte „Gleichartigkeit“ könnte dem VfGH zumindest entgegengehalten werden, dass in funktioneller Hinsicht lediglich eine Vergleichbarkeit mit dem RH des Bundes gegeben sein muss. Insofern die Aufgaben des LRH über jene des RH hinausgehen, schadet dies der Gleichartigkeit nicht, zumal „Gleichartigkeit“ nicht „Gleichheit“ bedeutet.[1]
[1] Siehe Bußjäger, Was ist ein Landesrechnungshof?, ZfV 2011, 737 (739 ff).
Es war eines der wichtigsten Reformprojekte der letzten Jahre – die Fusionierung der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Allein die versprochene „Patientenmilliarde“ konnte durch die vollzogene Zentralisierung nicht lukriert werden. Im Gegenteil: In einem Rohbericht des Rechnungshofes (RH) vom Juli 2022 wird dargelegt, dass durch die Fusion der Krankenkassen in Wahrheit Mehrkosten in der Höhe von 214,95 Mio Euro entstanden sind. Dabei verglichen die Prüfer die tatsächlichen Verwaltungskosten und die Prognosen für das Jahr 2023, die aus dem Februar 2022 stammen, mit den Einsparungszielen der Regierung aus dem Jahr 2018. Das Soll wurde um 1,21 Milliarden gesprengt.[1]
Die Reform der Krankenkassen ist ein plakatives Beispiel dafür, dass Zentralisierungen nicht Hand in Hand mit Kosteneinsparungen gehen, sondern diese regelmäßig das Gegenteil bewirken. Bereits im Vorfeld wurde eindringlich gewarnt, dass die mit der Zerschlagung der Gebietskrankenkassen kolportierten Einsparungsziele alles andere als realistisch seien. Von der Kostenfrage abgesehen wiegt für die Länder noch viel schwerer, dass die Zweigstellen der Gesundheitskasse nunmehr über keine echten Entscheidungskompetenzen mehr verfügen und sie ihrer regionalen Spielräume in der Gesundheitspolitik beraubt wurden.[2] Da in maßgeblichen (und auch unbedeutenden) Angelegenheiten folglich in der Zentralstelle in Wien nachgefragt werden muss, ist auch der bürokratische Aufwand keinesfalls geringer als vorher. Die angekündigten personellen Einsparungen sind bis dato ebenso wenig eingetreten: So ist laut RH ein Mitgrund für die Kostensteigerung, dass sich der Personalstand der fusionierten Krankenkassen sogar leicht erhöht hat.
Die in einem, noch vor Inkrafttreten der Reform angestrengten Verfahren vor dem VfGH artikulierten Bedenken gegen eine Verletzung des Effizienzprinzips durch die Fusion der Gebietskrankenkassen zur ÖGK, wurden von diesem allerdings nicht geteilt.[3] Das Höchstgericht begnügte sich in diesem Zusammenhang mit der Feststellung, dass er nicht zu erkennen vermag, „dass die Zusammenführung von neun länderweise eingerichteten Gebietskrankenkassen (Selbstverwaltungskörper iSd Art 120a ff B-VG) zu einer bundesweiten Gesundheitskasse zwangsläufig zur Folge hätte, dass eine zweckmäßige und effiziente Verwaltungsführung nicht mehr gewährleistet wäre. […] Selbst unvollständige, in sich widersprüchliche oder nicht nachvollziehbare Gesetzesmaterialien oder solche Angaben in der bloß einfachgesetzlich vorgesehenen (§17 Bundeshaushaltsgesetz) ‚wirkungsorientierten Folgenabschätzung‘ können keine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes begründen, auf das sie Bezug haben.“ Der Gesetzgeber habe seinen politischen Gestaltungsspielraum insgesamt daher nicht überschritten.
Mit dieser Argumentation lässt der VfGH das Effizienzprinzip allerdings zu einer leeren Floskel verkommen – der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entpuppt sich, diesen Aspekt betreffend, vielmehr als ein Raum ohne Grenzen. Angesichts seiner Ausführungen ist zudem fragwürdig, ob der VfGH überhaupt in der Lage ist, die Einhaltung des Effizienzprinzips zu überprüfen. So setzt eine Vertretbarkeitskontrolle im Lichte des Effizienzprinzips – entgegen der bisher vertretenen Linie des VfGH – doch zwangsläufig voraus, dass den Gesetzgeber zumindest eine Beweislast dahingehend trifft, Effizienzgewinne durch die Umgestaltung eines Systems nicht nur unsubstantiiert zu behaupten, sondern im Gesetzgebungsprozess in nachvollziehbarer Weise (mit Zahlenmaterial) zu belegen. Bleibt der VfGH bei seiner bisherigen Judikaturlinie, stellt das Effizienzprinzip auch bei möglichen weiteren Zentralisierungen kein ernstzunehmendes Hindernis für den Gesetzgeber dar.
Im aktuellen Föderalismus-Talk (abrufbar unter: https://foederalismus.at/ifoetalk.php?talks_id=16) beschäftigt sich Institutsdirektor Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger ebenso mit der Fusionierung der Gebietskrankenkassen zur ÖGK. Indes fällt auf dem Föderalismus-Barometer – da die Ziele der Kassenreform bisher klar verfehlt wurden – die Bewertung dieser Reform entsprechend schlecht aus:
[1] Siehe zB „Rechnungshofbericht: ‚Patientenmilliarde’ von ÖVP und FPÖ hat es nie gegeben, in: derstandard.at vom 2.7.2022; „Rechnungshof-Bericht: Die Patientenmilliarde war ein Schmäh“, in profil.at vom 2.7.2022.
[2] Siehe dazu auch „Fata Morgana“, Kommentar des Institutsdirektors Peter Bußjäger in der VN vom 15.7.2022.
[3] VfSlg 20.361/2019.
Umweltministerin Leonore Gewessler hat Ende Juli 2022 eine Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) in Begutachtung geschickt,[1] die einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien – vor allem der Windkraft – ermöglichen soll. Nunmehr soll eine fehlende Energieraumplanung künftig die Errichtung von Windrädern nicht mehr blockieren können. Primäres Ziel der Novelle ist es, Vorhaben der Energiewende möglichst zu beschleunigen.
Dabei stützt sich der Ministerialentwurf laut den Erläuterungen auf Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG („Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist; soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, Genehmigung solcher Vorhaben“). Aus Ländersicht bedenklich erweist sich allerdings die Tatsache, dass die landesrechtlichen Genehmigungspflichten durch die geplante Novelle ausgeschaltet werden können. Der Bundesgesetzgeber bewertet die Ausschaltung indes als legitim, weil der Ausbau der Windkraft durch die Länder ansonsten gehemmt sei. Er würde daher von seiner Bedarfskompetenz Gebrauch machen, die gegebenenfalls auch die Abänderung mitanzuwendenden Landesrechts rechtfertige.[2] Aus Sicht des Bundesgesetzgebers sei eine Regelung für Windkraftanlangen bei fehlender Energieraumplanung (oder fehlender planungsrechtlicher Festlegungen auf örtlicher Planungsebene wie Flächenwidmungsplänen) im Hinblick auf die Energie- und Klimakrise für eine effektive Entscheidungskonzentration unverzichtbar und daher auch eine solche Regelung gerechtfertigt.
Ein derart weitgehendes Verständnis der mit der B-VG-Novelle 508/1993 geschaffenen bundesverfassungsrechtlichen Grundlage zur „Umweltverträglichkeitsprüfung“ lässt sich allerdings weder aus den Materialen zur genannten B-VG-Novelle nachweisen,[3] noch aus kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen. Andernfalls würde die bestehende Kompetenzverteilung faktisch aus den Angeln gehoben werden: Der einfache Bundesgesetzgeber wäre in der Lage – wie im aktuellen Ministerialentwurf (§ 4a Abs 2 und 3) angedacht – die landesrechtlichen (Genehmigungs-)Bestimmungen völlig wirkungslos zu machen, was bedeuten würde, dass es dem Bundesgesetzgeber möglich wäre, durch Festlegung materieller Genehmigungspflichten beispielsweise den zur Regelungen der Angelegenheiten des Naturschutzes oder der Raumordnung zuständigen Landesgesetzgeber vom Kern seiner Zuständigkeiten auszuschließen.[4] Einer Ausschaltung des Landesrechts steht auch die den Bundes- wie Landesgesetzgeber bindende Rücksichtnahmepflicht entgegen. Diese verbietet es dem Gesetzgeber, die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen zu unterlaufen (Torpedierungsverbot). In Bezug auf Landesrecht wäre der Bundesgesetzgeber im UVP-G deshalb lediglich befugt, die Mitanwendung landesgesetzlich geregelter Bewilligungs- und Genehmigungskriterien im Wege der Verweisung (§ 17 Abs 1 UVP-G) anzuordnen, ihm ist es aber verwehrt, das mitanzuwendende Landesrecht in materiellrechtlicher Hinsicht abzuändern oder dessen Anwendung völlig auszuschließen.
[1] 220/ME XXVII. GP.
[2] So Madner, Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hg], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht [2020] Rz 26.
[3] Ennöckl, Kompetenzrechtliche Grundlagen des UVP-G, in ders/Raschauer N. (Hg), Rechtsfragen des UVP-Verfahrens vor dem Umweltsenat (2008) 19 (24 f).
[4] Ausführlich dazu Bußjäger, Die Kompetenzen des Bundes zur Regelung der „Umweltverträglichkeitsprüfung“ und „Bürgerbeteiligung, JBl 1995, 690 (694 ff).
Das COVID-19-Management des Bundes und der Länder steht seit Anbeginn der Gesundheitskrise laufend im Fokus der Medien, ist mangels strategischer Ausrichtung allerdings mit latenter Kritik konfrontiert. Dabei scheint gerade das für den österreichischen Föderalismus prägende Modell der „mittelbaren Bundesverwaltung“, das eine zentrale Steuerung im Gesundheitswesen durch den Bund sowie eine Umsetzung dieser Vorgaben durch die Länder ermöglichen würde, prädestiniert für die Bewältigung einer derartigen Krise zu sein. Die Vorzüge dieses Modells liegen auf der Hand: Sie ermöglicht, dass die Vollzugsstränge von Bund und Land bei den Bezirksverwaltungsbehörden zusammenlaufen und verhindert die Einrichtung eigener separater Bundesbehörden. Dadurch können Doppelgleisigkeiten vermieden und Synergieeffekte erzielt werden.
Dennoch haben sich in der COVID-19-Bekämpfung einige neuralgische Punkte herauskristallisiert, die einer effektiven Bewältigung der Krise bislang im Weg standen:
Auf die genannten Aspekte wird im letzten sowie im kommenden 46. Föderalismusbericht, der im September dieses Jahres erscheinen wird, ausführlich Bezug genommen.
Im Februar wurde in Österreich als erstes Land in Europa eine allgemeine COVID-19-Impfpflicht eingeführt. Teile des ohnehin gesundheits- wie gesellschaftspolitisch massiv umstrittenen Gesetzes sind temporär allerdings nicht zu vollziehen, weil mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die vorübergehende Nichtanwendung einiger Bestimmungen des COVID-19-Impfpflichtgesetzes sowie der darauf basierenden COVID-19-Impfpflichtverordnung angeordnet wurde.[1] Eine erneute Evaluierung der COVID-19-Impfpflicht durch eine unabhängige Kommission findet im Mai 2022 statt.
Das COVID-19-IG enthält zahlreiche Bestimmungen, die auch auf die Impforganisation in den Ländern durchschlagen. Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist § 16 COVID-19-IG, der die Kostentragung und Durchführung von Impfungen regelt und folglich erstmals die Impforganisation in Österreich zumindest rudimentär einer gesetzlichen Regelung zugeführt wird. So hat der Landeshauptmann niederschwellige Impfangebote zur Verfügung zu stellen und Vorkehrungen zu treffen, dass an bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten Impfungen durchgeführt werden. Diese Bestimmung ist von der zuvor genannten Verordnung, mit der Teile des COVID-19-IG vorübergehend nicht anzuwenden sind, im Übrigen nicht erfasst.
Die Länder sind daher gefordert, alle notwendigen organisatorischen Vorkehrungen für eine Vollziehung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes zu treffen. Sie haben zwischenzeitlich auch von der in § 3a (Digitales Ausnahmenmanagement) normierten Ermächtigung Gebrauch gemacht und dafür gesorgt, dass auf ihren Homepages jeweils ein Online-Tool für Corona-Impfbefreiungsanträge angeboten wird – dies nicht zuletzt auch deshalb, weil eine bundeseinheitliche Einmeldeplattform bislang fehlt.
[1] BGBl II 103/2022.
Das Regelmodell der Demokratie in Österreich ist – wie jüngst der VfGH im Rahmen des „Ludesch-Erkenntnis“[1] auch mit Blick auf die Gemeindeselbstverwaltung entschieden hat, ein repräsentativ-demokratisches. Zentrales Organ der Demokratiekonzeption sind somit alle direkt vom Volk gewählten allgemeinen Vertretungskörper (insbesondere Nationalrat und Landtage), die die Interessen aller der auf ihrem jeweiligen Gebiet lebenden Menschen zu vertreten haben.
Formen der direkten Demokratie sind daher nur in einem eingeschränkten Maß vorzufinden und sind diesen auch verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Neben den klassischen und bekannten Ausprägungen – Volksabstimmung, Volksbefragung und Volksbegehren – gehen die Länder mitunter sehr kreative Wege, auch „weichere“ Varianten der direkten Demokratie (oftmals als „partizipative“ oder „deliberative“ Instrumente bezeichnet) anzubieten. Diese Modelle kommen mit dem repräsentativ-demokratischen Grundmodell allein schon deshalb nicht in Konflikt, da den BürgerInnen selbst keine Letztentscheidungsbefugnisse zustehen. Zusätzliche Möglichkeiten der direkten Einflussnahme (zB durch Konsultationen, Bürgerbeteiligungen etc.) auf die Staatsgeschäfte stärken dennoch das Demokratiebewusstsein des Volkes und gewährleisten bzw. fördern den Austausch mit den jeweiligen Entscheidungsträgern.
In Vorarlberg hat sich beispielsweise die Einrichtung von Bürgerräten, die mit Unterstützung des Landes zu verschiedenen Themen bereits erfolgreich stattgefunden haben, etabliert. Im Vordergrund der Bürgerräte steht allerdings nicht der unmittelbare Einfluss auf die Staatsgeschäfte, sondern zielen diese auf eine für die staatlichen Entscheidungsträger und für die teilnehmenden BürgerInnen wechselseitig gewinnbringende Rückkoppelung und damit ein stärkeres Miteinander ab. Auch die allgemeine Bürgerbegutachtung von Gesetzesentwürfen, die auf Bundesebene (§ 23b GO-NR) sowie in den meisten Ländern (Art 34 Abs 1 Vbg LV; Art 33 Abs 3 K-LVG; Art 25 Abs 3 NÖ LV; Art 58 Oö. L-VG; Art 68 Bgld L-VG usw.) (verfassungs)gesetzlich verankert ist, gilt als eine der vielen Ausprägungen der partizipativen Demokratie.
Davon unabhängig sind auch außerhalb der klassischen Formen der direkten Demokratie Instrumente der Bürgerbeteiligung nicht selten. In Tirol ist etwa in der Geschäftsordnung des Landtages vorgesehen (§ 78a), mindestens einmal im Jahr eine Sitzung des Schülerinnen- und Schülerparlaments abzuhalten. Die dort gefassten Beschlüsse sind der Präsidentin des Tiroler Landtages zur Kenntnisnahme zu übermitteln, die wiederum darüber entscheiden kann, welchem Adressatenkreis die Beschlüsse weiterzuleiten sind (zB einem Ausschuss oder der Bildungsdirektion).
Insgesamt unternehmen die Länder unterschiedliche Anstrengungen, die BürgerInnen in Entscheidungsprozesse einzubinden bzw. deren Meinungen im Wege einer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Die Bemühungen der Länder auf diesem Gebiet sind auf unserem Föderalismus-Barometer daher äußerst positiv zu beurteilen.
[1] VfGH vom 6.10.2020, W III 2/2019.
Zum Jahreswechsel übernahm das Land Vorarlberg turnusgemäß den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und im Bundesrat. Landeshauptmann Markus Wallner erhielt die Vorsitz-Agenden von seinem Tiroler Amtskollegen Günther Platter übertragen, der die Landeshauptleutekonferenz seit Juli 2021 führte.
Der Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz sowie jener im Bundesrat wechseln halbjährlich, die Reihenfolge des Ländervorsitzes richtet sich dabei nach dem Alphabet. Demzufolge werden – nach Vorarlberg – Wien im zweiten Halbjahr 2022 und das Burgenland im ersten Halbjahr 2023 den Vorsitz in den Gremien innehaben. Die Vorarlberger Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs ist seit Beginn des Jahres nun für sechs Monate Präsidentin der Länderkammer.
Der Vorsitz Vorarlbergs steht unter dem Motto „Gemeinsam in Verantwortung“. Inhaltlich wird wie schon seit März 2020 primär die Bewältigung der Epidemie und ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen an erster Stelle stehen. Aber auch abseits der Pandemie gelte es Schritte zu setzen. So verlangten Wallner und Platter in Sachen Klimaschutz die „volle Einbindung der Bundesländer“ bei den zur Materie gehörenden Gesetzen. Gerade im Bereich Klimaschutz passiere hier vieles ohne die Bundesländer. Damit verbunden ist die an den Bund gerichtete Forderung, die Länder in klimarelevanten Fragen in Zukunft bewusst miteinzubeziehen.
Im österreichischen Verfassungsrecht ist die Landeshauptleutekonferenz nicht vorgesehen, dennoch spielt sie in der Praxis eine bedeutendere Rolle als der Bundesrat als institutionalisiertes Repräsentationsorgan der Länder. Die LHK stellt ein Spezifikum des österreichischen föderalen Systems dar.[1]
[1] Dazu näher Bußjäger, Föderalismus durch Macht im Schatten? – Österreich und die Landeshauptmännerkonferenz, in: Europäisches Zentrum für Föderalismusforschung Tübingen (Hg), Jahrbuch des Föderalismus 2003 (2003) 79 ff; Bußjäger, Die Landeshauptleutekonferenz: Vom Schatten in die Sonne?, in: Europäisches Zentrum für Föderalismusforschung Tübingen (Hg), Jahrbuch des Föderalismus 2012 (2012) 310 ff; aus politologischer Sicht vgl Karlhofer, Gestaltungskraft und Vetomacht. Funktion und Praxis der Landeshauptleutekonferenz, in: Rosner/Bußjäger (Hg), Im Dienste der Länder – im Interesse des Gesamtstaates. FS 60 Jahre Verbindungsstelle der Bundesländer (20119 311 ff.
Im Rahmen einer durch das INTERREG-Projekt Fit4Co geförderten Zusammenarbeit zwischen dem EVTZ Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino mit dem EVTZ Senza Confini wurde die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck im Jahr 2021 von der Euregio beauftragt, eine wissenschaftliche Studie über die innerstaatlichen Zuständigkeiten ihrer Mitglieder zu erstellen und diese miteinander zu vergleichen. Dadurch sollten jene Bereiche sichtbar gemacht werden, in denen alle Mitglieder der Euregio über innerstaatliche Zuständigkeiten verfügen und folglich innerhalb der Euregio zusammenarbeiten können. Unter der Projektleitung von Prof. Peter Bußjäger, Prof. Esther Happacher und Prof. Walter Obwexer wurde die Studie zu den Kompetenzen der Länder sowie des EVTZ der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino erstellt. Zugleich erfolgte eine derartige Untersuchung der jeweiligen Kompetenzen auch für den EVTZ Senza Confini, der Kärnten, Friaul-Julisch Venetien und Venetien umfasst.
Ziel beider Studien war es, weitere mögliche Kooperationsbereiche in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit aufzuzeigen. Die beiden Studien sind nunmehr in der Publikation „Euregio Kompetenzmonitor: wissenschaftliche Studie zu den Zuständigkeiten der Länder der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino und der Euregio Senza Confini in Gesetzgebung und Verwaltung“ zusammengefasst.
Im Ergebnis konnten einige Politikbereiche mit parallelen Zuständigkeiten identifiziert werden, in den künftig daher Potential für eine intensivere grenzüberschreitende Zusammenarbeit erblickt werden kann. Dies trifft beispielsweise auf Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft, die Regelung der Höfe, die Tierzucht, den Schutz von Almen und Berggebieten, die Bodenverbesserung sowie die Nutzung und den Schutz der Wälder einschließlich der Wasserläufe zu. Punktuelle Schnittmengen kristallisieren sich auch in den Bereichen Finanzrecht/Abgaben sowie zum Teil im Wirtschaftsrecht heraus (siehe zu alledem S. 163 ff).
Die Studien können in deutscher und italienischer Fassung können auf folgender Seite der Universität Innsbruck abgerufen werden:
Die Institutsassistenten des Instituts für Föderalismus, Dr. Christoph Schramek (bis August 2020) und Dr. Mathias Eller (seit August 2020) haben sich in Kooperation und mit Unterstützung aller neun Bundesländer, dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst (BKA VD) sowie der Verbindungsstelle der Bundesländer (VSt) zum Ziel gesetzt, mit einer konzisen Darstellung der noch in Kraft stehenden Art 15a B-VG-Vereinbarungen eine noch bestehende Forschungslücke zu schließen.
Im Dezember 2021 wurden schließlich nach umfangreichen Recherchen auf der Homepage des Instituts für Föderalismus im Reiter Publikationen – Datenbank (siehe Link) drei übersichtliche Listen zu den (potentiell) aktuellen Art 15a B-VG-Vereinbarungen zur Verfügung gestellt.
Bei den Art 15a B-VG-Vereinbarungen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Bund und Ländern (vertikale Koordination) oder zwischen Ländern untereinander (horizontale Koordination). Sie binden ausschließlich die Vertragspartner, aus ihnen können einzelne Personen keine unmittelbaren Rechte ableiten. Art 15a B-VG-Vereinbarungen erfreuen sich mit Blick auf die vergangenen Jahre zunehmender Beliebtheit. Sie ermöglichen eine freiwillige Koordinierung in bestimmten Politikbereichen, dies ungeachtet der jeweils vorherrschenden Kompetenzlage. In gewisser Weise werden dadurch die Länder vor weiteren Kompetenzverlusten geschützt, bestünde die Alternative in vielen Fällen ansonsten darin, neue Bundeskompetenzen und damit Verfassungsänderungen zu begünstigen.
Die Listen enthalten inhaltlich – wie bereits erwähnt – alle (potentiell) aktuellen Art 15a B-VG-Vereinbarungen mit Stand 16. Dezember 2021, die zwischen dem Bund und allen Ländern geschlossen worden sind. Bereits außer Kraft getretene Vereinbarungen werden nicht berücksichtigt. Stammfassungen (fett markiert) samt späterer (Quasi)- Novellierungen wurden in der Darstellung zusammengeführt. In den Anmerkungen wurden schließlich zahlreiche Rückmeldungen der Bundesländer berücksichtigt, mit deren Hilfe diese Listen vervollständigt werden konnte. Die Listen werden vom Institut für Föderalismus im Bedarfsfall angepasst und jährlich aktualisiert. Eine zahlenmäßige Übersicht aller geschlossenen Art 15a-Vereinbarungen ist im Anhang des jährlich erscheinenden Föderalismusberichts ersichtlich und darf an dieser Stelle darauf verwiesen werden.
Weiters illustriert die Arbeit die Komplexität des verfassungsrechtlichen Rahmens des österreichischen Föderalismus, gerade im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung. Ein Blick auf diverse Materiengesetze zeigt die Breite und Fülle an Aufgaben, die in den Bezirkshauptmannschaften bürgernah und effektiv abgewickelt werden. Fragen der Reform des österreichischen Bundesstaats und Potenziale zur Deregulierung werden in einem Ausblick diskutiert.
Aus föderalistischer Sicht von besonderem Interesse ist der Beschluss des VfGH, Teile des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes des Bundes, des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten sowie der entsprechenden Ausführungsgesetze von Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Wien in Zusammenhang mit dem Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen (VfGH-Beschluss vom 06.10.2021, V 46/2019 ua).
Anlass dafür sind mehrere beim VfGH anhängige Verfahren, welche die integrative Planung der österreichischen Gesundheitsversorgungsinfrastruktur betreffen. Als zentrale Planungsinstrumente dienen dabei der ÖSG und die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG): Der ÖSG ist zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern abzustimmen, die RSG zwischen Ländern und Sozialversicherungsträgern (mit Vetorecht des Bundes).
Beide Pläne enthalten Vorgaben für Versorgungskapazitäten im Gesundheitsbereich. Gewisse Teile des ÖSG und der RSG sind für verbindlich zu erklären. Dies erfolgt durch Verordnung der Gesundheitsplanungs GmbH, deren Gesellschafter der Bund, die Länder und der Dachverband der Sozialversicherungsträger sind.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg, das Verwaltungsgericht Wien sowie zwei beschwerdeführende Gesundheitsdienstleister halten diese Konstruktion für verfassungswidrig. Sie sehen darin insbesondere einen Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung sowie gegen Grundsätze der Staatsorganisation. Die in Rede stehenden Strukturpläne betreffen nämlich Angelegenheiten, für die teilweise der Bund („Gesundheitswesen“) und teilweise die Länder („Krankenanstalten“) zuständig sind. Dass nur eine Stelle zuständig ist, sei mit dem Grundsatz der Trennung von Bundes- und Landesverwaltung nicht vereinbar.
Der VfGH hält es erstens vorläufig möglicherweise für verfassungswidrig, dass einzelne Bestimmungen des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes als unmittelbar anwendbares Bundesrecht erlassen worden sind, obwohl dem Bund im Krankenanstaltenrecht lediglich die Zuständigkeit zur Grundsatzgesetzgebung zukommt.
Zweitens nimmt der VfGH vorläufig an, dass die Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gesundheitsplanungs GmbH, soweit sie das Gesundheitswesen betreffen, gegen die Grundsätze der mittelbaren Bundesverwaltung verstoßen sowie, sowohl in Belangen des Gesundheitswesens als auch des Krankenanstaltenrechts, auch die verfassungsrechtlichen Schranken für die Ausgliederung staatlicher Aufgaben überschreiten könnten.[1] Der VfGH ist drittens vorläufig der Ansicht, dass die in den Strukturplänen enthaltenen Vorgaben zu einer starren Kontingentierung bestimmter selbständiger Ambulatorien führen könnten; dies könnte gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit verstoßen.
Das Gesetzesprüfungsverfahren dient nun dazu, die aufgeworfenen Fragen zu klären. In dem Verfahren können sowohl die Bundesregierung als auch die beteiligten Landesregierungen eine Stellungnahme abgeben.
[1] Mit diesem Thema hat sich eingehend Friedrich, Strukturprobleme und Lösungen im österreichischen Gesundheitswesen anhand der „Gesundheitsplanungs GmbH“, SPWR 2019, 25 ff auseinandergesetzt. Sie ist ua ebenso zum Ergebnis gelangt, dass die Konstruktion der Gesundheitsplanungs GmbH den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Beleihung nicht gerecht wird.
Die von einer schwedischsprachigen Bevölkerung besiedelten Ålandinseln sind ein Teil Finnlands und werden in der Literatur als älteste Territorialautonomie der Welt bezeichnet.[1] Die Grundlage wurde im Åland-Vertrag vom 27. Juni 1921 geschaffen, der dieses Jahr sein 100. Jubiläum feierte.
Der Vertrag zwischen Schweden und Finnland wahrte die nach dem Ersten Weltkrieg umstrittene völkerrechtliche Hoheit des erst 1918 souverän gewordenen Finnlands über die Inseln und gewährte der Bevölkerung das Recht auf Autonomie, dem die Finnische Verfassung bis heute Rechnung trägt.
Die etwa 30.000 Menschen auf den Ålandinseln verfügen seither über einen eigenen Landtag mit weitreichenden gesetzgebenden Befugnissen. Die Autonomieregelung der Ålandinseln gilt seither als vorbildhaft und wird in der Literatur auch immer wieder in Bezug zur Autonomie Südtirols gesetzt.[2] Nach dem Ersten Weltkrieg aufgetretene Sezessionsbestrebungen sind nicht zuletzt auf Grund der weitreichenden Autonomie erlahmt.
[1] Ackrén, Inselautonomien – konstitutionelle und politische Entwicklungen, in: Gamper et al (Hg), Föderale Kompetenzverteilung in Europa (2016) 431 (435).
[2] Ackrén, Successful Examples of Minority Governance – The Cases of the Åland Islands and South Tyrol; https://peace.ax/wp-content/uploads/2021/02/Rapport_1-2011.pdf
Im Gefolge der COVID-19 Krise wurden vom Bund und den Ländern zahlreiche Regelungen zur Hintanhaltung der mit dem Virus verbundenen gesundheitlichen Risiken geschaffen, die in der Folge vor dem VfGH angefochten wurden.
In seiner letzten Saison beurteilte der VfGH für Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg erlassene Verordnungen, wonach in den Wintermonaten 2020/2021 die Abholung von Speisen und Getränken bei Schihütten untersagt war, die für die Allgemeinheit nicht mit Kraftfahrzeugen über eine öffentliche Straße erreichbar sind, als gesetzwidrig (VfGH vom 23.09.2021, V 5/2021; VfGH vom 06.10.2021, V 7/2021, V 17/2021, V 58/2021, V 74/2021). Diese Maßnahme diente dem Zweck, Menschenansammlungen im Nahbereich von Gaststätten in Schigebieten zu verhindern und damit die Ansteckungsgefahr mit COVID-19 zu verringern.
Gleichzeitig durften Gastgewerbebetriebe in Schigebieten an allgemein befahrbaren Straßen, zB bei der Talstation eines Schilifts, sehr wohl Speisen und Getränke zur Abholung anbieten. Dort sei, so heißt es in den Verordnungsakten, regelmäßig ein größerer Parkplatz angeschlossen, weshalb essende und trinkende Personen über mehr Platz verfügen würden.
Der VfGH konnte aber keinen sachlichen Grund dafür erkennen, dass die Verordnungen nur auf das Kriterium der (Nicht-)Erreichbarkeit einer Schihütte über eine öffentliche Straße abstellten. Der Umstand, dass eine Schihütte über eine solche Straße erreichbar ist, gibt nämlich, so der VfGH, allein noch keinen verlässlichen Aufschluss darüber, ob im Nahebereich ausreichend Platz zum Essen oder Trinken unter Wahrung der erforderlichen Mindestabstände gegeben ist. Daher verstießen die Verordnungen gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz entspringende Sachlichkeitsgebot.
Die diesjährige Jahrestagung der International Association of Centers for Federal Studies (IACFS) wurde vom 28.-30. Oktober 2021 in Innsbruck in der Aula der Universität Innsbruck ausgerichtet und federführend vom Institut für Föderalismus organisiert. Die Tagung fand in hybrider Form statt und konnte trotz der technischen Herausforderungen – die Teilnehmer*innen waren aus der ganzen Welt zugeschaltet – problemlos bewältigt werden.
In den drei Tagungstagen widmeten sich Föderalismusexpert*innen aus aller Welt dem Tagungsthema „The Making and Ending of Federalism“. In einer sogenannten „Breakout-Session“ wurden zudem die mit der COVID-19 Krise verbundenen Herausforderungen auf föderalistische Systeme diskutiert.
Auch der soziale Part kam während der Tagung nicht zu kurz: So wurde den in Präsenz angereisten Teilnehmer*innen der Tagung bei einer organisierten Tour durch die Innsbrucker Altstadt nicht nur ein Einblick in die Geschichte der Landeshauptstadt Tirols gewährt, sondern konnten sie sich an den Abenden auch von der Qualität der heimischen Küche überzeugen.
Durch den reibungslosen Ablauf der Konferenz konnte das wissenschaftliche Renommee des Instituts maßgeblich gestärkt werden. Die Tagungsbeiträge sollen in ihrer verschriftlichten Fassung in einem internationalen Verlag veröffentlicht werden.
Das EURAC Research Center organisiert in Kooperation mit der Universität Innsbruck auch im Jahr 2022 die „Winter School on Federalism and Governance“ die in der ersten Woche traditionell in Innsbruck und in der zweiten Woche in Bozen stattfinden wird (30. Jänner 2022 – 12. Februar 2022). Die diesjährige Tagung beschäftigt sich mit dem vor dem Hintergrund der COVID-19 Krise hochbrisanten Thema „Federalism and/in Emergency“. Die Teilnehmer*innen der Tagung, darunter junge Forscher*innen und Akademiker*innen aus aller Herren Länder, dürfen sich auf spannende Vorträge und Diskussionen einstellen. Die Winter School on Federalism and Governance wird aufgrund der unsicheren Rahmenbedingungen im Jahr 2022 allerdings online ausgerichtet. Nähere Infos zur Veranstaltung können der Website: https://winterschool.eurac.edu/ entnommen werden.
Tirol mit Landeshauptmann Günther Platter übernahm bereits am 1. Juli 2021 den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz (LHK). Auf Schloss Ambras fand die feierliche Staffelübergabe durch den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer statt.
Die LHK spielt im österreichischen Föderalismus eine bedeutsame Rolle,[1] obwohl sie in der Bundesverfassung selbst nicht verankert ist. Im Gegensatz zum Bundesrat, der im B-VG als institutionalisiertes Repräsentationsorgan der Länder vorgesehen ist, kann die LHK bereits im Vorfeld der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen durch ihre Stellungnahmen Einfluss ausüben. Die LHK kanalisiert mittlerweile in praktisch allen Fällen der Bund-Länder-Beziehungen die gemeinsamen Interessen der Länder gegenüber dem Bund, etwa wenn es um die Zuteilung finanzieller Ressourcen geht. Auch in der Corona-Pandemie ist die LHK die Schaltstelle in der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen. Politologisch betrachtet ist die Vetomacht der LHK stärker als ihre Möglichkeiten, Gewünschtes aktiv durchzusetzen.
Unter dem Vorsitz Tirols soll im zweiten Halbjahr 2021 weiterhin die Bekämpfung der Pandemie das bestimmende Thema bleiben, insbesondere hinsichtlich der finanziellen Lage der Länder. Dies betrifft zum einen die Abgeltung jener pandemiebedingten Kosten und Mindereinnahmen durch den Bund, welche den Ländern im Gesundheits- und Spitalbereich entstanden sind und dem Bund vorgestreckt werden mussten, zum anderen wird vom Bund die Auflage eines mindestens 500 Mio. Euro schweren Länderpakets eingefordert.
[1] Siehe etwa Karlhofer, Gestaltungskraft und Vetomacht. Funktion und Praxis der Landeshauptleutekonferenz, in: Rosner/Bußjäger (Hg), Im Dienste der Länder – im Interesse des Gesamtstaates. FS 60 Jahre Verbindungsstelle der Bundesländer (20119 311 (319 f); Bußjäger, Föderalismus durch Macht im Schatten? – Österreich und die Landeshauptmännerkonferenz, in: Europäisches Zentrum für Föderalismusforschung Tübingen (Hg), Jahrbuch des Föderalismus 2003 (2003) 79 (80 ff).
Das Land Salzburg startete bereits Ende 2019 eine Dezentralisierungsoffensive, um qualifizierte Arbeitsplätze in den Regionen zu schaffen und die Verwaltung näher zum Bürger zu bringen. Konkret sollten bislang in der Landeshauptstadt ansässige Behörden in die Bezirke verlagert werden. Erstmals in der Geschichte der Landesverwaltung werden sukzessive, schrittweise und im größeren Umfang Dienststellen in die Bezirke verlagert.
In den nächsten Jahren beabsichtigt das Land Salzburg rund 200 Arbeitsplätze in die Regionen zu verlagern. So soll künftig in Tamsweg das Landesabgabenamt, in Zell am See die Landesforstdirektion, in Hallein die Referate Gemeindeaufsicht und Gemeindepersonal und in St. Johann im Pongau Teile der Lebensmittelaufsicht angesiedelt werden. Auch die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung soll nach Seekirchen übersiedeln. Die Bezirkshauptmannschaften fungieren künftig als Kompetenz-Zentren. So werden bereits jetzt von den MitarbeiterInnen in der BH Tamsweg rund 70.000 Verkehrsstrafanzeigen – dies entspricht einem Drittel aller in der BH Salzburg-Umgebung durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren, sowie alle Vollstreckungsangelegenheiten der BH Salzburg-Umgebung – abgearbeitet.
Das Land Salzburg fungiert im Bereich der Dezentralisierung als Vorreiter. Das Institut für Föderalismus begrüßt den Trend zur Dezentralisierung ausdrücklich. Sie bringen nicht nur die Verwaltung näher zum Bürger/zur Bürgerin, sondern können auch einen Aufschwung vormals infrastrukturschwacher Regionen bedeuten und tragen zur Stärkung des ländlichen Raumes bei. Entsprechend gut ist die Bewertung auf unserem Föderalismus-Barometer:
Im ORF-„Sommergespräch“ vom 9. August 2021 hat NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger eine Debatte zu den Kompetenzen in der Raumordnung angestoßen. Ihrer Ansicht sollten den Gemeinden in diesem Bereich zentrale Befugnisse, insbesondere ihre Widmungskompetenz betreffend, entzogen werden. Sie fordert ein „Bundesrahmengesetz“ für die Raumordnung und damit offensichtlich eine Zentralisierung in diesem Bereich.
Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist festzuhalten, dass eine Zentralisierung der Widmungskompetenz „nach oben“ einer Verfassungsänderung bedarf, legt doch Art 118 Abs 3 B-VG ausdrücklich fest, dass die „örtliche Raumplanung“ (Z 9) in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden fällt und die darunter fallenden behördlichen Aufgaben ausschließlich den Gemeinden vorbehalten sind. Die Regelung im B-VG ist ganz augenscheinlich vom Subsidiaritätsgedanken getragen, der besagt, dass eine „höhere Ebene“ nur dann eine Aufgabe zu besorgen hat, wenn es der „unteren Ebene“ dafür entweder am Interesse mangle oder sie nicht in der Lage ist, eine Aufgabe selbst zu besorgen. Wichtig zu erwähnen ist, dass sich die Gemeinden auch im eigenen Wirkungsbereich immer an die gesetzlichen Vorgaben des Bundes und der Länder zu halten haben.
Dass die Widmungskompetenz von Gemeindeflächen den Gemeinden obliegt, macht aus vielerlei Gründen Sinn: Die Gemeinde (bzw die über konkrete Widmungen entscheidenden Gemeinderäte) kennen die Verhältnisse vor Ort am besten. Sie können zielgenau einschätzen, wann und ob Umwidmungen von Flächen (beispielsweise für den sozialen Wohnbau etc) erforderlich sind und damit auch die Siedlungspolitik im Rahmen ihrer Befugnisse entsprechend steuern. Ortsnahe Entscheidungen garantieren zudem eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Nicht zuletzt entspricht es auch dem demokratischen Prinzip, die Nutzung des Gemeindegebiets wesentlich von der Entscheidung des Repräsentativorgans Gemeinderat abhängig zu machen.
Fehlsteuerungen in der Raumplanung, die nicht übersehen werden dürfen, hängen dagegen vielmehr mit den häufig nur unzureichenden hoheitlichen Instrumentarien zusammen. Die Länder sind hier gefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Raumordnung zu verbessern und insbesondere die Koordination in der überörtlichen Raumordnung zu stärken. In diesem Sinne wäre es auch notwendig, den „Raumordnungsbegriff“ zu erweitern.[1] Insbesondere bietet es sich an, den Kompetenztatbestand des „Volkswohnungswesens“ von derzeit Art 11 B-VG in den Art 15 B-VG überzuführen. Erweiterte hoheitliche Eingriffsmöglichkeiten im Bereich der Raumordnung sollten nicht nur neue Optionen bieten, bestimmten Fehlentwicklungen entgegenzuwirken (zB Entspannung des Wohnungsmarktes durch Einführung von Leerstandsabgaben mit tatsächlichem Lenkungseffekt), sondern müssten ermöglichen, dass das öffentliche Interesse in der Raumordnung stärker zum Durchbruch gelangt. Einer Zentralisierung der „Raumordnung“ ist aber eine klare Absage zu erteilen.
[1] Siehe dazu ausführlich Weber, Zur Notwendigkeit der Erweiterung des Verfassungsbegriff s „Raumordnung“ – Erste Überlegungen aus raumordnungspolitischer Perspektive, bbl 2020, 83 ff.
In seiner Juni-Session hatte sich der VfGH erneut mit mehreren anhängigen Fällen rund um das Thema COVID-19 zu beschäftigen. Unter anderem landete auch die aufgrund aufgetretener Virusmutationen kundgemachte „COVID-19-Virusvariantenverordnung“ des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vor dem Höchstgericht (V 87/2021 ua). Mehrere Einzelpersonen sowie das Landesverwaltungsgericht Tirol hatten die Verfassungs- und Gesetzeskonformität der Verordnung in Frage gestellt.
Zur Bekämpfung der Verbreitung der Virusvarianten B1.351 und B.1.1.7/E484K („südafrikanische“ bzw. „britische“ COVID-19-Mutation) war konkret im Februar bzw März 2021 die in VO-Form gegossene Anordnung ergangen, dass die Grenzen des Tiroler Landesgebietes bzw der Bezirke Kufstein und Schwaz grundsätzlich nur mit einem höchstens 48 bzw 72 Stunden zurückliegendem negativen Testergebnis überschritten werden dürfen. In den dem VfGH vorliegenden Anträgen wurde ua geltend gemacht, die Anordnung einer Testpflicht als Bedingung für die Ausreise stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit dar und es sei unsachlich, dass auch Personen mit Antikörpern gegen COVID-19 von der Testpflicht umfasst waren.
Der VfGH hielt dennoch fest, dass die Testpflicht für die Ausreise aus Tirol bzw aus den Tiroler Bezirken Kufstein und Schwaz im Februar bzw März 2021 gesetzeskonform war und wies die dagegen eingebrachten Anträge folglich allesamt ab. Er begründete dies primär damit, dass die Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit zum Schutz vor der Verbreitung bestimmter Virusvarianten von COVID-19 („südafrikanische“ bzw „britische“ Mutation) verhältnismäßig war. Da dem Bundesminister für Gesundheit bzw den Bezirkshauptmannschaften Kufstein und Schwaz zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung Studien vorlagen, wonach sich Personen mit Antikörpern gegen COVID-19 nochmals mit den Virusvarianten anstecken könnten, war die Testpflicht als Bedingung für die Ausreise auch für Personen sachlich gerechtfertigt, die bereits eine Infektion mit COVID-19 durchlaufen hatten. Die Anordnung einer Testpflicht war das im Rahmen des § 24 EpiG 1950, BGBl I 33/2021 verhältnismäßige Mittel, um einerseits die Ausreise aus dem Epidemiegebiet zu ermöglichen, andererseits aber die (Weiter-)Verbreitung der COVID-19-Virusvariante zu unterbinden.
Für JuristInnen sowie auch politisch interessierte BürgerInnen stellt die Parlamentsdirektion wertvolle Fachinformationen kostenfrei zur Verfügung. Auf der Seite <fachinfos.parlament.gv.at> werden nicht nur aktuelle Parlamentsthemen behandelt (zB das Thema Sterbehilfe; dissenting opinions an Verfassungsgerichtshöfen uvm), sondern auch lesenswerte Fachdossiers in der Rubrik „Politikfelder“. Ein Fachdossier zum Thema „Föderalismus“ befindet sich gerade in Ausarbeitung und soll anschließend auf der genannten Seite der Parlamentsdirektion publiziert werden.
Die vom Institut für Föderalismus in Kooperation mit dem Oberösterreichischen Landesarchiv und dem Vorarlberger Landesarchiv organisierte Tagung ist am Mittwoch, den 22. September 2021 an der Universität Innsbruck geplant und soll dem juristischen Diskurs dienen.
Zielgruppen sind JuristInnen, die sich mit Archivrecht oder damit verknüpften Rechtsmaterien befassen oder sich für diesen Themenbereich interessieren sowie ArchivarInnen, die sich mit archivrechtlichen Fragen grundsätzlich beschäftigen. Weitere Informationen zur Anmeldung sowie ein detailliertes Programm sind bereits auf der Homepage des Instituts veröffentlicht.
Die Veranstaltung wird gemäß der aktuellen Corona-Auflagen der Universität Innsbruck (im Wesentlichen 3-G-Nachweis) durchgeführt.
Die Studie des IFÖ belegt, dass eine Zentralisierung der Bundesverwaltung eben nicht nur im hoheitlichen Bereich, sondern auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung im Untersuchungszeitraum zu beobachten gewesen war. In diesem Bereich war die Übertragung zahlreicher Aufgaben auf ausgegliederte Rechtsträger (zB.: Bundesimmobiliengesellschaft) festzustellen, die in aller Regel ihren Sitz außerhalb Tirols haben. Im Bereich der Gerichtsbarkeit sind dagegen die Bezirksgerichte Beispiele eines unübersehbaren Trends zur Zusammenlegung.
AK-Präsident Erwin Zangerl fordert deshalb eine Umkehr dieser Zentralisierungstendenzen und spricht sich dafür aus, die dezentrale Ansiedelung von Einrichtung des Bundes in den Bundesländern als obligatorischen Teil der wirkungsorientierten Folgenabschätzung für entsprechende Regelungsvorhaben gesetzlich zu etablieren – eine Sichtweise, die das Institut für Föderalismus ausdrücklich befürwortet.
Ein ebenso diesen Zweck verfolgender Gesetzesantrag wurde im Bundesrat bereits im Dezember 2019 (269/A-BR/2019 vom 19.12.2019) eingebracht und beschlossen, im Nationalrat bislang jedoch nicht weiterverfolgt.
Die Studienergebnisse sind online abrufbar: https://tirol.arbeiterkammer.at/service/studien/sonstige/Zentralisierungs-_und_Dezentralisierungstendenzen.html
Die Studienautorin und der -autor kritisieren, dass das Ampelsystem nicht wirklich funktioniert habe und die Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsbehörden im vergangenen Herbst nur lückenhaft gegriffen hat. Tatsächlich sind in diesem Bereich Schwächen aufgetreten. Insgesamt scheinen die Studienautoren aber einem typisch zentralistischen Missverständnis zu erliegen, indem sie offenbar glauben, eine einheitliche Lösung durch den Bund wäre auf dem Niveau des besten Landes erfolgt. Die Erfahrung lehrt eher, dass es im besten Fall Mittelmaß geworden wäre. Als „best practice“ der Nachverfolgung wird übrigens Wien vorgestellt, was freilich in einem gewissen Widerspruch zur Tatsache steht, dass in keinem anderen Land Österreichs die Belastung der Intensivmedizin, zumindest in der dritten Welle, so hoch wie in Wien war.
Insgesamt konnten in der bisherigen Bewältigung der COVID-19-Krise eindeutige Steuerungsschwächen des Bundes (z.B.: unklare Vorgaben für den Vollzug) beobachtet werden, die es den Ländern erschwerte, ihre Verwaltungsorganisation entsprechend anzupassen. Eine Krise des föderalen Systems mag zwar – mitunter auch medial – heraufbeschworen werden, in der Praxis sind es gerade die Vorteile des Föderalismus, die überzeugen: So konnten mit der Einrichtung einer „Modellregion“ in Vorarlberg beispielsweise wertvolle Erfahrungen hinsichtlich geplanter weiterer Öffnungsschritte gewonnen werden („Laborföderalismus“).
Die weitgehend von den Ländern bereitgestellten Spitäler haben sich in der Pandemie geradezu als ein Fels in der Brandung erwiesen, weil, wie auch die Studie einräumt, ein hervorragendes Angebot an Spitalsbetten, auch im Intensivbereich vorhanden war. Es war das Verdienst des Spitalswesen, dass die Gesundheitsversorgung niemals zusammenbrach.
Was die Impforganisation betrifft, so war es vielleicht sogar ein Glück, dass der eigentlich zuständige Bundesgesetzgeber kein Gesetz erlassen hat, weil die Länder dadurch die Impforganisation pragmatisch abwickeln konnten und es keine praxisfremden, undurchdachten und unvollziehbaren Vorschriften gab. Wenn sich daher Differenzierungen zwischen den Ländern ergeben haben (so man solche überhaupt als unbefriedigend bewertet), ist dies das Resultat unterschiedlicher Herangehensweisen, die sich aber insgesamt bewährt haben. Es zeigt sich auch, dass die Länder – die Lieferung von Impfstoff vorausgesetzt – in der Lage sind, die Impfungen in einer Geschwindigkeit abzuwickeln, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchte.
Nach § 7 Abs 1a Epidemiegesetz 1950 können Personen, die an einer anzeigepflichtigen Krankheit erkrankt sind oder bei denen der Verdacht einer solchen Erkrankung besteht, angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden. Die angehaltene Person kann beim zuständigen Bezirksgericht beantragen, dass die Zulässigkeit der Anhaltung „nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes“ überprüft und eine solche Maßnahme aufgehoben wird.
Der OGH, das Landesgericht Korneuburg sowie das Bezirksgericht Zell am Ziller beantragten beim VfGH, einen Teil dieser Bestimmung aufzuheben: Die Möglichkeit, gegen Anordnungen der Gesundheitsbehörde das Bezirksgericht anzurufen, verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Auch sei nicht hinreichend genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen das Bezirksgericht angerufen werden kann und in welchem Umfang das Bezirksgericht die Anhaltung zu überprüfen habe. Dies widerspreche dem Legalitätsprinzip.
Die Landesverwaltungsgerichte erachteten sich – da sie einhellig vom Bestehen eines sukzessiven Instanzenzugs auf Grundlage des Art 94 Abs 2 B-VG ausgingen – ebenso wenig zuständig, über die Zulässigkeit einer Absonderung an sich oder über die Dauer einer Absonderungsmaßnahme zu erkennen.
Der VfGH hat nun den Anträgen der Zivilgerichte stattgegeben: Die angefochtene Regelung lässt nicht erkennen, worin der Prüfungsgegenstand des Bezirksgerichtes – und damit dessen Zuständigkeit – genau liegt. Insbesondere bleibt unklar, ob das Bezirksgericht auch den Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft oder bloß die weitere Anhaltung zu prüfen hat und gegebenenfalls in welchem Verhältnis die Zuständigkeiten des Bezirksgerichtes und des Verwaltungsgerichtes zueinanderstehen. Die Regelung verstößt somit gegen das Legalitätsprinzip. Der VfGH hat daher § 7 Abs 1a zweiter Satz EpiG 1950 als verfassungswidrig aufgehoben.
Aus föderalistischer Sicht ist indes bemerkenswert, dass die in Rede bestehende Bestimmung bei ihrer Einführung mit BGBl I 63/2016, ohne die Zustimmung der Länder im Verfahren gemäß Art 42a B-VG einzuholen, beschlossen und kundgemacht wurde. Zwar hatte sich der VfGH letztlich mit dieser spezifischen Frage nicht auseinandergesetzt, dennoch gibt es begründete Anhaltspunkte dafür, dass § 7 Abs 1a EpiG 1950 einen Instanzenzug auf Grundlage des Art 94 Abs 2 B-VG begründet (siehe dazu ausführlich Bußjäger/Eller, Verfassungswidriger Rechtsschutz? Zur verfassungsrechtlichen Problematik des § 7 Abs 1a Epidemiegesetz 1950, ZVG 2021, 8 ff). Daher wäre die Bestimmung wohl auch diesem Grunde verfassungswidrig gewesen. Im Zuge der Sanierung der entsprechenden Vorschrift sollte jedenfalls dieser Aspekt mitberücksichtigt werden.
Die mehr als 400 Textseiten (zuzüglich eines umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnisses sowie einiger eindrücklicher Bilder) inhaltlich auch nur einigermaßen zu skizzieren, würde den Platz dieses Hinweises sprengen. Zeitlich, territorial und nach Politikfeldern gegliedert und akribisch belegt, wird – ausgehend von Begriffsbestimmungen – ein Bogen von politischen Forderungen über Stadien der (Verfassungs-)Gesetzwerdung bis zu praktischen Folgen föderaler Vielfalt gespannt. Subjektiv besonders bemerkenswert sind die Abschnitte über die verschiedenen Stadien und Formen des Verwaltungsföderalismus und des „Föderalismus auf dem Dorf“ mit den „galizischen Petitionsstürmen“ und der „Kronländerföderalismus“; überaus spannend ist auch die Aufbereitung und Dokumentation der Handlungsstränge im Bereich der Politikberatung etwa durch den „Thinktank“ des Thronfolgers und die Thronwechselprogramme.
Zwei Zitate aus dem Werk zeigen dessen „Zeitlosigkeit“ und aktuelle, womöglich sogar zukünftige Bezüge:
Der erste dieser Absätze beendet das Kapitel zum historischen Kronländerföderalismus wie folgt:
„Die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Vielgestaltigkeit eines mehrstufigen Föderalismus und die gesellschaftliche Vielfalt mit multiplen Loyalitäten bedingen sich wechselseitig. Beides verleiht der föderalen Geschichte der Habsburgermonarchie ihren einzigartigen Charakter. Die Verfasstheit der Monarchie bot einen Rahmen für ganz unterschiedliche Loyalitäten und Zugehörigkeiten, die auf Dynastie und Kaiser, Nation (als Sprach- und Landeskollektiv), Religion oder den ‚Staat‘ als staatbürgerschaftliche Gemeinschaft Österreichs oder Ungarn bezogen sein konnten. Alle Bürger der Habsburgermonarchie waren in einem gemeinsamen konföderativen Doppelhaus untergebracht, bewohnten darin jedoch ganz unterschiedliche Etagen und Räume, die sie auf verschiedene Weise ausstatten und mit Leben füllen könnten.“
Der zweite Absatz findet sich im Abschnitt über die Theorie der mehrstufigen Föderation des konföderativen Doppelhauses (K. u. k.):
„Föderalismus wird hier daher verstanden als vertikale Aufteilung von staatlicher Herrschaftsgewalt auf verschiedene Entscheidungsebenen innerhalb einer langfristig bestehenden politischen Ordnung. Alle Herrschaftsebenen in einer föderalen Ordnung haben dabei an der Ausübung staatlicher Souveränität Anteil. Das Miteinander, Gegeneinander und Nebeneinander von staatlichen Gewalten und Herrschaftsebenen wird in föderalen Ordnungen rechtlich und politisch ‚in der Schwebe‘ gehalten. Fragen der Staatsorganisation und der politischen Praxis gehen ineinander über. Das Föderale beruht also nicht allein auf einem staatsrechtlichen Ursprungsakt, sondern wesentlich auf politischer Übung.“
Ein Ausblick in das Föderale Haus Europa rundet das Werk ab, mit dem es der Autorin gelingt, den Blick über die historischen Fakten hinaus bis ins Europa der Gegenwart zu führen. Geschichte und Gegenwart des Föderalismus ist die Kunst der Balance zwischen Verbindendem und Trennendem, Einheit und Vielfalt, gemeinsamem Haus und nationalem Rahmen, damit ein System gelebter Kooperation, das sich an konkreten Aufgaben bewähren muss und in dem auch der Wille immer wieder herzustellen ist, dieses Haus gemeinsam zu bewohnen.
Die Rezension wurde vom oberösterreichischen Landtagsdirektor, Dr. Wolfgang Steiner, verfasst.
Noch bis 19. April 2021 läuft die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eines aktuell in Begutachtung befindlichen Ministerialentwurfs (95/ME, XXVII. GP) der im Wesentlichen die Abschaffung des Amtsgeheimnisses (derzeit geregelt in Art 20 Abs 3 B-VG) und die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes beinhaltet. Dieser Vorstoß ist als erster großer Schritt zu werten, das im Regierungsprogramm der türkis-grünen Bundesregierung artikulierte Bekenntnis zu mehr Transparenz zu verwirklichen.
Aus föderalistischer Perspektive sind die vorgesehenen Maßnahmen insgesamt zwiespältig zu beurteilen. Mit der Einführung eines einheitlichen Informationsfreiheitsgesetzes wäre zweifellos ein Kompetenzverlust der Länder verbunden, da der vorliegende Ministerialentwurf eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung der Informationsfreiheit begründet. Bislang teilen sich der Bund und die Länder die Zuständigkeit in diesem Bereich, wobei der Bund hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung für die Grundsatzgesetzgebung, die Länder für die Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung verantwortlich sind. Nun ist grundsätzlich klar, dass der Verlust der Kompetenz zur Ausführungsgesetzgebung ein bescheidener ist, kritischer ist freilich zu beurteilen, dass mit der einheitlichen Regelung der Informationsfreiheit durchaus weitgehend in die Organisationshoheit der Länder eingegriffen wird (dazu unten). Diese können daher lediglich die Vorgaben des Bundes, insbesondere auch, was die Einspeisung von Daten in das neue Informationsportal betrifft, vollziehen.
Immerhin ist bei der Vorbereitung des Informationsfreiheitsgesetzes aber nicht nur eine Mitwirkungsmöglichkeit der Länder, sondern ebenso ihre Zustimmung als Erzeugungsbedingung vorgesehen. Die Regelung im neuen Art 22 Abs 4 Z 1 B-VG legt nahe, dass sich das Zustimmungsrecht der Länder bereits auf die erste Kundmachung (und nicht erst die erste Novellierung) des Informationsfreiheitsgesetzes erstreckt, auch wenn dieses gleichzeitig mit der B-VG-Novelle erlassen werden soll. In der Praxis hat sich das Quasi-Vetorecht des einzelnen Landes als wirkungsvolles Instrument erwiesen. So wurde es bereits in der Vergangenheit bei Zentralisierungen (beispielsweise 2002 im Rahmen des Vergaberechts) eingesetzt und als eine gewisse Kompensation zum Ausgleich von Kompetenzverlusten betrachtet. Erwähnenswert ist außerdem, dass besondere Bestimmungen in anderen Bundes- und Landesgesetzen über das Recht auf Zugang zu Informationen oder über deren Geheimhaltung unberührt bleiben sollen (§ 16 IFG). Der Begutachtungsentwurf hat daher unmittelbar keine Auswirkungen auf Landesgesetze betreffend Umweltinformation, Geodateninfrastruktur oder Informationsweiterverwendung.
Ein in diesem Zusammenhang ebenso geplantes zentrales Informationsregister (über data.gv.at) zeigt schließlich, wie stark die zentral garantierte Informationsfreiheit in die Organisationseinheit der Länder und auch der Gemeinden eingreift. Erwähnenswert ist, dass die näheren technischen Voraussetzung dafür mittels Verordnung des BM für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gemeinsam mit dem Bundeskanzler festgelegt werden sollen, den Ländern hier aber lediglich eine Mitwirkungsmöglichkeit bei der Vorbereitung einer solchen Verordnung, nicht aber ein Zustimmungsvorbehalt eingeräumt wird. Gerade weil die Aufbereitung der Daten für die zentrale Plattform einen beachtlichen Verwaltungsaufwand erwarten lässt, sollte jedenfalls darauf gedrängt werden, eine Zustimmungspflicht der Länder in Bezug auf die genannte Verordnung zu normieren, zumal diese eine entscheidende Grundlage für den Vollzug des IFG in der Praxis darstellen wird.
Als positiv betrachtet das Institut für Föderalismus, dass auf die Einführung einer Konkurrenzbürokratie im Wege etwas eines Informationsfreiheitsbeauftragten verzichtet wird und ein rascher und unkomplizierter Rechtsschutz im Wege der Verwaltungsgerichte, in der Praxis insbesondere der Landesverwaltungsgerichte, erfolgen soll. Nachdem die Schaffung von mehr Transparenz in der österreichischen Verwaltung ein wichtiges und überfälliges Anliegen ist, steht das Institut für Föderalismus dem Vorhaben daher insgesamt positiv gegenüber.
Die Umsetzung dieses Vorhabens hängt schließlich wohl maßgeblich davon ab, ob die dafür erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament von den Regierungsparteien mobilisiert werden kann.
Im Vergleich zur Landesebene werden in der rezenten Umfrage andere Impf-Verantwortungsträger deutlich schlechter beurteilt. So halten 30 % der Befragten das Impfmanagement der EU-Covid-Steuerungsgruppe in Brüssel für „Nicht genügend“, auch die Spitzenbeamten im Gesundheitsministerium können nicht überzeugen (23 % - Nicht genügend). Dies ist ein Beweis dafür, dass die Länder ihre in der Impforganisation eingenommene zentrale Rolle bislang sehr gut erfüllen. Die Unterschiede in den Durchimpfungsraten sorgen schließlich dafür, dass zwischen den Ländern ein befruchtender Wettbewerb aufkommt. So bewegt man sich bei den Impfungen aktuell im europäischen Durchschnitt. Das ist grundsätzlich gut, sollte aber Ansporn für mehr sein. Das Streben nach den besten Lösungen in den Ländern (Stichwort: Wettbewerbsföderalismus) lässt dennoch beruhigend in die Zukunft blicken.
Die MARKET-Umfrage ist unter folgendem Link abrufbar:
Im ersten Kapitel werden die verschiedenen Ausgestaltungsformen des Föderalismus in einem Bundesstaat näher erläutert und ua auch der Wettbewerbsföderalismus thematisiert. Dabei sind die Ausführungen von Sturm besonders in Hinblick auf die COVID-19-Pandemie, bezogen auf Deutschland, beachtlich: „Als die Länder in der Corona-Krise ihre Vielfalt wiederentdeckten, wurde ihnen […] Kleinstaaterei und ein Flickenteppich von Entscheidungen vorgehalten. Diese Haltung gegenüber föderaler Vielfalt erweist sich als äußerst kurzsichtig, wenn man die Pandemie-Katastrophe im Zentralstaat Frankreich, beispielsweise, mit den Erfolgen dezentraler problemadäquater Politik vergleicht“ (S. 23). Diese Aussage kann eins zu eins auf Österreich umgelegt werden.
Das zweite Kapitel widmet sich der Rolle von Verfassungen und Verfassungspolitik, von Zweiten Kammern sowie der Verteilung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern und der Bedeutung von Landesparlamenten sowie der Stellung der Kommunen in Föderalismus. Letzten Endes werden hier die Mindestanforderungen eines jeden Bundesstaats beleuchtet, die sich vor allem in Mitwirkungs- und Beteiligungsformen der Gliedstaaten an der zentralstaatlichen Gesetzgebung sowie im Erfordernis einer Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern manifestieren. Der Autor sieht eine zunehmende Entmachtung der Landesparlamente, die das demokratische Prinzip des Föderalismus aushöhlt (S. 70), unterstreicht also auch die große Bedeutung einer eigenständigen Landesgesetzgebung. Die Ausprägung eines „Exekutivföderalismus“, in denen die Länder lediglich als verlängerter Arm der Bundes- und Landesregierungen fungieren, ist daher äußerst problematisch.
In den Kapiteln 4 (Finanzverfassung) und 5 (Politische Willensbildung) wird einerseits hervorgehoben, dass eine eigenverantwortliche Inanspruchnahme von Kompetenzen die Ausstattung mit adäquaten Finanzmitteln erfordert und gute Gründe für eine Steuerautonomie der Länder sprechen – eine Forderung, die in Politik und Wissenschaft auch in Österreich nicht unbekannt ist. Andererseits wird das – vor allem für zukünftige PolitologInnen – Feld behandelt: die Wahl- und Regierungssysteme der Länder, die Teilhaberechte der Bürger sowie die Besonderheiten politischer Karrieren im Föderalismus.
Im nächsten Kapitel wird auf latente Forderungen einer Föderalismusreform in Deutschland und bisherige Reformschritte eingegangen. Auffallend ist, dass – wie auch in Österreich – zumeist Effizienz- und Legitimationsprobleme ins Treffen geführt werden (S. 150 ff), daher als Motiv eine klarere Trennung zwischen Bundes- und Landeszuständigkeiten gefordert wird.
Abschließend wird der Wert einer dezentralen Staatsorganisation hervorgehoben, nämlich die Sicherstellung von „good-governance“ in einem Mehrebenensystem. Es ist erfrischend zu beobachten, dass auch Einheitsstaaten in Europa durchaus Dezentralisierungsprozesse durchlaufen (haben), wenngleich deren Motive ganz unterschiedlich gelagert sind (Anpassungen an die EU-Strukturpolitik, wahltaktische Gründe, Autonomiebestrebungen etc.).
Das Institut für Föderalismus empfiehlt die Publikation allen, die sich für föderale Themenstellungen interessieren, zur Lektüre.
In den Bezirksverwaltungsbehörden wurde und wird der Großteil des vorhandenen Personals für das dort praktizierte Contact-Tracing abgestellt, mancherorts ist der erhöhte Arbeitsaufwand sogar nur mehr mit von den Gemeinden zur Verfügung gestellten Unterstützungspersonals zu bewältigen. Eine Frage, die sich zwangsläufig aufdrängt, ist jene, wer für diesen Personalaufwand die Kosten zu tragen hat. Dieselbe Frage stellt sich, wenn man etwa an die Utensilien für Massentests, angeschaffte Schutzmasken oder die zu bereitstellenden Impfstoffe denkt.
Zunächst ist zwischen drei verschiedenen Aufwandskategorien zu unterscheiden: dem Personalaufwand, dem Amtssachaufwand und dem Zweckaufwand. Aus dem Grundsatz der eigenen Kostentragung ergibt sich allgemein, dass im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung die Länder den Personal- und Amtssachaufwand zu tragen haben, während der Bund zur Bestreitung der übrigen Kosten verantwortlich ist. Abweichend davon können aber auch andere Kostentragungsregeln auf einfachgesetzlicher Ebene festgelegt werden.
Wird Unterstützungspersonal der Bezirkshauptmannschaft bei Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz im Rahmen der Bekämpfung der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 vom Landeshauptmann angefordert (§ 27a EpiG), so sind die dadurch entstehenden Kosten gemäß § 36 Abs 1 lit a und n EpiG aus dem Bundesschatz zu bestreiten. Die Erläuternden Bemerkungen bekräftigen diese Rechtsmeinung, sollte damit doch „eine Klarstellung hinsichtlich der Kostentragung für Screeningprogramme und von zusätzlichen Personalerfordernissen auf Länderebene“ erfolgen. Im Ergebnis sind folglich die Kosten für die personelle „Grundausstattung“ als auch jene des Amtssachaufwandes in den Bezirksverwaltungsbehörden von den Ländern zu tragen, während darüber hinausgehendes Personal – also jene Personen, die zusätzlich etwa für Massentests oder das Contact-Tracing engagiert werden müssen – auf Kosten des Bundes zu entlohnen sind. Die Regelungen im Epidemiegesetz sorgen hier für die nötige Klarstellung.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim sogenannten Zweckaufwand, dessen Aufwendungen in der mittelbaren Bundesverwaltung vom Bund zu tragen sind. Es handelt sich um jene Aufwendungen, die von vornherein für einen bestimmten Zweck gemacht werden (VfSlg 2533/1953). In der Judikatur des VfGH hat sich zudem eine Unterkategorie („konkreter Zweckaufwand“) herausgebildet, die jene Aufwendungen, die unmittelbar durch behördliche Tätigkeit in einem konkreten Verwaltungsverfahren ausgelöst werden, umfasst. Als Beispiel hierfür sind etwa die Kosten für Impfmaterial zur Bekämpfung von Tierseuchen zu nennen. Auch diese Kosten sind den Ländern vom Bund zu ersetzen.
Nun verfolgen die angeschafften Schutzmasken und Utensilien für Massentests eindeutig das Ziel, das Corona-Virus einzudämmen. Weitere Ansteckungen sollten vordringlich verhindert und bestehende Infektionsketten durchbrochen werden. Diese Aufwendungen fallen demgemäß jedenfalls in die Kategorie des Zweckaufwandes und sind die Kosten daher vom Bund zu tragen. Das mit der Beschaffung der Impfstoffe verfolgte Ziel der langfristigen Bekämpfung des Corona-Virus in Österreich wird sich wohl ebenso in diese Kategorie einordnen lassen, wenngleich man auch argumentieren könnte, dass es sich hier um eine „konkreten Zweckaufwand“ handelt. Die Kostenfolgen sind dennoch dieselben.
Inwiefern den Ländern die angesprochenen Aufwendungen vom Bund tatsächlich ersetzt werden, wird sich zeigen. Kontroversiell wird zudem die Frage diskutiert, ob sich aus der Bestimmung des § 36 lit m EpiG – danach wären die Kosten der von den staatlichen Behörden und Organen aus Anlaß der Durchführung dieses Gesetzes zu pflegenden Amtshandlungen aus dem Bundesschatz zu bestreiten – eine weitergehende Kostendeckungspflicht des Bundes ableiten lassen könne. Gegebenenfalls müssten die Länder ihre vermögensrechtlichen Ansprüche gegen den Bund gemäß Art 137 B-VG vor dem VfGH einklagen.
In Niederösterreich dürfen nur österreichische Staatsbürger zum Mitglied des Gemeindevorstandes (Stadtrates) gewählt werden (§ 98 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung). Diese landesgesetzliche Regelung verstößt weder gegen die österreichische Bundesverfassung noch gegen Unionsrecht, stellte der VfGH in einer rezenten Entscheidung fest (VfGH W I 9/2020 vom 25. November 2020). Er wies damit eine Anfechtung der Liste NEOS ab.
Nach Ansicht des VfGH verstößt es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass in Niederösterreich Unionsbürger zwar dem Gemeinderat, nicht aber dem Gemeindevorstand angehören können: Der zuständige Landesgesetzgeber hat nämlich einen vergleichsweise weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, wenn er die Wahl des Gemeindevorstandes regelt. Dazu kommt, dass die Funktion des Gemeindevorstandes nach der niederösterreichischen Gemeindeordnung auch hoheitliche, teilweise über den eigenen (autonomen) Wirkungsbereich der Gemeinde hinausgehende Aufgaben umfasst und damit ein hohes Maß an Verbundenheit seiner Mitglieder zum Staat voraussetzt.
Das Unionsrecht sieht zwar vor, dass Unionsbürgerinnen und Unionsbürger in jenem Mitgliedsstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Kommunalwahlen zukommt. Dabei gelten für sie dieselben Bedingungen wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates. Diese Bestimmung bezieht sich jedoch nur auf unmittelbare Wahlen durch das Gemeindevolk selbst. Die Wahl des Gemeindevorstandes, der vom Gemeinderat gewählt wird, ist davon also nicht erfasst. Hier können die Mitgliedsstaaten bestimmen, dass nur ihre eigenen Staatsangehörigen in das Amt eines „Mitglieds des leitenden kollegialen Exekutivorgans einer lokalen Gebietskörperschaft“ wählbar sind (Art. 5 Abs. 3 Kommunalwahlrichtlinie). Die NÖ Gemeindeordnung steht daher auch unter diesem Gesichtspunkt mit dem Unionsrecht im Einklang.
Im Bundesländervergleich wird der vom VfGH angesprochene weite rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers deutlich. Während Tirol, Oberösterreich und Kärnten hinsichtlich der Wahl von Gemeindevorstandsmitgliedern in ihren Gemeindewahl- und Gemeindeordnungen ebenso einen Staatsbürgervorbehalt vorsehen, zeigen sich die Länder Vorarlberg, Salzburg, Steiermark und Burgenland liberaler: In diesen Bundesländern dürften auch Unionsbürger in den Gemeindevorstand bzw. Stadtsenat entsendet werden. Das VfGH-Erkenntnis stützt die Verfassungsautonomie der Länder in dieser Angelegenheit und ist daher äußerst positiv zu beurteilen.
Es handelt sich um Band 130 der Schriftenreihe des Instituts, der aufgrund der Corona-Pandemie etwas später als geplant erschienen ist.
Bußjäger/Fischler/Greiter (Hg), Grenzüberschreitendes Naturgefahrenmanagement und regionale Problemlösungsmöglichkeiten – Gestione transfrontaliera del rischio di catastrofi naturali e possibilità di soluzione a livello regionale
Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Bd. 130
150 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-7003-2182-8
EUR 17,50
Bestellungen unter: institut@foederalismus.at oder www.newacademicpress.at.
Bußjäger/Gsodam (Hg), Migration und Europäische Union: Multi-Level-Governance als Lösungsansatz
Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Bd. 133
324 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-7003-2196-5
EUR 34,00
Bestellungen unter: institut@foederalismus.at oder www.newacademicpress.at
„44. Bericht über den Föderalismus in Österreich (2019)“
Herausgeber: Institut für Föderalismus
ISBN: 978-3-7003-2169-9
180 Seiten
EUR 24,90
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Mit Spannung wurde das Erkenntnis des VfGH zur durchgeführten Volksabstimmung in Ludesch erwartet. Zur Vorgeschichte: Für die Betriebserweiterung eines bekannten Vorarlberger Unternehmens sollte eine Flächenumwidmung erfolgen. Daraufhin wurde von Stimmberechtigten in der Gemeinde die Durchführung einer Volksabstimmung beantragt, die schließlich am 10. November 2019 durchgeführt wurde. Ergebnis: 56,1 % der Ludescher Stimmberechtigten haben sich gegen eine Änderung des Flächenwidmungsplanes ausgesprochen. 15 Privatpersonen, darunter auch Eigentümer der Grünflächen, fochten die Volksabstimmung an.
Nach Einleitung eines Normprüfungsverfahrens und anschließender Einholung einer Stellungnahme des Amtes der Vorarlberger Landesregierung steht nunmehr fest: Einzelne Bestimmungen des Vorarlberger Gemeindegesetzes als auch des Landes-Volksabstimmungsgesetzes werden als verfassungswidrig aufgehoben und zwar jene, die festlegen, dass Volksabstimmungen mit bindender Wirkung auf Verlangen von Stimmberechtigten der Gemeinde auch ohne Zustimmung des Gemeinderates durchzuführen sind (G 166/2020 ua vom 6.10.2020). Da exakt diese Bestimmungen die Rechtsgrundlage für die durchgeführte Volksabstimmung bildeten, war folglich auch das Verfahren zur Volksabstimmung als auch dessen Ergebnis zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.
Der VfGH äußert sich dazu auszugsweise wie folgt:
„Das Vorarlberger Gemeindegesetz sieht vor, dass Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde durch eine Volksabstimmung (Abstimmung der Stimmberechtigten der Gemeinde) entschieden werden können. Eine solche Volksabstimmung ist etwa dann abzuhalten, wenn eine bestimmte Mindestanzahl der Stimmberechtigten der Gemeinde dies verlangt. Nach dem Landes-Volksabstimmungsgesetz ersetzt eine derartige Entscheidung des Volkes die Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorganes.
Der VfGH hat entschieden, dass ein solches Modell der Volksabstimmung dem repräsentativ-demokratischen System der Gemeindeselbstverwaltung widerspricht.
Die Bundesverfassung hat die Gemeindeselbstverwaltung als repräsentativ-demokratisches System eingerichtet. Im Mittelpunkt dieses Systems steht der Gemeinderat, der vom Gemeindevolk gewählt wird und dem alle anderen Gemeindeorgane für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde verantwortlich sind. Zwar hat der VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen verbindliche Gemeindevolksabstimmungen, denen eine Willensbildung des Gemeinderates zugrunde liegt – entweder indem der Gemeinderat die Volksabstimmung selbst einleitet oder indem er ihr Ergebnis für verbindlich erklärt. Das repräsentativ-demokratische System der Gemeindeselbstverwaltung schließt es jedoch aus, den Gemeinderat auch gegen seinen Willen durch eine Volksabstimmung an eine bestimmte Entscheidung zu binden.“
Aus föderalistischer Sicht handelt es sich hier um eine äußerst bedauerliche Entscheidung, welche sich freilich nahtlos in die schon bislang restriktive Judikatur des VfGH zu direktdemokratischen Partizipationsformen einordnet. Das wohl populärste Erkenntnis in der Vergangenheit lieferte er, als das Modell der „Vorarlberger Volksgesetzgebung“ (VfSlg 16.241/2001) wegen Verstoßes gegen das repräsentativ-demokratische Grundprinzip der Bundesverfassung aufgehoben wurde.
Art 117 Abs 8 (Anm. früher Abs 7) B-VG, welcher in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde die Landesgesetzgebung ermächtigt, die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorzusehen, wird so de facto zu einer leeren Floskel. War gerade der Ausbau direktdemokratischer Elemente auf Gemeindeebene durch die Einführung dieser Bestimmung vom Bundesverfassungsgesetzgeber im Jahr 1984 intendiert, muss man sich nach der nunmehr erfolgten Entscheidung eingestehen, dass es keine direkte Demokratie gegen den Willen des Gemeinderates mehr geben kann. Kritisch anzumerken ist zudem, dass sich der Fall der „Vorarlberger Volksgesetzgebung“ von dem nun entschiedenen graduell unterscheidet: So ist eine ohne Zutun des Gemeinderats durchgeführte Volksabstimmung rechtlich einem Beschluss des Gemeinderates gleichzusetzen. Dieser wäre daher nicht gehindert gewesen, im Nachhinein genau das Gegenteil des in der Volksabstimmung zu Tage getretenen Ergebnisses zu beschließen. Überdies kann ein weiteres Argument gegen die vom VfGH artikulierte Sichtweise ins Treffen geführt werden: Gesetzt den Fall, das Volk hätte sich tatsächlich für eine Flächenwidmungsplanänderung – und damit der Nicht-Beibehaltung des bestehenden Zustands – ausgesprochen, so wäre diese aufsichtsbehördlich zu genehmigen gewesen. Schon dadurch wären der direkten Demokratie von vornherein durch das die gesamte staatliche Verwaltung geltende Legalitätsprinzip und die Aufsicht der Gemeinden aber enge Grenzen gesetzt.
Im Ergebnis werden sich Formen der direkten Demokratie auch in Zukunft der Peripherie des demokratischen Systems zuordnen lassen müssen. Das repräsentativ-demokratische Modell, welches auch auf Ebene der Gemeindeselbstverwaltung Anwendung findet, wurde dagegen maßgeblich gestärkt und bestätigt. Die Möglichkeiten des Landesgesetzgebers in Hinblick auf den Ausbau direktdemokratischer Elemente werden deutlich eingeschränkt.
Basierend auf Daten, die vom Institutsdirektor Peter Bußjäger und dessen Mitarbeiter David Schneebauer vom Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre der Universität Innsbruck erhoben wurden, ergeben sich im Hinblick auf die Analyse verfassungsgerichtlicher Judikatur zahlreiche Aufschlüsse.
Zunächst kristallisierte sich heraus, dass bestimmte Regierungskoalitionen im Vergleich zu anderen sehr viele Aufhebungen vor dem Verfassungsgerichtshof zu verantworten hatten. In der Legislaturperiode der Regierungen Schüssel I und Faymann I wurden insgesamt 73 Gesetze vom VfGH kassiert, während es vor den 1970er-Jahren praktisch kaum zu Aufhebungen von Bundesgesetzen gekommen ist. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Zum einen ist die Zahl erlassener Bundesgesetze seit den 1970er Jahren deutlich gestiegen, zum anderen hat sich auch der Verfassungsgerichtshof selbst von seiner früher zurückhaltenden Spruchpraxis zu einem durchaus selbstbewussten Höchstgericht entwickelt.
Eine Analyse der aufgehobenen Landesgesetze zwischen 2003 und 2019 zeigt ein durchaus unterschiedliches Bild im Ländervergleich. Im Beobachtungszeitraum wurden insgesamt 110 landesgesetzliche Bestimmungen, vorwiegend wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz, aufgehoben. Der Wiener Landesgesetzgeber hat jedoch doppelt so häufig gegen die Bundesverfassung verstoßen wie etwa Niederösterreich und die Steiermark. Bemerkenswert ist, dass Vorarlberg und Oberösterreich mit lediglich 8 Aufhebungen an der Spitze liegen, zumal vor allem der vorarlbergische Gesetzgeber für seine Experimentierfreudigkeit bekannt ist. Dieser scheut auch keineswegs die Konfrontation mit dem VfGH und eilt ihm – wie der frühere Landeshauptmann Vorarlbergs Ulrich Ilg in seinen Memoiren schreibt – der Ruf voraus „Stammkundschaft beim Verfassungsgerichtshof“ zu sein: Im Beobachtungszeitraum 1945 bis 2019 hat er gemäß Art 140 Abs 1 Z 2 B-VG 18 Bundesgesetze angefochten. Wien und Salzburg folgen dahinter mit 15 bzw 10 Anfechtungen.
Insgesamt zeigt sich, dass sowohl die Landesregierungen als auch die Bundesregierung von ihrer jeweils in Art 140 Abs 1 Z 2 und 3 grundgelegten Kompetenz, Gesetze der jeweils gegenbeteiligten Gebietskörperschaft vor dem VfGH anzufechten, Gebrauch machen. Offensichtlich tritt auch zu Tage, des dem Gleichheitssatz eine sehr große Bedeutung bei der Normprüfung zukommt. Über die Qualität der Rechtsetzung sagt dies allerdings weniger aus, als über das Ansehen des VfGH: Als „Hüter der Verfassung“ genießt er auch 100 Jahre nach seiner Installierung ein hohes Ansehen und zeichnet sich durch seine friedensstiftende Funktion aus.
Mit einer aus föderalistischer Sicht spannenden Angelegenheit hatte sich unlängst der OGH zu beschäftigen. Zur Vorgeschichte: Im August 2013 ereigneten sich im Gemeindegebiet einer oberösterreichischen Gemeinde zwei Waldbrände, zu deren Bekämpfung mehrere Feuerwehren herangezogen wurden. Für den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehren machte die betroffene Gemeinde gemäß § 5 Abs 1 und 2 Oö Waldbrandbekämpfungsgesetz bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft Kostenersatz von EUR 133.042,94 geltend. Darin enthalten waren Kosten für den Einsatz der Feuerwehren von insgesamt EUR 120.996,33, wobei sie auf Grundlage der Tarifordnung 2010 des oberösterreichischen Landesfeuerwehrverbandes EUR 86.300,00 an Mannschaftskostenersatz und EUR 27.730,00 an Fahrzeugkostenersatz forderte. Das zuständige Bundesministerium anerkannte aber lediglich einen Ersatzbetrag von EUR 1.701,70 für Treibstoff- und EUR 2.925,65 für Verpflegungskosten sowie im Juni 2015 einen weiteren Betrag von EUR 999,96 für ein Handfunkgerät und drei Paar Einsatzstiefel.
Daraufhin beantragte die Gemeinde die Festsetzung des verbleibenden Kostenersatzanspruches mit EUR 127.388,63. Mit Bescheid vom 15.4.2019 setzte die zuständige Bezirkshauptmannschaft die noch nicht beglichenen Waldbrandbekämpfungskosten mit EUR 114.030,00 fest.
In der Folge begehrte die Republik Österreich als Antragstellerin beim Bezirksgericht die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, diese bescheidmäßig festgesetzten Kosten der Antragsgegnerin zu ersetzen.
Das Erstgericht sah dies jedoch anders und erkannte die Antragstellerin schuldig, der Antragsgegnerin EUR 114,030,00 zu zahlen. Ausgehend von den im Verfahren unstrittig gebliebenen tatsächlichen Einsatzstunden gelangte es in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, dass der Antragsgegnerin auf Grundlage der Ansätze der Tarifordnung der zugesprochene Betrag als durch den Feuerwehreinsatz verursachter konkreter Sachaufwand zustehe. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Wenn der Bund, in dessen Kompetenz nach Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG die Waldbrandbekämpfung falle, sich dazu der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde bediene, spreche nichts dagegen, ihn nach der Grundregel des § 2 F-VG 1948 gegenüber der Gemeinde zum Ersatz der durch die Brandbekämpfung verursachten Kosten gemäß § 5 Abs 1 Oö Waldbrandbekämpfungsgesetzes auf Basis der Tarifordnung 2010 des oberösterreichischen Landesfeuerwehrverbandes zu verpflichten.
Dagegen erhob die Antragstellerin Revisionsrekurs beim OGH. Zusammengefasst hielt dieser fest: Da im konkreten Fall keine abweichende Kostentragungsregel bestehe, gehen Lehre und Rechtsprechung richtigerweise davon aus, dass der Bund gemäß § 2 F-VG 1948 die Kosten der Waldbrandbekämpfung zu tragen hat. Unter Bezugnahme auf Judikatur des VfGH (VfSlg 19.446/2011) ist unter Sachaufwand nicht nur der bei der Brandbekämpfung angefallene Materialaufwand zu verstehen, sondern auch der Personalaufwand der Feuerwehren. Die Tarifordnung des oberösterreichischen Landefeuerwehrverbandes war – obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt nicht gesetzlich verankert war – jedenfalls geeignet, Auskunft über die Höhe der der Feuerwehr notwendigerweise erwachsenden Einsatzkosten zu geben.
Da die Antragstellerin sohin keine Rechtsfragen der von § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung brachte, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Im Ergebnis hat die Republik Österreich der betroffenen Gemeinde nun die aushaftenden EUR 114.030,00 zu ersetzen.
Die Mitgliedstaaten der EU, sohin auch die Gesetzgebungsorgane, sind an Unionsrecht gebunden. Die RL EU 2018/958 richtet sich mit ihrer Verpflichtung zur Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften, mit denen der Zugang zu reglementierten Berufen beschränkt wird, an die Mitgliedstaaten. Innerhalb desselben gilt diese Verpflichtung für den Bund und – im Rahmen ihrer Zuständigkeiten – für die Länder. In erster Linie sind daher die gesetzgebenden Organe, konkret National- und Bundesrat sowie die Landtage von der verpflichtenden Verhältnismäßigkeitsprüfung betroffen. Neu ist das grundsätzlich nicht, zumal die gesetzgebenden Organe schon bisher ua die Grundfreiheiten des Binnenmarktes beachten müssen. Insofern stellt die Richtlinie lediglich eine Konkretisierung dieser Verpflichtung für einen sehr engen Bereich dar.
Und dennoch: Eine derartige Verpflichtung könnte für die parlamentarischen Körperschaften Folgen in Bezug auf den innerparlamentarischen Prozess nach sich ziehen. Die grundsätzliche Frage, die hinter dieser Problematik steckt, ist jene, ob die Union durch materiellrechtliche Vorgaben den Verfahrensablauf im parlamentarischen Prozess beeinflussen kann bzw darf. Auf den ersten Blick könnte man diese Frage verneinen, zumal die Union grundsätzlich nicht über die Kompetenz verfügt, im Rahmen materieller Regelungen den Mitgliedstaaten „ablauftechnische Vorgaben“ zu machen. Diesbezüglich gilt der primärrechtlich verankerte Grundsatz der Verfahrensautonomie. Wie sieht das nun aber in der praktischen Umsetzung aus?
Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass einer Regelung wird in der Regel nicht durch die Parlamentarier selbst, sondern von dafür zu Rate gezogenen (internen oder externen) Experten durchgeführt. Durch das Einziehen einer derartigen „Expertenschleife“ vor Beschlussfassung eines Gesetzes im Parlament wird das freie Mandat aller Abgeordneten faktisch eingeschränkt und auch der innerparlamentarische Ablauf verändert. Aus demokratischer Sicht ist diese Entwicklung kritisch zu sehen, zumal das Verhalten der Parlamentarier determiniert wird und bei einer negativen Verhältnismäßigkeitsprüfung (aus Sicht der Experten) der weitere Gesetzgebungsprozess ein jähes Ende finden könnte. Bedenken der Länder, es könnten „neue Verfahren“ im Gesetzgebungsprozess zusätzlich zum bereits bestehenden Notifikationsverfahren, welches die Pflicht der Mitgliedsstaaten normiert, die Kommission über jeden Entwurf einer technischen Vorschrift vor deren Erlass zu unterrichten, sind daher nachvollziehbar.
Dennoch ist festzuhalten, dass die in Rede stehende Richtlinie in Wahrheit aber weitestgehend nichts anderes konkretisiert, als die bereits aus dem Primärrecht resultierende Pflicht der Mitgliedstaaten, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die in Grundfreiheiten eingreifen, durch wichtige Gründe zu rechtfertigen.
Vor dem beschriebenen Hintergrund erscheint sie aber in einem Punkt tatsächlich kompetenzrechtlich fraglich: Art 4 Abs 3 der Richtlinie normiert, dass jede Vorschrift der Mitgliedstaaten, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränkt, von einer Erläuterung begleitet sein muss, die eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit ermöglicht. Die Bereitstellung einer Erläuterung im Verfahren der Verhältnismäßigkeitsprüfung könnte tatsächlich in unzulässiger Weise in den innerparlamentarischen Ablauf von Gesetzgebungsorganen der Mitgliedstaaten einzugreifen.
In vier Panels referierten renommierte Expertinnen und Experten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz über Automatisierungspotentiale in den Verwaltungsverfahren dieser Länder. Dabei wurden einerseits wertvolle Erkenntnisse dahingehend gewonnen, welche Bereiche sich für eine Voll- und Teilautomatisierung der Verwaltung eignen, andererseits wurden auch Probleme und Grenzen in Zusammenhang mit der Automatisierung von Abläufen in der Verwaltung aufgezeigt.
Die Erkenntnisse der Online-Tagung sollen in einem zeitnah erscheinendem Tagungsband der Öffentlichkeit präsentiert werden.
In einer von Thomas Czypionka veröffentlichten Analyse im Cambridge Core blog am 12. April 2020 (Link) stellt der Autor Österreich ein bisher gutes Zeugnis bei der Bewältigung der Corona-Krise aus. Anlässlich dieser Analyse ging Institutsdirektor Peter Bußjäger der Frage nach, ob der österreichische Föderalismus bei der Bewältigung einer derartigen Krise tatsächlich „stark“ ist.
Ein Blick in die Bundesverfassung genügt dabei, um zu erkennen, dass die Aufgaben im Bereich des Gesundheitswesens zwischen Bund und Ländern geteilt sind. So sieht Art 12 Abs 1 Z 12 B-VG zwar grundsätzlich vor, dass der Bund für das „Gesundheitswesen“ in Gesetzgebung und Vollziehung zuständig ist, explizit jedoch „mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und Rettungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der natürlichen Heilvorkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht“. Im gegebenen Zusammenhang obliegt es daher dem Bund, Gesetze im Bereich des Gesundheitswesens zu erlassen und auch zu vollziehen; dies gilt jedoch nur zum Teil für die Organisation von Spitälern (Grundsatzgesetzgebung des Bundes, Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung durch die Länder) oder des Gemeindesanitätsdienstes. Die Kompetenz des Bundes umfasst daher auch die Abwehr und den Umgang mit Epidemien und Pandemien.
Die Länder wirken bei der Vollziehung dieser Gesetze (zB COVID-19-Maßnahmengesetz) im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung – ein Charakteristikum des österreichischen Bundesstaates – mit. Das bedeutet, dass Aufgaben, die gemäß Art 10 B-VG dem Bund zur Vollziehung übertragen sind, von Organen bzw. Behörden der Länder besorgt werden. Funktionell werden die Landesbehörden in diesem Zusammenhang als Bundesbehörden tätig. Als Drehscheibe der mittelbaren Bundesverwaltung agiert der Landeshauptmann, welcher an die Weisungen der Bundesregierung bzw. des zuständigen Bundesministers gebunden und für die Durchführung im Landesbereich verantwortlich ist (Art 103 Abs 1 B-VG).
Die mittelbare Bundesverwaltung, bereits vom VfGH als „wesentliches Element der bundesstaatlichen Ordnung“ bezeichnet (vgl. VfSlg 11.403/1987), erfordert und fördert daher geradezu die Kooperations- und Koordinationsbereitschaft zwischen Bund und Ländern. Die Gebietskörperschaften sind folglich aufeinander angewiesen. Dazu kommt, dass eine wirkungsvolle Pandemiebekämpfung auch wesentlich von den Kapazitäten in den Ländern und Gemeinden (von der Personalausstattung in den Bezirksverwaltungsbehörden bis hin zur Anzahl der Krankenhausbetten etc.) abhängig ist und letztlich auch vom Engagement in diesen Einrichtungen.
Weil das erstmals im Jahr 1913 erlassene Epidemiegesetz für die aktuellen Herausforderungen ungeeignet war, wurde mit dem eilig beschlossenen „COVID-19-Maßnahmengesetz“, BGBl I 12/2020 idF 23/2020, welches am 16. März 2020 in Kraft getreten ist, versucht, der Krise Herr zu werden. Basierend darauf können nun sowohl der Bundesminister für Gesundheit als auch die Landeshauptmänner und die Bezirksverwaltungsbehörden in ihren jeweiligen Wirkungsbereichen Verordnungen zum Zwecke der Untersagung des „Betretens von bestimmten Orten“ erlassen. Von dieser Kompetenz wurde zahlreich Gebrauch gemacht, um den zwischenzeitlichen „Lockdown“ realisieren zu können. Mittlerweile wurden einige dieser Verordnungen vom VfGH teilweise wegen Gesetzeswidrigkeit aufgehoben (Link).
Insgesamt scheint die Zusammenarbeit auf allen territorialen Ebenen bisher allerdings gut zu funktionieren und das System des kooperativen Föderalismus in Österreich den „Corona-Test“ zu bestehen. Dafür verantwortlich sind zu einem großen Teil Länder und Gemeinden, welche die Aufgaben in ihrem Wirkungsbereich bisher ausgesprochen gewissenhaft erfüllen.
Das Institut für Föderalismus möchte dem scheidenden Institutsassistenten Dr. Christoph Schramek für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren herzlichen Dank aussprechen. Zahlreiche Publikationen, viele gemeinsam mit dem Institutsdirektor Dr. Peter Bußjäger, stellen die gute Kooperation eindrucksvoll unter Beweis (Auswahl):
Bußjäger/Schramek, Föderalismus durch Behördendezentralisierung?, in: Vorstand des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung Tübingen (Hrsg), Jahrbuch des Föderalismus 2017 (2017) 172-183
Bußjäger/Schramek, Verfassungsfragen der Abschaffung des Pflegeregresses, Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht 6/2018, 319-325
Bußjäger/Schramek, Die Zusammensetzung der Verwaltungskörper der neuen „Österreichischen Gesundheitskasse“ unter verfassungsrechtlichen Aspekten, in: Berka/Th. Müller/ Schörghofer (Hrsg), Die Neuorganisation der Sozialversicherung in Österreich (2019) 29-37
Bußjäger/Schramek, Föderalismus und Verfassung, in: Hermann/Ingruber/Perlot/ Praprotnik/Hainzl (Hrsg), regional. national. föderal. Zur Beziehung politischer Ebenen in Österreich (2020) 29-43
Bußjäger/Schramek, Der österreichische Verfassungsgerichtshof: Klammer einer „höheren Einheit“?, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen (Hrsg), Jahrbuch des Föderalismus 2020 (2020) 77-89 (im Druck)
Für seine weitere berufliche Laufbahn in der Tiroler Landesverwaltung wünscht das Institut für Föderalismus Dr. Schramek alles Gute!
Auch dieses Jahr konnte man unter einer Reihe sehr qualifizierter Arbeiten der Bewerberinnen und Bewerber die Preisträger für den Preis für Föderalismus- und Regionalforschung 2020 ermitteln.
Der Hauptpreis ergeht an Matthias Haller für seine Dissertation „Südtirols Minderheitenschutzsystem. Grundlagen, Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen aus völker- und verfassungsrechtlicher Sicht“. Seine umfassende Arbeit befasst sich eingehend mit den völker- und verfassungsrechtlichen Grundlagen des Minderheitenschutzsystems in Südtirol als auch dessen Entwicklungen und aktuellen Herausforderungen.
Maximilian Fritsch ist nun frischgebackener Träger des Anerkennungspreises für seine Dissertation „Europa der Regionen – Überlegungen zu einem unionsrechtlichen Begriff der Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen anhand eines Rechtsvergleichs“. Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, wie ein unionsrechtlicher Begriff von Regionen und deren Gesetzgebungsbefugnissen aussehen könnte.
Ebenso mit dem Anerkennungspreis ausgezeichnet wird Melanie Plangger für ihre Dissertation mit dem Titel „Moving Mountains to Brussels; how regions act within, shape and benefit from the EU macro-regional strategy für the Alpine region (EUSALP)“. Die Dissertation untersucht am Beispiel der EUAlpenraumstrategie, einem grenzüberschreitenden Verbund von sieben Staaten und 48 Regionen, wie die Regionen auf die Einführung der europäischen Regionalpolitik und der Übertragung von Kompetenzen von den Nationalstaaten auf die EU reagieren.
Ausführliche Zusammenfassungen der preisgekrönten Arbeiten werden zeitnah auf dem Föderalismus-Blog unter www.foederalismus.at/blog abrufbar sein.
Die mit BGBl I 86/2020 in Kraft getretene Novelle des Ärztegesetzes (Ärztegesetz-Novelle 2020) diente vor allem der Umsetzung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 13. März 2019. Dieser hat in seinem Erkenntnis G 242/2018-16 die Aufhebung des § 27 Abs 10, des § 59 Abs 3 Z 2 sowie von Wort- und Zeichenfolgen in § 59 Abs 3 Z 1, § 117c Abs 1 Z 6 und § 125 Abs 4 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998), ausgesprochen. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. August 2020 in Kraft, weshalb rechtzeitig die erforderlichen Regelungen im ÄrzteG 1998 zu treffen waren.
Da das ÄrzteG 1998 normiert, dass der Präsident der Österreichischen Ärztekammer die Eintragung in die und die Streichung aus der Ärzteliste - als eine Angelegenheit des Gesundheitswesens - nur unter Bindung an Weisungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vollzieht (§ 195 f leg.cit.), umgeht es den in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung zentralen Landeshauptmann. Dies wäre nur mit Zustimmung der beteiligten Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG zulässig. Da diese Zustimmung nicht erteilt wurde, erweist sich diese vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion als ein Eingriff in das System der mittelbaren Bundesverwaltung gemäß Art. 102 B-VG.
Die Bundesverfassung sieht in Art 102 Abs1 B-VG vor, dass in Angelegenheiten, die nicht in Art 102 Abs 2 B-VG genannt sind, auch Bundesbehörden mit der Vollziehung in Weisungsunterworfenheit unter den Landeshauptmann betraut werden können. Allerdings dürfen Bundesgesetze, die eine solche Zuständigkeitsübertragung vornehmen, eben nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.
Nach Art 102 Abs 4 B-VG darf die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die in Art 102 Abs 2 B-VG bezeichneten Angelegenheiten nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen. Art 102 Abs 4 B-VG stellt jedoch nicht auf die Errichtung von Behörden in Angelegenheiten, die nicht in Art 102 Abs 2 B-VG oder einer besonderen Verfassungsbestimmung genannt sind, sondern auf die Begründung der Zuständigkeit von Bundesbehörden ab.
Der am 18. Juni 2020 eingebrachte Initiativantrag auf Änderung des ÄrzteG 1998 sah nunmehr in seiner Begründung explizit vor, dass als Besonderheit im Normerzeugungsverfahren die Zustimmung aller Länder gemäß Art 102 Abs 1 und 4 B-VG einzuholen wäre. Indes wurde die Ärztegesetz-Novelle 2020 vor ihrer Kundmachung wiederum ohne Zustimmung der Länder erlassen. Das in Kraft getretene Bundesgesetz ist damit erneut offensichtlich verfassungswidrig. Der Bund hat – dies bereits in Kenntnis des vom VfGH ergangenen Erkenntnisses – die Länder in verfassungswidriger Weise umgangen. Eine Sanierung dieses Bundesgesetzes wäre daher lediglich durch neuerlichen Beschluss im Nationalrat und Zustimmung aller Länder vor der Kundmachung möglich.
Auf unserem brandaktuellen Föderalismus-Barometer ist die Vorgangsweise des Bundes daher folgendermaßen zu bewerten:
In der nächsten Ausgabe der Föderalismus-Info wird der „Föderalismus-Check“ ausführlich erklärt und vorgestellt werden.
Es handelt sich um Band 131 der Schriftenreihe des Instituts, der vor kurzem erschienen ist.
Peter Bußjäger, Josef Kronister, Christoph Schramek (Hg)
Herausforderungen der Bezirksverwaltung
Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Bd. 131
140 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-7003-2183-5
EUR 19,90
Bestellungen unter: institut@foederalismus.at oder www.newacademicpress.at.
In ihrer Stellungnahme analysieren Institutsdirektor Peter Bußjäger und Anna Gamper von der Universität Innsbruck die Verfassungskonformität einer verpflichtenden Tracking-App. Während eine „auf vollständiger Freiwilligkeit aller Betroffenen beruhende Weitergabe von Informationen […] zumindest kein verfassungsrechtliches Problem dar[stellt]“, berührt eine verpflichtende Tracking-App zahlreiche Grundrechte. So bildet insbesondere die Pflicht zur Bekanntgabe einer Infizierung „sowohl einen Eingriff in den Datenschutz als auch das Recht auf Privatleben“. „Die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen ist trotz des zweifellos wichtigen öffentlichen Interesses am Gesundheitsschutz zu bezweifeln“. (Link)
Karl Kössler befasst sich in seinem Blog „Zentralisierung Italiens auf Zeit oder autonome Regionen als Opfer von Covid-19?“ mit Italiens Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 und der Koordinierung der Regierungsebenen. Insgesamt offenbarten, so der Autor, „die bisherigen Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 eine krisenbedingte Zentralisierung, welche die bereits zuvor bestehende Tendenz zur Zentralisierung verstärkte.“ Die entscheidende Frage werde sein, „ob sich die aktuelle Zentralisierung der Politik ebenso wie ihre Technokratisierung auf den Ausnahmezustand der Pandemie beschränkt bleiben wird.“ (Link)
„Die gegenwärtige Situation, in der der Bund das Heft in die Hand nimmt, hebt den Föderalismus nicht auf, sondern versetzt ihn vielmehr in den von Verfassung und Gesetz vorgesehenen Krisenmodus“, stellen Eva Maria Belser, Andreas Stöckli und Bernhard Waldmann in ihrem Blog „Der schweizerische Föderalismus funktioniert auch im Krisenmodus“ fest. Der Bund habe „angesichts der gegenwärtigen Krise nicht nur Massnahmen erlassen, die sich auf das Epidemiengesetz stützen, sondern auch sein allgemeines Notverordnungsrecht genutzt.“ Unmittelbar gestützt auf die Verfassung habe er umfassende Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen beschlossen. Allerdings: Wer aufgrund weitergehender kantonaler Maßnahmen wirtschaftliche Einbußen erleidet, müsse seine Wünsche nach Unterstützung an den Kanton richten. „So strapaziert der Alleingang einzelner Kantone die eidgenössische Solidarität nicht. Im Gegenteil, gelingt es einem Kanton mit Hilfe rechtsstaatlicher, insbesondere verhältnismässiger Massnahmen, die Ausbreitung der Epidemie auf dem eigenen Gebiet noch wirksamer zu bekämpfen als der Bund, so kommt dies allen Kantonen, dem Bund und der gesamten Bevölkerung zu gute.“ (Link)
Seit Ausbruch der Corona-Krise in Österreich hat der Nationalrat insgesamt fünf Gesetzespakete verabschiedet. Institutsdirektor Peter Bußjäger unterzieht in seinem Blog vom 17. April 2020 ausgewählte Aspekte dieser Gesetzespakete einer eingehenden Bewertung, unter anderem auch die Frage, ob etwa Betriebe im Paznauntal Anspruch auf Entschädigung nach dem Epidemiegesetz haben. Dies verneint der Autor vor dem Hintergrund der auf dem COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Beschränkungen, die dazu geführt hätten, dass kein Verdienst mehr erzielt worden wäre, der Gegenstand einer Entschädigung sein könnte. (Link)
In seinem englischsprachigen Blog „COVID-19 crisis challenging Austria’s cooperative federalism“ (vom 28. April 2020) kommt Institutsdirektor Peter Bußjäger zum Ergebnis, dass sich der österreichische kooperative Föderalismus in der Krise durchaus bewährt hat. Insbesondere ist das System der mittelbaren Bundesverwaltung ein charakteristisches Element des österreichischen kooperativen Föderalismus, was anhand der Coronakrise besonders deutlich wurde. (Link)
n seiner März-Session hat sich der VfGH mit einer Anfechtung der am 10. November 2019 durchgeführten Volksabstimmung in der Gemeinde Ludesch (Vorarlberg) auseinandergesetzt. Gegenstand der Abstimmung war eine geplante Betriebserweiterung des Fruchtsaftherstellers Rauch. Die Fragestellung zielte darauf ab, ob die von der Erweiterung betroffenen Grundstücke Freihalteflächen-Landwirtschaft bleiben sollen. Im Ergebnis führte die Bejahung dieser Frage durch über 56% der Abstimmenden zur Ablehnung des Projekts.
Der VfGH hat nun einen Prüfungsbeschluss gefasst, in welchem er die landes(verfassungs)gesetzlichen Grundlagen dieser Volksabstimmung auf Gemeindeebene (Vorarlberger Landesverfassung, Gemeindegesetz sowie Landes-Volksabstimmungsgesetz) auf die Verfassungskonformität hin prüft. Vor dem Hintergrund, dass die Volksabstimmung von den Stimmberechtigten selbst initiiert wurde und damit in Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung unmittelbar durch das Gemeindevolk eine verbindliche Entscheidung getroffen werden kann, ohne dass die Gemeindevertretung bzw. das an sich zuständige Gemeindeorgan daran inhaltlich mitwirkt, sind beim VfGH Bedenken dahingehend entstanden, dass ein Verstoß gegen das auch für die Gemeinde geltende repräsentativ-demokratische System der Bundesverfassung vorliegen könnte. Erst nach Abschluss dieses Gesetzesprüfungsverfahrens trifft der VfGH eine Entscheidung über die Anfechtung selbst, in der unter anderem eine Rechtswidrigkeit des Verfahrens aufgrund einer verwirrenden Fragestellung geltend gemacht wurde.
Würde das Gesetzesprüfungsverfahren zu einer Aufhebung der einschlägigen Vorarlberger Bestimmungen führen, hätte dies wohl weitreichende Konsequenzen:
Ein ähnliches System, allerdings auf Landesebene, nämlich jenes der sogenannten „Vorarlberger Volksgesetzgebung“, hatte der VfGH bereits im Jahr 2001 aufgehoben (VfSlg 16.241/2001). Dabei wurde eine von der Mehrheit der Stimmberechtigten gestützte Gesetzesinitiative mittels anschließender Volksabstimmung gegen den Willen des Landtages „zum Gesetz“. Ob derartige Konstruktionen einer „Volksgesetzgebung“ auch auf Gemeindeebene – wobei auf Gemeindeebene nicht im technischen Sinne von einem Gesetz als Rechtssatzform gesprochen werden kann – verfassungskonform sind, wurde bisher in der Literatur bezweifelt (siehe die Literaturhinweise am Ende dieses Beitrags, insbesondere Gamper). Ähnliche Konzepte für die Gemeindeebene gibt es derzeit in verschiedenen landesrechtlichen Bestimmungen:
Würde der VfGH seinem Prüfungsbeschluss betreffend die Volksabstimmung in der Gemeinde Ludesch letztendlich folgen, wären die angeführten Bestimmungen jedenfalls auch bundesverfassungswidrig. Die Volksabstimmung im Vorarlberger Ausgangsfall gemäß § 22 Abs 1 Vbg GG unterscheidet sich allerdings dadurch, dass ihr keine Initiative vorangeht, sondern vielmehr in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde von einer bestimmten Zahl an Stimmberechtigten verlangt werden kann. Die durch die Abstimmung getroffene Entscheidung tritt an die Stelle der Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans (§ 69 Abs 3 Vbg Landes-Volksabstimmungsgesetz).
Insofern ist sie auch vom sogenannten Vetoreferendum abzugrenzen, wie in § 54 Abs. 2 Z. 3 der Burgenländischen Gemeindeordnung, dem ein Beschluss des Gemeinderats vorangeht, über dessen Wirksamkeit dann abgestimmt wird. Derartige Vetoreferenden sind nicht nur auf Gemeindeebene vorgesehen, sondern auch auf Landesebene (so etwa Art 39 TLO 1989). Allerdings dürfte hier die Tatsache, dass zuvor ein Beschluss des Vertretungskörpers ergeht, der somit nicht gänzlich ausgeschaltet wird, jedenfalls für die Verfassungskonformität sprechen.
Insgesamt sind die Bedenken des VfGH im hier geschilderten Ausgangsfall insoweit bemerkenswert, als die Bundesverfassung in Art 117 Abs 8 die direkte Demokratie auf Gemeindeebene ausdrücklich erlaubt. Sinngemäß erwidert der VfGH jedoch: „Ja, direkte Demokratie ist schon erlaubt, aber vermutlich nicht in dieser Form.“ Wie auch immer das Erkenntnis des VfGH ausfallen wird, direkte Demokratie auf Gemeindeebene wird grundsätzlich auch weiterhin zulässig sein. Möglicherweise werden sich jedoch mehrere Landesgesetzgeber etwas einfallen lassen müssen.
Link zum Prüfungsbeschluss des VfGH
Literaturhinweise (Auswahl; vgl. auch S. 24 f im Prüfungsbeschluss):
Bußjäger/Sonntag, Zur Bundesverfassungskonformität des Vetoreferendums, in: Öhlinger (Hrsg.), Direkte Demokratie und Parlamentarismus: Wie kommen wir zu den besten Entscheidungen? (2015) 349 ff.
Gamper, Direkte Demokratie in der Gemeinde, RFG 2011/2, 66
Gamper, Bürgerbeteiligung und demokratische Innovation in Tirol – Voraussetzungen, Instrumente, Schranken, in: Bußjäger/Gamper (Hrsg.), Demokratische Innovation und Partizipation in der Europaregion, 2015, 23 ff.
Giese, Direktdemokratische Willensbildung in der Gemeindeselbstverwaltung – Stand, Rechtsfragen, Perspektiven, in: FS 50 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle (2012) 109 ff.
Ziel des im April erschienen Bandes (Nr 129 der Schriftenreihe), der von Peter Bußjäger und Martin P. Schennach herausgegeben wurde, ist es, die zeithistorischen Vorgänge zu beleuchten sowie die Rolle der Länder in der Staatsgründung und ihr Verhältnis zur Zentralgewalt zu analysieren. Zudem soll neben dem 100-jährigen Jubiläum der österreichischen Bundesverfassung auch das Landesverfassungsrecht gewürdigt werden.
Peter Bußjäger, Martin P. Schennach (Hg.)
1919 – Länderkonferenzen und Landesverfassungen
Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Bd. 129
100 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-7003-2181-1
EUR 15,00
Bestellungen unter: institut@foederalismus.at oder www.newacademicpress.at.
Es handelt sich um Band 132 der Schriftenreihe des Instituts, der aufgrund redaktioneller Umstände etwas früher erschienen ist. Die Bände 130 („Grenzüberschreitendes Naturgefahrenmanagement und regionale Problemlösungsmöglichkeiten“) und 131 („Herausforderungen der Bezirksverwaltung“) werden ebenfalls noch im Laufe dieses Jahres veröffentlicht.
Andreas Lopatka
Die Stellung der österreichischen Bundesländer in der unionalen Rechtsetzung. Systeme
Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Bd. 132
360 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-7003-2132-3
EUR 36,00
Bestellungen unter: institut@foederalismus.at oder www.newacademicpress.at.
Interessierte können ihre Arbeit bis zum 1. Juli 2020 in deutscher, italienischer, englischer, spanischer oder französischer Sprache einreichen (federalscholar@eurac.edu). Mittels eines doppelten Blindgutachtenverfahren wird der/die Gewinner/in ermittelt. Informationen zum Programm erhalten Sie unter www.eurac.edu/federalscholar.
Die Aussage im Originalwortlaut (auf die Frage, ob ein föderales System noch zeitgemäß sei):
„Ein Aspekt ist mir bei der Befassung mit mittel- und osteuropäischen Staaten bewusst geworden. Der Bundesstaat hat neben den landläufigen Begründungen, die immer geliefert werden, noch eine ganz wichtige Eigenschaft: Er ist ein zusätzliches Element der Gewaltenteilung. Wenn einmal die Dinge aus dem Gleichgewicht geraten, was bei uns nicht der Fall ist, aber sehr wohl in anderen Staaten der Europäischen Union, dann ist die Verteilung von Macht auch im Bereich des Föderalen ein zusätzliches Sicherungsnetz. Und zwar dann, wenn es Entwicklungen gibt, die die Demokratie gefährden.“
Nachweise:
„Grabenwarter: Der Mann fürs Gleichgewicht“, in: wienerzeitung.at vom 19.2.2020 (Link)
„VfGH-Präsident Grabenwarter: ‚Aggressive Auseinandersetzung kann die Justiz massiv beschädigen‘“, in: sn.at vom 19.2.2020 (Link)
Im Jänner 2020 wurde das Ölkesseleinbauverbotsgesetz (ÖKEVG 2019) im Bundesrat beschlossen sowie kundgemacht (BGBl I 6/2020). Durch das ÖKEVG 2019 wird im Wesentlichen die Aufstellung und der Einbau von Heizkesseln von Zentralheizungsanlagen für flüssige oder feste fossile Brennstoffe, kurz der Ölkesseleinbau in Neubauten verboten. Dies ist in den Verfahren, die derartige Anlagen zum Gegenstand haben umzusetzen (§ 2 ÖKEVG 2019).
Aus föderaler Sicht ist dieses Bundesgesetz insofern von Interesse, als es Angelegenheiten regelt, die in Gesetzgebung und Vollziehung eigentlich Sache der Länder sind (Art 15 Abs 1 B-VG, insbesondere Baurecht; vgl auch Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG „Luftreinhaltung ausgenommen die Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen“). Auf dieser Grundlage haben bereits einige Länder Ölkesseleinbauverbote beschlossen:
Das ÖKEVG 2019 orientiert sich erkennbar an § 58 Abs 1 NÖ Bauordnung, welcher bereits bisher bestimmte, dass die Aufstellung und der Einbau von Heizkesseln von Zentralheizungsanlagen für flüssige fossile oder für feste fossile Brennstoffe in neu bewilligten Gebäuden nach dem 31.12.2018 verboten ist. Der Bund ist nun nachgezogen und bedurfte dementsprechend einer sogenannten „Kompetenzdeckungsklausel“ im Verfassungsrang, welche die Grundlage für Erlassung, Änderung und Aufhebung des ÖKEVG 2019 schafft (siehe § 1 ÖKEVG 2019). Da auch die Änderung von dieser Klausel umfasst ist, handelt es sich um eine sogenannte „dynamische Kompetenzdeckungsklausel“. Vor diesem Hintergrund bedurfte dieses Vorhaben auch der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art 44 Abs 2 B-VG.
Ungewöhnlich war der lange Zeitraum zwischen der Beschlussfassung im Nationalrat (25.9.2019) und der Zustimmung des Bundesrates (14.1.2020), was damit zusammenhing, dass das ÖKEVG 2019, weil es sich um keinen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung, sondern um einen Initiativantrag von Abgeordneten gehandelt hatte, nicht nach den Bestimmungen des Notifikationsgesetzes der Kommission notifiziert worden war. Ursache dieses Problems bildet in erster Linie der Umstand, dass das Notifikationsgesetz lediglich auf Gesetzesvorschläge der Bundesregierung Anwendung findet (§ 2 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 Z 11 Notifikationsgesetz) und das GOGNR keine vergleichbaren Regelungen enthält.
Der zuständige Ausschuss des Bundesrates vertagte in seiner Sitzung vom 8. Oktober 2019 die Beschlussfassung über die Zustimmung gemäß Art 44 Abs 2 B-VG. Die Bundesregierung nahm in der Zwischenzeit eine Notifikation vor. Erst nach Ablauf der Stillhaltefrist von drei Monaten verabschiedete der Bundesrat das Gesetz.
Durch das nun in Kraft getretene ÖKEVG 2019 wird, nachdem einzelne Länder Ähnliches bereits festgelegt hatten, ein Ölkesseleinbauverbot in Neubauten bundesweit festgelegt, was insbesondere in Bauverfahren, die in Vollziehung Landes- bzw meist Gemeindesache sind, aber auch in diversen bundesgesetzlich geregelten Verfahren (AWG, UVP-G) zu berücksichtigen ist. Das ÖKEVG 2019 ist ein gutes Beispiel für einen der Vorzüge eines föderalen Systems, den sogenannten „Laborföderalismus“, der sich dadurch auszeichnet, dass einzelne Länder eine Initiative setzen, die in der Folge – bei erfolgreicher Umsetzung – auch in weiteren Ländern bzw auf Bundesebene übernommen wird.
Die EU-Kommission betrachtet die anstehende Verlängerung der Bewilligung der Wassernutzung durch die Kraftwerke von Illwerken und VKW als eine Angelegenheit, die der sogenannten Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG) unterliegt. Sie müsse daher öffentlich ausgeschrieben werden. Andere Unternehmen könnten sich dann darum bewerben. Wie die Vergabe der Wassernutzung funktionieren soll, wenn einem anderen Unternehmen die Kraftwerksanlagen gehören, bleibt unklar.
Die Richtlinie sieht in ihrem Kern vor, dass Dienstleistungen allen Anbietern aus den EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen offenstehen sollen. Das ist ein sinnvoller Grundsatz, dem das österreichische Recht auch entspricht. Wie man jedoch auf die Idee kommen kann, dass eine Bewilligung zur Nutzung von Wasser eine Dienstleistung sein soll, ist unverständlich, aber nicht untypisch für die Vorgehensweise der Organe der EU.
Viele der Regeln der EU verfolgen – wie die Dienstleistungsrichtlinie – einen wichtigen Zweck und wurden daher auch genau aus diesem Grund beschlossen. Im Vollzug wird ihr Anwendungsbereich jedoch immer wieder auf Fälle ausgedehnt, an die der Gesetzgeber nicht im Entferntesten gedacht hat. Wer sich dann auf das Subsidiaritätsprinzip beruft, dem wird achselzuckend entgegengehalten, warum er sich nicht gewehrt hat, als das Gesetz ursprünglich beschlossen wurde.
Juristisch hat die Position Vorarlbergs viele gute Gründe für sich. Man kann hoffen, dass bei der Kommission letztlich Vernunft einkehrt und sie nicht wegen „Vertragsverletzung“ bis vor den Europäischen Gerichtshof zieht. Ansonsten könnte dies weitreichende Folgen haben: Jede Naturnutzung durch öffentliche Unternehmen oder Private, vom Speichersee bis zum Kiesabbau, wäre letztlich eine allgemein auszuschreibende Dienstleistung. Das ist bisher wohl nirgends in Europa so verstanden worden.
(Dieser Text beruht auf einem am Freitag, den 14. Februar 2020 erschienen Gastkommentar von Institutsdirektor Peter Bußjäger in den Vorarlberger Nachrichten; abrufbar unter diesem Link)
Nach dem in der vergangenen Föderalismus-Info (01/2020) behandelten Gesetzesantrag zur Dezentralisierung von Bundesdienststellen hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 13. Februar erneut einen Gesetzesantrag beschlossen. Dieses Mal wurde mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ, die über eine Mehrheit im Bundesrat verfügen, ein Antrag zur Einführung eines Teileinspruchsrechts des Bundesrates auf den Weg gebracht (270/A-BR/2019 vom 19.12.2019). In Form einer Änderung von Art 42 Abs 2 B-VG soll ermöglicht werden, dass sich ein Einspruch des Bundesrates auch auf einzelne in einem Gesetzesbeschluss des Nationalrates zusammengefasste Gesetze („Sammelnovelle“) beziehen kann, was den Vorteil hätte, dass die vom Einspruch nicht erfassten Teile des Gesetzesbeschlusses beurkundet und kundgemacht werden könnten.
Ein derartiges Teileinspruchsrecht wurde in der Vergangenheit schon mehrmals von Seiten der Länder gefordert, zuletzt in einer Erklärung der Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten aus Anlass der Konstituierung des Nationalrates im Oktober 2019 (VSt-56/976; siehe zuvor auch schon den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 10. November 2017, VSt-56/971). Außerdem hat es bereits im Oktober 2003 (232 BlgNR XXII. GP) sowie im Februar 2009 (53 BlgNR XXIV. GP) entsprechende Gesetzesinitiativen des Bundesrates gegeben, die allerdings im Nationalrat weder in Verhandlung genommen noch beschlossen wurden.
Der nunmehrige Antrag dürfte vermutlich nicht einmal vor den Nationalrat gelangen: Schließlich haben sich schon im Bundesrat die Regierungsparteien ablehnend geäußert und dies unter anderem mit Bedenken bezüglich der Wahrung der Übersichtlichkeit bei komplexen Gesetzesbeschlüssen begründet. Zudem stehe die Initiative einer Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens entgegen. Dies ist eigentlich wenig verständlich, wenn man bedenkt, dass die Initiative ursprünglich vom seinerzeitigen Vizepräsidenten des Bundesrates Jürgen Weiß und der ÖVP ausging.
Das Institut für Föderalismus würde die Einführung eines Teileinspruchsrechts des Bundesrates befürworten und hat bereits in bisherigen Papieren dahingehende Vorschläge geäußert (siehe beispielsweise Bußjäger/Lütgenau/Thöni, Föderalismus im 21. Jahrhundert [2012] 16). Schließlich darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass „Sammelnovellen“ in der Praxis nicht selten dazu dienen, Einsprüche des Bundesrates faktisch zu verunmöglichen, da ansonsten ganze Gesetzespakete gefährdet bzw. verzögert würden. Ein Teileinspruchsrecht könnte hierbei wirksam Abhilfe verschaffen.
Nähere Informationen finden Sie unter folgendem Link:
www.foederalismus.at/foederalismuspreis
Nachdem das Werk bereits in Form einer Online-Publikation veröffentlicht wurde und auf der Homepage des Instituts nach wie vor zum Download zur Verfügung steht, ist es nun auch im Buchhandel erhältlich. Der Autor schildert darin Beobachtungen aus über dreißig Jahren praktischer politischer Erfahrung im kommunalen und regionalen Bereich mit Einblick in die österreichische Politik und über die Bodenseekonferenz in die Nachbarschaft der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland, in bescheidenem Umfang über den Ausschuss der Regionen in die Europäische Union.
So werden Begriff, Entstehungsgeschichte und Wandel von Verfassungen im nationalen und internationalen Zusammenhang ebenso behandelt wie die Positionierung des B-VG im Spektrum zwischen „starren“ und „flexiblen“ Verfassungen sowie die Migration von Verfassungsideen im Sinne eines Exports und Imports von legal transplants aus der und in die österreichische Verfassung. Untersucht wird weiters die Rolle des österreichischen Verfassungsgerichtshofs für die Interpretation und Fortentwicklung der Verfassung. Schließlich werden die Einbindung der Bundesverfassung in das europäische Mehrebenensystem sowie Formen, Folgen und Grenzen des integrierten Verfassungsverbunds behandelt.
Termin: 23. April 2020
Ort: Universität Innsbruck, Innrain 52, Aula
Um Anmeldung bis 31. März 2020 wird gebeten:
Angelika Schmutzer
Telefon +43 512 507-84031
E-Mail: angelika.schmutzer@uibk.ac.at
Das detaillierte Programm ist unter diesem Link abrufbar.
Nähere Informationen sind unter diesem Link zu finden.
Das Programm der neuen Bundesregierung mit dem Titel „Aus Verantwortung für Österreich“ wurde am 2. Jänner veröffentlicht.
Im Hinblick auf die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen kann es als fast schon wohltuend betrachtet werden, dass das Dokument von der Ankündigung einer großen Staatsreform Abstand nimmt. Andererseits ist auffallend, dass das Wort „Verwaltungsreform“ nicht einmal vorkommt. Die im letzten Regierungsprogramm wenigstens noch ins Auge gefassten Projekte der Eingliederung von Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung in die Landesorganisation (Wildbach- und Lawinenverbauung, Bundesdenkmalamt, etc) werden nicht einmal mehr angesprochen. Wenn offenbar Einsparungen durch Synergien in der Verwaltung kein Thema mehr sind, stellt sich aus Sicht des Instituts für Föderalismus die Frage, wie Klimawende und Steuerentlastung finanziert werden sollen.
Unklar bleibt außerdem, wie mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Zukunft umgegangen wird (siehe auch den nachfolgenden Beitrag zum aktuellen VfGH-Erkenntnis).
Die folgenden Ausführungen nehmen auf ausgewählte Punkte des Regierungsprogramms aus föderalistischer Perspektive Bezug, die im Kapitel 01 („Staat, Gesellschaft, Transparenz“, S. 10 ff) zu finden sind. Dieses ist von besonderem Interesse, da auch Fragen der Verfassungsreform und des Finanzausgleichs angesprochen werden.
Insbesondere wird gleich zu Beginn dieses Kapitels hervorgehoben, dass „im modernen Föderalismus die Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden entscheidend für das Funktionieren des Staates und damit für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger“ sei (S. 10). Dem ist aus Sicht des Instituts für Föderalismus nichts hinzuzufügen. Bezeichnend ist allerdings, dass in dieser Passage das erste und einzige Mal im gesamten Programm das Wort „föderal“ verwendet wird. „Bundesstaat“ sucht man überhaupt vergeblich.
Gegen die anschließend geäußerten Vorschläge nach einer weiteren Reduktion der Grundsatzgesetzgebung sowie Schaffung klarer Regelungs- und Verantwortungsstrukturen, um einen fairen Finanzausgleich zu ermöglichen, ist in ihrer Allgemeinheit eigentlich nichts vorzutragen (S. 11). Die Länder werden hier wohl gefordert sein, weiterhin föderalistische Vorschläge einzubringen, denn von den Regierungsparteien dürfte dazu wenig zu erwarten sein.
Weitere Vorschläge beziehen sich auf eine gemeinsame Prüfung und Ausarbeitung eines zeigemäßen Kompetenzrahmens (einschließlich der Möglichkeit von Art. 15a B-VG Vereinbarungen) zur Erreichung der Klimaziele. Dies ist natürlich eine verschleierte Forderung nach mehr Bundeskompetenzen, denen die Länder ihre Vorstellungen entgegensetzen müssen. Immerhin spricht das Papier von einer „gemeinsamen Prüfung und Ausarbeitung“ (S. 11).
Weitere Vorschläge beziehen sich auf die Steigerung der Effizienz und Transparenz von Art. 15a-B-VG-Vereinbarungen. Auch diesbezüglich gibt es entsprechende Ländervorschläge. Etwas im Widerspruch dazu steht allerdings die nebulose Forderung nach einer „Auslotung der Möglichkeiten der Reduktion von Art. 15a-Vereinbarungen“ und im Widerspruch dazu wiederum die Forderung nach einer „Prüfung der Vertragsfähigkeit von Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden für Art. 15a-Vereinbarungen“ (S. 11). Insbesondere Letzteres ist aus Sicht des Instituts für Föderalismus etwas kritisch, löst der Vorschlag doch die Unterscheidung von Gemeinden und Ländern aus staatsrechtlicher Sicht auf. Die Mitwirkung von Städten und Gemeinden (via Städte- und Gemeindebund) scheint im Bereich des Finanzausgleichs allerdings sinnvoll.
Unter „Ein neuer Finanzausgleich“ (S. 12 f) werden zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen, die an sich altbekannt sind. Kritisch zu sehen sind gewiss „bundesweite Planungs- und Steuerungsmechanismen, Festlegung einheitlicher Wirkungsziele und im Einklang damit stehende Maßnahmen und Indikatoren“. Auch das Thema Prüfung einer Steuerautonomie für Länder und Gemeinden kommt wieder vor, freilich in der gewohnten Unbestimmtheit.
Einer der kritischsten Punkte des gesamten Regierungsprogramms ist die Forderung „Modernisierung des Dienstrechts fortsetzen mit dem Ziel eines einheitlichen, modernen und durchlässigen Dienstrechts für alle neu eintretenden Bediensteten in Bund und in allen
Ländern“ (S. 15). Bei dieser – nicht ganz unbekannten - Forderung müssen die Länder jedenfalls darauf achten, dass nicht das abgeschaffte Homogenitätsprinzip in welcher Form auch immer wiederkehrt. Dieser Punkt findet sich in abgewandelter Form nochmals bei der „Schaffung einer einheitlichen Basis des Dienstrechts für vertragliche wie auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse“ (S. 16).
Weitere wesentliche Inhalte umfassen Aufforderungen an die Länder, ihre Bautechnikverordnungen zu harmonisieren (S. 16) – wobei auf S. 41 zur Senkung der Baukosten bundesweit einheitliche Regelungen zu technischen Vorschriften geschaffen werden sollen –, die Forderung nach einer (noch) umfassenderen Transparenzdatenbank, die Ausarbeitung einer „bundesweiten Förderstrategie unter Einbeziehung der Gebietskörperschaften“ (beides auf S. 17) sowie ein einheitliches Informationsfreiheitsgesetz (S. 19).
Als interessant erweist sich auch das Bekenntnis zum Erhalt der derzeitigen Gerichtsstruktur auf S. 28 Daraus wird man vermutlich nicht ableiten können, dass nahezu jedes Bezirksgericht bestehen bleibt, aber eine besondere Begründung benötigt es auf jeden Fall. Und selbstverständlich müssen auch die Landesgerichte erhalten bleiben.
Wenngleich das Regierungsprogramm, wie eingangs beschrieben, aus föderaler Sicht wenig Überraschungen bereithält, wird die Umsetzung des Programms insbesondere für den kooperativen Föderalismus eine Herausforderung sein. Zudem ist zu beachten, dass viele Maßnahmen – der vorliegende Beitrag behandelt nur einen Teil der länderrelevanten Projekte des Programms – letztlich Eingriffe in Landeskompetenzen bedeuten werden, auch wenn dies nicht eindeutig artikuliert wird. Die Länder werden vielfach gefordert sein, ihre eigenen Vorstellungen einzubringen, und werden regelmäßig auf Mitwirkung dringen müssen.
Konkret soll § 3a des Bundesministeriengesetzes 1986 um einen entsprechenden Satz ergänzt werden, der eine Prüfung im Hinblick auf eine mögliche dezentrale Ansiedelung neu zu errichtender Dienststellen anordnet. Erklärtes Ziel des Antrags ist es, das Bestreben der Schaffung dezentraler Standorte von Dienststellen der Bundesverwaltung im weiteren Sinn zu stützen und damit unter anderem zur Stärkung strukturschwacher Regionen beizutragen.
Der Gesetzesantrag stützt sich weitgehend auf die bisherigen Forschungsarbeiten des Instituts für Föderalismus im Bereich der Dezentralisierung von Verwaltungseinrichtungen, die mit der Studie „Der Bund und seine Dienststellen“ im Jahr 2015 ihren Ausgang genommen haben. In der Begründung des Antrags wird insbesondere auch auf die zahlreichen vom Institut erhobenen nationalen (vor allem Niederösterreich und Salzburg) wie internationalen (unter anderem Bayern, Schweden, Dänemark und Finnland) Dezentralisierungsbestrebungen Bezug genommen.
Nachdem sich rund um das Thema Dezentralisierung von Bundeseinrichtungen zuletzt wenig getan hat, stellt die vorliegende Initiative einen aus föderaler Sicht positiven Schritt in die richtige Richtung dar. Zu hoffen ist – sollte der Antrag am Ende in dieser Form im Nationalrat erfolgreich sein –, dass derartige Prüfungen im Zuge von Dienststellen-Neuerrichtungen in der Praxis auch durchgeführt werden. Erfreulich ist zudem, dass der Bundesrat von seiner Möglichkeit, Gesetzesanträge mit Mehrheitsbeschluss einzubringen, Gebrauch gemacht hat. Dies war zuletzt im Jahr 2016 der Fall (869 BlgNR XXV. GP). Beim vorliegenden Antrag bleibt zunächst allerdings abzuwarten, wie der nun zu befassende Nationalrat damit weiter verfährt. Immerhin, und das kann wohl schon als positives Signal gewertet werden, findet sich im aktuellen Regierungsprogramm (siehe hierzu den vorangehenden Beitrag) eine Passage betreffend die „Prüfung der Ansiedelung von Verwaltungstätigkeiten des Bundes in strukturschwache Regionen“ (S. 16).
Der vollständige Gesetzesantrag samt ausführlicher Begründung ist unter diesem Link abrufbar.
Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen bundesstaatlich relevanten Gesichtspunkte erweist sich das aktuelle Erkenntnis des VfGH – aus föderaler Sicht – als enttäuschend. Zwar erwähnt der VfGH den grundlegenden Systemwechsel von Mindest- zu Höchstsätzen, äußert sich allerdings nicht zur Frage, ob dies noch dem System der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung entspricht. Vielmehr misst er die abweichenden Höchstsätze für Kinder (§ 5 Abs. 2 Z 3 SH-GG) am Gleichheitssatz und kommt zum Ergebnis einer fehlenden sachlichen Rechtfertigung. Lediglich aus dem Umkehrschluss, dass der VfGH die übrigen Höchstsätze unangetastet lässt, kann man wohl ableiten, dass ein Höchstsatzsystem in einem Grundsatzgesetz prinzipiell zulässig ist. Jedoch müssen die Höchstsätze für sich, aber auch im Verhältnis zueinander den Anforderungen des Gleichheitssatzes entsprechen.
Darüber hinaus weisen auch die weiteren Aufhebungen betreffend den Arbeitsqualifizierungsbonus in § 5 Abs. 6 bis 9 SH-GG sowie die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Datenverarbeitung in § 1 Abs 1 Sozialhilfe-Statistikgesetz (SH-SG) keine föderalen Bezugspunkte auf. Hinsichtlich letzterem wurden allerdings, wie der VfGH im Erkenntnis ausdrücklich betont, keine kompetenzrechtlichen Bedenken geäußert, weshalb er sich nicht mit der Frage zu beschäftigen hatte, ob der Bundesgesetzgeber zur Erlassung dieser Bestimmung überhaupt zuständig war.
Die Äußerungen des VfGH zum Kompetenztypus Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung enthalten größtenteils bereits Bekanntes: Die Grundsatzgesetzgebung hat sich auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken und über diese Grenze hinaus ist es ihr verwehrt, Detailregelungen zu erlassen, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind.
In einem längeren Abschnitt untersucht der Gerichtshof zudem die einzelnen Bestimmungen des SH-GG im Hinblick auf konkrete Ausführungsspielräume und kommt zum Ergebnis, dass das Grundsatzgesetz keine „überdeterminierten“ Bestimmungen enthält. Dem Hinweis des VfGH auf seine frühere Judikatur, wonach es dem Grundsatzgesetzgeber freistehe „auch Detailregelungen zu treffen, die Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für das ganze Bundesgebiet betreffen“ (mwN VfSlg 17.232/2004), kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Allerdings verweist der VfGH auch darauf, dass bei der Auslegung eines Grundsatzgesetzes im Zweifelsfall diejenige Möglichkeit als zutreffend anzusehen ist, die der Ausführungsgesetzgebung den weiteren Spielraum lässt (siehe schon VfSlg 3649/1959).
Von (föderalem) Interesse sind außerdem die Ausführungen zum Kompetenztatbestand „Armenwesen“, der unter anderem Regelungen umfasst, die auf die Förderung der (Wieder-)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben abzielen.
Zusammenfassend ist das Erkenntnis aus bundesstaatlicher Sicht wenig befriedigend. Höchstsätze werden (indirekt) als zulässig erachtet. Ebenso sind dem Grundsatzgesetzgeber Detailregelungen erlaubt. Wieder einmal zeigt sich, dass der Kompetenztypus Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung in seiner gegenwärtigen Ausprägung sowie in der Art der Inanspruchnahme keine zweckmäßige Aufgabenteilung ermöglicht. Daraus resultiert die Forderung, den mit der B-VG Novelle BGBl I 14/2019 begonnenen Weg auch in der neuen Legislaturperiode fortzusetzen und die in der Grundsatzgesetzgebung verbliebenen Kompetenzen zu entflechten.
Nähere Informationen finden Sie unter folgendem Link:
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Die Universität Graz führt seit 1. Jänner 2017 in Kooperation mit dem Institut für Föderalismus das vom Land Steiermark geförderte Forschungsprojekt „Migration und Integration: Aufgaben- und Kompetenzverteilung im österreichischen Bundesstaat am Beispiel der ‚Flüchtlingskrise‘“ durch. Untersucht wird dabei, welche konkreten Aufgaben der Integration auf regionaler Ebene zu erledigen sind und ob der bestehende Kompetenzrahmen eine erfolgreiche Integration begünstigt oder nicht.
Für das Institut für Föderalismus ist das innovative Projekt auch insoweit ein Pilotmodell, als mit der Förderung durch das Land Steiermark über den Kreis der Trägerländer des Instituts hinausgegangen wird.
Die Föderalismusforschung rückt regelmäßig das Verhältnis des Bundes zur regionalen Ebene in den Vordergrund des Interesses. Darauf aufbauend werden Rückschlüsse gezogen, etwa ob ein Staat als Einheits- oder Bundesstaat zu qualifizieren sei. Eine ergiebige Auseinandersetzung mit der untersten territorialen Ebene – in Österreich wird diese durch die Gemeinden verkörpert – findet dagegen nur äußerst selten statt.
Band 128 der Schriftenreihe setzt sich vor diesem Hintergrund zum Ziel, diese Forschungslücke zu füllen und die Stellung der Gemeinden in Bezug auf den Bund und die Peripherie näher zu beleuchten. Während sich ein Vergleich zunächst in der Staatsgewalt Verwaltung anbietet, wird Neuland insofern betreten, als auch die Funktionen der Gemeinden in der Bundes- und Landesgesetzgebung sowie in der Gerichtsbarkeit eingehend analysiert werden. Den Ausgangspunkt aller Überlegungen bildet dabei ein funktionales Verständnis des Föderalismus – eine Theorie also, die sich nicht an historischen Gründungsakten oder Souveränitätsfragen orientiert, sondern primär an den zu erfüllenden Aufgaben im Bundesstaat anknüpft. Schließlich soll die Frage beurteilt werden, ob und inwieweit die Gemeinden schon als gleichwertiger Partner im Vergleich zu den darüber liegenden territorialen Ebenen anerkannt werden können.
„Mehr-Ebenen-Föderalismus in Österreich. Die Funktionen der Gemeinde im Lichte vertikaler Gewaltenteilung und der Bundesstaatlichkeit“
Mathias Eller
ISBN: 978-3-7003-2184-2
233 Seiten
EUR 32,00
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Ziel des Werks ist weniger die Dokumentation von vergangenen Ereignissen oder Ergebnissen eigenen Handelns, sondern eine Anregung zum Durchdenken tragfähiger Antworten für Herausforderungen heute und morgen. Wiedergegeben werden daher in erster Linie Erfahrungen und Beobachtungen, die Verhaltensmuster und Zusammenhänge sichtbar machen und so gedankliches Werkzeug für das Verständnis von Gemeinschaften und ihre erfolgreiche Steuerung sein können.
Die „Verdichteten Erinnerungen“ sind unter folgendem Link abrufbar und werden zudem im Frühjahr 2020 in gedruckter Form als Band 9 der Schriftenreihe Politische Bildung veröffentlicht.
Wie bereits in der Föderalismus-Info 2/2019 berichtet, hat der Bundesrat im Februar dieses Jahres zum ersten Mal die gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG vorgesehene Zustimmung bei Verfassungsänderungen, die in Kompetenzen der Länder eingreifen, nicht erteilt, indem die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht zustande gekommen ist. Betroffen war eine Novelle des Ökostromgesetzes, die nur mit Hilfe einer Kompetenzdeckungsklausel erlassen werden konnte.
Das Zustimmungsrecht des Bundesrates wurde erst im Jahr 1985 mit der B-VG Novelle BGBl 490/1984 geschaffen. Es ist aus bundesstaatstheoretischer Sicht insofern bedeutend, als die Länderkammer damit Kompetenzänderungen zu Lasten der Länder unterbinden kann. Dies geht auch klar aus den Materialien zu BGBl 490/1984 hervor, die zudem ausdrücklich betonen, dass Art. 44 Abs. 2 B-VG eine Ausweitung von Länderzuständigkeiten eben nicht umfasst.
Nur wenige Monate später, nämlich im Oktober 2019, kam es erneut zu einer Verweigerung der Zustimmung. Dieses Mal war die geplante Einführung einer sogenannten „Schuldenbremse“ unmittelbar in Art. 13 B-VG, die sowohl Bund, Länder als auch Gemeinden verpflichtet hätte, sowie eine begleitende Änderung im BVG über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes betroffen (928/A XXVI. GP). Während in der Februar-Debatte zum Ökostromgesetz weniger das Interesse der Länder als vielmehr Kritik an einem „schlechten“ Gesetz im Vordergrund stand, wurden in der aktuellen Debatte zur Schuldenbremse da und dort auch Länderinteressen zumindest angesprochen und insofern dem Sinn und Zweck des Art. 44 Abs. 2 B-VG mehr entsprochen als im Februar. Insgesamt stand allerdings doch die generelle Kritik an einer „Investitionsbremse“ auf allen Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden – im Vordergrund. Etwas untergegangen ist in der Debatte außerdem, dass die exakt gleiche Schuldenbremse bereits im Wege einer Art 15a B-VG Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vereinbart wurde (BGBl I 30/2013).
In Summe hat es damit seit der Schaffung des Zustimmungsrechts in Art. 44 Abs. 2 B-VG 278 Fälle, in denen eine Zustimmung des Bundesrates erforderlich war, gegeben. Lediglich in den beiden oben genannten Fällen aus diesem Jahr, somit in zwei von 278 Fällen ist eine Zustimmung nicht zustande gekommen. Diese Zahlen verdeutlichen einerseits die historische Bedeutung der beiden Ereignisse im Jahr 2019, andererseits zeigt sich anhand der beiden Verweigerungen in diesem Jahr, dass die praktische Handhabe des Zustimmungsrechtes symptomatisch für die Rolle des Bundesrates im Gesamten ist, der weniger im Sinne der Wahrnehmung von spezifischen Länderinteressen, sondern vielmehr nach parteipolitischen Interessen agiert. Es wäre allerdings verfehlt, aus diesen Ausführungen darauf zu schließen, dass das Zustimmungsrecht nach Art. 44 Abs. 2 B-VG bedeutungslos wäre. Bereits die präventive Wirkung der bloßen Existenz dieses Instruments ist nicht zu unterschätzen. Gemeinsam mit anderen Zustimmungsrechten der Länder (vgl. Art. 42a B-VG) ist es zu einem wesentlichen Bestandteil des bundesstaatlichen Prinzips geworden.
Im September und Oktober wurde im Parlament eine umfassende Organisationsreform der Finanzverwaltung beschlossen, die ab 1. Juli 2020 in Kraft treten soll (BGBl I 104/2019). Kern des Projekts ist eine Zentralisierung und Konzentrierung von Agenden der bisher 40 Finanzämter auf zwei Abgabenbehörden mit bundesweiter Zuständigkeit, dem Finanzamt Österreich sowie dem Finanzamt für Großbetriebe. Weitere neu einzurichtende Ämter sind das Zollamt Österreich, in welchem die bisherigen neun Zollämter aufgehen, sowie das Amt für Betrugsbekämpfung und der Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge. Aufgrund der Tatsache, dass mit dieser Reform die in Summe fünf neuen Ämter mit bundesweiter Zuständigkeit ausgestattet werden, sind Bestimmungen zur örtlichen Zuständigkeit hinfällig bzw. nur mehr Regelungen zur sachlichen Zuständigkeit erforderlich.
Von Interesse ist dabei insbesondere, wo die neuen Einrichtungen ihren Sitz haben werden: Gemäß § 56 Abs 1 BAOneu legt der Bundesminister für Finanzen (BMF) die Sitze der beiden Finanzämter mit Verordnung fest. Diesbezüglich wird in den Materialien darauf verwiesen, dass iSd Vorgabe des Ministerratsbeschlusses vom 12. Dezember 2018 die Finanzämter Standorte im gesamten Bundesgebiet unterhalten werden, allerdings ohne eine konkrete Zahl anzuführen. Einzig im erwähnten Ministerratsbeschluss ist die Rede davon, die bisherigen Standorte beizubehalten. Als spannend erweist sich zudem der Vergleich mit dem Zollamt Österreich, dessen Sitz gemäß § 62 Abs 1 BAOneu ebenfalls vom BMF mit Verordnung festgelegt wird, das allerdings laut Erläuterungen lediglich Standorte im Bundesgebiet erhalten wird, nicht aber im „gesamten“ Bundesgebiet wie bei den Finanzämtern. Bei den beiden übrigen Ämtern, dem Amt für Betrugsbekämpfung und dem Prüfdienst für Lohnabhängige Abgaben und Beiträge, handelt es sich nicht um Abgabenbehörden, sondern um auf jeweils durch eigenes Bundesgesetz eingerichtete nachgeordnete Dienststellen des BMF. Auch hier gibt es noch keine konkreten Hinweise auf den Sitz.
Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen sind Bedenken dahingehend gerechtfertigt, dass die Sachkompetenzen und Personalressourcen der künftigen regionalen Stellen – wie viele es dann auch sind – gegenüber dem derzeitigen Stand massiv reduziert werden, was periphere Regionen benachteiligen würde. Auch hinsichtlich der Amtssitze der künftigen Behörden bzw Dienststellen bestehen – nicht zuletzt aufgrund vergangener Erfahrungen, etwa im Bereich der Sozialversicherungsträger – begründete Zweifel, dass eine Ansiedelung außerhalb von Wien überhaupt in Betracht gezogen wird.
Verfolgenswert erscheint der im Begutachtungsverfahren geäußerte Vorschlag der Vorarlberger Landesregierung, den Sitz eines der beiden Finanzämter in Vorarlberg oder zumindest im Westen des Bundesgebietes anzusiedeln, um eine gleichmäßige Verteilung auf das ganze Bundesgebiet zu erreichen (2/SN-135/ME). Auch die Tiroler Landesregierung hat in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, „dass es durch die Neuorganisation der Steuer- und Zollverwaltung zu keinen personellen Ausdünnungen der regionalen Strukturen kommen darf“ (19/SN-135/ME). Zu befürchten ist, dass derartige Forderungen weitgehend unbeachtet bleiben.
Im Juni 2017, zum Abschluss der 25. Gesetzgebungsperiode, stimmte der Nationalrat mit breiter Mehrheit im Schnellverfahren für die Abschaffung des Pflegeregresses (BGBl I 125/2017). Bereits damals analysierte das Institut für Föderalismus, dass der Verlust an Gestaltungsspielraum für die Länder verfassungspolitisch nicht besonders schwer wiege, allerdings das Schließen der dadurch entstandenen Finanzierungslücke für die Länder und Gemeinden durchaus schmerzlich sei (Föderalismus-Info 3/2017). Früh war klar, dass die Regelung des § 330b ASVG, wonach vom Bundesminister für Finanzen ein Betrag von 100 Mio. Euro jährlich den Ländern zur Abgeltung der Mehrkosten zusätzlich zur Verfügung zu stellen ist, nicht ausreichen würde.
Seitdem gab es zahlreiche Diskussionen, die im Frühjahr 2018 zu einem (vorläufigen) Ergebnis geführt haben: Der Bund übernahm, vor dem Hintergrund einer politischen Einigung im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz, für das Jahr 2018 Fixkosten und variable Kosten in der Höhe von bis zu 340 Millionen Euro. Diese im Anschluss in Gesetzesform gegossene Lösung (BGBl I 85/2018) wurde von Seiten der Länder insofern kritisiert, als der Beschluss der Landeshauptleutekonferenz ausdrücklich auf die „tatsächlichen“ Einnahmenausfälle abstellte mit dem zusätzlichen Hinweis, „wobei derzeit von einem Höchstbetrag von € 340 Mio. ausgegangen wird.“ Im Gesetz über den Zweckzuschuss (§ 1) wurde letzten Endes jedoch, entgegen dem Beschluss, 340 Millionen Euro als Höchstbetrag von Seiten des Bundes fixiert. Gleichzeitig wurden die Länder in § 2 dazu verpflichtet, den Gemeinden, Städten, Sozialfonds und Sozialhilfeverbänden die tatsächlich entstandenen zusätzlichen finanziellen Ausgaben zu ersetzen, was von den Ländern als unsachlich und unverhältnismäßig abgelehnt wurde. Dennoch akzeptierten die Länder das Ergebnis in der Höhe von 340 Millionen Euro vorläufig, um einen zeitnahen Ersatz zu erhalten.
In der nunmehr kundgemachten Lösung für die Jahre 2019 und 2020 (BGBl I 95/2019) wird von Seiten des Bundes der Gesamtbetrag neuerlich gekürzt und den Ländern lediglich 300 Millionen Euro pro Jahr abgegolten, was wiederum für Kritik von Seiten der Länder sorgt. Neuerlich zeigt sich, welche Probleme entstehen, wenn der Bundes(verfassungs)gesetzgeber einseitig und ohne vorherige Abstimmung in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder eingreift, wie er es bei der Abschaffung des Pflegeregresses getan hat (siehe hierzu auch Föderalismus-Info 3/2019).
Die einzelnen Referate könne auf dem Föderalismus-Blog unter www.foederalismus.at/blog nachgelesen werden.
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Nach der Begrüßung durch den Präsidenten des NÖ Landtages Karl Wilfing behandelte zu Beginn des ersten Panels Wolfgang Steiner vom Amt der Oö Landesregierung die (neuen) Rechtsgrundlagen der Bezirksverwaltungskooperation und ging dabei auch auf länderweise Vergleiche, insbesondere auf die Möglichkeiten zur Kooperation nach dem Oö Bezirksverwaltungsbehörden-Kooperationsgesetz ein. Als eine Schlussfolgerung wurde in diesem Vortrag hervorgehoben, dass sich durch die Digitalisierung künftig die Bedeutung der örtlichen Zuständigkeit reduzieren werde. Im Anschluss daran stellten Klaus Heissenberger, Amt der NÖ Landesregierung, und Josef Kronister, BH St. Pölten, das Konzept der NÖ Bezirkshauptmannschaften als regionale Kompetenzzentren vor. Den Abschluss des ersten Teils bildete der Vortrag von Peter Bußjäger, Institut für Föderalismus und Universität Innsbruck, zum Thema „Kooperation der Bezirkshauptmannschaften und die Digitalisierung“, demzufolge die Bezirkshauptmannschaften der sogenannten „Spezialisierungsfalle“ nur durch Fusionierung oder Kooperation entgehen können. Durch die Digitalisierung sei der Verwaltungskooperation ein breites Feld geöffnet. Allerdings müsse die zuständige Behörde auf Grund eigener Ressourcen in der Lage sein, ihre wesentlichen Aufgaben noch selbst zu erledigen.
Das zweite Panel war dem Thema „Aufgaben und Standortrelevanz der Bezirkshauptmannschaften“ gewidmet. Thomas Prorok, KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung, stellte in seinem Vortrag Aufgaben, Herausforderungen und Mehrwert funktionaler Räume vor. Gerlind Weber behandelte in der Folge die regionalpolitische Bedeutung von Gemeinden mit Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und untersuchte dabei die Entwicklung von sechs nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Kleinstädten mit Bezirkshauptmannschaft. Das Ergebnis brachte unterschiedlichste Konstellationen, wobei von der Vortragenden festgehalten wurde, dass BH-Standortgemeinden idR resilienter gegen Schrumpfung bzw. stärker auf Wachstumskurs als ihr Verwaltungsbezirk seien. Im Hinblick auf ihre regionalpolitischen Funktionen können BH-Standortgemeinden in Ankerstädte, Entlastungsstädte oder Netzknoten eingeteilt werden.
In ihren Grußworten im Anschluss an diesen Vortrag ging Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ebenfalls auf die Digitalisierung, die in allen Lebensbereichen angekommen sei, ein: „Wir wollen die Digitalisierung für Land und Leute nutzen, und dazu haben wir in Niederösterreich auch eine ganz klare Digitalisierungsstrategie erarbeitet.“ Die Landeshauptfrau verwies auf Bereiche wie die Jugendförderung, oder auch die Wirtschaftsförderung und den Tourismus, wo man im Zusammenhang mit der Digitalisierung bereits „sehr positive Ergebnisse“ erzielen konnte. Des Weiteren sprach Mikl-Leitner ua die Dezentralisierung an. Bis 2022 wolle man 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von St. Pölten in die ländlichen Regionen dezentralisieren: „Das bringt eine Win-Win-Situation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Regionen.“
Das letzte Panel war dem Themenbereich Kinder- und Jugendhilfe gewidmet. Während sich Beatrice Sommerauer von der Universität Graz mit einigen Rechtsfragen der „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere der abzuschließenden Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG als aufschiebende Bedingung für den Kompetenzübergang befasste, veranschaulichten Martin Ofner, BH Leibnitz, („Neue Wege in der Kinder- und Jugendhilfe“) sowie Gabriele Herlitschka vom Magistrat der Stadt Innsbruck („Vollziehung der Kinder- und Jugendhilfe aus Sicht des Magistrats der Stadt Innsbruck – aktuelle Entwicklungen“) einige praktische Themenbereiche dieser mitunter komplexen Zuständigkeit der Bezirksverwaltung.
Im neuen Band 127 der Schriftenreihe des Instituts, der im November 2019 erschienen ist, werden Ursachen und Wirkungen derartiger Trends genauso analysiert wie die Möglichkeiten der Gegensteuerung. Autorinnen und Autoren aus Österreich, Deutschland und der Schweiz untersuchen den Einfluss der Wissensgesellschaft auf die räumliche Entwicklung sowie die Chancen und Gefahren der Digitalisierung. In einem ausführlichen Artikel wird die Dezentralisierung von Verwaltungsapparaten als europäischer Trend vorgestellt.
Das Werk wird am 9. Dezember 2019 um 10:30 Uhr im Parlament in Wien vorgestellt. Nähere Informationen werden noch auf der Homepage des Instituts veröffentlicht.
„Raum neu denken. Von der Digitalisierung zur Dezentralisierung“
Peter Bußjäger/Georg Keuschnigg/Christoph Schramek (Hg)
ISBN: 978-3-7003-2168-2
274 Seiten
EUR 30
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Weitere Informationen sowie das Inhaltsverzeichnis finden Sie unter diesem Link.
Der Vortrag ist Teil der Vortragsreihe „ForscherInnen hautnah“, die vom Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik, einem in Dornbirn ansässigen Institut der Universität Innsbruck, veranstaltet wird. Im Zuge dieser Veranstaltungsreihe referieren und diskutieren Professorinnen und Professoren über Forschungsergebnisse mit Vorarlbergbezug. Anlass ist der 350. Geburtstag der Universität Innsbruck, die auch einen erheblichen Vorarlbergbezug aufweist: 2.300 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger studieren in Innsbruck. Nicht zuletzt deswegen gilt die 1669 gegründete Leopold-Franzens-Universität auch als Landesuniversität für Vorarlberg. Darüber hinaus ist sie mit zwei Instituten in Vorarlberg vertreten: Neben dem Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik ist auch das Institut für Atemgasanalytik in Dornbirn angesiedelt.
Der Eintritt ist frei, um Anmeldung unter textilchemie@uibk.ac.at wird gebeten.
Zeit: 21.11.2019, 19:00 Uhr
Ort: Getzner Textil AG, Bleichestraße 1, 6700 Bludenz, www.getzner.at
Die in Bregenz stattfindende Veranstaltung will einerseits die Potenziale der den Ländern zur Verfügung stehenden Materien durch Präsentation innovativer Regelungsansätze aufzeigen, andererseits auch die Möglichkeiten einer zweckmäßigen Ergänzung dieser Landeskompetenzen analysieren. Das Programm gliedert sich in zwei Blöcke: In einem ersten Teil werden (rechtliche) Grundsatzfragen behandelt. Der zweite Teil ist mit den Themen „Kurzzeitvermietungen“, „Tiroler Bodenfonds“ sowie „Raumplanungsgesetz in Vorarlberg“ Praxisbeispielen aus den Ländern gewidmet.
Das detaillierte Programm ist unter diesem Link abrufbar.
Für An- und Abmeldungen sowie weitere Informationen:
Andrea Schafferer
+43.512.574594
institut@foederalismus.at
Der Hauptpreis erging an Mathias Eller für seine rechtswissenschaftliche Dissertation „Mehr-Ebenen-Föderalismus in Österreich“. Diese richtet den Fokus auf die Gemeinden und, während deren Kernaufgaben zweifelsohne der administrativen Staatsgewalt zuzurechnen sind, insbesondere ihren Anteil an den Staatsgewalten der Gesetzgebung und der Gerichtsbarkeit.
Jakob Eder erhielt für sein Dissertationsprojekt „Innovation in Zentrum und Peripherie in Österreich“ den Anerkennungspreis. Er setzt sich in seinen Arbeiten mit dem Thema Innovation aus der Perspektive der regionalen Entwicklung auseinander und geht der Frage nach, welche Möglichkeiten periphere Regionen haben, Innovation anzustoßen, um zu einer Verringerung des Abstandes zu Ballungsräumen zu kommen.
Landtagspräsident Ernst Woller: „Ich freue mich, dass es heuer eine Rekordzahl an Einreichungen für diesen Preis gegeben hat und auch über deren Internationalität. Das zeigt, dass die Themen Föderalismus und Subsidiarität nicht nur auf hoher politischer Ebene in Europa von großer Aktualität sind.“
Ausführliche Zusammenfassungen der preisgekrönten Arbeiten sind im Föderalismus-Blog unter www.foederalismus.at/blog abrufbar.
Wie bereits in den vergangenen Ausgaben der Föderalismus-Info berichtet, findet die „Verländerung“ des Kompetenztatbestandes „Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge“, der im Wesentlichen die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe umfasst, erst dann statt, wenn eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über den Gegenstand des bisherigen Grundsatzgesetzes, nämlich dem Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 in Kraft tritt. Diese Kompetenzverlagerung war somit schon von Anbeginn mit mehr oder weniger umfassenden Einschränkungen behaftet.
Ein entsprechender Entwurf wurde zwischenzeitlich unter Einvernehmen von Vertretern des Bundes und der Länder erstellt und im Juni 2019 vom Nationalrat (RV 573 BlgNR XXVI. GP) sowie von den Ländern genehmigt und unterfertigt. Die Vereinbarung ist allerdings noch nicht kundgemacht.
Der Vereinbarungstext verweist auf sämtliche Grundsatzbestimmungen des (noch) in Kraft befindlichen Bundes-Kinder und Jugendhilfegesetzes als „Grundsätze für die Gesetzgebung der Länder“ (Art. 2 Abs. 2), womit sich im Ergebnis durch die Kompetenzverschiebung in diesem Bereich absolut nichts ändern wird. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass zudem gemäß Art. 4, sollten sich Standards in der Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickeln, etwa bei Vorliegen von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Vereinbarung „rechtzeitig“ anzupassen ist, dies im Einvernehmen aller Vertragsparteien. Eine derartige einheitliche Gestaltung der Kinder- und Jugendhilfe, die in Art. 1 der Vereinbarung ausdrücklich als Ziel angeführt ist, blendet die Vorzüge eines föderalen Systems, nämlich den Föderalismus als „Innovationslabor“, vollständig aus.
Am 17. September 2019 fand im Tiroler Landhaus im Rahmen des EU-Projekts „Science meets Parliaments“ eine Konferenz zu grenzüberschreitendem Naturgefahrenmanagement in der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino statt. Auf Einladung von Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann kamen rund 80 Tagungsgäste nach Innsbruck, um den Fachvorträgen zu folgen und sich im Anschluss an den Diskussionen zu beteiligen. Ziel der Konferenz war es, die drei Parlamente der Europaregion mit wissenschaftlicher Expertise zusammenzubringen. Gemeinsam wurde nach regionalen Problemlösungsmöglichkeiten gesucht.
In drei Blöcken wurden von renommierten Expertinnen und Experten der Universitäten Innsbruck, Bozen und Trient sowie der Europäischen Kommission über internationale Aspekte, die rechtliche Situation und praktische Ansätze grenzüberschreitender Kooperationen referiert, um den Ist-Stand zu erheben bzw. darzulegen und konkrete Handlungsempfehlungen auszusprechen. Den Abschluss der Tagung bildete ein Runder Tisch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Verwaltung sowie von Hilfsorganisationen. Der Tenor der Diskussion war, dass die Zusammenarbeit im Einsatzfall gut funktioniert, man sich aber – etwa im Bereich der Haftung – von der Gesetzgebung klarere Rahmenbedingungen wünschen würde.
Die Erkenntnisse der Konferenz werden ausgewertet und direkt in den Leitantrag von Präsidentin Ledl-Rossmann einfließen, der am nächsten Dreier-Landtag (16. Oktober 2019 in Meran) vorgelegt und zur Abstimmung gebracht wird. Neben dem Tiroler Landtag waren das Institut für Föderalismus, die Universität Innsbruck sowie die Europäische Kommission Veranstalter der Tagung.
Die Tagungsunterlagen sowie weitere Informationen sind unter folgendem Link zu finden:
https://www.tirol.gv.at/landtag/science-meets-parliaments/
„43. Bericht über den Föderalismus in Österreich (2018)“
Herausgeber: Institut für Föderalismus
ISBN: 978-3-7003-2169-9
185 Seiten
EUR 24,90
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Determinanten sowie unionsrechtlicher Aspekte wird versucht, neue rechtsdogmatische Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei wird verdeutlicht, dass sich föderale Strukturen im Wettbewerb um die besten Lösungen vielfach als treibende Kraft erweisen und auch im Hinblick auf eine Neuordnung des Dienstrechtsregimes ein Garant für innovative Veränderungen sind. Das Werk ist Ende September als Band 14 der Schriftenreihe Verwaltungsrecht erschienen.
„Das Dienstrecht der Tiroler Landesbediensteten Entstehungsprozess und Entwicklungstendenzen“
Christian Warzilek
ISBN: 978-3-7003-2118-7
182 Seiten
EUR 19,90
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Das detaillierte Programm ist unter diesem Link abrufbar.
Für An- und Abmeldungen (bis 21. Oktober 2019) sowie weitere Informationen:
Andrea Schafferer
+43.512.574594
institut@foederalismus.at
ie in Bregenz stattfindende Veranstaltung will einerseits die Potenziale der den Ländern zur Verfügung stehenden Materien durch Präsentation innovativer Regelungsansätze aufzeigen, andererseits auch die Möglichkeiten einer zweckmäßigen Ergänzung dieser Landeskompetenzen analysieren. Das Programm gliedert sich in zwei Blöcke: In einem ersten Teil werden (rechtliche) Grundsatzfragen behandelt. Der zweite Teil ist mit den Themen „Kurzzeitvermietungen“, „Tiroler Bodenfonds“ sowie „Raumplanungsgesetz in Vorarlberg“ Praxisbeispielen aus den Ländern gewidmet.
Das detaillierte Programm ist unter diesem Link abrufbar.
Für An- und Abmeldungen sowie weitere Informationen:
Andrea Schafferer
+43.512.574594
institut@foederalismus.at
Weitere Informationen finden Sie unter www.winterschool.eurac.edu.
Im Fokus der rechtswissenschaftlichen Dissertation „Mehr-Ebenen-Föderalismus in Österreich“ von Mathias Eller stehen die Gemeinden, die als dritte territoriale Ebene im österreichischen Bundesstaat eine – auch im Vergleich zu anderen Bundes- und Regionalstaaten – starke Stellung genießen. Während deren Kernaufgaben zweifelsohne der administrativen Staatsgewalt zuzurechnen sind, wird in der Arbeit primär der Frage nachgegangen, welchen Anteil die österreichischen Gemeinden an der Staatsgewalt der Gesetzgebung und der Gerichtsbarkeit haben. Mathias Eller beleuchtet damit einen wichtigen Aspekt föderaler und gewaltenteilender Systeme. Er beschreitet für Österreich, aber auch für darüberhinausgehende Fragestellungen Neuland und leistet mit seiner Dissertation einen wertvollen Beitrag zur nationalen und internationalen Föderalismusforschung.
Jakob Eder wurde für sein laufendes Dissertationsprojekt „Innovation in Zentrum und Peripherie in Österreich“ ausgezeichnet. Der Preisträger setzt sich in seinen Arbeiten mit dem Thema Innovation aus der Perspektive der regionalen Entwicklung auseinander und geht der Frage nach, welche Möglichkeiten periphere Regionen haben, Innovation anzustoßen, um zu einer Verringerung des Abstandes zu Ballungsräumen zu kommen. In einem ersten Schritt untersucht der Autor die Verteilung der betrieblichen Forschungsausgaben und findet auch in peripheren Regionen teilweise unerwartet hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die entweder historisch oder auch mit gewissen Zufälligkeiten in der Entwicklung einzelner Betriebe zu begründen sind. Vor den größten Problemen, In-novation zu etablieren, stehen Regionen, denen die historischen Wurzeln fehlen und wo keine Unternehmen, die als Träger von Innovation fungieren können, vorhanden sind. Die Arbeit analysiert mit großem Praxisbezug ein Thema, das hohe Relevanz für große Teile des Landes aufweist.
Angestrebt wird mit der Publikation insbesondere:
Ein Brückenschlag von der Wissenschaft zur Praxis
Mit der Erklärung und Definition der wichtigsten Begriffe sowie der kurzen Kommentierung vieler aktueller Themen soll ein objektiver Rahmen für die politische Debatte in Österreich bereitgestellt werden.
Blick auf internationale Beispiele
Viele Konfliktherde auf der Welt sind den ungelösten Schnittstellen zwischen regionalen, kulturellen oder religiösen Besonderheiten und dem jeweiligen Staatsgefüge geschuldet. In den meisten Fällen würde ein der Situation angepasster Föderalismus, wenn nicht zur Lösung, so doch zu einem besseren Miteinander beitragen.
Vergleich der wirtschaftlichen Performance
In allen weltwirtschaftlichen Rankings belegen föderal organisierte Länder Spitzenränge. Das Austarieren der Interessen scheint im Föderalismus vielfach schwieriger zu sein, die Ergebnisse aber sind besser.
Überblick über die Wissenschaftsgemeinschaft
Mit einer großen Zahl von Zitaten werden ein Überblick über die einschlägige Forschungsgemeinschaft sowie Beurteilungen aus der gelebten Praxis geboten, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird.
„Kleines Föderalismus ABC - Begriffe, Zusammenhänge, Zitate“
Peter Bußjäger/Georg Keuschnigg/Christoph Schramek (Hrsg)
61 Seiten, EUR 3,--
Bestellungen unter: institut@foederalismus.at
Im Erkenntnis G 242/2018-16 vom 13. März 2019 hat der VfGH mehrere Bestimmungen des Ärztegesetzes aufgrund fehlender Zustimmung der Länder als verfassungswidrig aufgehoben. Hintergrund des Erkenntnisses waren Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts, die im Wesentlichen geltend gemacht hatten, dass der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, indem er für die Eintragung in die und Streichung aus der Ärzteliste zuständig ist, als Bundesbehörde eine Angelegenheit, die nicht in Art. 102 Abs. 2 B-VG angeführt sei, ohne Weisungsbefugnis des Landeshauptmannes vollziehe. Insofern hätte bei der Übertragung dieser Zuständigkeiten auf den Präsidenten der Ärztekammer im Jahr 2009 (BGBl I 144/2009) eine Zustimmung der beteiligten Länder gemäß Art. 102 Abs. 1 bzw. Abs. 4 B-VG eingeholt werden müssen.
Der VfGH ist diesen Benken im Wesentlichen gefolgt: Er stellte zunächst klar, dass Art. 120b Abs. 2 B-VG dazu ermächtigt, Selbstverwaltungskörpern wie der Ärztekammer Aufgaben staatlicher Verwaltung zu übertragen. Dies mache allerdings das Regelungsregime des Art. 102 B-VG nicht obsolet.
Da die gegenständlichen Angelegenheiten – Eintragung in die und Streichung aus der Ärzteliste – solche des Gesundheitswesens (Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG) seien, die wiederum nicht im Ausnahmenkatalog des Art. 102 Abs. 2 B-VG angeführt sind, wären sie eigentlich in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen.
In der Folge prüfte der VfGH, ob iSv Art. 102 Abs. 1 B-VG eine Vollziehung von Bundesbehörden in Weisungsunterworfenheit des Landeshauptmannes vorliegt. Dies verneinte er allerdings vor dem Hintergrund einer ausdrücklichen und alleinigen Bindung an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit, die auch nicht als unausgesprochene Weisungsbefugnis des zuständigen Landeshauptmannes verfassungskonform interpretiert werden könne. Mit dieser Konstruktion wird, so der VfGH, der in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung zentrale Landeshauptmann schlechthin umgangen (vgl. auch das sogenannten „Weinaufsichtserkenntnis“, VfSlg 11.403/1987), was nur mit Zustimmung der beteiligten Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG zulässig gewesen wäre, die allerdings ausgeblieben ist. Dies stelle letztendlich einen Eingriff in das System der mittelbaren Bundesverwaltung dar, weshalb der VfGH die einschlägigen Bestimmungen des Ärztegesetzes aufgehoben hat.
Das Institut für Föderalismus begrüßt dieses Erkenntnis des VfGH insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen und bislang nicht immer klar ausjudizierten Ausnahmemöglichkeiten der Art. 102 Abs. 1 bis 4 B-VG, die eine (schleichende) Aushöhlung der mittelbaren Bundesverwaltung, die immerhin ein Wesenselement des bundesstaatlichen Prinzips bildet, befürchten lassen.
Der VfGH hat sich im März 2019 mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Verbot des Pflegeregresses, das mit 1. Jänner 2018 in Kraft getreten ist (BGBl I 125/2017), auch im Bereich der Behindertenhilfe gilt (VfGH 12. März 2019, G 276/2018-27). Ausgangspunkt des gegenständlichen Verfahrens war ein Antrag des Landesverwaltungsgerichts (LVwG) Salzburg, in welchem die Ansicht vertreten wurde, dass das Verbot des Pflegeregresses im Rahmen der Sozialhilfe gemäß § 330a ASVG den Bereich der Behindertenhilfe nicht umfasse. Dies ergebe sich vor allem direkt aus dem ASVG (Bundesgesetz), das in § 324 Abs. 3 zwischen Trägern der Sozialhilfe, der Jugendwohlfahrt und der Behindertenhilfe differenziere. Auch weitere Bundesgesetze würden ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen den Hilfesystemen „Sozialhilfe“ und „Behindertenhilfe“ vornehmen. Vor diesem Hintergrund hegte das LVwG allerdings Bedenken dahingehend, dass § 17 Abs. 2 Z. 3 Salzburger Behindertengesetz, der einen Kostenbeitrag aus verwertbaren Vermögen für den Bereich der Behindertenhilfe vorsieht, verfassungs- bzw. gleichheitswidrig sei, da diese landesgesetzliche Bestimmung – vor dem Hintergrund der bundesgesetzlichen Vorgaben im ASVG – zu einer Ungleichbehandlung zwischen Menschen mit Behinderungen, denen im Rahmen der Behindertenhilfe Maßnahmen gewährt werden, und jenen Personen, denen im Rahmen der Sozialhilfe Hilfe für den Lebensbedarf gewährt wird – wo eben laut ASVG kein Vermögensregress mehr zulässig ist –, führe.
Der VfGH verwies in seinem Erkenntnis zunächst darauf, dass der Verfassungsgesetzgeber den Begriff der „Sozialhilfe“ nicht definiert hat. Kompetenzrechtliche Überlegungen – die Sozialhilfe(Mindestsicherungs-)gesetzgebung der Länder beruht im Wesentlichen auf dem Kompetenztatbestand des „Armenwesens“ in Art. 12 B-VG während die einfachen (Landes-)Gesetze im Bereich der Behindertenhilfe auf Art. 15 Abs. 1 B-VG gründen – würden zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, da § 330a ASVG gerade nicht am verfassungsrechtlichen Begriff des „Armenwesens“ anknüpfe. Vielmehr kenne das Sozialhilferecht der Länder, das älter ist als die spezifische Behindertengesetzgebung der Länder, seit langem Sozialhilfemaßnahmen der Pflege von pflegebedürftigen Menschen. Dabei sei die Ursache einer Pflegebedürftigkeit, insbesondere, ob alters- oder etwa behinderungsbedingt, gleichgültig gewesen. Erst später seien Behinderten-, Chancengleichheits- oder ähnlich bezeichnete Gesetze geschaffen worden. Aufgrund dieser historischen Betrachtung kam der VfGH zu dem Schluss, dass der Begriff Sozialhilfe in § 330a ASVG auch die Behindertenhilfe umfasst und sich somit das Verbot des Pflegeregresses auch auf stationäre Pflegeleistungen, die Menschen mit Behinderung erbracht werden, bezieht.
Da § 707a Abs. 2 ASVG festlegt, dass dem Verbot des Pflegeregresses entgegenstehende Landesgesetze mit 1. Jänner 2018 außer Kraft getreten sind, ist auch die einschlägige Rechtslage im Salzburger Behindertengesetz mittlerweile außer Kraft getreten und war der Antrag des LVwG Salzburg dementsprechend zurückzuweisen.
Der VfGH hat mit diesem Erkenntnis eine weitere Unklarheit im Zusammenhang mit dem Verbot des Pflegeregresses beseitigt. Anhand dieses Beispiels werden auch die Probleme ersichtlich, die entstehen, wenn sich der Bundesverfassungsgesetzgeber als negativer Gesetzgeber betätigt, indem er pauschal „entgegenstehende Landesgesetze“ außer Kraft setzt, wie es in § 707a Abs. 2 ASVG der Fall ist. Solange der VfGH keine Klarstellung vornimmt, ist gerade bei einer stark auslegungsbedürftigen Bestimmung wie § 330a ASVG weitgehend unklar, welches Landesrecht noch in Kraft oder bereits außer Kraft getreten ist.
In der aktuellen Ausgabe der weltweit führenden Zeitschrift in Föderalismusfragen „Publius“ wurde ein Artikel von Paolo Dardanelli (University of Kent, UK) veröffentlicht, der den Versuch unternimmt, den Dezentralisierungsgrad von Einheitsstaaten und föderalen Staaten zu ermitteln („Conceptualizing, Measuring, and Mapping State Structures – with an Application to Western Europe“).
Die bisher umfassendste Studie in diesem Bereich ist der sogenannte Regional Authority Index (RAI) von Hooghe et al aus dem Jahr 2016. Dieser wird von Dardanelli insofern zunächst kritisch betrachtet, als er auf den beiden Messgrößen „self rule“ und „shared rule“ aufbaut. Während erstere die Möglichkeiten einer subnationalen Einheit umfasst, in ihrem eigenen Hoheitsgebiet autonom tätig zu werden, beschreibt letztere – vereinfacht gesagt – die Einflussmöglichkeiten von subnationalen Einheiten an Entscheidungen, die für den gesamten Staat von Bedeutung sind. Dardanelli hebt in seinem Aufsatz hervor, dass es sich bei diesen beiden Messgrößen um unterschiedliche Konzepte handelt, die nicht, wie beim RAI der Fall, in denselben „Topf“ geworfen werden sollten. Vielmehr sei die „shared-rule“ kein echter Maßstab für Dezentralisierung. Dies sei auch der Grund dafür, dass im RAI beispielsweise Deutschland (37 Punkte) gegenüber der Schweiz (26,5 Punkte [Österreich: 23 Punkte]) als stärker dezentralisiert qualifiziert wird, was bisherigen Ansichten in der Literatur klar widerspricht. Vor diesem Hintergrund würden strukturelle Fragen im Hinblick auf die Qualifizierung als zentralisierten/dezentralisierten bzw. Einheitsstaat/föderalen Staat aus dem RAI nicht klar hervorgehen.
Diesen strukturellen Fragen widmet sich die Studie von Dardanelli. Aufgezählt werden daher zunächst drei wesentliche Mindesterfordernisse eines föderalen Staates, die nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte miteinbeziehen:
Auf dieser Bewertung aufbauend, wird in der Studie die Autonomie eines Staates in drei Dimensionen numerisch dargestellt, die sich aufteilen in: „institutionelle Autonomie“ (oben Punkt 1), „politische Autonomie“ (oben Punkt 2) und „finanzielle Autonomie“ (oben Punkt 3). Österreich schneidet im Ranking insgesamt bei 7,5 Punkten (von 14 Punkten) ab und wird vom Autor, wenngleich formell ein föderaler Staat, als „de facto Einheitsstaat“ bezeichnet. Interessant ist auch der Vergleich gegenüber anderen, nicht nur föderal organisierten Staaten: Deutschland (10,5), Frankreich (6), Italien (9 bis 10), Schweiz (12,5) und Spanien (10 bis 11,5). Die Ergebnisse zeigen, dass Österreich noch einiges an Aufholbedarf hätte.
Ziel des Buches ist zunächst eine kompakte Darstellung der Geschichte des Landes Oberösterreich und der Institution Landtag als Kristallisationskern dieser Entwicklung. Die Historie findet sich im ersten Teil, angereichert mit einigen blitzlichtartigen Details zu markanten Persönlichkeiten, Fakten und Dokumenten. Dabei wird eine moderne Form der Aufbereitung der Basisdaten, auch in Tabellen und Übersichten, verwendet, womit ein Vergleich über verschiedene Epochen hinweg und ein rascher Zugang zu gesuchten Informationen ermöglicht werden soll. Der zweite Teil enthält eine systematische Darstellung wesentlicher Handlungs- und Entwicklungsfelder anhand von Beispielen, deren Auswahl nicht frei von subjektiven Einschätzungen sein kann.
Der Autor des Buches, Landtagsdirektor Wolfgang Steiner, recherchierte zwei Jahre lang intensiv für die Neuüberarbeitung. Ihm waren sowohl die Chronik als auch die Funktionen des Landtags wichtig: „Damit für jemanden, dem nicht klar ist, wofür ein Landesparlament noch notwendig ist, nachvollziehen kann, warum wir es brauchen.“
Wolfgang Steiner
Der Oberösterreichische Landtag
Das Parlament des Landes Oberösterreich – Geschichte. Daten. Funktionen
1. Auflage 2019, 160 Seiten, 22 x 25 cm, Hardcover mit Schutzumschlag, 4-farbig
ISBN 978-3-99062-203-2
Für Bestellungen und nähere Informationen: Link zur Homepage des Trauner Verlags.
Siehe auch den aktuellen Föderalismus-Blog: „Der Oberösterreichische Landtag – Geschichte, Daten und Funktion“
Termin: Montag, 24.06.2019, 16:00 Uhr
Ort: Kaiser-Leopold-Saal, Karl-Rahner-Platz 3, 6020 Innsbruck
Programm:
Esther Happacher
Der „differenzierte Regionalismus“: neue Entwicklungen im italienischen Mehrebenensystem
Peter Bußjäger
Verwaltungsrecht und Mehrebenensystem: Rechtsprobleme des grenzüberschreitenden Katastrophenmanagements am Beispiel Tirols
Andreas Müller
Gnade für Völkermörder und Menschheitsverbrecher? Bestimmung und Begrenzung des Völkerstrafrechts
Die Länderkonferenzen der Jahre 1919/1920 bildeten eine wichtige Grundlage für die Konsolidierung der Staatsgewalt in der Ersten Republik und die Ausarbeitung der Bundesverfassung. Insbesondere einigte sich die Provisorische Staatsregierung mit den Ländern im Rahmen der Länderkonferenzen über die Ausgestaltung der Republik als Bundesstaat. Gleichzeitig schufen einzelne Länder (Oberösterreich, Vorarlberg) mit der Inkraftsetzung eigener Landesverfassungen vollendete Tatsachen, bevor das B-VG von 1920 den Bundesstaat erst formell konstituierte.
Ziel der Veranstaltung ist es, die zeithistorischen Vorgänge zu beleuchten sowie die Rolle der Länder in der Staatsgründung und ihr Verhältnis zur Zentralgewalt zu analysieren. Zudem soll im Vorfeld des 100-jährigen Jubiläums der österreichischen Bundesverfassung auch das Landesverfassungsrecht gewürdigt werden.
Vortragende: Martin Schennach (Universität Innsbruck), Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus und Universität Innsbruck), Jana Osterkamp (Collegium Carolinum München), Sebastian Strasak (Universität Innsbruck), Helmut Gebhardt (Universität Graz).
Termin: Donnerstag, 27. Juni 2019, Beginn 14:00 Uhr
Ort: Hauptgebäude Universität Innsbruck, Hörsaal F (Innrain 52, 2. Stock)
Anmeldung unter: institut@foederalismus.at (+43 512-574594)
Christian Gsodam, Berater des Generalsekretärs des Ausschusses der Regionen sowie Berater der Taskforce für Subsidiarität, wird zunächst zum Thema „Aktive Subsidiarität – Bau- und Verfahrensprinzip der Europäischen Union“ referieren. Im Anschluss zieht Institutsdirektor Peter Bußjäger eine Bilanz zu Subsidiarität und dem österreichischen Ratsvorsitz.
Datum: Freitag, 28. Juni 2019
Beginn: 11:00 Uhr
Ort: Universität Innsbruck (Geiwi-Turm, Innrain 52d), Hörsaal 5¾ (EG)
Anmeldung:
Institut für Föderalismus
Tel. +43 512-574594
E-Mail: institut@foederalismus.at
www.foederalismus.at
Gemäß Art 44 Abs 2 B-VG benötigen Verfassungsgesetze oder Verfassungsbestimmungen, mit denen in die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung eingegriffen wird, eine Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder des Bundesrates benötigen. Dabei handelt es sich um ein vergleichsweise junges Instrument der Bundesverfassung, das Teil der B-VG-Novelle 1984 (BGBl 490/1984) – einer „kleinen Föderalismusnovelle“ – war und mit 1. Jänner 1985 in Kraft getreten ist. Mit der Schaffung von Art 44 Abs 2 B-VG wurde einer langjährigen Forderung der Länder Rechnung getragen, die darauf abzielte, einseitigen Verschiebungen der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern wirksam entgegentreten zu können.
Vor diesem Hintergrund handelt es sich um ein aus bundesstaatstheoretischer Sicht äußerst bedeutendes Instrument, da es den Ländern im Wege des Bundesrates die Möglichkeit eröffnet, an der Kompetenz-Kompetenz mitzuwirken. Insofern ist es Ausdruck einer tatsächlich verwirklichten Bundesstaatsparität, während einseitige Änderungen der Kompetenzverteilung, wie sie vor 1985 möglich waren, eher für einen dezentralisierten Einheitsstaat typisch sind.
Dieser – aus theoretischer Sicht – besonderen Bedeutung des Zustimmungsrechts für das föderale System steht die bisherige praktische Handhabung gegenüber. Von 1985 bis 2018 wurde insgesamt 275 Mal die Zustimmung gemäß Art 44 Abs 2 B-VG erteilt und kein einziges Mal verweigert. Es wäre jedoch verfehlt, aus diesem praktischen Befund auf die Bedeutungslosigkeit des Instruments zu schließen. Neben der besonderen bundesstaatstheoretischen Bedeutung hat das Zustimmungsrecht in der Vergangenheit mehrfach eine Art präventive Funktion erfüllt und die Länder vermutlich vor deutlich dramatischeren Zuständigkeitsverlusten bewahrt.
Eine Wende gab es kürzlich im Zuge der 889. Sitzung des Bundesrates vom 14.2.2019. Darin ist erstmals die erforderliche Zustimmung gemäß Art 44 Abs 2 B-VG zu einem Gesetzesbeschluss des Nationalrats nicht zustande gekommen. Hintergrund war eine Novelle des Ökostromgesetzes (IA 505 BlgNR 26. GP), dessen Erlassung eigentlich in die Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 12 B-VG fallen würde, jedoch aufgrund einer Kompetenzdeckungsklausel in § 1 in Gesetzgebung und Vollziehung alleinige Sache des Bundesgesetzgebers ist. Die Kompetenzdeckungsklausel umfasst allerdings nicht die Novellierung des Gesetzes (lediglich die Erlassung, Aufhebung und Vollziehung der Bestimmungen des Ökostromgesetzes 2012 in der jeweiligen Fassung). Daher musste sie neu mit einer Mehrheit von zwei Dritteln beschlossen werden und bedurfte zudem der Zustimmung des Bundesrates, die eben verweigert wurde.
Im Zusammenhang mit der erstmaligen Verweigerung der Zustimmung des Bundesrates von einer „Sternstunde“ zu sprechen, wäre allerdings unangebracht. Der konkrete Fall des Ökostromgesetzes hat schließlich weniger etwas mit der Verteidigung von Landeskompetenzen zu tun – das Ökostromgesetz wird schon seit Jahren vom Bund erlassen und vollzogen –, sondern mehr mit der Kritik der SPÖ an einem aus ihrer Sicht „schlechten“ Gesetz. An diesem Beispiel wird die bereits vielfach geäußerte Kritik, dass sich im Bundesrat häufig Parteiinteressen gegenüber Länderinteressen durchsetzen, sichtbar. Immerhin hat der Bundesrat aber unter Beweis gestellt, dass die gerade auch im Hinblick auf die laufenden Diskussionen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Kompetenzentflechtung erforderlichen Zustimmungen nicht von vornherein gesichert sind.
Literaturhinweise:
Bußjäger, Die Zustimmungsrechte des Bundesrates (2001).
Bußjäger, Das Instrument der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung in Theorie und Verfassungswirklichkeit, in: Bußjäger/Weiss (Hrsg), Die Zukunft der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung (2004) 3 ff.
Gamper (eds), Representing Regions, Challenging Bicameralism (2018).
Die Universität Graz führt seit 1. Jänner 2017 in Kooperation mit dem Institut für Föderalismus das vom Land Steiermark geförderte Forschungsprojekt „Migration und Integration: Aufgaben- und Kompetenzverteilung im österreichischen Bundesstaat am Beispiel der ‚Flüchtlingskrise‘“ durch. Untersucht wird dabei, welche konkreten Aufgaben der Integration auf regionaler Ebene zu erledigen sind und ob der bestehende Kompetenzrahmen eine erfolgreiche Integration begünstigt oder nicht.
Für das Institut für Föderalismus ist das innovative Projekt auch insoweit ein Pilotmodell, als mit der Förderung durch das Land Steiermark über den Kreis der bisherigen Trägerländer des Instituts hinausgegangen wird. Das Institut hofft, damit den Grundstein für weitere Kooperationen, nicht nur mit dem Land Steiermark, sondern auch mit anderen Ländern zu legen.
Das Projekt wird auch im Jahr 2019 fortgeführt und vom Land Steiermark mit insgesamt 58.000 Euro gefördert. Projektleiter sind Institutsdirektor Peter Bußjäger sowie Klaus Poier vom Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz.
Die Länderkonferenzen der Jahre 1919/1920 bildeten eine wichtige Grundlage für die Konsolidierung der Staatsgewalt in der Ersten Republik und die Ausarbeitung der Bundesverfassung. Insbesondere einigte sich die Provisorische Staatsregierung mit den Ländern im Rahmen der Länderkonferenzen über die Ausgestaltung der Republik als Bundesstaat. Gleichzeitig schufen einzelne Länder (Oberösterreich, Vorarlberg) mit der Inkraftsetzung eigener Landesverfassungen vollendete Tatsachen, bevor das B-VG von 1920 den Bundesstaat erst formell konstituierte.
Ziel der Veranstaltung ist es, die zeithistorischen Vorgänge zu beleuchten sowie die Rolle der Länder in der Staatsgründung und ihr Verhältnis zur Zentralgewalt zu analysieren. Zudem soll im Vorfeld des 100-jährigen Jubiläums der österreichischen Bundesverfassung auch das Landesverfassungsrecht gewürdigt werden.
Vortragende: Martin Schennach (Universität Innsbruck), Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus und Universität Innsbruck), Jana Osterkamp (Collegium Carolinum München), Sebastian Strasak (Universität Innsbruck), Helmut Gebhardt (Universität Graz).
Nähere Informationen finden Sie unter:
www.foederalismus.at/foederalismuspreis
„Die transparente Verwaltung in Österreich und Italien. Der Zugang zur Information zwischen Grundsätzen und Anwendung“
Herausgeber: Maria Bertel/Esther Happacher/Anna Simonati
ISBN: 978-3-7003-2099-9
131 Seiten
EUR 19,90
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Links zu den Ausschreibungen:
UniversitätsassistentIn – Dissertationsstelle, Chiffre POSO-10317
UniversitätsassistentIn – Dissertationsstelle, Chiffre POSO-10318
In der beschlossenen Fassung der Novelle (AB 463 BlgNR 26. GP) wurde gegenüber der Regierungsvorlage (RV 301 BlgNR 26. GP) noch die eine oder andere Änderung vorgenommen. Die Wichtigste betrifft die Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe durch Streichung des Kompetenztatbestandes „Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge“ in Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG. Ursprünglich war hierzu vorgesehen, dass die Kompetenzänderung erst nach Abschluss einer Vereinbarung der Länder untereinander (Art. 15a Abs. 2 B-VG) in Kraft treten sollte. Den genauen Inkrafttretenszeitpunkt hätte dann die Bundesregierung durch Verordnung festgelegt.
Der nun zwischen den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ mit der SPÖ gefundene Kompromiss beruht auf einer Übereinkunft Im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz im November 2018, wonach die Vereinbarung nicht nur unter den Ländern, sondern auch unter Beteiligung des Bundes abgeschlossen werden soll. Es wird somit für das Inkrafttreten der Kompetenzänderung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe das Inkrafttreten einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a Abs. 1 B-VG vorausgesetzt (Art. 151 Abs. 63 Z 5 B-VG). Insofern muss auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht mehr – wie noch in der Regierungsvorlage vorgesehen – durch Verordnung der Bundesregierung festgelegt werden.
Mit dieser Änderung soll Befürchtungen entgegengetreten werden, dass die Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe eine („massive“) Verschlechterung der Standards in diesem Bereich herbeiführen könnte. Diese Bedenken wären freilich wohl auch auf der Basis der ursprünglich vorgesehenen Regelung unbegründet gewesen. Nicht nachvollziehbar ist in dieser Diskussion, weshalb einheitliche Kriterien bzw. Mindeststandards pauschal als qualitativ höherwertig betrachtet werden. Dass eine Zentralisierung nicht automatisch mit einer hochwertigen Lösung verbunden sein muss, zeigt auch das nachfolgend dargestellte Beispiel eines Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes.
Ende November 2018 wurde der Entwurf eines Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (104/ME 26. GP) in Begutachtung geschickt. Dies ist aus föderaler Sicht insofern bemerkenswert, als der Bund von seiner Kompetenz zur Erlassung eines Grundsatzgesetzes im Bereich des „Armenwesens“ bislang noch nie Gebrauch gemacht hat. Begründet wurde dieser Umstand unter anderem damit, dass die Länder ihre Sozialhilfe- bzw. in weiterer Folge Mindestsicherungsgesetze insofern weiterentwickelt haben, als vielfach (Zusatz-)Leistungen (etwa „Hilfen in besonderen Lebenslagen“) vorgesehen wurden, die – auch bei einer dynamischen Kompetenzinterpretation – vom Kompetenztatbestand „Armenwesen“ in Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG nicht mehr umfasst und dementsprechend Sache der Länder gemäß Art 15 Abs 1 B-VG sind. Insofern basiert das derzeit geltende Sozialhilferecht der Länder sowohl auf Art 12 Abs 1 Z 1 iVm Art 15 Abs 6 B-VG als auch auf Art 15 Abs 1 B-VG.
Bemerkenswert ist, dass im nunmehrigen Entwurf Höchststandards vorgegeben werden, während die bis zum 31.12.2016 maßgebliche Art 15a B-VG-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung darauf abzielte, einheitliche Mindeststandards festzulegen. Insofern steht durch das neue Grundsatzgesetz ein Systemwechsel „von Mindeststandards zu Höchststandards“ bevor. Ob dieser Paradigmenwechsel dem Sinn der Grundsatzgesetzgebung entspricht, ist äußerst fraglich.
Dazu kommt die verwirrende Verwendung des Terminus „Wohnbeihilfe“, welche nur gewährt werden darf, wenn keine Mindestsicherung ausbezahlt wird. Damit wird in Landeskompetenzen (Art. 15 Abs. 1 B-VG) eingegriffen: Die Wohnbeihilfe ist nämlich Bestandteil der Wohnbauförderung, welche in mehreren Schritten in den 1980er Jahren in die Landeskompetenz übertragen wurde (siehe dazu den Literaturhinweis am Ende). Darüber hinaus ist es völlig unzweifelhaft, dass im Wege der Grundsatzgesetzgebungskompetenz für das „Armenwesen“ nicht in die Möglichkeiten der Länder, im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 B-VG) Unterstützungsleistungen zu gewähren, eingegriffen werden kann. Nach unserer Auffassung kann der Sozialhilfe-Grundsatzgesetzgeber bei der Bemessung des Unterstützungsbeitrags andere Leistungen, wie etwa die Wohnbeihilfe oder sonstige Förderungen, unter sachlichen Gesichtspunkten in Anrechnung bringen, er kann aber den Ländern nicht verwehren, solche Leistungen im Rahmen ihrer Kompetenzen (Art. 15 Abs. 1 B-VG und Art. 17 B-VG) zu gewähren.
Die „Zentralisierung“ in Form der Grundsatzgesetzgebung würde im Bereich der Sozialhilfe zwar eine Vereinheitlichung bringen, dies allerdings auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Ein treffendes Beispiel, dass Zentralisierung kein Garant für hochwertige Lösungen ist.
Literaturhinweis:
Bußjäger, Wohnbauförderung und Föderalismus, in: Forschungsgesellschaft für Bauen und Wohnen [Hg], Förderung des Wohnungswesens in Österreich – Teil 3 (2001) 17 ff.
Seit Ende November 2018 ist eine Novelle des Transparenzdatenbankgesetzes (TDBG) in Begutachtung (105 ME/26. GP), mit der, so die Erläuterungen, „das mögliche Potential der Transparenzdatenbank noch stärker ausgeschöpft werden“ soll. Von Seiten der Länder wird die Vorgangsweise, das gemeinsame Projekt „Transparenzdatenbank“ allein durch einseitige bundesrechtliche Vorgaben weiter zu entwickeln, kritisiert.
Ziel der Transparenzdatenbank bildete in ihrer Grundkonzeption die Erfassung sämtlicher öffentlicher Leistungen an eine Person durch Bund, Länder und Gemeinden sowie juristische Personen, an welchen diese entsprechend beteiligt sind. Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind einerseits das TDBG sowie andererseits die Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über eine Transparenzdatenbank. Eine Verpflichtung zur Übermittlung von Daten durch Länder und Gemeinden sieht weder die Vereinbarung vor noch bietet das Bundesverfassungsrecht dem Bund eine entsprechende Grundlage.
Gegenstand der aktuellen Kritik der Länder ist insbesondere die Tatsache, dass der Entwurf einer Novelle zum TDBG mehrere Bestimmungen enthält, die klar im Widerspruch zu der bereits erwähnten Art. 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern stehen. So ist beispielsweise der Entfall von § 13 Abs 3 TDBG vorgesehen, der festlegt, dass Gebietskörperschaften und Gemeindeverbände im Sinne des Art. 116a B-VG keine Leistungsempfänger sind. Diese Änderung hätte zur Folge, dass Leistungen an bzw. zwischen Gebietskörperschaften (und auch an Gemeindeverbände) zu erfassen wären, wenngleich diesbezüglich in Bezug auf Länder und Gemeinden weiterhin keine Pflicht bestünde (vgl auch § 19 Abs 1 Z 4 TDBG). Zu hinterfragen ist – auch vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen Grundkonzeption – welcher Mehrwert dadurch insbesondere für einzelne Bürger, die für derartige Leistungen nicht antragsberechtigt wären, erzielt werden könnte. Eine Beseitigung dieser Bestimmung würde klar Art 6 Abs 3 der Art. 15a-Vereinbarung widersprechen.
Kritisiert wird außerdem, dass die Umsetzung des Entwurfs einen hohen Verwaltungsaufwand sowie zusätzliche Kosten, insbesondere im IT-Bereich, nach sich ziehen würde. Der Entwurf enthält zudem weder eine wirkungsorientierte Folgenabschätzung und eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen. Ausgeblendet bleiben auch verschiedene Länderforderungen zur Optimierung der Transparenzdatenbank.
Es ist bedauerlich, dass der Bund nicht bereit ist, die Vorschläge aus der Praxis aufzugreifen. Dies schadet dem wichtigen Anliegen der Transparenzdatenbank, Informationen über öffentliche Leistungen zu liefern.
Im Dezember 2018 wurde das Standort-Entwicklungsgesetz (StEntG) beschlossen und kundgemacht (BGBl I 110/2018). Gegenüber dem Begutachtungsentwurf (67 ME 26. GP), der in der Föderalismus-Info 3/2018 behandelt wurde, weist das beschlossene Gesetz einige Änderungen auf.
Die wichtigste betrifft den ursprünglich vorgesehenen „Genehmigungsautomatismus“ nach 18 Monaten. Dieser wurde beseitigt und stattdessen durch andere Maßnahmen ersetzt, die – so die Erläuterungen – der Verfahrensökonomie dienen sollen. Unter anderem ist nunmehr in § 11 Abs 4 StEntG eine Entscheidungsfrist der Behörde von 12 Monaten vorgesehen, die an sich in dieser Form auch im UVP-G zu finden ist (§ 24b Abs 2 UVP-G; vgl auch die Fristen in § 7 Abs 2 und 3 UVP-G). Allerdings sieht im Anschluss Abs 5 vor, dass das standortrelevante Vorhaben nach Ablauf der Frist zu genehmigen ist, soweit Abs 6 nicht etwas andere bestimmt. Die Ausnahme in Abs 6 greift allerdings nur, wenn das Vorhaben gewisse Mängel aufweist, die nicht behoben werden können (vgl dazu § 5 Abs 6 UVP-G). Insofern ist auch in der beschlossenen Version des StEntG eine Pflicht zur Genehmigung zu finden. Zwar sind einzelne Instrumente in § 11 Abs 4 bis 6 StEntG an das UVP-G angelehnt, dieses sieht aber keine Pflicht zur Genehmigung sondern lediglich zur Entscheidungsfindung vor, was einen nicht unerheblichen Unterschied zu § 11 Abs 5 StEntG darstellt.
Erlässt die Behörde den Genehmigungsbescheid nicht, steht dem Antragsteller eine Säumnisbeschwerde nach § 12 StEntG offen, die ebenfalls mit besonderem Augenmerk auf die Beschleunigung des Verfahrens gestaltet wurde. Zu hinterfragen ist allerdings, ob diese und auch weitere Abweichungen im StEntG vom einschlägigen Verfahrensrecht (AVG, VwGVG) dem verfassungsrechtlich statuierten Erforderlichkeitskriterium (Art 11 Abs 2 und Art 136 Abs 2 B-VG) standhalten. Zumindest hätte in den Erläuterungen auf Art 11 Abs 2 und Art 136 Abs 2 B-VG als Kompetenzgrundlage verwiesen werden sollen.
Zu beachten sind auch die Übergangsbestimmungen: § 11 StEntG, wie auch die weiteren Bestimmungen des zweiten Hauptstücks des zweiten Teils sind auf bereits anhängige UVP-Verfahren anzuwenden, die nach Aufhebung einer Entscheidung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts von der Behörde oder dem Verwaltungsgericht in der Sache fortzusetzen und mindestens drei Jahre vor Inkrafttreten des StEntG am 1.1.2019 eingebracht worden sind (§ 17 Abs 2 StEntG). Für alle anderen vor dem 1.1.2019 bei der Behörde anhängigen Verfahren ist das StEntG nicht anwendbar (§ 17 Abs 1 StEntG).
In Summe wurde der ursprünglich vorgesehene Entwurf des StEntG nicht nur hinsichtlich der Genehmigungsautomatik entschärft. Einzelne verfassungs- und unionsrechtliche Fragen ergeben sich aber weiterhin.
Eine weitere interessante Änderung im Bereich der UVP-Verfahren stellt die Einrichtung eines sogenannten Standortanwalts dar (BGBl I 80/2018), der im UVP-Verfahren Parteistellung hat (§ 19 Abs 1 Z 8 iVm Abs 12 UVP-G) und „vom Bund oder vom betroffenen Land besonders dafür eingerichtet wurde, die öffentlichen Interessen an der Verwirklichung eines Vorhabens in Verwaltungsverfahren wahrzunehmen“ (§ 2 Abs 6 UVP-G; vgl allerdings § 19 Abs 12 UVP-G, der hinsichtlich des Umfangs der Parteistellung lediglich auf die Einhaltung von Vorschriften über öffentliche Interessen abstellt). Diese neue Institution erinnert zunächst stark an jene der Umweltanwälte (§ 2 Abs 4 UVP-G), die von Seiten des Landesgesetzgebers eingerichtet sind.
Allerdings sieht § 20 Abs 3 WKG künftig vor (Inkrafttreten mit 1.7.2019, BGBl I 108/2018), dass die Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft im übertragenen Wirkungsbereich als Standortanwalt tätig werden, „wenn das Vorhaben Auswirkungen auf das jeweilige Land als Wirtschaftsstandort hat.“ Dabei unterliegen sie den Weisungen der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Insofern wird hier künftig von Seiten des Bundes die Funktion der Standortanwaltschaft wahrgenommen.
Insgesamt ist die Funktion des Standortanwalts – etwa als Unterstützer der Behörde oder Befürworter eines Projekts – weitgehend unklar. Jedenfalls bedeutet die Hinzunahme einer neuen Formalpartei zusätzlichen Aufwand und dürfte insofern eher zur Verzögerung von Verfahren führen.
Das Institut für Föderalismus durfte in Form eines Rechtsgutachtens zum grenzüberschreitenden Katastrophenschutz in Tirol und Südtirol einen Beitrag zu diesem Projekt leisten. Dieses Gutachten wurde im Rahmen der Abschlussveranstaltung von Institutsdirektor Peter Bußjäger präsentiert. Die wichtigsten Ergebnisse des Gutachtens können auf dem Föderalismus-Blog (Link) nachgelesen werden.
„Die Neuorganisation der Bildungsverwaltung in Österreich“
Herausgeber: Peter Bußjäger/Christoph Schramek
ISBN: 978-3-7003-2097-5
127 Seiten
EUR 19,90
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
“Kriterien und Möglichkeiten der Dezentralisierung in Tirol. Eine Analyse der Verwaltung und Beteiligungen des Landes Tirol”
Peter Bußjäger/Georg Keuschnigg/Christoph Schramek
ISBN: 978-3-901965-41-8
70 Seiten
EUR 5,00
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
„Die transparente Verwaltung in Österreich und Italien. Der Zugang zur Information zwischen Grundsätzen und Anwendung“
Herausgeber: Maria Bertel/Esther Happacher/Anna Simonati
ISBN: 978-3-7003-2099-9
131 Seiten
EUR 19,90
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
42. Bericht über den Föderalismus in Österreich (2017)
Herausgeber: Institut für Föderalismus
ISBN: 978-3-7003-2098-2
173 Seiten
EUR 24,90
Bestellung sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Im September wurde der Entwurf eines Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes (SV-OG, 75/ME) in Begutachtung geschickt. Dieser sieht eine Reduktion der bisher 21 Versicherungsträger auf insgesamt fünf vor. Unter anderem sollen die bisherigen Gebietskrankenkassen und Betriebskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) mit Sitz in Wien zusammengeführt werden. Letztere und die Pensionsversicherungsanstalt, die weiterhin fortbesteht, haben in jedem Bundesland eine Landesstelle für das betreffende Bundesland einzurichten.
In einem Gutachten vom April 2018 befasste sich Institutsdirektor Peter Bußjäger mit der föderalen Struktur der Krankenversicherung in Form der neun Gebietskrankenkassen. Diese bilde eine Art Ausgleich dafür, dass die Struktur des Sozialversicherungswesen aus verfassungsrechtlicher Sicht in hohem Maße zentralistisch organisiert sei. Insofern bestehe die Funktion der Gebietskrankenkassen darin, die regionale Gesundheitsversorgung in Kooperation mit den regionalen Akteuren auf Landesseite und der Ärztinnen und Ärzte sicherzustellen. Diese Funktion könne allerdings nur erfüllt werden, wenn bestimmte Rahmenbedingungen in Bezug auf Weisungsbindung, Budgethoheit, Abschluss des Gesamtvertrages und Mitwirkung im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit gewährleistet seien, was nachfolgend anhand des nun vorliegenden Entwurfs analysiert wird:
1. Weisungsbindung
Die Landesstellen sind bei ihrer Geschäftsführung an die Weisungen des Verwaltungsrates, der neben der Hauptversammlung den zweiten Verwaltungskörper der ÖGK bildet und bei dem nach den Erläuterungen der Schwerpunkt der Tätigkeit der Selbstverwaltung liegt, gebunden und haben zudem die ihnen ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben „nach einheitlichen Grundsätzen und Vorgaben des Verwaltungsrates“ wahrzunehmen. Der Verwaltungsrat kann Beschlüsse der Landesstellenausschüsse aufheben oder ändern. Insofern kann von einer autonomen Aufgabenwahrnehmung der Landesstellen keine Rede sein.
2. Abschluss des Gesamtvertrages
Mit Ausnahme von Verhandlungen gesamtvertraglicher Honorarvereinbarung („regionale Zu- und Abschläge“) ist im Entwurf vorgesehen, dass der Abschluss des Gesamtvertrages durch die Hauptstelle der ÖGK erfolgt. Gesamtverträge sind bundeseinheitlich mit der Österreichischen Ärztekammer abzuschließen. Im SV-OG ist zudem eine Einflussnahmemöglichkeit der Landesstellen, wie etwa in Form der bisherigen Zustimmung der Gebietskrankenkassen zum Gesamtvertrag, nicht vorgesehen. Der Abschluss von Gesamtverträgen ist somit vollständig auf zentraler Ebene gelandet.
3. Budgethoheit
Aus dem gegenständlichen Entwurf ergibt sich, dass die Gesamtbudgethoheit bei der Hauptstelle der ÖGK liegt. Da die länderweise Budgetautonomie lediglich Rücklagen und die Verwendung von Mitteln für Gesundheitsreformprojekte umfasst, sind die Landesstellen künftig wohl auf finanzielle Zuwendung seitens der Hauptstelle der ÖGK angewiesen.
4. Zielsteuerung Gesundheit
Mitwirken können die Landesstellen im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit, dies aller-dings immer vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Weisungsbindung und wohl ohne ausreichende finanzielle Mittel. Fraglich ist auch, inwieweit eine bloße „Mitwirkung“ ausrei-chend ist. Zudem ist der Abschluss von Landes-Zielsteuerungsübereinkommen nach dem G-ZG Sache des Verwaltungsrates der ÖGK.
5. Fazit
Aus föderaler Sicht ist die geplante Reform des Sozialversicherungssystems kritisch zu be-werten. Der Abschluss des Gesamtvertrages und die Budgethoheit sind weitgehend auf zentraler Ebene gelandet. Angesichts der umfassenden Weisungsbindung der Landesstellen ist ein autonomes Handeln auf regionaler Ebene nur in begrenztem Rahmen möglich.
Der in der vorangegangenen Föderalismus Info 4/2018 behandelte Entwurf zur Kompetenzentflechtung im Bereich des Art. 12 B-VG und zur Beseitigung wechselseitiger Zustimmungsrechte ist mittlerweile im Nationalrat eingelangt (RV 301 BlgNR 26. GP). Die Regierungsvorlage enthält die eine oder andere interessante Abweichung zum Begutachtungsentwurf:
Weiterhin vorgesehen ist, dass die Bevölkerungspolitik, die Gemeindevermittlungsämter und das Landarbeiterrecht – letzteres aber nur hinsichtlich der Gesetzgebung (Art. 11 Abs. 1 B-VG) – dem Bund übertragen werden. In Bezug auf die Gemeindevermittlungsämter wird nun allerdings differenziert: Nach den Erläuterungen soll nämlich die Organisation von öffentlichen Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten nicht unter den neuen Kompetenztatbestand zu subsumieren sein und als Angelegenheit des Gemeinderechts Landessache sein. Die Übergangsbestimmung in Art. 151 Abs. 63 Z. 4 B-VG legt zudem fest, dass sich Landesgesetze in Angelegenheiten des derzeitigen Art. 12 B-VG, die nach Inkrafttreten der Novelle zu Bundesangelegenheiten werden, in (partikuläres, also nur in einem Teil des Bundesgebietes geltendes) Bundesrecht umwandeln.
Die praktische Bedeutung der Gemeindevermittlungsämter ist äußerst gering. Gesetzliche Grundlagen gibt es mittlerweile nur mehr in der Steiermark aus dem Jahr 1914 (LGuVBl 23/1915) und in Vorarlberg aus dem Jahr 1909 (LGBl 158/1909). In Wien wurde das Gesetz über die Gemeindevermittlungsämter (LGBl 15/1984) mit LGBl 24/2017 aufgrund der geringen Inanspruchnahme der dortigen Einrichtungen aufgehoben. Für die verbliebenen landesrechtlichen Grundlagen in der Steiermark und Vorarlberg würde die oben beschriebene kompetenzrechtliche Neuordnung zur Folge haben, dass diejenigen Bestimmungen, die von organisatorischer Natur sind, Landesrecht bleiben und alle übrigen Bestimmungen zu partikulärem Bundesrecht werden.
Insgesamt fünf Tatbestände des derzeitigen Art. 12 Abs. 1 B-VG gehen in die Zuständigkeit der Länder über. Dies gilt auch für die Kompetenz zur Regelung der Kinder- und Jugendhilfe. Hier soll allerdings nach den Erläuterungen eine Art. 15a-Vereinbarung der Länder abgeschlossen werden. Vom Abschluss dieser Vereinbarung hängt dann das Inkrafttreten der Kompetenzänderung ab (Art. 151 Abs. 63 Z 5 B-VG). Ausgenommen sind nach wie vor die drei strittigen Kompetenztatbestände „Armenwesen“, „Elektrizitätswesen“ und „Heil- und Pflegeanstalten“, die neben weiteren Themen, wie etwa die schon im Regierungsprogramm vorgesehene Eingliederung von Bundesbehörden in die allgemeine staatliche Verwaltung, noch in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe behandelt werden.
Neu vorgesehen ist außerdem eine Einbeziehung der manuellen Datenverarbeitungen in die Datenschutzkompetenz des Bundes (Art. 10 Abs. 1 Z. 13 B-VG). Dieses Vorhaben ist bereits im April gescheitert (siehe Föderalismus-Info 3/2018) und soll nun wohl „im Windschatten“ der zahlreichen Übertragungen an die Länder umgesetzt werden, was allerdings grundsätzlich mit keinen schwerwiegenden Kompetenzverlusten für die Länder verbunden wäre.
In Summe wären die angeführten Kompetenzänderungen aus Sicht des Instituts positiv zu bewerten. Sie würden, wie die nachfolgend dargestellte Beseitigung der wechselseitigen Zustimmungsrechte, zu einer Entflechtung des Bundesstaates beitragen.
Im Bereich der Zustimmungsrechte ist unter anderem vorgesehen, das Zustimmungsrecht der Länder bei Änderungen der Bezirksgerichtssprengel zu beseitigen. Künftig sollen gemäß Art. 83 Abs. 1 B-VG die Sprengel der Bezirksgerichte durch Verordnung der Bundesregierung festgelegt werden. Die Erläuterungen halten dazu – quasi als (wenig wirksamen) Ausgleich – fest, dass die Interessen der Länder in dieser Frage weiterhin entsprechend berücksichtigt werden sollen. Wenngleich die Novelle keine Auswirkungen auf die Organisation der Landesgerichte hat, sind nach den Erläuterungen die Interessen der Länder auch in Bezug auf die Landesgerichte zu berücksichtigen, und zwar in der Form, dass in jedem Land zumindest ein Landesgericht bestehen soll.
Gegenüber dem Begutachtungsentwurf neu hinzugefügt wurde auch eine generelle Ermächtigung an die (einfache) Gesetzgebung, den Verwaltungsgerichten (neue) Aufgaben zuzuweisen, damit nicht – wie bisher – die Schaffung neuer Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte verfassungsgesetzlich im Einzelfall erfolgt. In derartigen Fällen soll es gemäß Art. 136 Abs. 3b B-VG künftig zulässig sein, abweichendes Verfahrensrecht zu erlassen – ohne dass es hierfür eine Erforderlichkeit oder Ermächtigung im VwGVG benötigt (Art. 136 Abs. 2 B-VG).
Eine weitere Neuerung soll ermöglichen, dass künftig Rechtsvorschriften aller Behörden – also etwa auch der Bezirksverwaltungsbehörden (soweit diese Angelegenheiten, die in Vollziehung Landessache sind, besorgen) der Gemeinden, der Gemeindeverbände, der im Bereich der Vollziehung der Länder eingerichteten Selbstverwaltungskörper (etwa der Ärztekammern in den Bundesländern) oder der Verwaltungsgerichte (zB deren Geschäftsordnung) – im Rechtsinformationssystem des Bundes kundgemacht werden können (Art. 15 Abs. 7 B-VG, der Art. 101a ersetzt).
Das Institut für Föderalismus ist gespannt, ob dieser Reformvorschlag in den Nationalrat und Bundesrat die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln erhält.
Aktuell ist ein Entwurf zur Änderung des Bundesämtergesetzes (Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten) in Begutachtung (72/ME). Gegenstand des Entwurfs ist eine Zusammenführung der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft mit der Bundesanstalt für Bergbauernfragen, was im Gefolge einer Reorganisation der Verwaltungsorganisation im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus stattfindet. Mit Hilfe der Zusammenlegung sollen allfällige Überschneidungen in den Aufgaben- und Fragestellungen ausgeschlossen sowie Synergieeffekte erzielt werden.
In den Erläuterungen werden jeweils die Wirkungsbereiche der beiden Bundesanstalten beschrieben. Gegenstand der Tätigkeit der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft ist die „Forschung auf dem Gebiet der Agrarwirtschaft Österreichs sowie Analysen agrarpolitischer Maßnahmen“. Der Wirkungsbereich der Bundesanstalt für Bergbauerfragen umfasst demgegenüber „Probleme des Bergraumes und anderer Gebiete mit ungünstiger Struktur und der in diesen Räumen lebenden Bevölkerung“. Kern der Tätigkeit ist insbesondere „Forschung in Angelegenheiten des Bergraumes sowie Analysen der natürlichen, gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Ursachen der Probleme des Bergraumes.“
Als Sitz der beiden Behörden ist weiterhin Wien vorgesehen (§ 16 Abs. 1 des Entwurfs). Die Hauptstadt wird offensichtlich nach wie vor als geeignetster Ort zur Analyse der Probleme des Bergraumes angesehen. Gerade in so einem Fall müsste allerdings aus Sicht des Instituts für Föderalismus über eine Dezentralisierung dieser Einrichtung diskutiert werden.
Die Überprüfung einer möglichen Dezentralisierung von Behörden könnte hier beispielsweise nach dem finnischen Modell erfolgen. Dort gilt auf der Basis des sogenannten Relocation Acts aus dem Jahr 2002, dass eine Verlagerung von staatlichen Einrichtungen in Betracht zu ziehen ist, wenn diese neu eingerichtet, in größerem Maß umgestaltet oder ihre Funktionen erheblich ausgeweitet werden. Liegt einer der drei Fälle vor, kommt einer sogenannten „Coordination Group for Relocation of State Functions“ (CGR) die Aufgabe zu, unterschiedliche Möglichkeiten einer territorialen Dezentralisierung unter Berücksichtigung operationaler, finanzieller, personeller und regionaler Faktoren zu bewerten und eine Empfehlung für eine effiziente Auslagerung auszusprechen. Mit der rechtlichen Verankerung eines derartigen Verfahrens ist Finnland im europäischen Vergleich einer der Vorreiter im Hinblick auf eine landesweit ausgewogene regionale Entwicklung.
Weitere Informationen finden Sie unter www.winterschool.eurac.edu.
Kontinuität und Wandel. Von „guter Polizey“ zum Bürgerservice – Festschrift 150 Jahre Bezirkshauptmannschaften
Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Band 125
Herausgeber: Peter Bußjäger, Matthias Germann, Christian Ranacher, Christoph Schramek, Wolfgang Steiner
ISBN: 978-3-7003-2093-7
661 Seiten, Hardcover
EUR 48,00
Bestellungen sind unter institut@foederalismus.at möglich.
Ende Mai wurde ein Ministerialentwurf (57/ME 26. GP) in Begutachtung geschickt, der im Wesentlichen eine Reduktion wechselseitiger Zustimmungsrechte von Bund und Ländern vorsieht sowie einen Großteil der Kompetenztatbestände in Art 12 B-VG – mit Ausnahme der Tatbestände „Armenwesen“, „Heil- und Pflegeanstalten“ sowie „Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art. 10 fällt“ – in die alleinige Gesetzgebungszuständigkeit von Bund oder Ländern überträgt.
In Bezug auf die Zustimmungsrechte entspricht der Entwurf im Wesentlichen einem Gesetzesantrag des Bundesrates aus der vorangegangenen 25. Gesetzgebungsperiode (869 BlgNR 25. GP). Vorgesehen ist unter anderem der Entfall des Zustimmungsrechts der Landesregierung zu Verordnungen der Bundesregierung über die Änderungen von Bezirksgerichtssprengeln. Dieses unspektakulär anmutende Recht hat sich in der Vergangenheit aus Sicht des Bundes als wesentliches Hindernis bei einer Reform der Gerichtsorganisation auf Bezirksebene dargestellt. Die Landesregierungen sahen sich häufig unter dem Druck lokaler Interessen genötigt, die Zustimmungen zur Fusionierung von Bezirksgerichten zu verweigern. Aus diesem Grund hat die Beseitigung der Norm für den Bund besondere Relevanz.
Im Gegenzug dafür sieht der Entwurf den Entfall von mehreren Zustimmungsrechten des Bundes in Landesangelegenheiten vor (so etwa bei Änderungen in den Sprengeln der politischen Bezirke durch Verordnung der Landesregierung oder hinsichtlich der Organisation des Amtes der Landesregierung und der Bestellung des Landesamtsdirektors).
Der Entwurf ist in wesentlichen Belangen ein deutlicher föderalistischer Fortschritt und wäre grundsätzlich positiv zu beurteilen. Es wird sich allerdings weisen, welche Einwände und Wi-derstände bereits im Begutachtungsverfahren erhoben werden und ob die Regierungsparteien willens sind, sich über diese Widerstände hinwegzusetzen. Ganz abgesehen davon wird sich die Frage stellen, ob im Parlament eine Verfassungsmehrheit zu finden ist. Seitens der SPÖ wurde bereits angekündigt, die im Entwurf vorgesehene Übertragung der Kinder- und Jugendfürsorge in die ausschließliche Landeskompetenz abzulehnen.
Es darf auch nicht übersehen werden, dass die umstrittenen Fragen der Mindestsicherung, der Krankenanstalten und des Elektrizitätswesens noch in einer Arbeitsgruppe zu klären sind. Abgesehen von diesen drei Kompetenztatbeständen werden in dem Begutachtungsentwurf bisherige Länderforderungen zwar erfüllt, allerdings ist fraglich, was letztlich vom Entwurf übrig bleibt.
Anfang Juli wurde der Entwurf eines Standort-Entwicklungsgesetzes (StEntG, 67/ME 26. GP) in Begutachtung geschickt. Gegenstand des Entwurfs ist ein „Verfahren zur Erlangung einer Bestätigung der Bundesregierung, dass standortrelevante Vorhaben im besonderen öffentlichen Interesse der Republik Österreich liegen, sowie daran anknüpfende verfahrensbeschleunigende Maßnahmen“. Die Standortrelevanz eines Vorhabens wird daran geknüpft, dass gemäß §§ 3 und 3a UVP-G 2000 eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Zudem werden – sehr allgemein gefasste – Beurteilungskriterien, ob ein standortrelevantes Vorhaben im besonderen öffentlichen Interesse der Republik Österreich liegt, vorgegeben (§ 2 Abs. 3 StEntG). Die Erläuterungen heben hervor, dass das Gesetz einen wesentlichen Beitrag zu einer Verfahrensbeschleunigung leisten soll, „um umfassende Investitionen in den Wirtschafts-, Industrie- und Infrastrukturstandort Österreich generieren zu können“.
Kritikwürdig ist insbesondere der ex lege Eintritt einer Genehmigung in § 11 StEntG. Dieser sieht vor, dass nach Ablauf eines Jahres ab der Kundmachung einer Verordnung, in der einem standortrelevanten Vorhaben das besondere öffentliche Interesse der Republik Österreich bestätigt wird (§ 9 StEntG), dieses Vorhaben gemäß dem UVP-G 2000 als genehmigt gilt.
Diese Art der Genehmigung ist nicht nur in mehrfacher Hinsicht (Rechtsstaatsprinzip, Gleichheitssatz) verfassungswidrig, sondern steht auch im Widerspruch zur UVP-Richtlinie der EU. Man könnte auch eine unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrecht gegen das entgegenstehende nationale Recht argumentieren. Relevante Vorhaben müssen demzufolge auf ihre Umweltauswirkungen geprüft werden, egal wie lange das Verfahren dauert. Wer das missachtet, dem droht ein Vertragsverletzungsverfahren und in letzter Konsequenz eine hohe Summe an Geldbußen.
Wenngleich das Ziel des Entwurfs, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, nachvollziehbar und positiv zu bewerten ist, wird es in dieser Form hoffentlich nicht beschlossen werden. Ein ähnliches Vorhaben, das ebenfalls mit gravierenden verfassungsrechtlichen Bedenken behaftet war, gab es bereits im Jahr 1993 in Form des Entwurfs eines sogenannten „Betriebsansiedelungserleichterungsgesetzes“ (siehe hierzu Bußjäger, Legitimation ohne Verfahren, JRP 1994, 107 ff). Damals verfolgte die Bundesregierung das Gesetzesvorhaben nicht weiter.
Die Taskforce sollte bis Juli 2018 Empfehlungen zur besseren Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie Vorschläge für die Bereiche, in denen die Zuständigkeiten an die Mitgliedstaaten zurückübertragen oder ihnen endgültig zurückgegeben werden könnten, vorlegen. Zudem sollten Wege, wie die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften besser in die Gestaltung und Umsetzung der EU-Politik einbezogen werden können, erarbeitet werden.
Der Abschlussbericht der Task Force wurde am 10. Juli veröffentlicht. Er gelangt zu insgesamt fünf Hauptschlussfolgerungen, aus welchen sich neun Empfehlungen mit insgesamt 36 konkreten Handlungsvorschlägen ableiten. Die Empfehlungen sind insgesamt wenig spektakulär und haben in erster Linie das Verfahren der Subsidiaritätsprüfung im Auge.
Es ist bereits bezeichnend, dass der hochkarätig zusammengesetzten Task Force kein einziger Vorschlag zu entnehmen ist, der eine Rückverlagerung von Kompetenzen auf die Mitgliedstaaten beinhaltet. Die Arbeitsgruppe ist der Meinung, dass sich die Union auf jene Kompetenzen konzentrieren soll, die einen Mehrwert mit sich bringen, wie Verteidigung, Sicherheit und Migration, und ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet des Klimaschutzes und der Innovation zu intensivieren sind. Ohne einen Bedarf an derartigen zusätzlichen Kompetenzen auf EU-Ebene abzustreiten, ist ein solches Fehlen an Vorschlägen zur Rückverlagerung von Kompetenzen problematisch.
Zutreffend ist allerdings der Ansatz der Task Force, dass es weniger die Kompetenzen der Union sind, die unter Subsidiaritätsaspekten problematisch sind, als vielmehr die Kompetenzwahrnehmung. Mit anderen Worten: Es geht um die Rechtsetzung durch Verordnungen und Richtlinien, bei der im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip größere Zurückhaltung angebracht ist. Allerdings führt die Kommission kein einziges Beispiel eines Rechtsaktes der Union an, dessen Regelungsintensität im Hinblick auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zurückzunehmen wäre. Dies obwohl beispielsweise die Niederlande gerade zu dieser Frage eine Reihe von konkreten Vorschlägen gemacht haben.
Ins Auge fällt außerdem, dass es der Task Force vorrangig darum geht, die Subsidiaritätsprüfung durch die nationalen Parlamente zu verbessern. Das ist theoretisch insoweit gerechtfertigt, als ja die nationalen Exekutiven im Rat selbst mitwirken und daher – theoretisch – davon ausgegangen werden könnte, dass diese ihre Subsidiaritätsbedenken selbst wahrnehmen. Praktisch gehen diese Überlegungen allerdings an der Realität vorbei, da Parlamente durch ihre Konstruktion als Repräsentativorgane und ihre Ausstattung tendenziell schlecht geeignet sind, rasch Stellungnahmen zu konkreten Rechtsetzungsvorhaben zu erarbeiten.
Ein wesentlicher Vorschlag der Task Force ist ein Muster für die Subsidiaritätsprüfung (Empfehlung Nr. 1). Ein derartiges Muster-Formular ist sicherlich hilfreich, mehr nicht. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass die europäische Ebene aufgefordert wird, den europäischen Mehrwert von Regelungen besser zu kommunizieren. Eine Öffentlichkeitsarbeit zugunsten einer zentralistischen Lösung hat eigentlich mit Subsidiaritätsprüfung nichts zu tun.
Im Vorfeld hatte Institutsdirektor Peter Bußjäger einen Beitrag zu Fragen der Subsidiarität und einer grundlegenden Reform der Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten veröffentlicht (Bußjäger, Ein vertieftes oder ein subsidiäres Europa?, ÖGfE Policy Brief 12’2018, Link).
Aus kompetenzrechtlicher Sicht von Interesse ist das Erkenntnis des VfGH vom 26. Juni 2018 (G 254/2017). Anlassfall war die Versagung einer Bewilligung zur Neuerrichtung eines Verkehrskontrollplatzes in der Gemeinde Lauterach (Vorarlberg) gemäß § 28 Abs 3 Vbg Baugesetz (vgl VfGH vom 27.6.2018, E778/2016); dies wegen Widerspruchs zu der im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Lauterach festgelegten Widmung. Bei der Behandlung der Beschwerde entstanden beim VfGH Bedenken dahingehend, dass es sich bei Verkehrskontrollplätzen samt der darauf befindlichen Bauwerke – soweit diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der Funktion der Verkehrskontrollplätze stehen – um einen Bestandteil der Bundesstraßen (Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG) handelt, weshalb die Regelung einer derartigen Einrichtung nicht in die (baurechtliche) Kompetenz der Länder nach Art. 15 Abs.1 B-VG falle.
Der VfGH blieb im anschließenden Gesetzesprüfungsverfahren bei dieser Auffassung. Demnach ist der Vorarlberger Landesgesetzgeber nicht befugt, einen Verkehrskontrollplatz an einer Bundesstraße samt einem darauf befindlichen Gebäude oder Bauwerk, welches in Zusammenhang mit der Funktion einer solchen Einrichtung steht, einer baurechtlichen Regelung zu unterwerfen. Unstrittig dürfte diese Sichtweise in Bezug auf den Verkehrskontrollplatz an sich sein. Als komplizierter erweist sich allerdings die Beurteilung der darauf befindlichen Gebäude. Dies vor dem Hintergrund, dass die Bundesstraßenkompetenz im Versteinerungszeitpunkt nur Anlagen, wie Straßengräben, Stütz- und Futtermauern, Brücken, Durchlässe und dgl. (§ 24 Abs 1 Bundesstraßengesetz 1921) umfasste. Unter Anwendung der Interpretationsmethode der intrasystematischen Fortentwicklung kam der VfGH allerdings zum Ergebnis, dass es sich bei Bauwerken auf einem Verkehrskontrollplatz – den Zusammenhang mit der Erfüllung der Funktion des Verkehrskontrollplatzes vorausgesetzt – um Anlagen der Art nach jenen in § 24 Abs. 1 Bundesstraßengesetz 1921 handle. Damit hat sich der VfGH für eine relative weitgehende Anwendung der intrasystematischen Fortentwicklung entschieden, die aus Sicht des Instituts für Föderalismus in dieser Form nicht nachvollziehbar ist.
Landeshauptfrau Mikl-Leitner stellte im Rahmen des ersten Panels die „Drei-D-Strategie des Landes Niederösterreich“ vor. Die drei D‘s stehen für „Digitalisierung“, „Dezentralisierung“ und „Deregulierung“. Unter diesem Motto wurde eine Dezentralisierungsoffensive gestartet in deren Rahmen 500 Arbeitsplätze aus dem Regierungsviertel in die Regionen Niederösterreichs verlagert werden. Ziel sei es, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze in den Regionen zu schaffen. Weitere Vortragende des ersten Panels waren Christoph Schaltegger von den Universitäten Luzern zum Thema „Dezentraler Staatsaufbau als Erfolgsfaktor“ sowie Lars Feld von der Universität Freiburg zu „Die Weltbesten sind föderal oder klein, in jedem Fall aber dezentral“. Georg Keuschnigg und Christoph Schramek vom Institut für Föderalismus präsentierten europäische Dezentralisierungsbeispiele aus Bayern, Dänemark, Finnland und Schweden sowie auf Ebene der Europäischen Union. Georg Keuschnigg und Peter Bußjäger sprachen zu Clusterstrategien in der öffentlichen Verwaltung.
Das zweite Panel war unter dem Titel „Wissen regional organisiert“ verschiedenen Praxisbeispielen aus Niederösterreich (Martina Höllbacher, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung), der Steiermark (Franz Prettenthaler, Joanneum Research Forschungsgesellschaft), Oberösterreich (Sonja Mündl, Softwarepark Hagenberg) und Kärnten (Thomas Lüftner, Silicon Austria Errichtungs GmbH mit drei Standorten in Graz, Villach und Linz) gewidmet.
Im abschließenden dritten Panel, dessen Fokus auf der Digitalisierung lag, sprach zunächst Ines Härtel von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt a. d. Oder zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und stellte unter anderem die Digitalisierungsstrategie der deutschen Bundesregierung vor. Im Vortrag von Sektionschef Gerhard Popp, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, wurde die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung näher ausgeführt.
Die Tagungsunterlagen stehen auf der Homepage des Instituts für Föderalismus zum Download zur Verfügung.
Das föderale System sieht sich auf staatlicher und europäischer Ebene einer Reihe gravierender Herausforderungen gegenüber. Die Krise der europäischen Demokratie, die Entwicklung von funktionalen, grenzübergreifenden Räumen, Digitalisierung, demographischer Wandel und die Folgen des Klimawandels sind hier die wichtigsten Beispiele. Die diesjährige Konferenz diskutiert diese neuen Herausforderungen an den Bundesstaat in Österreich und Europa und zeigt Perspektiven sowie Lösungsansätze auf.
Das Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ sieht vor, dass es künftig anstelle der neun Gebietskrankenkassen nur noch eine einzige „Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK)“ geben soll. Dazu soll laut Regierungsübereinkommen ein organisatorisch, personell, finanziell und inhaltlich nachhaltiger Umsetzungsprozess mit den Bundesländern aufgesetzt werden. Institutsdirektor Peter Bußjäger hat sich mit dem Thema aus Sicht des Vorarlberger Gesundheitssystems intensiv auseinandergesetzt und zeigt in einem Gutachten verschiedene Risiken auf, die bei einer Zentralisierung im Gesundheitswesen drohen. Das Gutachten steht auf der Homepage des Instituts im Volltext zum Download zur Verfügung (<foederalismus.at/contentit4/uploads/Reform%20der%20Sozialversicherungen.pdf>).
Für Peter Bußjäger ist klar, dass die neun Gebietskrankenkassen im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle einnehmen und eine Zentralisierung klare Nachteile mit sich bringen würde: „Die Funktion der Gebietskrankenkassen besteht darin, die regionale Gesundheitsversorgung in Kooperation mit den regionalen Akteuren auf Landesseite und den Ärztinnen und Ärzten sicherzustellen. Eine zentralistische Ausrichtung der Krankenversicherung in dem Sinne, dass etwa nur noch eine einzige Krankenversicherung oder mehrere Krankenversicherungen vorhanden sind, die zentral verankert sind und in den Ländern allenfalls noch Geschäftsstellen ohne wesentliche Entscheidungskompetenzen aufweisen, würde diese Balance stören. Davon abgesehen ist das bestehende System mit einer dezentralen Steuerung der Leistungserbringung innovativer als ein zentralistisches System. Die Dezentralisierung der Versorgungsstruktur macht das System auch messbar. Ganz abgesehen von der Frage, ob eine Fusionierung der Gebietskrankenkassen überhaupt spürbare Kostensenkungen ermöglicht, sind daher negative Konsequenzen zu befürchten, die sich aus dem Verlust der Nähe zu den Versicherten und den Leistungsanbietern ergeben“, schreibt Bußjäger in seinem Gutachten.
Auf der Basis dieses Gutachtens wurde ein Positionspapier entwickelt. Dieses ist im Föderalismus-Blog unter <foederalismus.at/blog/vorarlberger-positionspapier-zur-reform-der-sozialversicherungen_183.php> abrufbar.
Im ursprünglichen Antrag 189/A, 26. GP, sollte der Bund in Art. 10 Abs. 1 Z. 13 B-VG die Kompetenz zum „allgemeinen Schutz personenbezogener Daten“ in Gesetzgebung und Vollziehung erhalten. Zudem war vorgesehen, dass in Art. 102 Abs. 2 B-VG eine Ermächtigung zur Führung in unmittelbarer Bundesverwaltung begründet wird.
Die Erläuterungen führten hierzu an, dass – vor dem Hintergrund der zwischen Bund und Ländern geteilten Gesetzgebungskompetenz im Datenschutzrecht – der Bund in die Lage versetzt werden sollte, die DSGVO und die Richtlinie (EU) 2016/680 „einheitlich und vollständig, also auch hinsichtlich manueller personenbezogener Daten durchzuführen bzw. umzusetzen.“ Weiters wurde in den Erläuterungen ausgeführt, dass die allgemeinen Angelegenheiten des Schutzes personenbezogener Daten auf den neuen Kompetenztatbestand in Art. 10 B-VG gestützt werden sollten, während spezifische datenschutzrechtliche Regelungen weiterhin auf den Kompetenztatbeständen der jeweiligen Materie gründen. Letzteres hätte beispielsweise für die Erlassung von Regelungen über Archivsperren nach den archivrechtlichen Vorschriften der Länder gegolten.
Was den Bereich der Vollziehung betrifft, hieß es in die Erläuterungen, dass „die bloße Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Länder und Gemeinden als Verantwortliche“ keine „Vollziehung“ sei. Für die faktische Handhabung personenbezogener Daten durch Behörden bedürfe es insofern keiner allgemeinen datenschutzrechtlichen Vollzugskompetenz, sondern lediglich einer Zuständigkeit aus einem „Materiengesetz“. Damit wäre wohl klargestellt gewesen, dass der Verfassungsgesetzgeber die Verarbeitung von Daten im Bereich von Ländern und Gemeinden nicht als „Vollziehung“ des Datenschutzrechtes betrachtet hätte.
In Summe wäre die Neuregelung für die Länder grundsätzlich mit keinen schwerwiegenden Kompetenzverlusten verbunden gewesen. Davon unberührt bleibt allerdings die verfassungspolitische Bewertung einer isolierten Änderung des B-VG zu Lasten der Länder.
Die Frage, was „allgemeiner Datenschutz“ ist, hätte wohl in der Praxis gelegentlich zu Unklarheiten geführt.
Links zum Blog:
Teil 1: <foederalismus.at/blog/verfassung-und-verfassungsgerichtsbarkeit_177.php>
Teil 2: <foederalismus.at/blog/die-entwicklung-der-verfassungsgerichtsbarkeit-in-oesterreich_178.php>
Teil 3: <foederalismus.at/blog/das-europarecht-als-katalysator-der-verfassungsgerichtsbarkeit_179.php>
Teil 4: <foederalismus.at/blog/die-organisation-des-verfassungsgerichtshofes_180.php>
Teil 5: <foederalismus.at/blog/verfassungsgerichtsbarkeit-und-demokratie_181.php>
Das Buch „Federalism and Education: Ongoing Challenges and Policy Strategies in Ten Countries“ ist kürzlich als neuer Band in der Reihe „Research in Educational Policy: Local, National, and Global Perspectives“ erschienen. Besondere Aufmerksamkeit wird in dein Beiträgen sowohl der Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen des jeweiligen föderalen Systems als auch der vertikalen und horizontalen Kooperation gewidmet. Die einzelnen Kapitel enthalten vergleichende Untersuchungen und Erfahrungsberichte in einem äußerst wichtigen Bereich, die nicht nur von Föderalstaaten von Interesse sind, sondern auch für im Entstehen begriffene föderale Systeme. Der österreichische Länderbericht wurde von Institutsdirektor Peter Bußjäger verfasst.
Herausgeber:
Kenneth K. Wong, Brown University
Felix Knüpling, Forum of Federations
Mario Kölling, Spanish National Distance Education University (UNED)
Diana Chebenova, Forum of Federations
PB: 978-1-64113-172-8
HC: 978-1-64113-173-5
E?Book: 978-1-64113-174-2
Link zum Download:
<foederalismus.at/contentit4/uploads/Folder_Dezentralisierung.pdf>
Die fortschreitende Urbanisierung und die damit verbundenen demografischen Entwicklungen stellen viele Regionen Europas vor neue Herausforderungen. Eine der Ursachen ist das gestiegene Bildungsniveau, verbunden mit einer höheren Qualifizierung der Arbeitskräfte, die in den Regionen keine ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten finden. Ein Effekt der Wissensgesellschaft ist zudem die gestiegene Bedeutung der Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für die regionale Entwicklung.
Vor diesem Hintergrund sehen einige Staaten bzw. Länder Europas in Dezentralisierungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung Ansatzpunkte zur Stärkung der Arbeitsmärkte in den Regionen. Ziel der Konferenz ist es, Erfolgskriterien der Dezentralisierung der öffentlichen Verwaltung zu identifizieren und die steigende Bedeutung und Rolle der tertiären Bildungs- und Forschungseinrichtungen für ihre Standortregionen aufzuzeigen und mit Praxisbeispielen zu belegen.
Konferenz „Verwaltung im digitalen Zeitalter: Territoriale Dezentralisierung und ausgewogene regionale Entwicklung“
Dienstag, 26. Juni 2018, 10:00 bis 17:00 Uhr
St. Pölten, Landhaus, Landhausplatz 1, Ostarrichisaal.
Link zur Einladung: <foederalismus.at/contentit4/uploads/Verwaltung%20im%20digitalen%20Zeitalter.pdf>
Für Anmeldungen und weitere Informationen:
+43 512 574594
Einreichungen sind bis spätestens Freitag, 30. März 2018 an das Institut für Föderalismus, Adamgasse 17, 6020 Innsbruck, E-Mail: institut@foederalismus.at, zu richten.
Link zu weiteren Informationen:
www.foederalismus.at/foederalismuspreis
In Bayern wurde nicht nur eine eigene (Frei-)Staatszielbestimmung zur Förderung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in die Verfassung aufgenommen, sondern mit der sogenannten „Heimatstrategie“ ein umfassendes Konzept mit insgesamt fünf Säulen in Angriff genommen. Eine dieser Säulen bilden die Behördenverlagerungen, in deren Rahmen 50 Behörden und staatliche Einrichtungen mit rund 3.200 Personen in alle Regierungsbezirke Bayerns verteilt werden. Rund 55 Prozent dieser Projekte sind bereits abgeschlossen. Mit Hilfe eines eigenen Personalrahmenkonzepts wurde auf eine sozialverträgliche Gestaltung geachtet.
Das dänische Programm, die staatlichen Behörden und Organisationen auf das ganze Land zu verteilen, mit dem Ziel einer „besseren Balance“, wurde Mitte 2015 gestartet. Als Richtmarke gab man die Verlagerung von 3.900 Arbeitsplätze aus; in einer ersten Welle wurden 2.546 Arbeitsplätze verlegt. Eine zweite Runde startete im Jänner 2018 mit dem Ziel, weitere 1.788 Arbeitsplätze aus Kopenhagen auf die Regionen des Landes zu verteilen.
In Finnland wurde bereits im sogenannten „Relocation Act 2002“ die Verlagerung von Regierungseinrichtungen und -aufgaben auf die Regionen außerhalb Helsinkis als Ziel ausgegeben. Vor diesem Hintergrund wurden in den Jahren 2002 bis 2015 einzelne Dezentralisierungsprojekte durchgeführt. Aktuell sollen im Zuge einer umfassenden Verwaltungsreform, die zu Beginn des Jahres 2020 in Kraft treten wird, 4.500 Regierungsstellen auf Bezirksebene verlagert werden.
In Schweden ist eine Umstrukturierung von 21 Provinzen zu 6 Großregionen am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Aktuell läuft eine Initiative der Regierung zur Umsiedlung von insgesamt 21 Behörden. Insgesamt 2.000 Stellen sollen in der laufenden Legislaturperiode von Stockholm in andere Städte Schwedens verlegt werden. Im Vorhinein wird jeweils geprüft, ob eine Behörde ihrer Tätigkeit am neuen Standort ausreichend nachkommen kann und ob am jeweiligen Standort bereits staatliche Behörden angesiedelt sind.
Dieser Frage gehen Lars Feld, Christoph A. Schaltegger, Heiko T. Burret und Lukas A. Schmid in einem aktuell im Föderalismus-Blog veröffentlichten Beitrag nach. Der Beitrag gründet auf dem Werk „Föderalismus und Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz“, das im August 2017 im NZZ Libro Verlag erschienen ist.
Link zum Blogbeitrag:
www.foederalismus.at/blog/foederalismus-und-wettbewerbsfaehigkeit_169.php
Weitere Informationen:
Föderalismus und Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz
Prof. Dr. Lars P. Feld, Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger
ISBN: 978-3-03810-279-3
www.nzz-libro.ch/feld-schaltegger-foederalismus-und-wettbewerbsfaehigkeit-schweiz.html
Der Sammelband untersucht ausgewählte Entwicklungen, die den Prozess der europäischen Integration in den vergangenen Jahren begleitet haben: Zentralisierungsbestrebungen einerseits und Dezentralisierungstendenzen andererseits. Die daraus resultierenden und nach wie vor bestehenden Spannungsfelder betreffen sowohl die europäische als auch die nationale Ebene. Auf europäischer Ebene geht es in erster Linie um die vertikale Kompetenzverteilung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten. Auf mitgliedstaatlicher Ebene spannt sich der Bogen vom Sezessionismus auf der einen Seite bis zu intensiver transnationaler Kooperation von Regionen auf der anderen Seite. Diese Entwicklungen werden im Allgemeinen und am Beispiel der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino im Besonderen aus historischer, rechtlicher, ökonomischer und politikwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Die einzelnen Beiträge sind in deutscher oder italienischer Sprache verfasst; ein Abstract in der jeweils anderen Sprache fasst die wesentlichen Ergebnisse und Inhalte zusammen.
Obwexer/Bußjäger/Gamper/Happacher (Hrsg)
Integration oder Desintegration?
Herausforderungen für die Regionen in Europa
2018, 297 S., Broschiert,
ISBN 978-3-8487-4352
Link zum Tagungsprogramm:
Anmeldungen per Mail an: monika.weber@uibk.ac.at
Für Anmeldungen und weitere Informationen:
Büro Landeshauptmann Arno Kompatscher
Tel. +39 0471 412222
Link zu weiteren Informationen:
www.foederalismus.at/foederalismuspreis
Im Dezember des Vorjahres haben die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ das neue Regierungsprogramm für die Jahre 2017 bis 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es umfasst insgesamt 182 Seiten und ist durch zahlreiche unbestimmte und interpretationsbedürftige Ankündigungen gekennzeichnet, die zunächst unklar lassen, was tatsächlich beabsichtigt ist.
Aus föderaler Sicht ist hervorzuheben, dass die zentralistischen Tendenzen, trotz vereinzelter Bekenntnisse zu Subsidiarität, deutlich überwiegen. Die Wortwahl im Programm lässt eine Wertschätzung föderaler Strukturen und ihrer Vorzüge eher vermissen. Mitunter wird betont, veraltete Strukturen überwinden zu müssen, und damit auch angedeutet, wohin die Reise gehen soll.
Positiv zu bewerten ist die Betonung des kooperativen Föderalismus und das angestrebte Einvernehmen zwischen Bund und Ländern. Immer wieder wird auf die Notwendigkeit der Evaluierung bestimmter Maßnahmen hingewiesen. Die Länder werden darauf dringen müssen, in diesen Prozessen mitwirken zu können
In der Folge seien die wichtigsten Inhalte aus föderaler Perspektive kurz dargestellt:
- „Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung“ (S. 13):
In diesem Zusammenhang wird eine aufgabenorientierte Reform des Finanzausgleichs angekündigt. Dies kann sich für Länder und Gemeinden durchaus als problematisch erweisen, wenn Finanzmittel stets nur von konkreten Aufgabenerfüllungen abhängig gemacht werden.
- „Vereinheitlichung von Organisationsstrukturen“ (S. 15), „Verfahrenskonzentration“ (S. 16, vgl. auch S. 17 sowie S. 134):
An mehreren Stellen ist die verstärkte Einrichtung von „One-Stop-Shops“, insbesondere durch Verfahrenskonzentration, vorgesehen. Diese Vorschläge sind prinzipiell positiv zu bewerten. Voraussetzung ist jedoch, dass es dabei zu keinen Kompetenzverschiebungen kommt. So muss bei einer gemeinsamen Abwicklung von bundes- und landesrechtlichen Angelegenheiten die Weisungsbefugnis der Landesregierung in der Vollziehung landesrechtlicher Vorschriften erhalten bleiben. Dazu kommt das angestrebte vollkonzentrierte Genehmigungsverfahren für Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken (S. 134).
- „Entflechtung der Kompetenzverteilung“ (S. 17):
Neuzuordnungen von Kompetenzen werden im Regierungsprogramm an mehreren Stellen angesprochen. Auf Seite 17 wird zunächst eine Überprüfung und Neuordnung der Kompetenztatbestände in den Art. 10 bis 15 B-VG angekündigt, insbesondere die Abschaffung des Kompetenztypus der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung in Art. 12 B-VG.
Weitere Kompetenzverschiebungen – in der Regel in Richtung Bund – sind an folgenden Stellen zu finden:
- „Effizienzgewinne bei der mittelbaren Bundesverwaltung“ (S. 17):
Dieser Punkt sieht vor, dass künftig Aufgaben einzelner Bundesbehörden in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen und somit in die allgemeine staatliche Verwaltung der Länder eingegliedert werden. Aus Sicht des Instituts für Föderalismus ist ein derartiger Ansatz positiv zu bewerten.
- „Nachhaltige Reduktion der Sozialversicherungsträger auf maximal 5 Träger“ (S. 114 f):
Das Institut für Föderalismus betrachtet es insbesondere für notwendig, dass die Gewährleistung regionaler Gesundheitsversorgung auf Landesebene gesteuert wird. Dies könnte auch in der Form erfolgen, dass es in jedem Land einen Sozialversicherungsträger gibt und ein zentraler Hauptverband notwendige Steuerungen vornimmt.
Im konkreten Fall ging es um das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (BekGG). Dieses betraut den Bundesminister für Unterricht, Kunst und Kultur mit der Entscheidung über den Erwerb der Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften sowie mit weiteren Aufgaben, wie etwa der Führung eines Registers über die religiösen Bekenntnisgemeinschaften mit Rechtspersönlichkeit. Einzig die Beendigung der Mitgliedschaft zu einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft fällt in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden, denen gegenüber der Austritt zu erklären ist (§ 8 BekGG). Die wesentlichen hoheitlichen Entscheidungen im BekGG werden somit vom zuständigen Bundesminister getroffen.
Kompetenzgrundlage des BekGG sind die „Angelegenheiten des Kultus“ in Art 10 Abs 1 Z 13 B-VG, die wiederum in Art 102 Abs 2 B-VG nicht aufgezählt werden und dementsprechend in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen wären. Vor diesem Hintergrund äußerte das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall Bedenken dahingehend, dass aufgrund der weitreichenden ministeriellen Zuständigkeiten im BekGG das System der mittelbaren Bundesverwaltung unterlaufen werde.
Der VfGH hatte bislang mehrfach ausgesprochen, dass es verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen sei, im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Ausmaß und unter Einhaltung sonstiger verfassungsrechtlicher Vorgaben einem Bundesminister Agenden zur Besorgung in erster Instanz zu übertragen. Dabei sei es an sich auch zulässig, wenn sich der jeweilige Bundesminister zur Besorgung solcher Aufgaben ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane bedient (insbesondere VfSlg 11.403/1987).
Im aktuellen Erkenntnis zieht der VfGH allerdings die Versteinerungstheorie heran: Da bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des B-VG im Jahr 1920 erstinstanzliche Zuständigkeiten eines Ministers zur Entscheidung über die Anerkennung einer Religionsgesellschaft bestanden haben, geht der VfGH davon aus, dass der Verfassungsgesetzgeber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art 102 B-VG in Kauf genommen habe, dass Entscheidungen über die Anerkennung von Kirchen und Religionsgesellschaften und vergleichbare Entscheidungen weiterhin von der Ministerialinstanz besorgt werden dürfen. Insofern könne nicht von einem verfassungswidrigen Unterlaufen der mittelbaren Bundesverwaltung ausgegangen werden.
Abschließend verweist der VfGH noch auf VfSlg 11.403/1987 und hält knapp fest, dass im gegenständlichen Fall die dort festgelegten verfassungsrechtlichen Grenzen zur Begründung ministerieller Zuständigkeiten nicht überschritten worden seien.
Verwunderlich ist zum einen die Anwendung der Versteinerungstheorie, deren eigentlicher Zweck es ist, die Bedeutung eines Kompetenztatbestandes zu ermitteln. Eine Versteinerung von Vollziehungszuständigkeiten ist hingegen ungewöhnlich. Zum anderen verabsäumt es der VfGH, im Erkenntnis nähere Ausführungen zur Begründung erstinstanzlicher Ministerialkompetenzen zu treffen. Wie diese im System des Art 102 B-VG konkret eingeordnet werden können bleibt damit weiterhin unklar. Dasselbe gilt auch für die Grenzen der Begründung derartiger Zuständigkeiten.
In einer aktuellen Spectra-Studie der Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich (IWS) wurde die Meinung der oberösterreichischen Bevölkerung zu verschiedenen, insbesondere aus föderaler Sicht interessanten Themen erforscht.
Ein eindeutiges Ergebnis gab es vor allem beim Thema Gemeindekooperation. Insgesamt 77% der Befragten sprachen sich für eine verstärkte Zusammenarbeit von Gemeinden aus, wenngleich dies mit längeren Wegen und Wartezeiten für Bürger verbunden sein könnte. Eine verstärkte Dezentralisierung von Bundesdienststellen außerhalb der Bundeshauptstadt Wien erachteten insgesamt 57% der Befragten für sinnvoll, während sich 32% dagegen aussprachen.
Beim Thema Finanzausgleich konnte keine eindeutige Tendenz zu mehr Steuerautonomie für Länder und Gemeinden ausgemacht werden. 48% der Befragten äußerten sich positiv gegenüber der Idee, dass Länder und Gemeinden autonom zumindest einen Teil der Steuern einheben. Demgegenüber sind 40% der Ansicht, dass die Steuerhoheit auf Seiten des Bundes nicht angetastet werden sollte.
Nähere Informationen sind auf der Homepage der IWS abrufbar: www.iwsooe.at
In seinen Begrüßungsworten hob der Präsident des Vorarlberger Landtags Harald Sonderegger die hohe Kooperationsbereitschaft der Vorarlberger Gemeinden hervor. Von Seiten des Landes Vorarlberg bemühe man sich, Kooperationen – beispielsweise mit Hilfe von begleitenden Maßnahmen in Kooperationsprozessen oder Anschubfinanzierungen – zu fördern. Ständige Veränderungsprozesse würden neue Kooperationsformen erforderlich machen.
Im Anschluss wurde im Rahmen von vier Fachinputs ein theoretischer und praktischer Überblick vermittelt. Den Beginn machte Daniel Müller-Jentsch von der Avenir Suisse mit einem Vortrag zum Strukturwandel im Berggebiet sowie funktionalen Räumen und regionaler Kooperation. Dabei wurden zunächst strukturelle Nachteile des alpinen Raums, insbesondere in der Schweiz, dargestellt, wodurch Berggebiete wirtschaftlich unter Druck geraten. Es gibt allerdings zahlreiche funktionale Räume, wie etwa Täler oder Tourismusdestinationen. Für diese bedürfe es einer variablen Geometrie regionaler Kooperationen. Zentral seien regionale Innovationssysteme als Schlüssel für regionale Wettbewerbsfähigkeit sowie Clusterbildungen.
Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus, widmete sich in der Folge der Interkommunalen Zusammenarbeit in Vorarlberg und attestierte ihr „Freiwilligkeit auf hohem Niveau“. Allerdings müsse die Landesebene eine gewisse Steuerungsfunktion wahrnehmen, die Prozesse strukturieren und nach Möglichkeit beschleunigen. Die Gemeinden selbst dürften die demokratische Kontrolle der Gemeindekooperation nicht aus den Augen verlieren. In Summe müssten Gemeindekooperation stärker in die Fläche, in die Regionen gehen, was auch der entscheidende Vorteil gegenüber der Fusion sei.
Das Projekt eines „gemeinsamen Gemeindeamts“ wurde von Klaus Wirth, Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ), dargestellt. Kooperation sei primär eine Frage der Zweckmäßigkeit und des Wollens. Sie erfordere klare Positionierung, entsprechende Rahmenbedingungen sowie konsistentes Handeln aller Akteure. Dies gelte insbesondere für die Idee einer gemeinsamen Verwaltung mehrerer Gemeinden, die bisher in Vorarlberg freilich nur diskutiert, jedoch noch nicht umgesetzt wurde.
Der vierte und letzte Fachinput kam von Georg Keuschnigg, Institut für Föderalismus. Im Zuge dieses Vortrags wurden nationale und internationale Beispiele regionaler Zusammenarbeit näher erläutert. Diese umfassten das Kleinregionenkonzept in Niederösterreich, die Südtiroler Bezirksgemeinschaften, die Regionalkonferenzen im Kanton Bern sowie den Stand Montafon. Eine aktuelle Entwicklung stellt ein neues Südtiroler Landesgesetz zur Neuordnung der örtlichen Körperschaften dar. Im Rahmen dieses Gesetzes kann das Land Südtirol künftig Kooperationssprengel verordnen.
Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einer Podiumsdiskussion zur Frage „Braucht es mehr Verbindlichkeit in der interkommunalen Zusammenarbeit?“. An der Diskussion nahmen Landtagspräsident Harald Sonderegger, Gemeindeverbandspräsident Harald Köhlmeier, Landes-Rechnungshofdirektorin Brigitte Eggler-Bargehr, sowie Klaus Wirth und Peter Bußjäger teil. Zusammenfassend lässt sich dazu festhalten, dass Kooperationen, die stärker als bisher die verschiedenen Kleinregionen des Landes umfassen, als notwendig erachtet werden. Dabei herrschte weitgehende Einigkeit darüber, dass es einer aktiveren Unterstützung von Seiten des Landes bedarf. Die Gemeindekooperation in Vorarlberg finde bereits jetzt auf hohem Niveau statt. Eine Strukturreform brauche es nicht, dafür aber jedenfalls mehr Verbindlichkeit im Sinne klarer Rechtsgrundlagen der Kooperationen.
Link zum Tagungsprogramm:
www.foederalismus.at/contentit4/uploads/Einladung%20Bildungsverwaltung.pdf
Anmeldungen per Mail an: institut@foederalismus.at
Link zum Tagungsprogramm:
Anmeldungen per Mail an: monika.weber@uibk.ac.at
Der VfGH hat sich jüngst mit dem sogenannten „Durchgriffsrecht“ des Bundes, das im BVG über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden (BVG Unterbringung) verankert ist, auseinandergesetzt (E 692/2017-17 vom 28.09.2017). Anlass für das Erkenntnis war die geplante Unterbringung von Asylwerbern auf dem Gelände der ehemaligen Frauenklinik in Wels.
Das „Durchgriffsrecht“ im BVG Unterbringung
Das „Durchgriffsrecht“ sieht vor, dass der Bundesminister für Inneres bestimmte Liegenschaften durch Bescheid vorläufig zur Nutzung als Quartiere von hilfs- und schutzbedürftigen Personen bereitstellen kann (Art. 3 BVG Unterbringung). Eine derartige (vorläufige) Entscheidung ersetzt Bewilligungen, Genehmigungen oder Anzeigen nach bundes- und landesrechtlichen Vorschriften. Sie kann allerdings nur ergehen, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind: So muss zunächst die jeweilige Liegenschaft im Eigentum des Bundes oder diesem zumindest zur Verfügung stehen. Außerdem darf ein vorläufiger Bescheid zur Nutzung nur erlassen werden, wenn sowohl das betroffene Land als auch der betroffene Bezirk ihre Quoten zur Unterbringung nicht erfüllen. Darüber hinaus dürfen überwiegende Interessen der Sicherheit, der Gesundheit und des Umweltschutzes nicht entgegenstehen.
In der Literatur wurde einerseits kritisiert, dass das BVG erhebliche Eingriffe in die bundesstaatliche Kompetenzverteilung sowie den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde bewirke, andererseits wurden massive rechtsstaatliche Bedenken geäußert. Dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die betroffenen Gemeinden und Nachbarn keine Parteistellung haben und den Bescheid auch praktisch nicht bekämpfen können.
Bisherige Rechtsprechung des VfGH
Die gegenständliche Entscheidung betreffend die Stadt Wels stellt nicht den ersten Fall dar, in welchem das BVG-Unterbringung Gegenstand eines Erkenntnisses des VfGH war. Bereits im Jahr 2016 wandte sich die Gemeinde Ossiach mit einer Beschwerde gegen einen vorläufigen Bescheid des Bundesministers für Inneres an den VfGH (E2310/2015 vom 08.03.2016). Die Beschwerde wurde allerdings zurückgewiesen, da sie sich weder auf ein Erkenntnis noch auf einen Beschluss eines Verwaltungsgerichts bezog (Art. 144 Abs. 1 und 4 B-VG). Vor dem Hintergrund, dass Art. 3 Abs. 1 BVG Unterbringung eine Beschwerde gegen den vorläufigen Nutzungsbescheid an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ausschließt, wies der VfGH der Gemeinde jedoch den richtigen Anfechtungsweg und empfahl, dennoch eine Beschwerde an das BVwG zu erheben, um den Ausschluss des Rechtsmittels wegen einer Baugesetzwidrigkeit geltend zu machen. Im Zuge eines derartigen Verfahrens könne, so der VfGH, das BVwG prüfen, ob der vorläufige Nutzungsbescheid überhaupt einen gesondert anfechtbaren Bescheid darstellt oder einen Einleitungsakt für den endgültigen Nutzungsbescheid nach Art. 3 Abs. 6 BVG Unterbringung bildet.
Das aktuelle Erkenntnis
Die Stadt Wels hatte zunächst den Bescheid des Bundesministers für Inneres, mit dem die vorläufige Nutzung der Liegenschaft zur Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Personen verfügt wurde, entsprechend der vorher beschriebenen „Anleitung“ des VfGH beim BVwG angefochten. Diese Beschwerde wurde mangels Parteistellung der Stadt Wels zurückgewiesen. Der Bescheid des Bundesministers für Inneres sei gemäß Art. 3 Abs. 8 BVG Unterbringung nur gegenüber dem Grundstückseigentümer erlassen worden. Dies könne lediglich der Bund selbst sein oder derjenige, der das Grundstück zivilrechtlich zur Verfügung stellt.
Im Anschluss daran erhob die Stadt Wels Beschwerde an den VfGH und machte darin zum einen eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Selbstverwaltung und zum anderen mehrere Baugesetzwidrigkeiten des BVG Unterbringung geltend. Letzteres wurde damit begründet, dass das BVG sowohl gegen das bundesstaatliche als auch gegen das rechtsstaatliche Prinzip verstoße.
Der VfGH bestätigte in seinem Erkenntnis die Ausführungen des BVwG hinsichtlich der Parteistellung und bekräftigte, dass sowohl der Systematik als auch dem Zweck des BVG Unterbringung zufolge alleine der betroffene Grundstückseigentümer als Partei an einem derartigen Verfahren teilnehmen solle. Da die Zurückweisung des BVwG auf den Ausschluss der Parteistellung gestützt war und nicht auf den Ausschluss der Beschwerde in Art. 3 Abs. 1 BVG Unterbringung, bildete ebendieser Rechtsmittelausschluss keinen Gegenstand des Verfahrens vor dem VfGH. Daraus kann geschlossen werden, dass, wenn, nur ein Grundstückseigentümer diesen Ausschluss bekämpfen kann.
Hinsichtlich der weiteren Beschwerdegründe hielt der VfGH fest, dass das BVG Unterbringung weder gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung der Gemeinde verstoße, noch zu einem verfassungswidrigen Eingriff in die Kompetenzen der Länder führe. Des Weiteren sah er in der Gestaltung der Nachbarrechte keinen derart gravierenden Eingriff, dass eine Gesamtänderung der Bundesverfassung vorliege. Im Übrigen ging der VfGH noch auf die Behauptung der Stadt Wels ein, dass gewisse vom Bescheid des Bundesministers für Inneres umfasste Einrichtungen, wie etwa eine Registrierungsstelle, nicht unter das BVG Unterbringung subsumiert werden könnten. Sollte diese Behauptung zutreffen, sei es Sache der einschreitenden Gemeinde, nach den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften vorzugehen.
Bewertung
Der VfGH schloss zwar im gegenständlichen Erkenntnis dezidiert aus, dass durch das BVG Unterbringung die Gesamtänderungsschwelle überschritten worden sei. Die in der Literatur geäußerten rechtsstaatlichen Bedenken am dort vorgesehenen Verfahren haben aber unabhängig davon weiterhin ihre Gültigkeit.
Aus bundesstaatlicher Sicht ist hervorzuheben, dass das BVG zweifellos auch einen erheblichen Eingriff in Landeskompetenzen bewirkt. Dieser könnte jedoch angesichts einer prekären Situation mit Hinblick auf eine möglichst rasche Unterbringung von Flüchtlingen grundsätzlich noch als gerechtfertigt angesehen werden.
In Summe muss jedenfalls die Frage gestellt werden, ob sich nicht ein ausgewogeneres Verfahren letzten Endes als geeigneter erwiesen hätte. Insofern darf weiterhin gehofft werden, dass die Lebensdauer des BVG Unterbringung nach dem Außerkrafttreten am 31.12.2018 nicht verlängert wird.
Weiterführende Literatur:
Bußjäger, Das Verfahren zur Nutzung von Grundstücken für die Unterbringung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden aufgrund des Durchgriffsrechts, migraLex 2016/03, 67-72.
Einer Empfehlung des Instituts für Föderalismus folgend wird nun mit dem Umweltbundesamt eine erste größere Dienststelle des Bundes von Wien in die Peripherie, konkret nach Klosterneuburg, verlagert. Dies betrifft rund 520 Arbeitsplätze. Bislang war das Umweltbundesamt, eine nachgeordnete Dienststelle des BMLFUW, an vier verschiedenen Standorten im 9. und 20. Wiener Gemeindebezirk angesiedelt. Vor dem Hintergrund der Sanierungsbedürftigkeit dieser Standorte wird die Übersiedelung auch als wirtschaftlich sinnvoll erachtet.
Die Maßnahme stellt einen ersten größeren Schritt im Rahmen des „Masterplans für den ländlichen Raum“ von BM Rupprechter dar. Derzeit sind 64 von 68 Bundeseinrichtungen in Wien angesiedelt, was im internationalen Vergleich mit Deutschland und der Schweiz einen auffällig hohen Grad an Zentralisierung darstellt. Einen Sitz außerhalb von Wien haben lediglich die Österreichischen Bundesforste (Pukersdorf), das Österreichische Sprachen-Kompetenz-Zentrum (Graz), das Bundesamt für Weinbau (Eisenstadt) sowie das Bundesamt für Wasserwirtschaft. Letzteres übersiedelte im Vorjahr von Wien nach Scharfling am Mondsee.
In der Studie „Dezentralisierungspotenziale in der Bundesverwaltung“ des Instituts für Föderalismus sowie des Instituts für Verwaltungsmanagement, die im Frühjahr 2017 erschienen ist, wird empfohlen, 3.500 Arbeitsplätze des klassischen Verwaltungsdienstes in die Regionen zu verlagern, um den ländlichen Raum zu stärken und dem beachtlichen „brain-drain“ in Richtung Bundeshauptstadt entgegen zu wirken. Dementsprechend sind bereits weitere Dezentralisierungsprojekte in Planung. Im Gespräch sind unter anderem die für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zuständige Abteilung der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie die Bundesanstalt für Bergbauernfragen, beide derzeit ebenfalls mit Sitz in Wien.
Das Institut für Föderalismus begrüßt die aktuellen Bestrebungen rund um eine stärkere Dezentralisierung von Bundeseinrichtungen. Gerade in einer Zeit der zunehmenden Digitalisierung ist es unerheblich, von wo aus eine Tätigkeit erbracht wird. Hinzu kommt die Kuriosität, dass in Österreich sogar Einrichtungen wie beispielsweise die Bundesanstalt für Bergbauernfragen ihren Sitz in Wien haben, während in Deutschland gewichtige Einrichtungen wie das Bundesverfassungsgericht außerhalb der Bundeshauptstadt angesiedelt sind.
Wenngleich die räumliche Dezentralisierung von Verwaltungseinrichtungen von gesamtstaatlicher Bedeutung als kein prägendes Merkmal des Bundesstaates betrachtet wird, spielt ungeachtet dessen in vielen föderalen Systemen eine maßgebliche Rolle, dass wichtige Institutionen der Vollziehung breiter verteilt sind, gerade weil Föderalismus Machtteilung und die Verhinderung von Machtakkumulation impliziert.
Weiterführende Literatur:
- Bußjäger/Keuschnigg/Radosavljevic, Der Bund und seine Dienststellen. Die Standorte derBundesvollziehung als Wirtschaftsfaktor und Potenzial der Verwaltungsreform (2015).
- Bußjäger/Keuschnigg/Mayr/Ohnewas/Schramek, Dezentralisierungspotenziale in der Bundesverwaltung. Daten und Fakten (2017).
- Bußjäger/Schramek, Föderalismus durch Behördendezentralisierung?, in: Vorstand des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung (Hrsg), Jahrbuch des Föderalismus (2017) 172-183.
Die Fachinputs sind in zwei Teile gegliedert. Dabei referieren zunächst in einem ersten Teil Daniel Müller-Jentsch (Avenir Suisse) über „Strukturwandel in den Berggebieten – sind Kleinregionen eine Lösung?“ und Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus) zum Thema „Interkommunale Zusammenarbeit in Vorarlberg: Freiwilligkeit auf hohem Niveau“. Das Projekt „gemeinsames Gemeindeamt“ wird in der Folge von Klaus Wirth (KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung) dargestellt. Georg Keuschnigg (Institut für Föderalismus) widmet sich am Ende der Fachinputs der regionalen Zusammenarbeit mit Beispielen im nationalen und internationalen Vergleich.
Abgerundet wird die Veranstaltung mit einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion zur Frage „Braucht es mehr Verbindlichkeit in der interkommunalen Zusammenarbeit?“. Moderiert wird die Veranstaltung von Kriemhild Büchel-Kapeller vom Zukunftsbüro des Amtes der Vorarlberger Landesregierung.
Kontakt und Anmeldung:
Sekretariat des Instituts für Föderalismus
Tel. +43 (0) 512/57 45 94
E-Mail: institut@foederalismus.at
Wer sich stets für eine Stärkung der direkten Demokratie eingesetzt hat, steht einer unmittelbaren Mitwirkung des Volkes bei wichtigen Entscheidungen sicherlich nicht ablehnend gegenüber. Der Hintergedanke des „Plans V(olksbefragung)“ besteht allerdings weniger darin, die direkte Demokratie in Österreich zu befördern, als vielmehr die Länder weitgehend abzuschaffen.
Bundeskanzler Kern weiß natürlich von seinen Beratern, dass die Verfassung für die von ihm offenbar angestrebte massive Schwächung der Länder nicht nur eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und im Bundesrat vorschreibt, sondern auch eine Zustimmung des Bundesvolks in einer Volksabstimmung.
Um einem solchen Projekt überhaupt den erforderlichen politischen Rückhalt zu verschaffen, will er zuvor eine Volksbefragung durchführen lassen. Dieses Instrument erlaubt auch suggestive Fragestellungen, womit sich fast jedes gewünschte Ergebnis erzielen lässt. So wurde beispielsweise vor nicht allzu langer Zeit in Wien gefragt, ob die U-Bahn die ganze Nacht fahren soll.
Es verwundert nicht, dass ausgerechnet die in direkter Demokratie so gut erprobten Schweizer und Liechtensteiner das Instrument der Volksbefragung, das zu manipulativen Fragestellungen verleitet, kaum gebrauchen.
Wenn der Reformeifer des Bundeskanzlers so groß ist, muss man sich fragen, warum er es zugelassen hat, dass eine vor etwa einem Jahr von der Bundesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe zur Staatsreform nur ein einziges Mal getagt hat und dabei lediglich Standpunkte ausgetauscht hat.
Dieser Kommentar von Institutsdirektor Peter Bußjäger wurde am 11. August 2017 in den Vorarlberger Nachrichten veröffentlicht.
Im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und der damit bewirkten Vereinfachung des Rechtsschutzsystems in Verwaltungsangelegenheiten wurde in Art 118 Abs 4 B-VG die Möglichkeit verankert, in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde den zweistufigen Instanzenzug durch die jeweils zuständige Bundes- oder Landesgesetzgebung auszuschließen. Abgesehen von einigen Statutarstädten, wie Graz (§ 100 Abs 1 Statut der Landeshauptstadt Graz 1967, allerdings mit Ausnahmen in Abs 2), Innsbruck (§ 41 Innsbrucker Stadtrecht 1975) oder Salzburg (§ 53 Salzburger Stadtrecht), und Wien als Gemeinde (§ 75 Abs 1 Wiener Stadtverfassung) ist Tirol bislang das einzige Bundesland, das den gemeindeinternen Instanzenzug konsequent abgeschafft hat (§ 17 Abs 2 Tiroler Gemeindeordnung). Eine Ausnahme bilden jeweils bundesgesetzlich geregelte Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs.
Des Weiteren findet sich in § 80 der Salzburger Gemeindeordnung zunächst ein entsprechender Ausschluss für die Salzburger Landgemeinden. Allerdings konnte gemäß § 99 Abs 3 der gemeindeinterne Instanzenzug durch einen Beschluss der Gemeindevertretung, der nach den Gemeindevertretungswahlen 2014 bis spätestens 30. Juni 2014 zu fassen war, beibehalten werden.
Hauptmotive des Tiroler Landesgesetzgebers für den einfachgesetzlichen Ausschluss waren vor allem verwaltungsökonomische Überlegungen, wie die Beschleunigung der betreffenden Verfahren und die damit ebenfalls verbundene Entlastung der Gemeinden von der Durchführung von Berufungsverfahren vor der Anrufung des künftig ohnehin regelmäßig in der Sache selbst entscheidenden Landesverwaltungsgerichts. Dass diese Ziele erreicht werden konnten, wurde mittlerweile in einigen Erfahrungsberichten bestätigt (siehe beispielsweise Purtscher, Landesverwaltungsgericht Tirol zieht Bilanz, Föderalismus-Blog vom 05.05.2017).
Auch von Seiten der Tiroler Gemeinden wurde diese Regelung grundsätzlich begrüßt. So hatte sich etwa der Vorstand des Tiroler Gemeindeverbandes ausdrücklich für den Ausschluss des gemeindeinternen Instanzenzuges in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ausgesprochen und auch im Begutachtungsverfahren haben weder der Tiroler Gemeindeverband noch die Stadt Innsbruck gegen die Bestimmungen Einwände erhoben (Bußjäger/Sonntag, Erfahrungen und Praxis der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Tirol – zusammenfassende Bemerkungen, in ders/ders [Hg], Verwaltungsgerichtsbarkeit: Erfahrungen und Praxisberichte in Tirol [2016] 39 [41 f]).
In Oberösterreich sieht nun der aktuelle Begutachtungsentwurf zum Oö Gemeinderechtsanpassungsgesetz 2017 in der Oö Gemeindeordnung einen neuen § 95 vor, der ebenfalls den gemeindeinternen Instanzenzug in landesgesetzlich geregelten Angelegenheiten ausschließt. Als Ziel dieses Vorhabens wird im Begutachtungsentwurf angeführt, vor dem Hintergrund der landesinternen Deregulierungsbestrebungen und den Erfahrungen in anderen Bundesländern mit dem Ausschluss das Modell der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit konsequent umzusetzen. Außerdem sollen damit Verwaltungseinsparungen im Gemeindebereich sowie Verfahrensbeschleunigungen erzielt und raschere Rechtssicherheit hergestellt werden.
Neben der zentralen Bestimmung in der Oö Gemeindeordnung sieht der Entwurf weitere Anpassungen sonstiger landesgesetzlicher Bestimmungen, in denen auf das Bestehen eines gemeindeinternen Instanzenzugs abgestellt bzw dieser vorausgesetzt wird, vor (zB oberösterreichische Stadtstatuten für die Landeshauptstadt Linz, Wels und Steyr sowie Oö Gemeindeverbändegesetz). Außerdem enthält er ein eigenes Gemeindeinstanzenzugs-Übergangsgesetz, mit welchem ein einheitlicher Übergang von der zweistufigen zur einstufigen Gemeindeverwaltung geschafft werden soll.
Man darf gespannt sein, wie die Umstellung in Oberösterreich gelingt. Zu erwarten ist, dass die bisherigen positiven Erfahrungen mit dem Ausschluss des gemeindeinternen Instanzenzuges auch hier zum Tragen kommen.
Die Fachinputs sind in zwei Teile gegliedert. Dabei referieren zunächst in einem ersten Teil Daniel Müller-Jentsch (Avenir Suisse) über „Strukturwandel in den Berggebieten – sind Kleinregionen eine Lösung?“ und Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus) zum Thema „Interkommunale Zusammenarbeit in Vorarlberg: Freiwilligkeit auf hohem Niveau“. Das Projekt „gemeinsames Gemeindeamt“ wird in der Folge von Klaus Wirth (KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung) dargestellt. Georg Keuschnigg (Institut für Föderalismus) widmet sich am Ende der Fachinputs der regionalen Zusammenarbeit mit Beispielen im nationalen und internationalen Vergleich.
Abgerundet wird die Veranstaltung mit einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion zur Frage „Braucht es mehr Verbindlichkeit in der interkommunalen Zusammenarbeit?“. Moderiert wird die Veranstaltung von Kriemhild Büchel-Kapeller vom Zukunftsbüro des Amtes der Vorarlberger Landesregierung.
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Sozialpolitik ist eines der ständigen Topthemen in der politischen Diskussion. Anders verhält es sich mit der Sozialverwaltung, mit der es bislang recht wenig verwaltungswissenschaftliche Auseinandersetzung gibt. Dies ist umso verwunderlicher, als dieser Teil der staatlichen Administration im modernen Staat das bei weitem größte Geldvolumen verwaltet, seine Verteilung steuert und die Verwendung kontrolliert.
Daher hat sich die Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft (ÖVG) dazu entschlossen, der „Verwaltung im Sozialstaat des 21. Jahrhunderts“ ihre diesjährige Herbsttagung zu widmen. Dabei sollen die aktuellen Herausforderungen an die Sozialverwaltung hochentwickelter europäischer Staaten unter verschiedenen sozialwissenschaftlichen wie rechtswissenschaftlichen Aspekten beleuchtet werden. Die alte These, dass die Verwaltung im Leistungs- und Vorsorgestaat manche Besonderheiten gegenüber dem Hoheitsstaat aufweist, die sich seit den 1920er-Jahren aber kaum verändert haben, bedarf wohl einer kritischen Prüfung und umfänglichen Ergänzung.
Die Tagung beginnt mit Grundsatz- und Finanzierungsfragen, setzt sich dann mit der Vielfalt der Organisationsmodelle im Leistungs- und Vorsorgestaat auseinander, behandelt die internationale, insbesondere die europäische, Dimension und schließt mit aktuellen österreichischen Rechtsfragen.
Es ist dabei gelungen, eine Reihe von in höchstem Maß ausgewiesenen Expertinnen und Experten als Vortragende zu gewinnen. Ein Panel mit Vertreterinnen und Vertretern der Träger der Sozialverwaltung wird die Veranstaltung abrunden.
Termin: Donnerstag, 14.9.2017, 13.00 bis Freitag, 15.9.2017, 13.00
Ort: Kuenburgsaal, Neue Residenz, Salzburg
Die aus Vöcklabruck stammende Juristin hat sich mit ihrer Dissertation zum Berücksichtigungsprinzip im Bundesstaat durchgesetzt. Darin geht die Preisträgerin der vom VfGH kreierten wechselseitigen Verpflichtung von Bund und Ländern, auf die Regelungen der jeweils anderen Gebietskörperschaft Rücksicht zu nehmen, nach. Sie überzeugte die Jury durch eine auf sicheren methodischen Grundlagen basierende Arbeit. Zudem konnte die Preisträgerin der Thematik, die eine beträchtliche bundesstaatliche Bedeutung hat, neue Aspekte abgewinnen: So verfolgt die Dissertation insofern einen innovativen Ansatz, als sie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs nicht nur analysiert, sondern auch kritisch hinterfragt und dadurch genau diese Judikatur in Frage stellt. Frau Weiser gibt in ihren Thesen den Gesetzgebern auf Landesebene Gestaltungsfähigkeit zurück, die sich demnach nicht ständig darum sorgen müssen, welche bundesrechtlichen Interessen sie in ihrer Kompetenzausübung verletzen könnten. Der Preis für Föderalismus- und Regionalforschung 2017 wurde von den Präsidentinnen und Präsidenten der österreichischen Landtage und des Südtiroler Landtags gemeinsam mit dem Institut für Föderalismus gestiftet. Die Übergabe des Preises erfolgte am Sonntag, den 11. Juni, im Rahmen der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage Österreichs und Südtirols gemeinsam mit dem Institut für Föderalismus in Lochau/Vorarlberg.
Die Reformvorhaben seien im Folgenden kurz dargestellt:
Bildungsreformgesetz 2017 (2254/A vom 19.06.2017, 25. GP)
Das Bildungsreformgesetz 2017 wurde am 28.06. im Nationalrat beschlossen. Eine zentrale Änderung betrifft die Ausweitung der Schulautonomie. So erhalten die Schulen künftig etwa mehr Flexibilität bei Klassengrößen, Dauer der Schulstunden, Personalauswahl und Öffnungszeiten. Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, Schulen zu größeren Clustern zusammenzuschließen und in Modellregionen eine gemeinsame Schule für alle 10- bis 14-Jährigen zu erproben. Dafür bedarf es allerdings der Zustimmung sowohl der Eltern als auch der Lehrer und Lehrerinnen.
Aus bundesstaatlicher Sicht von Interesse sind vor allem die neuen Bildungsdirektionen, die in jedem Bundesland eingerichtet werden und die bisher dort bestehende Landesschulräte ablösen. Die Bildungsdirektionen fungieren als gemeinsame Bund-Länder-Behörde und übernehmen damit sowohl Bundes- als auch Landesagenden. Das Föderalismusinstitut wird sich mit der Neuorganisation der Schulverwaltung voraussichtlich in einem Anfang 2018 stattfindenden Workshop auseinandersetzen. Inhaltlich kann auf zahlreiche Stellungnahmen zum Thema (siehe jüngst Föderalismusinfo 2/2017 sowie 6/2015) verwiesen werden. Die neuen Bildungsdirektionen sind eine Kompromisslösung, mit der eine noch stärkere Ausgrenzung ausgerechnet der Länder im Bildungsbereich verhindert werden konnte.
Damit dürfte auch eine lange Diskussion über die Neuorganisation der Schulverwaltung ein vorläufiges Ende finden. Wie lange, lässt sich nicht sagen. Bewähren sich die neuen Einrichtungen nicht, werden jedenfalls Anläufe zu einer vollständigen Zentralisierung nicht lange auf sich warten lassen.
Pflegeregress (Abänderungsantrag zum Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz, AA-225, 25. GP)
Am 29.06. stimmte der Nationalrat mit breiter Mehrheit im Schnellverfahren für die Abschaffung des Pflegeregresses. Eigentlich auf der Tagesordnung stand das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (RV 1613 BlgNR 25. GP). Auf die Abschaffung des Pflegeregresses haben sich die Abgeordneten erst wenige Stunden vor der Debatte im Nationalrat geeinigt (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 838 vom 29.06.2017).
Umgesetzt wird die Abschaffung des Pflegeregresses mit zwei Verfassungsbestimmungen im ASVG: Gemäß § 330a ist „ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten“ unzulässig. In weiterer Folge legt § 707a Abs 2 fest, dass es den Ländern ab 1. Jänner 2018 untersagt ist, Ersatzansprüche geltend zu machen. Laufende Verfahren sind einzustellen. Landesgesetze, die dem entgegenstehen sind mit 1. Jänner 2018 außer Kraft zu setzen. Allfällige Übergangsbestimmungen und Durchführungsverordnungen werden vom Bund erlassen.
Inhaltlich ist zu bemerken, dass der Verlust an Gestaltungsspielraum für die Länder verfassungspolitisch wohl nicht besonders schwer wiegt. Schmerzlicher wird für die Länder und Gemeinden das Schließen der entstandenen Finanzierungslücke sein. Es ist nicht zu erwarten, dass mit dem zugesicherten Betrag von 100 Mio Euro das Auslangen gefunden werden kann. Schon jetzt wird beispielsweise allein von Vorarlberg mit Mehrkosten von 60 Mio Euro gerechnet (siehe „Pflegeregress: Verzicht kostet Vorarlberg 60 Millionen Euro“, Der Standard vom 01.07.2017). Dies überrascht nicht, da anzunehmen ist, dass die Abschaffung des Pflegeregresses zu einer erhöhten Inanspruchnahme von Pflegeheimen führen wird.
Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht hat der Bund den Finanzausgleich einseitig in maßgeblicher Weise abgeändert. Darüber hinaus wurde die Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus ignoriert (siehe dazu näher „Elfmeter“, VN-Gastkommentar von Institutsdirektor Peter Bußjäger vom 07.07.2017).
Verfahrenskonzentration in der GewO abgesagt
Die vieldiskutierte Erweiterung der Verfahrenskonzentration in der Gewerbeordnung (siehe dazu Föderalismus Info 5/2016) wird nun doch nicht kommen. Der ursprüngliche Entwurf (zuletzt § 356f in RV 1475 BLGNR 25. GP) hätte vorgesehen, dass Landesgesetze in Bezug auf Betriebsanlagen mittelbar vom Bund vollzogen werden und somit der zuständige Bundesminister weisungsberechtigt wäre. Eine derartige Form der Verfahrenskonzentration im Betriebsanlagenverfahren wäre im Interesse der Verfahrensbeschleunigung grundsätzlich zu begrüßen, wird allerdings zumindest vorläufig nicht realisiert, da die dafür erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erzielt werden konnte (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 856 vom 05.07.2017).
Die entstandene Pause sollte genützt werden, das an sich sinnvolle Vorhaben in der folgenden Legislaturperiode gründlich zu überarbeiten: Es wäre eine völlig unnötige und zudem systemwidrige Zentralisierung, den Bundesminister zum obersten Organ in der Vollziehung bautechnischer und naturschutzrechtlicher Vorschriften der Länder zu machen. Dass die Regierungsvorlage auf die berechtigten Einwände im Begutachtungsverfahren nicht reagierte, stellt dem zuständigen Ministerium nicht gerade ein gutes Zeugnis im Hinblick auf praxisgerechte Regelungen aus. Zudem wäre es im Hinblick auf den Umweltschutz völlig unangebracht, die Parteistellung von Umweltanwälten und Gemeinden in naturschutzrechtlichen Verfahren, im konzentrierten Betriebsanlagenverfahren auszublenden.
Neufassung des Datenschutzgesetzes abgesagt
Am 26.06. wurde die geplante umfassende Novellierung des Datenschutzgesetzes abgesagt. Umgesetzt wurde allerdings nun eine „abgespeckte“ Version der Novelle, die das Ziel verfolgt, der neuen Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO, Verordnung [EU] 2016/679) Rechnung zu tragen sowie die neue EU-Datenschutz-Richtlinie für den Bereich der inneren Sicherheit (Richtlinie [EU] 2016/680) umzusetzen.
Der ursprüngliche Entwurf (RV 1644 BlgNR 25. GP) hatte noch eine umfassende Datenschutzkompetenz des Bundes vorgesehen. Dabei sollten die derzeit in § 2 DSG 2000 enthaltenen kompetenzrechtlichen Regelungen in das B-VG dahingehend integriert werden (Parlamentskorrespondenz Nr. 803 vom 26.06.2017), dass die an sich wenig sinnvolle Zuständigkeit der Länder zur Regelung des Datenschutzes bei manuell geführten Daten beseitigt worden wäre. Somit wird diese bescheidene Länderkompetenz in die Verhandlungsmasse zukünftiger Verfassungsdiskussionen fallen.
Den zentralen Inhalt der Novelle bildet die Abschaffung des Proporzsystems in der Kärntner Landesregierung. Eine klassische Proporzregierung gibt es damit bald nur mehr in Nieder- und Oberösterreich. Dabei handelt es sich um ein Regierungssystem, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die im Parlament vertretenen Parteien entsprechend ihrer Größenordnung auch in der Regierung repräsentiert sein müssen. Es gibt in einem Proporzsystem somit keine typische Koalition-Opposition-Konstellation, weil – abgesehen von kleinen Splitterfraktionen – alle Parteien an der Regierung beteiligt sind (siehe „Proporz“, VN-Gastkommentar von Institutsdirektor Peter Bußjäger vom 02.06.2017). Dementsprechend legt die derzeit noch in Kraft befindliche (alte) Fassung der Kärntner Landesverfassung in Art 49 fest, dass die Mandate der Landesräte auf die im Landtag vertretenen Parteien nach dem Verhältniswahlrecht aufgeteilt werden. Nach der neuen, im Juni beschlossenen Fassung, hat die nach dem Ergebnis der Landtagswahl stimmenstärkste wahlwerbende Partei die anderen wahlwerbenden Parteien, die Mandate im Landtag erzielt haben, zu Verhandlungen über die Bildung der neuen Landesregierung einzuladen, in welcher eben nicht mehr alle Parteien vertreten sein müssen (Art 49 Abs 2 neu).
Eine weitere Änderung betrifft das Instrument der Volksbefragung. Während derzeit eine Volksbefragung stattzufinden hat, wenn dies mindestens 15.000 zum Landtag wahlberechtigte Personen verlangen, ist zukünftig eine Volksbefragung anzuordnen, wenn dies der Landtag beschließt, mindestens ein Drittel der Mitglieder des Landtages verlangt oder mindestens 7.500 zum Landtag wahlberechtigte Personen verlangen (Art 43 Abs 2 neu). Es wurde somit nicht nur die Hürde von 15.000 auf 7.500 Personen herabgesetzt, sondern auch der Landtag eingebunden, indem er selbst oder ein Drittel seiner Mitglieder eine Volksbefragung anordnen können.
Generell wurden – als Reaktion auf die Abschaffung des Proporzsystems – die Kontroll- und Informationsrechte des Landtages ausgebaut. Dies betrifft unter anderem die Akteneinsichtsrechte, die auch hinsichtlich Regierungsakten umfassend ausgebaut wurden (Art 67 Abs 4 neu sowie § 24a Geschäftsordnung des Kärntner Landtages neu). Als bedeutend erweist sich auch, dass der Landesrechnungsabschluss vor der Beschlussfassung im Landtag abschließend zu behandeln ist (Art 62 Abs 1 neu).
Eine weitere Änderung erfolgt durch die Schaffung einer sogenannten „Europapolitischen Stunde“ (vgl § 52a Geschäftsordnung des Kärntner Landtages neu). Diese wird erstmals in einem österreichischen Landtag eingeführt. Im Rahmen der europapolitischen Stunde darf jeweils nur ein einziges Thema aus dem Bereich der Zuständigkeit der Europäischen Union, das Landesinteressen wesentlich berührt, behandelt werden. Dabei können auch Mitglieder des europäischen Parlaments Rederechte erhalten (Art 19 Abs 3b neu).
Zu guter Letzt ist auch hervorzuheben, dass erstmals seit der Gründung der Republik Österreich die slowenische Volksgruppe explizit in der Kärntner Landesverfassung genannt wird. Gemäß Art 5 Abs 2 bekennt sich das Land Kärnten „zu seiner gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, wie sie in Kärnten in der slowenischen Volksgruppe zum Ausdruck kommt.“
Ideen bezüglich eines zweiten Wahltages kamen bereits im September des Vorjahres aufgrund der für die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl versendeten defekten Briefwahlkarten auf. Nach den konkreten Vorschlägen im Jänner sollte ein zweiter Wahltag für den Wähler die zusätzliche Möglichkeit eröffnen, an einem Donnerstag, zehn Tage vor dem Wahlsonntag, die Stimme in einem eigenen Wahllokal abzugeben. Dieses müsse für mindestens zwei Stunden, jedenfalls von 17 bis 19 Uhr, geöffnet haben. In jeder Gemeinde soll dafür ein Wahllokal zur Verfügung stehen (siehe „Wähler sollen wählen, wann sie wählen“, in Der Standard vom 16.02.2017 und „Regierung will zweiten Wahltag und Hofburg "entrümpeln“ in Die Presse vom 15.02.2017).
Mit der Einführung eines derartigen „zweiten Wahltages“ würde der Bund dem Beispiel verschiedener Länder folgen. In den Medien wurde konkret die Steiermark als Vorbild genannt. Dort sieht § 68 der steiermärkischen Landtags-Wahlordnung vor, dass die Gemeindewahlbehörde eine besondere Wahlbehörde (§ 8) einzurichten hat, die am neunten Tag vor dem Wahltag zur Stimmabgabe zur Verfügung steht. Die Wahlzeit ist gemäß § 53 Abs 2 so festzusetzen, dass das dafür bestimmte Wahllokal, wie beim Vorschlag auf Bundesebene, jedenfalls in der Zeit zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr geöffnet hat. Diese Möglichkeit wurde im Jahr 2004 eingeführt (LGBl 45/2004). Dieselben Rahmenbedingungen finden sich auch in der steiermärkischen Gemeindewahlordnung (§ 70), wo der zweite Wahltag ebenfalls im Jahr 2004 geschaffen wurde (LGBl 48/2004), sowie in der Gemeindewahlordnung Graz 2012 (§ 67, geschaffen mit LGBl 79/2007).
Zweite Wahltage sind außerdem in Kärnten vorgesehen. Hier wurde diese zusätzliche Möglichkeit im Jahr 2008 sowohl in der Landtagswahlordnung (§ 68b, mit LGBl 68/2008) als auch in der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 (§ 69a, mit LGBl 56/2008) verankert. Seit nicht allzu langer Zeit kennt auch die Burgenländische Landtagswahlordnung dieses Instrument. § 54b trat mit 1. Jänner 2015 in Kraft (LGBl 64/2014). Die wortgleiche Bestimmung des § 55b der burgenländischen Gemeindewahlordnung gibt es überhaupt erst seit 1. Jänner 2017 (LGBl 68/2016).
In Niederösterreich gab es bereits im Jahr 1992 in der Landtagswahlordnung (§ 71, LGBl 0300-0) und seit 1994 in der Gemeinderatswahlordnung (§ 36, LGBl 0350-0) einen zweiten Wahltag. Dies allerdings in etwas anderer Ausgestaltung als die vorher genannten Beispiele in den Ländern. Hier war vorgesehen, dass für Personen, die eine Wahlkarte besitzen, besondere Wahlbehörden einzurichten sind, die am achten und am dritten Tag, somit an zwei Tagen vor dem eigentlichen Wahltag, zur Verfügung stehen. Hinsichtlich der Wahlzeit war festgelegt, dass sie auch über 17 Uhr hinausgehen darf. Abgeschafft wurde dieser „zweite“ und „dritte“ Wahltag in Niederösterreich in den Jahren 2011 (LGBl 0300-8) bzw 2009 (LGBl 0350-8) und somit nach Einführung der Briefwahl im Jahr 2007.
Wie die Ambitionen hinsichtlich eines „zweiten Wahltages“ auf Bundesebene ausgehen, ist derzeit zwar unklar. Trotzdem zeigt sich anhand dieses Beispiels das Innovationspotenzial, das in einer eigenen Landesgesetzgebung steckt. Letztendlich kann innovative Gesetzgebung in einem Land nicht nur anderen Ländern sondern auch dem Bund als Vorbild dienen. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, Instrumente, wie eben den „zweiten Wahltag“, zunächst in einzelnen Ländern zu erproben um sie bei erfolgreichem Einsatz breiter einzusetzen oder, wie eben in Niederösterreich, wieder abzuschaffen.
Die Studie „Dezentralisierungspotenziale in der Bundesverwaltung. Daten und Fakten“ wurde im Rahmen einer Pressekonferenz mit BM Andrä Rupprechter, dem bayerischen Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat Markus Söder und Institutsdirektor Peter Bußjäger am 24.3.2017 in München präsentiert.
Inhalt der Studie, die gemeinsam mit dem Institut für Verwaltungsmanagement erstellt wurde, ist die Aufbereitung von Datenmaterial, mit dessen Hilfe Dezentralisierungspotenziale der Bundesverwaltung ermittelt werden, was wiederum als Grundlage für politische Diskussionen und Entscheidungen dienen soll. Die Basis dafür wurde bereits im Jahr 2015 mit der Publikation „Der Bund und seine Dienststellen“ (Föderalismus-Dokument Band 35) gelegt, in welcher sich aus einem Vergleich mit der Bundesvollziehung in Deutschland und der Schweiz das Bild Österreichs als eines hochzentralisierten Staates ergab. In Österreich waren zum damaligen Zeitpunkt von 68 Bundeseinrichtungen 65 in Wien angesiedelt. An diesem Befund hat sich bis dato wenig geändert. Einzig das Bundesamt für Wasserwirtschaft, eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, ist von Wien nach Scharfling am Mondsee übersiedelt (siehe Föderalismus-Info 3/2016).
Auf diesen hohen Zentralisierungsgrad in Österreich wird auch zu Beginn der aktuellen Studie hingewiesen. Darüber hinaus ergeben sich aufgrund aktueller Entwicklungen hinsichtlich einer verstärkten Urbanisierung und gleichzeitigen Ausdünnung peripherer Regionen neue sozioökonomische Herausforderungen. Vor allem der Brain-Drain in Richtung Bundeshauptstadt ist in Österreich beachtlich. Dem gilt es entgegenzuwirken, was sich vor allem durch Forschungsergebnisse bestätigt, die dahingehend Hinweise liefern, dass gut austarierte dezentrale Systeme wirtschaftlich erfolgreicher sind als zentralistische. Daher empfiehlt es sich, im Hinblick auf die optimale Entwicklung regionaler Lebens- und Wirtschaftsräume, die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für hochqualifizierte Personen in den Regionen, das bessere Erkennen und Umsetzen regionaler Prioritäten und Handlungsmöglichkeiten, aber auch im Sinne der besseren Partizipation der Bürgerinnen und Bürger, eine Dezentralisierung von Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen voranzutreiben.
Vor diesem Hintergrund werden die Zahlen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der österreichischen Bundesverwaltung näher unter die Lupe genommen. Insgesamt zählt die österreichische Bundesverwaltung über 233.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese verteilen sich auf folgende Bereiche: Über 9.600 Personen entfallen auf die Ministerien, ca. 121.300 auf nachgeordnete Dienststellen und rund 102.100 auf ausgelagerte Dienststellen. Im Bereich des klassischen Verwaltungsdienstes sind insgesamt 44.654 Personen beschäftigt. Nach Abzug jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt schon in dezentralisierten Dienststellen (Finanzämter, unmittelbare Bundesbehörden in den Ländern u.a.) arbeiten, verbleibt eine Größenordnung von rund 35.000 Personen. Empfohlen wird dabei, in einem Zeitraum von rund zehn Jahren zehn Prozent und somit 3.500 Stellen zu dezentralisieren.
Nicht zu vergessen ist allerdings, dass die Verlagerung von Dienststellen einen komplexen Prozess darstellt: Einerseits sind viele objektive Erfolgskriterien zu erfüllen und andererseits spielen die persönliche Situation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit allen familiären und sozialen Verwurzelungen sowie unterschiedlichen Lebensplanungen, aber auch die einmaligen und laufenden Kosten eine entscheidende Rolle. Derartige Faktoren wären in einem umfassenden Dezentralisierungskonzept zu berücksichtigen. Als interessant erweist sich in diesem Zusammenhang, dass dem Bund aufgrund des überdurchschnittlich hohen Alters des Bundespersonals in den nächsten Jahren eine „Pensionierungswelle“ bevorsteht, was man sich wiederum im Rahmen eines umfassenden Konzeptes zunutze machen könnte.
Auf der Ebene der Europäischen Union kann zwischen der Vollziehung durch die Unionsorgane selbst und jener durch die Mitgliedstaaten differenziert werden. Als interessant erweist sich die Tatsache, dass die Vollziehung von Unionsrecht durch Einrichtungen der Union die Ausnahme bildet, wohingegen die Durchführung durch die Behörden der Mitgliedstaaten nach wie vor den Regelfall darstellt. Die Vollziehung des Rechts der Europäischen Union ist somit in erster Linie dezentral organisiert. Die Europäische Union bedient sich dabei vor allem der Einrichtungen/Behörden in den Mitgliedstaaten, die wiederum nach den entsprechenden Regelungen betreffend Organisation und Verfahren der Mitgliedstaaten eingerichtet werden und agieren.
Hervorzuheben ist jedoch, dass in den letzten Jahren vom Unionsgesetzgeber vermehrt selbständige Spezialeinrichtungen geschaffen wurden, die Vollzugsaufgaben wahrnehmen. Damit kommt es auf der supranationalen Ebene der Europäischen Union zu einer stärkeren Ausdifferenzierung des Verwaltungsaufbaus, der den mitgliedstaatlichen Vollzug etwas verdrängt. Dies gilt vor allem für die dezentralen Agenturen, deren Ausbau unvermindert anhält. Wie sich aus der Bezeichnung allerdings unschwer erkennen lässt, sind diese ebenfalls dezentral organisiert. Die Standorte der insgesamt 44 Agenturen sind über die gesamte Europäische Union auf 33 größere und kleinere Städte in 23 Ländern verteilt. Insofern kommen sie dem Wunsch nach einer größeren Standortdiversifizierung nach und bilden damit im Rahmen der Tätigkeit der Europäischen Union einen Faktor, der ein gewisses Maß an Dezentralisierung/räumlicher Verteilung garantiert. Letztendlich erhöhen die Agenturen dadurch die Außenwirkung der Union in den einzelnen Mitgliedstaaten und auch den Regionen. So haben beispielsweise die in Spanien angesiedelten fünf Agenturen ihren Sitz nicht in der Hauptstadt, sondern in Vigo, Bilbao, Alicante, Barcelona und Torréjon (vgl. dazu Bußjäger, Vorbild EU?, VN-Kommentar vom 31.3.2017).
In Summe zeigt sich damit, dass beim Vollzug des Unionsrechts in erheblichem Ausmaß auf dezentrale Strukturen zurückgegriffen wird.
Derartige dezentrale Strukturen sollen auch in Bayern mit Hilfe von Behördenverlagerungen geschaffen werden, die eine von mehreren Maßnahmen im Rahmen der sogenannten „Heimatstrategie“ darstellen. Dabei sollen in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren über 50
Behörden und staatliche Einrichtungen in den ländlichen Raum verlagert werden. Dies würde insgesamt 3.155 Personen, davon 2.225 Beamte oder Tarifbeschäftigte sowie 930 Studierende, betreffen. Erreicht werden soll dieses Ziel zum einen über die natürliche Personalfluktuation und zum anderen durch Verlagerungen, wobei auf sozialverträgliche Lösungen geachtet wird, weshalb es zu keinen Zwangsversetzungen an neue Standorte kommen soll. In den Jahren 2015 und 2016 ist das Projekt mit der Verlagerung von 28 Behörden und staatlichen Einrichtungen mit mehr als 200 Beschäftigten und 170 Studierenden gestartet. Dies soll in den Jahren 2017 und 2018 mit weiteren Behörden fortgesetzt werden. Ein Kernstück ist dabei die geplante Verlagerung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege von München nach Nürnberg.
So gibt es erste Überlegungen dahingehend, das Umweltbundesamt von Wien nach Klosterneuburg (Niederösterreich) zu verlegen. Dieses ist derzeit an vier unterschiedlichen Standpunkten im 20. Bezirk angesiedelt (diePresse vom 12.4.2017, „Ein Bundesamt für Mikl-Leitners Heimatstadt“).
In einem Kurier-Interview mit BM Andrä Rupprechter wurden außerdem weitere Möglichkeiten aufgezählt, die insbesondere die Auslagerung der Wildbach- und Lawinenverbauung aus Wien sowie eine regionale Ansiedelung der Sektion Wien, Niederösterreich und Burgenland in Niederösterreich umfassen würden. Des Weiteren könnte die Bundesanstalt für Bergbauernfragen, die ebenfalls ihren Sitz in Wien hat, in Rotholz in Tirol (Zillertal) angesiedelt und mit der Bundesanstalt für Milchwirtschaft kombiniert werden, um damit ein Kompetenzzentrum für alpine Landwirtschaft aufzubauen (Kurier vom 11.4.2017, „Mehr Landluft für 3500 Beamte“).
Man darf nun gespannt sein, ob noch weitere Vorschläge hinzukommen. Fest steht, dass es sich bei der Durchführung von Dezentralisierungen um sensible Vorgänge handelt. Dementsprechend wäre es notwendig,– dem bayrischen Beispiel folgend – ein umfassendes Dezentralisierungskonzept zu erstellen, mit dem unter anderem gewährleistet werden kann, dass Potenziale, die sich insbesondere durch die bevorstehende Pensionierungswelle in der Bundesverwaltung (bis zum Jahr 2024 42% des gesamten Personals) eröffnen, genützt werden.
Im Mittelpunkt der Kritik aus föderalistischer Sicht steht die in einem neuen fünften Hauptstück der Bundesverfassung vorgesehene Neuorganisation der Schulverwaltung mit der Schaffung einer Bildungsdirektion, die grundsätzlich dem zuständigen Bundesminister unterstellt sein soll (Art. 113 Abs. 1 B-VG), die aber als solche weder der Vollziehung des Bundes noch der Länder zugeordnet werden kann, sondern sowohl Bundes- als auch Landesrecht vollzieht (Art. 113 Abs. 4 B-VG).
Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Organisation der Bildungsdirektion einschließlich der Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung des Bildungsdirektors sowie der Bestellung werden durch Bundesgesetz getroffen. Dieses Bundesgesetz kann Einvernehmensbindungen zwischen dem zuständigen Bundesminister mit der Landesregierung vorsehen. Das Gesetz selbst darf nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.
Der Vorschlag ist ein Kompromiss, der der Tatsache geschuldet ist, dass eine Zusammenführung der Schulverwaltung in der Landesorganisation, wie dies dem grundsätzlich bewährten Modell der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern entsprechen würde, am Widerstand der Zentralbürokratie gescheitert ist (siehe Föderalismus-Info 3/2014 und 4/2010). Der Kompromiss konnte immerhin eine noch stärkere Zentralisierung der Schulverwaltung verhindern, aber auch nicht mehr.
Diese Neuregelung schafft Unklarheiten, Abgrenzungsschwierigkeiten und ist mit einer enormen Bürokratie verbunden, wie die anderen im Begutachtungspaket enthaltenen Gesetzesvorschläge, insbesondere das Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetz, zeigen. Es ist zu befürchten, dass die Schulverwaltung und mit ihr die Schulen der Zukunft in Evaluationen und Berichten ersticken werden.
Auf die Spitze gebracht wird die Zentralisierung durch die Anordnung des Rechtsschutzes beim Bundesverwaltungsgericht (Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. c B-VG). Man stelle sich vor, dass in einer Streitfrage wegen einer kurzfristigen Befreiung eines Kindes vom Unterricht in einer Pflichtschule die Betroffenen einen Weg zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Wien antreten müssen! Es bleibt unerfindlich, wo der Vorteil einer solchen bürgerfeindlichen Organisation sein kann.
Der Tagungsband zieht eine Zwischenbilanz über den mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich im Jahre 2014 vollzogenen Systemwechsel hin zu einem justizförmigen Verwaltungsrechtsschutz. Er gliedert sich in folgende drei grundlegende Abschnitte: „Zuständigkeiten und Rollenverständnis“, „Aktuelle Problemstellungen im neuen Verfahrensrecht“ sowie „Funktionsbedingungen regionaler Verwaltungsgerichtsbarkeit in ausgewählten Nachbarstaaten Österreichs“. Dabei werden die Auswirkungen der neuen Landesverwaltungsgerichtsbarkeit auf das Verhältnis von Verwaltung und Gerichtsbarkeit und die neue Rolle des Verwaltungsgerichtshofes ebenso untersucht wie die Ausgestaltung des Verwaltungsrechtsschutzes in Deutschland, Italien und der Schweiz aus rechtsvergleichender Perspektive.
Peter Bußjäger/Anna Gamper/Christian Ranacher (Hg.)
Landesverwaltungsgerichtsbarkeit. Funktionsbedingungen und internationaler Vergleich
Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Bd. 123
Paperback, 171 Seiten
ISBN 978-3-7003-2050-0
Ein ausführlicher Tagungsbericht ist unter folgender Homepage abrufbar:
www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?art=584176
Im Rahmen seines Erkenntnisses E 729/2016-18 vom 13. Dezember 2016 betreffend die Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze im PartG durch das Team Stronach hat der VfGH zunächst auf § 4 Abs 1 PartG verwiesen. Gemäß dieser Bestimmung darf jede politische Partei bei Wahlen zu einem allgemeinen Vertretungskörper oder dem Europäischen Parlament maximal 7 Millionen Euro an Wahlwerbungsausgaben aufwenden. Diese Grenze hat das Team Stronach im Zuge des Wahlkampfes zur Nationalratswahl 2013 erheblich überschritten, weshalb über die Partei mit Bescheid des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senates (§ 11 PartG) eine Geldstrafe in der Höhe von 567.000 Euro verhängt wurde. Der VfGH hat dazu grundsätzlich festgehalten, dass die verhängte Strafe aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig sei.
Neben den umfassenden Ausführungen in Bezug auf die einzelnen Beschwerdepunkte der beschwerdeführenden Partei widmete sich der Gerichtshof jedoch in einem eigenen Abschnitt auch grundlegenden kompetenzrechtlichen Fragen. Dies ausgehend von der Tatsache, dass die Erläuterungen zum PartG ausdrücklich festhalten, dass die Vorschriften des PartG – und somit auch jene betreffend die Begrenzung der Wahlwerbungskosten – einheitlich für Bund und Länder gelten. Dementsprechend werden, so die Erläuterungen, unter den Wahlen zu einem „allgemeinen Vertretungskörper“ nicht nur die Nationalratswahlen, sondern auch Wahlen zu Landtagen, Gemeinderäten und Bezirksvertretungen in Wien verstanden (AB 1844 BlgNR 24. GP 1 und 4).
An dieser Stelle weist der VfGH darauf hin, dass die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Gründung und des Bestands politischer Parteien zwar jedenfalls dem Bund zukomme, jene zur Regelung der Tätigkeit politischer Parteien reiche jedoch nicht so weit, dass auch die Wahlwerbungsausgaben bei Landtags- oder Gemeinderatswahlen sowie bei Wahlen zu den Wiener Bezirksvertretungen durch einfaches Bundesgesetz beschränkt werden können. Vielmehr sei die Beschränkung von Wahlwerbungskosten mit dem Kompetenztatbestand „Wahlrecht“ verknüpft. Diese Verknüpfung ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass das PartG 1975 eine verfassungsgesetzliche Ermächtigung dahingehend enthielt, dass durch Bundesgesetz eine Begrenzung der Wahlwerbungskosten der Nationalratswahl 1975 festgelegt werden konnte, was in Art IV § 6 PartG 1975 auch erfolgt ist.
Daraus ergebe sich, dass die Kompetenz zur Regelung von Beschränkungen von Wahlwerbungskosten jenem Gesetzgeber zukomme, der für die Regelung des jeweiligen Wahlrechts zuständig ist. Hinsichtlich der Nationalratswahlen (Art 10 Abs 1 Z 1 und 26 Abs 8 B-VG), der Wahlen zum Europäischen Parlament (Art 10 Abs 1 Z 1a B-VG) sowie der Bundespräsidentenwahl (Art 60 Abs 1 iVm Art 26 Abs 8 B-VG) ist dies der Bundesgesetzgeber. Demgegenüber sind die Landesgesetzgeber dafür zuständig, für die Landtags- (vgl Art 15 und Art 95 B-VG) und Gemeinderatswahlen (Art 115 Abs 2 iVm Art 117 Abs 2 B-VG) sowie die Wahlen zu den Wiener Bezirksvertretungen (Art 117 B-VG) entsprechende Beschränkungen zu erlassen.
Das Verbot in § 4 Abs 1 PartG sei somit zwar, so der VfGH, „überschießend formuliert“, jedoch, soweit es auch Landtags- und Gemeinderatswahlen sowie die Wahlen zu den Wiener Bezirksvertretungen erfasst, einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich. Den Ländern obliegt es daher nun, landesgesetzlich eigene Beschränkungen von Wahlkampfkosten zu erlassen. Interessante Fragen ergeben sich daraus für den Wahlkampf zur oberösterreichischen Landtagswahl im Jahr 2015, in welchem die ÖVP mit Kosten in der Höhe von 7,3 Millionen Euro die gesetzliche Grenze ebenfalls überschritten hat.
In Punkt 5.2 des Arbeitsprogramms für die Jahre 2017/18 wird unter dem Titel „Zuständigkeiten bündeln“ zunächst festgehalten, dass die im Oktober 2016 geschaffene Bund-Länder Arbeitsgruppe im Februar ihre Arbeit auf politischer Ebene fortsetzen wird. Darüber hinaus kündigt die Bundesregierung als „zentrale“ sowie „überfällige Maßnahme“ die Beseitigung der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung in Art 12 B-VG an.
Der Kompetenztypus der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung ist insofern speziell, als er ein wechselseitiges Zusammenwirken von Bund- und Ländern vorsieht. In der Theorie könnte eine derartige Form der Rahmengesetzgebung – bei entsprechender politischer wie rechtlicher Garantie selbständiger Gestaltungsmöglichkeiten der ausführenden Länder – ein durchaus wirkungsvolles bundesstaatliches Instrument sein. Die österreichische Praxis stellt sich allerdings vielfach anders dar. Dies liegt zum einen daran, dass es keine justiziablen Kriterien des zulässigen Grades der Bestimmtheit von Grundsatzgesetzen gibt, und zum anderen an der damit zusammenhängenden Folge einer vielfach äußerst detaillierten Ausgestaltung von (Bundes-)Grundsatzgesetzen. Hinzu kommt noch, dass die Länder sich ihnen eröffnende Spielräume in den Ausführungsgesetzen mitunter nicht ausnützen.
Es stellt sich somit die Frage, wie mit der österreichischen Form der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung weiter zu verfahren ist? Bei einer gänzlichen Beseitigung dieses Kompetenztyps, wie im Regierungsprogram 2017/18 vorgesehen, wäre beispielsweise denkbar, die bisher dort verankerten Kompetenztatbestände zwischen Bund und Ländern aufzuteilen. So könnte man die Tatbestände „Armenwesen“ (Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG), „öffentliche Einrichtung zur außergerichtlichen Streitbeilegung“ (Z 2) sowie „Bodenreform“ (Z 3) den Ländern gem Art 15 Abs 1 B-VG zuweisen und demgegenüber den „Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge“ (Z 4) sowie das „Arbeiterrecht, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter handelt“ (Z 6), in Gesetzgebung dem Bund und Vollziehung den Ländern nach dem Modell des Art 11 B-VG übertragen.
Einen anderen, kreativeren Weg würde man mit der Schaffung eines neuen Kompetenztypus beschreiten. Denkbar wäre – nach einem Textvorschlag des Instituts für Föderalismus aus dem Jahr 2014 – eine „gemeinschaftlichen Gesetzgebung“, die eine flexiblere und den konkreten Bedürfnissen angepasste Kompetenzwahrnehmung ermöglichen würde. Eine derartige Form der Gesetzgebung könnte für die Tatbestände „Krankenanstalten“, „Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art 10 fällt“, „Abfallwirtschaft“ sowie „Luftreinhaltung“ gelten und grundsätzlich bei den Ländern angesiedelt sein. Zusätzlich würde dem Bund dann die Möglichkeit offenstehen, mit Zustimmung einer deutlichen Mehrheit (zB zwei Drittel) der beteiligten Länder eine abschließende Regelung zu treffen oder sich alternativ auf die Erlassung bestimmter Grundsätze zu beschränken. Ein derartiges Modell könnte sodann für weitere Kompetenztatbestände fruchtbar gemacht werden, was letztendlich auch der im Österreich-Konvent vertretenen Auffassung Rechnung tragen würde, dass mit einer starren Aufteilung der Kompetenzen den Anforderungen eines modernen Bundesstaates und den Erfordernissen der Europäischen Union nicht entsprochen werden könne.
Eine ausführliche Version dieses Beitrags ist im Föderalismus-Blog zu finden.
Integration ist eine Querschnittsmaterie, was bedeutet, dass sie alle Ebenen des Staates betrifft, nämlich Bund, Länder und Gemeinden. Die Flüchtlingskrise stellt jedoch besonders die regionale Ebene vor große Herausforderungen, für die innovative Lösungen gefragt sind.
Es geht nicht nur darum, dass Wohnraum für die in Österreich aufgenommenen schutzsuchenden Menschen bereitgestellt werden muss. Vielmehr ist auch erforderlich, dass die Integration dieser Menschen in Österreich gewährleistet wird. Dafür müssen vor allem Sprachkurse und Bildungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Integration erfolgt aber auch über Arbeitsplätze, Kultur, Sport und nicht zuletzt durch Anreize, sich in eine Aufnahmegesellschaft einzugliedern.
Das Projekt wird vom Land Steiermark mit insgesamt 58.000 Euro gefördert und von Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus) und Klaus Poier (Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz) geleitet.
Den Ausgangspunkt der Arbeit stellt die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 dar, die als umfassendste Reform der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit seit der Errichtung des Verwaltungsgerichtshofes im Jahr 1876 betrachtet wird. Den zentralen Inhalt der Novelle bildet die Schaffung von Landesverwaltungsgerichten, was für den österreichischen Bundesstaat insofern eine wesentliche Neuerung darstellt, als den Ländern mit Inkrafttreten am 1.1.2014 erstmals ein Anteil an der Staatsgewalt Gerichtsbarkeit eingeräumt wurde. Letztere war bisher – im Gegensatz zur Gesetzgebung und Verwaltung – ausschließlich dem Bund vorbehalten, weshalb nunmehr die vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern in Österreich auf der Ebene aller drei Gewalten verwirklicht ist.
Vor dem Hintergrund dieser fundamentalen Änderung im österreichischen Verwaltungsrechtsschutz werden in dem demnächst erscheinenden Werk zwei Forschungsfragen näher behandelt. Die erste ist von verfassungstheoretischer Natur und befasst sich mit der Frage, inwieweit eine eigene gliedstaatliche Gerichtsbarkeit als Wesenselement eines Bundesstaates angesehen werden kann. Im Rahmen der zweiten, verfassungsdogmatischen Forschungsfrage werden einzelne für den österreichischen Bundesstaat relevante positivrechtliche Neuerungen analysiert und hinterfragt, welche Auswirkungen die VwG-Novelle 2012 insbesondere auf das bundesstaatliche Bauprinzip der österreichischen Bundesverfassung entfaltet.
Das Paktum über den Finanzausgleich (abrufbar unter www.bmf.gv.at). ist in rechtlicher Hinsicht eine politische Vereinbarung zwischen dem Finanzminister, den Landeshauptleuten und den Vertretern des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes über die Ausgestaltung des Finanzausgleichsgesetzes. Eine besondere rechtliche Relevanz gewinnt das Paktum dadurch, dass der Verfassungsgerichtshof die Unterschrift eines Finanzausgleichspartners unter dem Paktum als Indiz für die Sachgerechtigkeit des auf einer solchen Vereinbarung beruhenden Finanzausgleichsgesetzes wertet. Dies bedeutet, dass in der Praxis alle Akteure sehr gut überlegen müssen, ob sie dem Paktum zustimmen. Ist die Vereinbarung jedoch einmal von allen unterschrieben, verbürgt es auch ein gewisses Maß an Rechtssicherheit, darf doch der Bundesgesetzgeber nicht ohne zwingende sachliche Gründe von dem einmal erzielten Einvernehmen abweichen.
Was bringt das Paktum Neues?
Revolutionär Neues ist nicht verankert. Immerhin kann man von einem „Einstieg in den Umstieg“ sprechen. Die Finanzausgleichspartner wollen einen Schritt in Richtung Aufgabenorientierung gehen, was zunächst im Bereich Elementarbildung umgesetzt werden soll. Ein noch kleinerer Schritt in die Richtung einer Abgabenautonomie soll im Bereich des Wohnbauförderungsbeitrags erfolgen, dessen Festsetzung den Ländern überlassen werden soll. Man kann gespannt sein, ob sich die Höhe des Beitrags in den Ländern unterschiedlich entwickeln wird. Wenn nein, hätte man sich das Experiment sparen können.
Darüber hinaus, und dies ist viel wichtiger, soll eine Arbeitsgruppe die Einführung einer Abgabenautonomie auch im Bereich von Massensteuern prüfen. Dies ist zwar nicht viel mehr als ein Anfang, aber immerhin zeigen die Finanzausgleichspartner damit ernsthafte Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Aufteilung der finanziellen Mittel
Was die Verteilung der finanziellen Mittel betrifft, so ist vorgesehen, dass den Ländern und Gemeinden jedes Jahr 300 Millionen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese zweckgebunden sind. Ein gutes Drittel, 106 Millionen, davon geht an die Gemeinden, besonders bedacht werden strukturschwache Gemeinden (sie erhalten 60 Millionen). Hinzu kommt noch eine Einmalzahlung von 125 Millionen Euro zur Bewältigung der großen Flüchtlingswelle des Vorjahres.
Schließlich werden die Gemeinden noch mit über 80 Millionen (über die ganze Periode gerechnet) für die Siedlungswasserwirtschaft beteilt.
Was wurde sonst noch vereinbart?
Bauordnungen
Etwas unscharf ist zur „Eindämmung der Kosten im sozialen Wohnbau“ die Rede von „bundesweit einheitlichen Regelungen der technischen Vorschriften der Bauordnungen und sonstiger technischer Vorschriften (Bauordnungen)“ und einer „generellen Rücknahme von überhöhten Standards und Normen, dies insb. auch im sozialen Wohnbau.“
Auf welche Weise sich die Vereinheitlichung der Bauordnungen, die sich zudem ausschließlich auf technische Regelungen (also das Bautechnikrecht) beziehen soll, hergestellt wird, wird offen gelassen. Die föderalistische Lösung würde in einer Harmonisierung durch Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG liegen. Zu bemerken ist allerdings, dass gerade unlängst in Vorarlberg eine bemerkenswerte Deregulierung des technischen Baurechts im Einvernehmen mit der Wirtschaftskammer erfolgt ist. Solche Innovationen sollten durch eine Harmonisierung keinesfalls ausgeschlossen werden.
Gesundheitswesen
Im kostensensiblen Bereich des Gesundheitswesens sollen zwei Vereinbarungen gem. Art. 15a B-VG betreffend „Zielsteuerung-Gesundheit“ und „Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens“ in der – aus der Beilage zum Paktum ersichtlichen – Form abgeschlossen werden. Der Formulierung „Die Umsetzung der bundesgesetzlichen Maßnahmen wird in der 15a Vereinbarung vereinbart“ wird wohl so zu verstehen sein, dass der Bundesgesetzgeber nur solche Maßnahmen in Kraft setzen soll, die zuvor (auf exekutiver Ebene mit der Genehmigung des Nationalrats) vereinbart sind.
Haftungsobergrenzen und Spekulationsverbote
Positiv ist zu bewerten, dass einheitliche und außerdem auf gleichen Kriterien basierende Haftungsobergrenzen im Wege einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG hergestellt werden sollen. Außerdem verpflichten sich alle Länder, die noch keine Spekulationsverbote erlassen haben (dazu näher Bußjäger, Zur Reform des Haushaltsrechts der Länder in Österreich, ÖHW 57 [2016], 31 [37 ff]), dies bis Ende 2017 vorzunehmen.
Bundesstaatsreform
Zu guter Letzt kommen die Finanzausgleichspartner überein, bis zum Ende des Jahres 2018 eine Bundessstaatsreform unter Berücksichtigung der Arbeiten des Österreich-Konvents vorzubereiten. Sie soll folgende Inhalte aufweisen:
„A) Reform der Kompetenzverteilung in der Gesetzgebung; Entflechtung der Kompetenzfelder
B) Reform der Kompetenzverteilung in der Vollziehung“
Benchmarking
Im Grundsatz verständigen sich Bund und Länder auf die Einführung eines Benchmarkings bei allen Aufgabenbereichen (für den Bund z.B. die Bundesministerien und Universitäten, für die Länder z.B. Verwaltung, Krankenanstalten, Pflege, Pflichtschulen). Für die Gemeinden erfolgt das Benchmarking wie bisher landesintern. Die Ergebnisse des Benchmarkings werden veröffentlicht. Die Abwicklung des Benchmarkings erfolgt u.a. auf Basis von Daten der Statistik Österreich im Rahmen des Österr. Koordinationskomitees. Das konkrete Modell soll einvernehmlich bis Ende 2018 ausgearbeitet und danach in Kraft gesetzt werden.
Resümee
Aus föderalistischer Sicht kann das Finanzausgleichspaktum grundsätzlich positiv bewertet werden. Dies gilt nicht nur für das erzielte Einvernehmen hinsichtlich der Verteilung der finanziellen Mittel, sondern auch für die avisierten Kostendämpfungspfade im Bereich der Gesundheit und der Pflege. Positiv ist auch zu sehen, dass sich die Finanzausgleichspartner auf eine kooperative und vom Einvernehmen getragene Weiterentwicklung des Haushaltsrechts der Länder verständigt haben und schließlich, dass Weichenstellungen in Richtung eines verstärkten Benchmarkings (zur Zweckmäßigkeit verstärkten Benchmarkings Bußjäger, Verwaltungsmodernisierung in den Ländern 2000-2010 [2011] 24 f) gesetzt werden. Die ersten Schritte in Richtung Aufgabenorientierung sollten als Pilotmodell verstanden werden. Zu beachten ist nämlich, dass unter „aufgabenorientiertem Finanzausgleich“ auch verstanden werden kann, dass Länder und Gemeinden lediglich und gerade noch die Mittel zur Bewältigung bestimmter Aufgaben erhalten, aber sonst keine finanziellen Spielräume mehr haben. Dies wäre kritisch zu sehen. In Richtung Abgabenautonomie wurden nur bescheidene, aber wenigstens Erfolge erzielt. Was die Bund-Länder-Arbeitsgruppe in Sachen Bundesstaatsreform vorlegen wird, kann mit mehr oder weniger großer Spannung abgewartet werden.
Den Zielsetzungen Verfahrensbeschleunigung und Entlastung entsprechend sieht der Entwurf die Erweiterung der derzeitigen Konzentrationsregelung in § 356b GewO 1994 vor. Während die aktuelle Fassung der Bestimmung eine Mitanwendung einzelner bundesgesetzlicher Verwaltungsvorschriften beinhaltet, soll der Kreis in Zukunft auch auf bestimmte landesrechtliche Bewilligungsvorschriften ausgedehnt werden. Nach dem Entwurf zur neuen Gewerbeordnung (im Folgenden als GewOneu bezeichnet) sind dies namentlich naturschutzrechtliche und bautechnische Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes, die im Genehmigungsverfahren mitangewendet werden sollen. Die Betriebsanlagen(änderungs)genehmigung gilt dann als entsprechende Genehmigung (Bewilligung) auch nach den naturschutzrechtlichen und bzw. oder den bautechnischen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes (§ 356b Abs 1 GewOneu) und würde somit in mittelbarer Bundesverwaltung erteilt werden. Gemäß § 356b Abs 3 GewOneu sind bestimmte, nach den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Bundeslandes bestehende behördliche Befugnisse und Aufgaben von der Behörde wahrzunehmen.
Eine Verfahrenskonzentration im gewerblichen Betriebsanlagenrecht ist im Interesse der Verfahrensökonomie und Beschleunigung von Verfahren zweifellos sinnvoll und wird vom Institut für Föderalismus unterstützt. Es wird allerdings zunächst darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis auch auf der Basis der bestehenden Rechtslage durch organisatorische Maßnahmen bereits erzielt werden konnte, nämlich durch Übertragung der Zuständigkeiten der Gemeinden in Baurechtsangelegenheiten auf die Bezirkshauptmannschaften nach Maßgabe des Art 118 Abs 7 B-VG. Für dieses Modell erhielt die Vorarlberger Landesverwaltung im Jahr 2007 von der Wirtschaftskammer den „Amtsmanager des Jahrzehnts“ verliehen.
Die im Entwurf vorgesehene Ausgestaltung der Verfahrenskonzentration hinsichtlich bestimmter Landesgesetze hätte nun allerdings zur Folge, dass Bau- und Naturschutzregelungen in Bezug auf Betriebsanlagen mittelbar vom Bund vollzogen werden und somit der zuständige Bundesminister weisungsberechtigt wäre. Die Landesregierung hätte dann keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf den Vollzug von Landesrecht. Ein derartiger, aus der Verfahrenskonzentration resultierender Eingriff in die Landeskompetenzen und den eigenen Wirkungsbereich müsste allerdings so gering wie möglich gehalten werden: Dies bedeutet, dass vielmehr eine solche Regelung zu treffen ist, die gewährleistet, dass die Behörde in Angelegenheiten des Landesrechts als Organ der Landesvollziehung entscheidet. Damit könnte der Weisungszusammenhang zur Landesregierung aufrechterhalten werden.
Außerdem stellt sich die Frage, was unter einer „Genehmigung (Bewilligung) […] nach den bautechnischen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes“, wie in § 356b Abs 1 GewOneu festgelegt, verstanden werden kann. Abhilfe könnte hier ein Vergleich mit § 38 Abs 2 AWG 2002 schaffen, der in den Materialien ausdrücklich als Vorbild für die geplante Verfahrenskonzentration in der GewOneu bezeichnet wird. Dieser Bestimmung gemäß sind im Genehmigungs- und Anzeigeverfahren nach dem AWG 2002 die bautechnischen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes anzuwenden. Ist dies der Fall, entfällt eine baubehördliche Bewilligungspflicht. Vermutlich ist dies auch mit der „Bewilligung nach bautechnischen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes“ in § 356b Abs 1 GewOneu gemeint; gesichert ist dies allerdings nicht, was nur eines von mehreren Beispielen dafür darstellt, dass der derzeitige Entwurf der Bestimmung äußerst undeutlich formuliert ist.
Unabhängig davon, ob mit der im Entwurf gewählten Formulierung die baubehördliche Bewilligungspflicht gemeint ist oder nicht, sind raumordnungsrechtliche Vorgaben, insbesondere Flächenwidmungspläne, nicht zu den nach § 356b Abs 1 GewOneu mitanzuwendenden bautechnischen Bestimmungen zu zählen. Nach der Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 15.777/2000) ergibt sich aus der Reduktion auf die Anwendung bautechnischer Bestimmungen, dass die Übereinstimmung eines Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan nicht relevant ist. Allenfalls könnte die Übereinstimmung einer Betriebsanlage mit dem Flächenwidmungsplan dann erforderlich sein, wenn es sich aus einer materiellen naturschutzrechtlichen Genehmigungsbestimmung ergibt. In Summe stellt sich der hier vorgesehene grundsätzliche Ausschluss raumordnungsrechtlicher Bestimmungen jedenfalls als völlig inakzeptabel dar. Verhindert werden könnte dies einerseits dadurch, dass nicht nur die bautechnischen Vorschriften, sondern das landesgesetzlich geregelte Baurecht vollumfänglich zur Anwendung gelangt. Andererseits wäre auch denkbar und letzten Endes wesentlich sinnvoller, dass die Behörde die jeweilige baurechtliche und naturschutzrechtliche Bewilligung als eigene Spruchpunkte im Bescheid erteilen würde (siehe auch § 38 Abs 1 AWG). In diesem Fall würde das Verfahren lediglich organisatorisch bei der Bezirksverwaltungsbehörde zusammengeführt. Es sei im Übrigen daran erinnert, dass das Betriebsanlagenrecht auch dem Schutz der Wohnbevölkerung dient, die Aushebelung des Raumordnungsrechts wäre mit diesem Ziel unvereinbar.
Wenngleich die Idee einer Verfahrenskonzentration bei der Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen grundsätzlich zu befürworten ist, wirft der derzeitige Entwurf des § 356b GewOneu doch einige wesentliche Fragen – insbesondere aus bundesstaatlicher Sicht – auf, die jedenfalls einer weiteren Klärung bedürfen.
Das Vormittagsprogramm der Tagung war der österreichischen Perspektive und verschiedenen Aspekten rund um die Frage, wie sich die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten seit Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bewährt hat, gewidmet. Die Vorträge am Nachmittag boten demgegenüber aus rechtsvergleichender Perspektive Einblicke in die regionalen Verwaltungsgerichte in Deutschland, der Schweiz und Italien.
Das erste Panel des Vormittags stand unter dem Motto „Zuständigkeiten und Rollenverständnis“. Zu Beginn erörterten Wolfgang Steiner und Patrick Segalla die Rolle der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einerseits aus Sicht der Verwaltung sowie andererseits aus Sicht der Verwaltungsgerichte. Ziel der belangten Behörde ist die bestmögliche Verteidigung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Gleichzeitig ist sie auch als Partei dazu angehalten, objektiv zu bleiben. Vor dem Hintergrund der jüngst ergangenen EGMR-Entscheidung Karelin (EGMR, 20.09.2016 - 926/08) wurde auch über die Teilnahmepraxis der Behörden diskutiert. Im Anschluss referierte Meinrad Handstanger über die Rolle des VwGH innerhalb der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei ging er auf die Zuständigkeit des VwGH und auf jene der Verwaltungsgerichte sowie die damit verbundene zentrale Frage, welchen Beitrag Letztere zur Erledigung einer Angelegenheit leisten, näher ein. Harald Eberhard erörterte in der Folge die Zuständigkeiten von Bundes- und Landesverwaltungsgerichten und legte insbesondere einzelne Abgrenzungsprobleme, die sich im Rahmen der zentralen Bestimmung des Art 131 B-VG ergeben, näher dar.
Das anschließende Panel zu aktuellen Problemstellungen im neuen Verfahrensrecht wurde von Gerald Baumgartner mit einem Vortrag zur Sachentscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte eröffnet. Dabei unterzog er die Bestimmung des § 28 VwGVG einer Analyse und verwies auf die reichhaltige Judikatur des VwGH dazu. Stefan Storr widmete sich dem differenzierten Rechtskraftverständnis im neuen verwaltungsgerichtlichen System und zeigte auf der Basis der gängigen Interpretationsmethoden entsprechende Interpretationsvorschläge auf. Im Anschluss daran bot Nikolaus Brandtner einen Überblick über das VwGVG und stellte einzelnen gelungenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen Reformpotentiale gegenüber.
Rechtsvergleichende Aspekte standen im Zentrum der Vorträge des Nachmittags. Zu Beginn legte Veith Mehde dar, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wie auch andere Zweige der Justiz, in Deutschland grundsätzlich Ländersache ist. Wenn es um die Anwendung von Landesrecht geht, enden die Verfahren idR bereits beim Oberverwaltungsgericht des jeweiligen Landes. Das Bundesverwaltungsgericht wird nur aktiv, wenn ein verfassungs- und damit bundesrechtlicher Aspekt zum Tragen kommt. Im Anschluss ging Daniela Thurnherr auf ausgewählte Aspekte der kantonalen Verwaltungsgerichte in der Schweiz ein. Diese treten als erste gerichtliche Rechtsmittelinstanz im Verwaltungsverfahren auf. Die Kantone verfügen sowohl über die Organisations- als auch über die Verfahrenshoheit, wobei letztere stetig beschränkt wurde. Aldo Travi stellte das System der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Italien dar, das zweistufig ausgestaltet ist. In erster Instanz fungieren die regionalen Verwaltungsgerichte (TAR – Tribunali amministrativi regionali), in zweiter Instanz der Staatsrat (Consiglio di Stato) als Berufungsgericht mit Sitz in Rom.
Abgerundet wurde die Tagung mit einer von Peter Bußjäger moderierten Podiumsdiskussion, in deren Rahmen sowohl Erfahrungen mit den Landesverwaltungsgerichten aus der Praxis geschildert, als auch Rückschlüsse aus rechtsvergleichender Sicht gezogen wurden.
Max Haller widmete sich in seinem Vortrag unter anderem dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie. Er hob hervor, dass Peripherien idR eine einfachere Wirtschaftsstruktur kennzeichnet, was auch mit einen Grund für die Abwanderung darstellt. Weitere Gründe bilden die wirtschaftlich-technologische Dynamik sowie der Abbau von Infrastruktur. Als mögliche Lösungsansätze nannte er Gemeindekooperationen sowie die Verlagerung von Institutionen in die Bundesländer, wie beispielsweise die Universität für Bodenkultur, Veterinärmedizin, Zweigstellen großer Museen oder auch die Statistik Austria. Schließlich wäre Derartiges in Zeiten der Digitalisierung problemlos möglich.
Im darauf folgenden Vortrag behandelte Christoph Schramek einzelne Themenfelder, die sich für eine Bearbeitung im Rahmen der im Herbst 2016 ins Leben gerufenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe anbieten würden. Als kurz- bzw mittelfristig umsetzbarer Themenkomplex wurde zunächst der Bereich Aufgabenentflechtung und Dezentralisierung genannt, der in vielerlei Hinsicht Potenzial in sich birgt, ua in Bezug auf eine Vereinfachung von Verwaltungsstrukturen bzw Stärkung der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern. Des Weiteren würde sich anbieten, über eine Dezentralisierung der Standorte von Bundesdienststellen zu diskutieren (siehe dazu Bußjäger/Keuschnigg/Radosavljevic, Der Bund und seine Dienststellen [2015]). Längerfristige Themenkomplexe bilden demgegenüber insbesondere eine Reform der legislativen Kompetenzverteilung sowie der Vollziehungszuständigkeiten iS einer Beseitigung der mittelbaren Bundesverwaltung und gleichzeitigen Übertragung der Angelegenheiten in den autonomen Vollzugsbereich der Länder nach dem Modell des Art 11 B-VG.
IWS Geschäftsführer Gottfried Kneifel erinnerte zum Abschluss der Veranstaltung an das Regierungsprogramm zur Stärkung des ländlichen Raumes und hob die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe bei der Landeshauptleutekonferenz im Oktober 2016 als ersten Schritt zur Umsetzung dieser langjährigen IWS-Forderung hervor. Ein Blick nach Bayern und Südtirol zeige, dass diese in puncto Dezentralisierung einen Schritt voraus seien.
Die zentralen Ereignisse des Berichtsjahres in Kurzform:
1. Das Jahr 2015 war für den österreichischen Bundesstaat vor allem in politischer Hinsicht bedeutsam: Es fanden nicht weniger als vier Landtagswahlen, konkret im Burgenland, der Steiermark, Oberösterreich und Wien statt, in deren Folge es auch zu neuen Koalitionsvarianten auf Landesebene kam.
Erfreulich ist für 2015 eine verstärkte Reformbereitschaft der Gebietskörperschaften zu verzeichnen. So haben das Burgenland, Tirol und Vorarlberg Initiativen zur Verwaltungsvereinfachung gestartet, das Land Oberösterreich sammelte wiederum im Rahmen einer sogenannten Deregulierungsinitiative Vorschläge zur Reduktion diverser Normen. Auch auf Ebene des Bundes wurden die Arbeiten in der Aufgaben- und Deregulierungskommission fortgesetzt. Ebenso gab es punktuelle Ansätze von Verwaltungsvereinfachungen und Dezentralisierung von einzelnen Bundesstellen, wie sie im Übrigen auch seitens einiger Landtage des Öfteren gefordert wurden.
Zahlreiche Vorschläge aus Politik und Wissenschaft traten hinzu, diese umfassten etwa die Reform des Bundesrates, die Begrenzung der Amtsdauer von Landeshauptleuten, die Einrichtung eines Budgetdienstes für die Landtage oder Gesetze mit Ablaufdatum.
Weniger erfreulich ist die Beendigung der Enquete-Kommission zur Reform der Demokratie in Österreich, die ihre Arbeit im Berichtsjahr 2015 weitgehend ohne Ergebnis einstellte.
2. In Fragen der europäischen Integration ist für Österreich vor allem die Einrichtung der EU-Strategie für den Alpenraum zu erwähnen, die im Berichtsjahr 2015 weiterverfolgt wurde und 2016 in die Umsetzungsphase gelangt. Von mehreren Seiten wurde der Wunsch einer stärkeren Einbindung der nationalen Parlamente auf europäischer Ebene artikuliert; von Seiten des österreichischen Bundesrates ergingen 2015 jedoch keine Stellungnahmen in Subsidiaritätsfragen.
3. Das österreichische Bundesverfassungsrecht wurde im Berichtsjahr 2015 vielfach novelliert: Dabei kann im Besonderen das sogenannte „Durchgriffsrecht“ des Bundes in Fragen der Bereitstellung von Asylquartieren unter Ausschaltung bau- und raumordnungsrechtlicher Bestimmungen aus föderalistischer Sicht durchaus kritisch gesehen werden. Dasselbe gilt für eine neuartige Verpflichtung zur Landesgesetzgebung, wie sie im Gentechnik-Anbauverbots-Rahmengesetz vorgesehen ist. In der Bundesgesetzgebung kann darüber hinaus nach wie vor die Tendenz beobachtet werden, dass vereinzelt Bundeszuständigkeiten außerhalb der Kompetenzbestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes normiert werden.
4. Die Länder änderten ihre Verfassungen ebenso in vielfacher Weise: Dabei seien für 2015 vor allem die Erleichterung der Bürgermitwirkung in Oberösterreich sowie die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht in Kärnten hervorgehoben. Der Abbau des Proporzsystems in den Ländern setzte sich ebenfalls 2015 fort, wo es nunmehr auch in Kärnten eine entsprechende Verständigung darauf gibt. Damit verbleiben nur noch Niederösterreich und Oberösterreich mit Proporzregierungen.
Im Rahmen der einfachen Landesgesetzgebung waren verschiedene Umsetzungen europäischer Normen (zB „Public-Sector-Information-Richtlinie“ oder Richtlinie 2013/55/EU zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen) sowie vor allem Änderungen im Bau- und Raumordnungsrecht zwecks Erleichterungen in Zusammenhang mit der Errichtung von Asylquartieren dominierend.
5. Die Entwicklung im österreichischen Gemeinderecht war im Berichtsjahr vor allem von Bemühungen im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit geprägt. So haben etwa die Bundesländer Salzburg und Oberösterreich erstmals die Möglichkeit Ländergrenzen überschreitender Gemeindeverbände geschaffen, wie sie seit der B-VG-Novelle 2011 verfassungsrechtlich vorgesehen ist. Darüber hinaus gab es Erleichterungen der Gemeindekooperation durch die Verschmelzung von Gemeindeverbänden in Niederösterreich oder die Schaffung von Verwaltungsgemeinschaften in Tirol.
6. Im finanziellen Föderalismus dominierten 2015 die umstrittenen Haftungsübernahmen des Landes Kärnten und die damit einhergehende Diskussion um ein Insolvenzrecht für Bundesländer. Hinsichtlich einheitlicher Budgetregeln für Bund, Länder und Gemeinden wurde im Herbst 2015 eine neue Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung erlassen. Sie tritt ab 2020, für Gemeinden ab 2021, in Geltung. Gemeinsame Grundsätze der Haushaltsführung der Länder wurden in einer Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG erlassen.
7. Hinsichtlich der Zusammenarbeit von Bund und Ländern kann für 2015 festgestellt werden, dass nach wie vor Vereinbarungen nach Art 15a BVG mit insgesamt sieben neuen Verträgen zwischen Bund und Ländern (bzw den Ländern untereinander) ein praktikables Instrument der Kooperation im Rahmen bestehender Kompetenzen darstellen. Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit ergeben sich jedoch nach wie vor im Begutachtungsverfahren von Bundesgesetzen: Dabei liegt ein vermeidbares Hauptproblem in den oft sehr knapp bemessenen Begutachtungsfristen, was 2015 auch vom Rechnungshof kritisiert wurde. Als verbesserungsbedürftig hat sich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Asylwesen gezeigt. Betreffend die wechselseitigen Zustimmungsrechte zwischen den Gebietskörperschaften wurden diese – wie auch in den vorangegangen Jahren – im Regelfall erteilt. Es gab 2015 sogar Bemühungen, diese in Einzelfällen überhaupt zu beseitigen. Insgesamt kann für das Jahr 2015 wieder konstatiert werden, dass der österreichische Föderalismus von einem primär kooperativen Vorgehen geprägt ist.
8. Auch was die grenzüberschreitende Kooperation der österreichischen Länder betrifft, sind diese – neben ihrer Tätigkeit in den zahlreichen Organisationen und Konferenzen auf europäischer Ebene – vor allem mit den Regionen benachbarter Staaten in regem Kontakt. Die Länder verfügen – neben den zahllosen informellen Kontakten – über die Europäischen Verbünde territorialer Zusammenarbeit nunmehr auch über eine europarechtliche Grundlage, die sich bislang bestens bewährt hat.
Seit 3. Oktober 2016 ist Dr. Christoph Schramek neuer Institutsassistent und folgt damit Dr. Niklas Sonntag nach, der in die Tiroler Landesverwaltung wechselt.
Das Institut für Föderalismus möchte dem scheidenden Institutsassistenten Dr. Niklas Sonntag seinen herzlichen Dank für die ausgezeichnete Zusammenarbeit in den vergangenen mehr als vier Jahren zum Ausdruck bringen. Von dieser guten Kooperation zeugen auch zahlreiche Beiträge, die Dr. Sonntag gemeinsam mit Institutsdirektor Peter Bußjäger in den letzten Jahren publiziert hat (Auswahl):
Beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stellen ein gemeinsames Organ von Bund und Ländern dar. Sowohl dem VwGH als auch dem VfGH kommt die Aufgabe zu, als einigende Klammer zwischen Bund und Ländern zu fungieren und somit die bundesstaatliche Ordnung zu sichern. Insofern bestand seit jeher ein legitimes föderalistisches Interesse der Länder, an der Bestellung der Mitglieder der beiden Höchstgerichte in irgendeiner Form mitzuwirken.
Um diesem Anliegen zu entsprechen, wurde in Bezug auf den VwGH im B-VG von 1920 (BGBl 1920/1) einerseits dem Bundesrat ein Zustimmungsrecht bei der Bestellung des Vizepräsidenten sowie der Hälfte der Mitglieder eingeräumt (Art 135 Satz 2 B-VG) und andererseits festgelegt, dass jedem Senat, der über Beschwerden gegen Akte einer Landesbehörde zu entscheiden hatte, ein Richter aus dem Justiz- oder Verwaltungsdienst des jeweiligen Landes angehören sollte (Art 132 B-VG). Für den VfGH konnte der Bundesrat die Hälfte der Mitglieder und Ersatzmitglieder wählen (Art 147 Abs 3 B-VG).
Mit der B-VG Novelle 1929 (BGBl 1929/392) kam es zur Beseitigung des oben genannten Zustimmungsrechts des Bundesrates bei der Bestellung eines Teils der Mitglieder des VwGH. Eine Beteiligung eines föderativen Organs an der Richterbestellung des VwGH wurde seitdem nicht wieder eingeführt. Als (geringen) Ersatz dafür schuf man das sogenannte „Länderviertel“ in Art 134 Abs 3 B-VG (seit der VwG-Novelle 2012 in Art 134 Abs 4 B-VG), demgemäß wenigstens der vierte Teil der Mitglieder des VwGH aus Berufsstellungen in den Ländern, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder, entnommen werden soll. Die Bestimmung des Art 132 B-VG über die Senatszusammensetzung behielt man in Art 135 Abs 2 B-VG bei, allerdings wurde sie nicht in das Verfassungsrecht der zweiten Republik übernommen und ist damit ersatzlos entfallen. Letzten Endes blieb einzig das „Länderviertel“ übrig.
Das Wahlrecht des Bundesrates („Länder- und Ständerat“) hinsichtlich des VfGH wurde im Zuge der B-VG Novelle 1929 in Art 147 Abs 2 B-VG verschoben und in ein Vorschlagsrecht für drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied umgewandelt. Darüber hinaus wurde ein neues föderalistisches Element ergänzt, indem festgelegt wurde, dass drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder ihren Wohnsitz außerhalb der Bundeshauptstadt Wien haben müssen. Diese Bestimmungen blieben seitdem unverändert.
Im B-VG 1920 wurde auf das Interesse der Länder an der Bestellung der Richter des VfGH und VwGH aus gutem Grund Rücksicht genommen. Allerdings erfuhr die föderale Mitwirkung in beiden Fällen im Laufe der Zeit eine erhebliche Reduzierung. Im Gegensatz zum VwGH verfügen die Länder heute in Bezug auf den VfGH lediglich über ein indirektes Mitwirkungsrecht am Bestellungsvorgang eines Teils der Richter.
Auch das „Länderviertel“ und die Bestimmung in Art 147 Abs 2 B-VG bezüglich des Wohnsitzes der Verfassungsrichter stellen minimale föderalistische Ansätze dar, die für die bundesstaatliche Struktur der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts nur eine geringe praktische Bedeutung erlangt haben. Insbesondere die Umsetzung der Sollvorschrift des „Länderviertels“ im heutigen Art 134 Abs 4 B-VG scheitert an der faktischen Gegebenheit, dass es nicht genug Bewerber aus den Ländern gibt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zwar aus dem B-VG 1920 der Wille erkennbar ist, aus den Gerichtshöfen des Öffentlichen Rechts eine gemeinsame Instanz von Bund und Ländern zu konstruieren. Letztendlich ist dies aber doch nur beim Versuch geblieben. Mit einer stärkeren Einbindung der Länder an der Richterbestellung würde der bundesstaatliche Charakter der beiden Höchstgerichte jedenfalls besser zur Geltung kommen. Insofern könnten die aktuellen Diskussionen rund um den Bestellungsmodus der Verfassungsrichter durchaus zum Anlass genommen werden, föderalistische Erwägungen in dieser Frage miteinzubeziehen (ein dahingehender Reformvorschlag, nämlich die stärkere Einbindung des Bundesrates bei der Bestellung von gemeinsamen Organen der Länder und des Bundes, findet sich in der Erklärung der Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten vom 7. Oktober 2013).
Institutsdirektor Peter Bußjäger leitete die Konferenz mit einem umfassenden Überblick zum derzeitigen Status des Föderalismus in Österreich ein. Dabei wurde aus internationaler Sicht hervorgehoben, dass sich Österreich im Vergleich mit anderen europäischen Staaten hinsichtlich des Dezentralisierungsgrades, zumindest dann, wenn man nicht nur die finanzrechtliche Komponente, sondern auch die staatsrechtliche Verfasstheit betrachtet, im vorderen Drittel befindet. Demgegenüber fällt der nationale staatsrechtliche Befund relativ dürftig aus (Rill, Festschrift Schäffer [2006]: „Alles in allem ist der status quo bundesstaatlicher Mindeststandard.“), wobei sich, nach Meinung von Peter Bußjäger, der österreichische Föderalismus letzte Endes als vitaler erwiesen hat, als es ihm manche um die Jahrtausendwende noch zugetraut hätten. Aktuell wirken auf den österreichischen Bundesstaat sowohl Zentralisierungsdynamiken (zB Europäisierung und Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung) als auch Dezentralisierungsdynamiken (zB Bedeutung der Regionen im Europäischen Mehrebenensystem sowie die wachsende Bedeutung regionaler Infrastrukturen), die sich wohl auch in Zukunft abwechseln werden. Eine besondere Bedeutung werde darüber hinaus weiterhin dem kooperativen Föderalismus zukommen.
Das zweite Panel wurde dem Föderalismus in Europa gewidmet. Zunächst bot Peter Friedrich (Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten, Baden-Württemberg) einen umfassenden und praxisorientierten Einblick in das föderalistische System Deutschlands. Unter anderem ging er auf die Position des Bundesrates als ein Organ, das sich aus den Länderparlamenten zusammensetzt, ein. Anschließend referierte Roland Sturm (Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg) zu aktuellen Entwicklungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und hob dabei unter anderem ein Erstarken der Identitätspolitik als Grund für einen „coming-apart-Föderalismus“, der die Nationalstaaten destabilisiere, hervor. Ein „coming-together-Föderalismus“ sei in der EU nicht erkennbar, vielmehr fehle überall Autonomie im Sinne einer „self rule“. Der Einblick in das italienische System von Elisabeth Alber (EURAC Bozen) war der italienischen Verfassungsreform und deren Auswirkungen auf die Regionen gewidmet. Insbesondere würden bei einem positiven Ausgang des Referendums am 4.12.2016 die Kompetenzen des Senates eine erhebliche Reduzierung erfahren. Außerdem käme es zu einer Beseitigung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen (ähnlich der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung in Österreich) zugunsten des Staates.
Das erste Panel des Nachmittags befasste sich mit der Reform der Bund-Länderbeziehungen in Österreich. Christian Keuschnigg (Universität St. Gallen) referierte zunächst zum Fiskalföderalismus in Österreich und setzte sich insbesondere mit Fragen eines möglichen fiskalischen Wettbewerbs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auseinander. Für einen derartigen Fiskalwettbewerb seien bestimmte „Leitplanken“ (einheitliches Binnenmarktprogramm, transparenter Finanzausgleich, Schuldenbremse, mehr direkte Demokratie „von unten“) zu beachten. Gottfried Haber (Donau Universität Krems) widmete sich anschließend verschiedenen Fragen der Länderfinanzen aus ökonomischer Sicht. Unter anderem wurde der Aspekt eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs angesprochen.
Spekulationsgeschäfte und die Insolvenzfähigkeit von Gebietskörperschaften bildeten das Thema des letzten Panels, welches von Ewald Wiederin (Universität Wien) zur Frage der Privatrechtsfähigkeit der Länder (Art 17 B-VG) eingeleitet wurde. Diese sei, im Einklang mit der traditionellen Lehrmeinung, prinzipiell unbeschränkt. Zu beachten sind landesverfassungsrechtliche Spekulationsverbote (Art 37 Abs 6 L-VG Burgenland, Art 10a L-VG Salzburg) sowie diesbezügliche einfachgesetzliche Regelungen (zB: Oö Finanzgebarungs- und Spekulationsverbotsgesetz, LGBl 2014/52). Aus der Praxis des Hypo-Untersuchungsausschusses berichtete sodann Werner Kogler (Stellvertretender Klubobmann, Die Grünen), ehe abschließend Michael Potacs (WU Wien) die Insolvenzfähigkeit von Gebietskörperschaften umfassend erläuterte. Aus der Bundesverfassung ergebe sich, dass die Vorgaben von § 15 EO für Gemeinden für alle Gebietskörperschaften gelten, weshalb das gemäß § 2 Abs 2 IO gesamte der Exekution unterworfene Vermögen jene Teile des Landesvermögens nicht erfasse, die der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Länder dienen.
Abgerundet wurde die Statuskonferenz durch einen Schlussvortrag von Georg Kapsch (Präsident der Industriellenvereinigung), der sich aus Sicht der Wirtschaft zum bundesstaatlichen System Österreichs äußerte und mehr Effizienz einforderte.
Die PowerPoint-Folien der einzelnen Vortragenden sind unter folgendem Link abrufbar:
http://www.foster-europe.org/de/event/statuskonferenz-f%C3%B6deralismus-%C3%B6sterreich
Di Fabio ging auf die wankende Europäische Union nach und während Finanz-, Wirtschafts- und Flüchtlingskrise ein. Dabei warb Di Fabio für ein stärkeres demokratisches Bewusstsein und mehr Respekt innerhalb Europas: „Jeder Staat in der EU muss zunächst einmal funktionsfähig sein, er muss akzeptiert werden von seinen Bürgerinnen und Bürgern und darf nicht zerrissen werden von populistischen Bewegungen. Wir müssen Rücksicht nehmen auf die demokratischen Primärräume in den Mitgliedsstaaten, sonst kann das große europäische Projekt nicht gelingen“, betonte Di Fabio. Im anderen Fall würde die EU zu einer „byzantinischen Fassade“ werden, wo man sich in Brüssel treffe und Beschlüsse fasse, während „unten in den Mitgliedsstaaten die Bedingungen in eine ganz andere Richtung weisen“, so Di Fabio. „Um Europa wieder zusammenzuhalten, müssen wir uns ein Stück weit ehrlicher machen.“ Auch der „Zusammenhang zwischen Werten, den tragenden Institutionen und dem Alltagsverhalten von Menschen“ müsse deutlicher gemacht werden, erklärte der deutsche Gastredner. Zu den aktuellen gesellschaftlichen Konflikten und Verwerfungen appellierte Di Fabio: „Unsere Gesellschaft muss alles daran setzen, die entstandene Kluft wieder zu schließen. Das wird nicht gelingen, indem man die jeweils andere Seite beleidigt, verunglimpft. Der Wertekonsens unserer Gesellschaft ist in Gefahr geraten. Wir müssen wieder die Grundwerte der westlichen Gesellschaft deutlich machen, aber nicht, indem diejenigen, die die Interpretationsmacht besitzen, den anderen sagen, was sie denken sollen. Sondern indem diejenigen, die die Interpretationsmacht besitzen, sich fragen, was sich denn bei ihrem Weg in die Zukunft als falsch erwiesen hat, wo eine Korrektur notwendig ist“, forderte Di Fabio. Und: „Wir sollten uns auch fragen, wie man denn bestimmtes erklären kann, ohne dem anderen gleich die Intelligenz oder die moralische Integrität abzusprechen.“
Alle bisherigen Ausgaben der Veranstaltung standen unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs des Europarates. Das zweiwöchige Lehreprojekt vermittelt in einer theoretisch hochwertigen und gleichzeitig praxisnahen Bildungsveranstaltung aktuelle Inhalte und Erkenntnisse zu den Themen Föderalismus, Regionalismus und dem Regieren im Mehrebenensystem aus vergleichender Perspektive der Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft. Jede Ausgabe hat ein eigenes Schwerpunktthema, womit die kontinuierliche Aktualität des Projekts garantiert wird.
Die Veranstaltung findet vom 30. Jänner bis 10. Februar 2017 in Innsbruck und Bozen statt. Genauere Infos finden Sie in der pdf-Datei.
Die Dissertation von Christoph Schramek zum Thema Arbeit „Gerichtsbarkeit im Bundesstaat“ setzt sich mit den Auswirkungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 auf die Länder auseinander. Damit erhielten die österreichischen Länder erstmals Anteil an der Gerichtsbarkeit, die bis dahin ausschließlich dem Bund vorbehalten war. Die sehr umfangreiche Literatur zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle behandelt diese Frage allerdings lediglich am Rande. Bemerkenswert ist überdies, dass auch die internationale Föderalismusforschung bislang der Frage, inwiefern eine eigenständige Gerichtsbarkeit der Gliedeinheiten eines Bundesstaats zu dessen essentialia zählen, weder aus rechtsvergleichender noch aus bundesstaatstheoretischer Sicht besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Insofern betritt die Arbeit Neuland, dessen Erschließung ihre besondere Innovativität und Originalität ausmacht.
Der Autor geht dabei nicht nur auf die Frage der Bestellung und demokratischen Legitimation der Richter, sondern auch auf die möglichen Vorteile einer eigenständigen Gerichtsbarkeit der Gliedeinheiten ein. Er unterscheidet nach den verschiedenen Typen von Gerichtsbarkeit und widmet besonders interessante Überlegungen der Fragestellung, wie sich die bundesstaatliche Teilung der Gerichtsbarkeit hinsichtlich Instanzenzügen und Höchstgerichten auswirken kann. Seinem Ergebnis, dass dezentraler Gerichtsbarkeit zwar überwiegend kein so hoher bundesstaatlicher Status beigemessen wird wie etwa einer eigenen dezentralen Gesetzgebungshoheit, ist ebenso beizupflichten wie dem Befund, dass eine gegliederte Gerichtsbarkeit hohe verfassungsstaatliche (nicht nur föderalistische) Vorteile für sich geltend machen kann. Die Dissertation erarbeitet Grundlegendes zum österreichischen Föderalismus und enhält auch neue bundesstaatstheoretische Erkenntnisse. Gleichzeitig verknüpft die Arbeit aber föderalistische Aspekte mit vielen anderen für die österreichische Verfassungsstaatlichkeit, aber auch die Landesverwaltungsgerichte relevanten Fragestellungen – eine Verbindung, die der österreichischen Föderalismusforschung durchaus gut tut.
Die Studie von Alice Valdesalici zum Thema „Financial constitutions and responsibility at the margin: from legal framework to practice“ beschäftigt sich mit einem hochaktuellen und gerade in Österreich immer wieder diskutierten Thema, nämlich der Frage der Verantwortlichkeit der Länder für ihre Ein- und Ausnahmen in rechtsvergleichender Perspektive, konkret untersucht wird dabei Deutschland und Spanien. Die Autorin legt dar, dass finanzielle Autonomie der Glieder ein wesentliches Element der Bundesstaatlichkeit ist. Für die österreichische Diskussion interessant ist die Bedeutung, die die Autorin einer effektiven Ländermitwirkung bei der Festlegung des Finanzausgleiches und der finanziellen Rahmenbedingungen der Länder im konkreten Fall durch den deutschen Bundesrat beimisst. Die immer wieder geforderte Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung setzt demnach auch eine entsprechende Ländermitwirkung voraus.
Diese Voraussetzungen sind in den von der vorliegenden Studie untersuchten Staaten in Deutschland deutlich besser erfüllt als in Spanien. Vielleicht sollte man in Österreich demnach den Blick auch etwas stärker nach Deutschland richten.
Bereits im Vorfeld der Parlamentswahlen 2015 hatte der britische Premierminister David Cameron die Abhaltung der lange diskutierten Volksabstimmung über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU angekündigt. Nun steht mit dem 23. Juni 2016 ein Datum für die Abstimmung über den Verbleib in der Europäischen Union fest. „Brexit“, wie der modische Terminus für den möglichen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union lautet, wird in der Europäischen Union von vielen als Gefahr für den Zusammenhalt Europas betrachtet. Er ist ein Symbol für eine EU, die sich zunehmend desintegrativen Tendenzen gegenüber sieht und von erodierender Solidarität der Mitglieder untereinander geprägt ist.
Das Austrittsrecht eines Mitgliedstaates aus der EU ist jedenfalls ein seit Lissabon in den Verträgen ausdrücklich verankertes Recht (Art 50 EUV). Nichtsdestoweniger bedarf das Austrittsverfahren eines komplexen Regelungswerkes, für dessen Abschluss grundsätzlich zwei Jahre Zeit zur Verfügung stehen. Ein Mitgliedstaat, der beschließt auszutreten, teilt dem Europäischen Rat seine Absichten mit. In der Folge handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus. Ein Verfahren wofür jedoch maximal zwei Jahre zur Verfügung stehen, da nach Art 50 Abs 3 EUV die Verträge auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder zwei Jahre nach der Mitteilung keine Anwendung mehr finden, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.
Abgesehen davon gibt es zahlreiche Rechtsfragen, die sich in der Folge stellen, deren Lösung noch unklar ist, man denke etwa an den Status der Abgeordneten des Europäischen Parlaments oder die britischen Richter im Europäischen Gerichtshof – Fragen, die auch nicht im Austrittsabkommen geregelt werden können, da es sich um Primärrecht der EU handelt. Die organisatorischen Folgen eines Austritts des Vereinigten Königreichs würden somit wohl auch Änderungen der Verträge über die Europäische Union bedingen. Da ein möglicher Austritt des Vereinigten Königreichs dessen gesamtes Staatsgebiet erfasst, erscheint zudem auch ein Verbleib Schottlands in der EU mit gleichzeitiger Sezession kaum möglich.
Mehr dazu von Institutsdirektor Peter Bußjäger finden Sie im Policy Brief der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
Neben einigen Initiativen in den Landtagen kann mittlerweile berichtet werden, dass es seitens des Bundes in zumindest einem kleinen Teilbereich nun zu einer Verlagerung gekommen ist. Das Bundesamt für Wasserwirtschaft, eine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, übersiedelt von Wien nach Scharfling am Mondsee. Sowohl Bundesminister Andrä Rupprechter als auch der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer betonten im März bei einer Pressekonferenz die damit verbundene Stärkung des ländlichen Raumes. Dabei verwies man auch auf die Erfahrungen in Deutschland und der Schweiz, wo Bundesdienststellen auf zahlreiche Standorte außerhalb der Hauptstädte verteilt sind. Eine bessere Aufteilung bringe eine Aufwertung auch für andere Regionen Österreichs, wobei vor allem die Verlagerung von Dienstleistungseinrichtungen wie Forschungsstellen oder Versuchsanstalten des Bundes hier besonders wichtig sei. Mehr zum Thema finden Sie in der 2015 erschienen Studie des Instituts für Föderalismus unter dem Titel „Der Bund und seine Dienststellen“.
Wachsende Aufgabenfülle und komplexe Rechtsfragen bei zugleich enger werdenden finanziellen und personellen Ressourcen: Dies sind die schwierigen Rahmenbedingungen, mit denen viele Tiroler Gemeinden heute zurechtkommen müssen. In der Praxis zeigt sich, dass gemeindeübergreifende Zusammenarbeit immer häufiger als Chance ergriffen wird, damit gewünschte Vorhaben und Entwicklungen dennoch finanzierbar und umsetzbar sind.
Um den aktuellen Stand für Tirol zu erheben und Potenziale für die Zukunft aufzuzeigen, wurde das Institut für Föderalismus mit der Erstellung einer Studie beauftragt. Diese wurde Anfang Juni von Landesrat Johannes Tratter gemeinsam mit Institutsdirektor Peter Bußjäger vorgestellt. Die Untersuchung zeigt, dass die 279 Gemeinden Tirols zu einem sehr hohen Grad miteinander vernetzt sind, so gibt es insgesamt 946 Kooperationen, davon 290 Gemeindeverbände und darüber hinaus eine große Zahl informeller Kooperationen. Jede Gemeinde ist dabei durchschnittlich an 27 Kooperationen beteiligt. Quantitativ führend sind der Bildungsbereich mit 217 Schulsprengeln sowie der Sozialbereich mit 162 Einheiten, darunter Sanitätssprengel, Sozial- und Gesundheitssprengel, Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime.
Der Blick auf Lösungsmodelle im deutschsprachigen Raum zeigt, dass überall nach neuen Wegen gesucht wird. „Es gibt aber kein Generalrezept“, erteilt Institutsdirektor Peter Bußjäger dem Wunsch nach einfachen Lösungen eine klare Absage. Die Analyse zeige vor allem, dass Gemeindefusionen – in diesem Zusammenhang häufig gefordert – kein Allheilmittel seien. Es sei sinnvoller, je nach Aufgabengebieten unterschiedliche Ansätze zu verfolgen: „Während zum Beispiel raumbezogene Leistungen durch ein engeres Zusammenrücken besser bewältigt werden können, empfehlen sich für andere Aufgaben überregionale Lösungen, wie sie in Tirol etwa mit den Gesundheits- und Sozialsprengeln umgesetzt wurden.“
Die Arbeit von Peter Bußjäger, Stephanie Baur, Georg Keuschnigg und Niklas Sonntag erscheint unter dem Titel „Interkommunale Zusammenarbeit in Tirol - Strukturen und Potenziale im überregionalen Vergleich“ als Band 38 der Reihe Föderalismusdokumente und ist demnächst am Institut erhältlich sowie über die Homepage abrufbar.
In drei thematischen Blöcken widmen sich insgesamt zehn Referate den Zuständigkeiten und Rollenverständnis, den aktuellen Problemstellungen im neuen Verfahrensrecht sowie den Funktionsbedingungen regionaler Verwaltungsgerichtsbarkeit in ausgewählten Nachbarstaaten Österreichs. Eine Praxisdiskussion rundet die Veranstaltung ab. Unter den Referenten sind sowohl Wissenschaftler von Universitäten aus Österreich, Deutschland und er Schweiz, als auch Praktiker aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Vollziehung. Näheres zum Programm gibt es auf der Homepage des Instituts für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre.
Dieser Preis wird für herausragende Diplom- und Masterarbeiten und Dissertationen der letzten beiden Jahre sowie für geplante oder in Arbeit befindliche Projekte aus der Forschungs- und Verwaltungspraxis verliehen. Eingereicht werden können dabei Forschungsarbeiten sowie Projekt- und Ideenpapiere zu den Themen Föderalismus, Governance im Mehrebenen-System, Deregulierung, Subsidiarität sowie Regional- und Standortforschung.
Teilnahmeberichtigt sind Personen bis zu einem Alter von 35 Jahren. Die Behandlung österreichischer Themenstellungen ist erwünscht, ein wissenschaftlich fundierter, innovativer Beitrag zu Fragen des Föderalismus und der Dezentralisierung wird erwartet. Der Preis ist mit 4.000 Euro dotiert; das Preisgeld kann an eine(n) oder mehr PreisträgerInnen vergeben werden. Einreichungen sind bis spätestens 31. März 2016 an das Institut für Föderalismus, Maria-Theresien-Straße 38b, 6020 Innsbruck, e-mail: institut@foederalismus.at zu richten.
Näheres zu den Ausschreibungsbedingungen und das Einreichformular finden Sie unter www.foederalismus.at/foederalismuspreis.
Nachdem es im vergangenen Jahr einige Diskussionen über die Bestimmungen betreffend den Mandatsverlust von Parlamentsabgeordneten etwa nach strafrechtlichen Verurteilungen gab, liegt nun ein Antrag (1470/A XXV. GP) vor, die einschlägigen Bestimmungen zu verschärfen. So ist etwa vorgesehen, die Wählbarkeit, also das passive Wahlrecht zu beschränken, zudem soll die Antragsbefugnis für ein Verfahren zum Mandatsverlust vor dem Verfassungsgerichtshof auch auf den jeweiligen Parlamentsvorsitzenden ausgedehnt werden. Konkret vorgesehen sind Änderungen in den Voraussetzungen der Wählbarkeit in der Nationalrats-Wahlordnung, demzufolge nunmehr eine Person unter anderem dann nicht mehr wählbar sein soll, wenn diese zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde. Aus föderalistischer Sicht zu bemerken sind die geplanten Novellierungen der Art 95 und 141 B-VG: So soll das wahlrechtliche Homogenitätsprinzip, demzufolge die Landtagswahlordnungen die Bedingungen des Wahlrechts und der Wählbarkeit nicht enger ziehen dürfen als die Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat nun auf „bundesgesetzliche“ Bestimmungen erweitert werden. Damit unterliegt die Gestaltungsfreiheit der Länder de facto der einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch den Bund und nicht mehr der Bundesverfassung, was eine Beschränkung der Verfassungsautonomie der Länder – seinerseits immerhin Wesenselement des Bundestaates – bedeutet. Dasselbe gilt für die Erweiterung der Antragsbefugnis für Verfahren über Mandatsverlust vor dem VfGH – der geplante neue Art 141 Abs 1 lit c sieht diesbezüglich einen Verweis auf die jeweilige Geschäftsordnung vor, was den Ländern wiederum die Möglichkeit nimmt, dies zB landesverfassungsrechtlich abzusichern.
Das Ziel des Antrages, die Regeln des Amtsverlustes von Politikern zu verschärfen und jenen für Bundes-, Landes- und Gemeindebedienstete anzugleichen, ist zweifellos sinnvoll, allerdings wäre jedenfalls überlegenswert, jene Bestimmungen, die auch bislang bundesverfassungsrechtlich normiert waren, in der entsprechenden Rechtsform zu belassen und nicht systemwidriger Weiser die Verfassungsautonomie der Länder an einfachgesetzliche Ausgestaltungen des Bundes zu binden.
Zwischenzeitlich liegen teilweise entsprechende Gesetzentwürfe des Bundes vor, die aus föderalistischer Sicht insoweit kritisch zu sehen sind, als sie lediglich neue Bundeskompetenzen und darüber hinaus auch neue Zuständigkeiten für Bundesbehörden vorsehen. Grundsätzlich sei angemerkt, dass eine weitere Homogenisierung der Mindestsicherung über eine Anpassung der entsprechenden Vereinbarung nach Art 15a B-VG jederzeit möglich wäre und eine solche im Übrigen ohnehin bereits in Verhandlung ist. Nicht nachvollziehbar ist auch der Plan, die Agenden in unmittelbarer Bundesvollziehung, also durch eigene Bundesbehörden (konkret das Sozialministeriumservice) vollziehen zu lassen, anstatt dazu die bereits existenten Verwaltungsstrukturen der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern zu nutzen, die die Angelegenheiten problemlos miterledigen könnten (siehe dazu Föderalismus-Info 1/2016). Der sukzessive Aufbau derartiger Parallelstrukturen erscheint nicht sinnvoll und wurde nicht zuletzt von der Aufgaben- und Deregulierungskommisson der Bundesregierung in ihrem Abschlussbericht kritisiert.
Abgesehen davon tragen die beiden Vorhaben des Bundes zu einer weiteren Zersplitterung des Bundesverfassungsrechts bei. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz aus 1996 (nachzulesen im 21. Bericht über die Lage des Föderalismus in Österreich [1997] 176 f), wonach Kompetenzverschiebungen zu Gunsten des Bundes tunlichst im Abtausch mit anderen Zuständigkeiten erfolgten solle.
In Zusammenhang mit den Arbeiten am „Informationsfreiheitsgesetz“ wird über eine Klärung der Frage diskutiert, wie das bundeseinheitliche Ausführungsgesetz zu den geplanten verfassungsrechtlichen Bestimmungen zustande kommen könnte: Die Länder sollten nun nach Vorbild des Vergaberechts (Art 14b B-VG) ein Vetorecht gegen jede weitere Änderung erhalten. Nach diesem Modell kann der Bund das Gesetz im Alleingang beschließen, jedoch tritt es nur nach Zustimmung aller Länder in Kraft. Gemäß Art. 42a B-VG müssen die Länder ihr allfälliges Veto innerhalb von acht Wochen zu erheben. Dies würde im Wesentlichen den Forderungen der Landeshauptleutekonferenz vom November des Vorjahres folgen.
Im Zuge der Reform vorgeschlagen ist außerdem ein weiterer Abtausch von gegenseitigen Zustimmungsrechten. Im Besonderen sei auf die Initiative des Bundesrates vom Oktober 2015 verwiesen, in der die Entflechtung wechselseitiger Zustimmungsrechte zwischen Bund und Ländern beantragt wurde. Wesentliches Anliegen der Initiative, die unter anderem Vorschlägen der Aufgabenreform- und Deregulierungskommission folgt, ist es, vor allem die Zustimmungsrechte der Bundesregierung zu Landesgesetzen, die die Organisation von Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung regeln, zu streichen. Hinzu kommt der Entfall des Zustimmungsrechtes der Bundesregierung hinsichtlich der Organisation des Amtes der Landesregierung und der Bestellung des Landesamtsdirektors. Außerdem ist der Entfall der gegenseitigen Zustimmungsrechte in Bezug auf eine Änderung in den Sprengeln der politischen Bezirke bzw der Bezirksgerichte vorgesehen (vgl dazu auch Föderalismus-Info 6/2015).
Nicht zuletzt auf Grund seiner repräsentativen Zuständigkeiten und Befugnisse im Notstandfall kann man das Amt des Bundespräsidenten auch als eines des „Gesamtstaats“ im Sinne der Kelsen‘schen „Drei-Kreise-Theorie“, also über Bund und Ländern stehend (wie etwa auch der Verfassungsgerichtshof oder Rechnungshof) verstehen. Dies wird auch in seiner Verantwortlichkeit gegenüber der Bundesversammlung unterstrichen – jenem parlamentarischen Organ, das sich aus National- und Bundesrat, also beiden Kammern des Parlaments, zusammensetzt. Vor der Bundesversammlung wird der Bundespräsident angelobt, sie entscheidet aber auch über eine Absetzung oder Anklage des Staatsoberhaupts. Die wichtigsten Kompetenzen sind jedoch im Wesentlichen bundesbezogen, so etwa die Ernennung von Bundebeamten oder die Mitwirkung im Rahmen der Bundesgesetzgebung. Auch ist der Bundespräsident im Regelfall an Vorschlag und Gegenzeichnung durch die Bundesregierung gebunden.
Betrachtet man die Zuständigkeiten des Staatsoberhaupts speziell aus föderalistischer Sicht, so umfasst dies etwa die Angelobung der Landeshauptleute nach Art 101 Abs 4 B-VG oder die Ermächtigung einer Landesregierung zum Abschluss eines Staatsvertrages nach Art 16 B-VG, sofern dieser weder gesetzesändernd noch gesetzesergänzend ist (Art 66 Abs 3 B-VG). Letzteres spielte in der Praxis seit Einführung der Staatsvertragskompetenz der Länder 1989 bislang jedoch nie eine Rolle. Aus bundesstaatlicher Sicht besonders interessant ist die Kompetenz des Staatsoberhauptes zur Auflösung eines Landtags nach Art 100 B-VG: dies geschieht durch den Bundespräsidenten auf Antrag der Bundesregierung und mit qualifizierter Zustimmung des Bundesrates; eine solche Auflösung darf nur einmal aus dem gleichen Anlass verfügt werden. Aus föderalistischer Sicht handelt es sich dabei um eine Form der Bundesaufsicht, die als Eingriff von Bundesorganen in die Autonomie der Landesverfassung etwas systemwidrig erscheint. Eine im Zuge der Politischen Vereinbarung über die Neuordnung des Bundesstaates 1993 angestrebte Beseitigung des Auflösungsrechts in seiner gegenwärtigen Form scheiterte bislang.
Als „Hüter der Verfassung“ wird der Bundespräsident nicht selten in Zusammenhang mit der Beurkundung von Bundesgesetzen bezeichnet. Insoweit er in dem Verfahren das verfassungsmäßige Zustandekommen eines Gesetzes überprüft, umfasst dies auch die Wahrung etwa des Zustimmungsrechts des Bundesrates bei Kompetenzverschiebungen zu Lasten der Länder nach Art 44 Abs 2 B-VG.
Darüber hinaus erwähnenswert ist die Zuständigkeit des Bundespräsidenten zur Festsetzung der Zahl der Mitglieder des Bundesrates basierend auf dem Ergebnis der Volkszählung – zuletzt geschehen mit Entschließung BGBl II Nr 237/2013, womit 61 statt 62 Mitglieder festgesetzt wurden und Oberösterreich eines seiner damals elf Mandate verlor. Weniger bekannt sind die Befugnisse im Notstandsfall, die in einem Fall sogar dezidiert föderalistischer Art sind, als etwa der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung den Sitz oberster Organe an einen Ort außerhalb Wiens verlegen könnte – jedoch nur „für die Dauer außergewöhnlicher Verhältnisse“ (Art 5 Abs 2 B-VG). Das Notverordnungsrecht des Staatsoberhauptes umfasst lediglich den Bund, für die Länder gelten hier die Bestimmungen in Art 97 Abs 3 und 4 B-VG, wonach die Landesregierung im Notfall im Einvernehmen mit einem Landtagsausschuss entsprechendes Recht erlassen kann. Diese Regelung wurde 1984 eingeführt und ist im Wesentlichen der Kompetenz des Bundespräsidenten auf Bundesebene nachgebildet.
Regionen stehen sowohl national wie auch international um die Ansiedlung von Unternehmen und Personen im Wettbewerb. Um im globalen Standortwettbewerb erfolgreich zu sein, müssen diese deshalb auch entsprechend attraktive Rahmenbedingungen und Leistungen für Unternehmen und Privatpersonen bieten. Weil Regionen aber im Normalfall einem Nationalstaat untergeordnet sind, verfügen sie nicht über alle dafür notwendigen Kompetenzen.
Im Auftrag des Instituts für Föderalismus hat das Forschungsinstitut BAK Basel Economics AG basierend auf Vorarbeiten nun eine Studie erstellt, in der vor allem der Frage nachgegangen wird, über welche Kompetenzen eine Region verfügen sollte, um eine erfolgreiche Standortpolitik verfolgen zu können. Dazu wurden vier Politikfelder identifiziert, für die eine solche Analyse besonders relevant ist, konkret Steuern und Finanzen, Infrastruktur, Bildung und Forschung sowie Lebensqualität. Zur Illustration wurden dazu sechs europäische Regionen in fünf Staaten ausgewählt, die allesamt über ein überdurchschnittlich hohes Maß an Dezentralisierung verfügen, sich aber in der Ausgestaltung der Dezentralisierung teilweise deutlich unterscheiden. Die Regionen Aargau (Schweiz), Baden-Württemberg (Deutschland), Katalonien (Spanien), Friaul-Julisch Venetien (Italien) sowie Tirol und Salzburg (Österreich) werden dazu verglichen. Ergänzt werden diese Beobachtungen mit empirisch fundierten Resultaten sowie konkreten Beispielen.
Das Ergebnis ist eine Reihe von Thesen bezüglich der Wirkung von Dezentralisierung auf die Standortpolitik von Regionen, die ihrerseits als Grundlage für die weitere wissenschaftliche und politische Diskussion dienen sollen. Die Studie ist als Band 36 der Reihe Föderalismusdokumente erschienen und ab sofort über das Institut erhältlich sowie über die Homepage abrufbar.
Dieser Preis wird für herausragende Diplom- und Masterarbeiten und Dissertationen der letzten beiden Jahre sowie für geplante oder in Arbeit befindliche Projekte aus der Forschungs- und Verwaltungspraxis verliehen. Eingereicht werden können dabei Forschungsarbeiten sowie Projekt- und Ideenpapiere zu den Themen Föderalismus, Governance im Mehrebenen-System, Deregulierung, Subsidiarität sowie Regional- und Standortforschung.
Teilnahmeberichtigt sind Personen bis zu einem Alter von 35 Jahren. Die Behandlung österreichischer Themenstellungen ist erwünscht, ein wissenschaftlich fundierter, innovativer Beitrag zu Fragen des Föderalismus und der Dezentralisierung wird erwartet. Der Preis ist mit 4.000 Euro dotiert; das Preisgeld kann an eine(n) oder mehr PreisträgerInnen vergeben werden. Einreichungen sind bis spätestens 31. März 2016 an das Institut für Föderalismus, Maria-Theresien-Straße 38b, 6020 Innsbruck, e-mail: institut@foederalismus.at zu richten.
Näheres zu den Ausschreibungsbedingungen und das Einreichformular finden Sie unter www.foederalismus.at/foederalismuspreis.
Die gegenwärtige Debatte zwischen einzelnen Ländern und dem Bund in Deutschland über die Verpflichtungen des Bundes resultierend aus der „Bundestreue“ könnte auch für Österreich Relevanz haben. Hintergrund ist die Überforderung der für die Quartierssuche und Versorgung zuständigen Länder durch die aus ihrer Sicht vernachlässigte Vollziehung der Einreisebestimmungen wie auch des sogenannten Dublin-Verfahrens. Für Österreich sieht die Grundversorgungsvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die im Bundesgebiet sind, im Rahmen der bestehenden verfassungsrechtlichen Kompetenzbereiche vor. Diese soll bundesweit einheitlich sein, partnerschaftlich durchgeführt werden, eine regionale Überbelastung vermeiden und Rechtssicherheit für die betroffenen Fremden schaffen.
Auch wenn die sich aus Art 10 Abs 1 Z 3 B-VG ergebenden Aufgaben des Bundes in der Grenzsicherung und Einreisekontrolle nicht in der Vereinbarung verankert sind, setzt die partnerschaftliche Durchführung voraus, dass keine der Vertragsparteien durch ihr Verhalten die Interessen der anderen unterläuft. Insofern ist der am 20. Jänner 2016 vereinbarte Kompromiss begrüßenswert. Würden durch Unterlassen einer wirksamen Kontrolle der Einreise oder einer Abwicklung ordnungsgemäßer Verfahren, insbesondere auch der Anwendung des Dublin-Systems, die Zahlen der Schutzsuchenden die Kapazitäten der Vertragspartner übersteigen, verstieße dies gegen den Geist der Vereinbarung und widerspräche dem bundesstaatlichen Berücksichtigungsprinzip. Zur Feststellung derartiger Fälle gibt es ein besonderes verfassungsgerichtliches Verfahren nach Art 138a B-VG, aus dem dann etwaige Konsequenzen zu ziehen wären.
Abgesehen davon wären Auswirkungen auf den laufenden Finanzausgleich zwischen dem Bund und den Ländern nicht auszuschließen: Nach der Rechtsprechung des VfGH ist ein Finanzausgleichsgesetz anzupassen, wenn sich in der Zwischenzeit die Verhältnisse so wesentlich geändert haben dass die ursprüngliche Verteilung nicht mehr sachgerecht ist. Nun ist die Asylkrise sowohl für den Bund als auch für die Länder momentan mit erheblichen zusätzlichen finanziellen Belastungen verbunden, was die Frage aufwirft, inwiefern das geltende Finanzausgleichsgesetz noch konform ist – freilich abhängig davon, welche Ebene konkret letztlich die finanziellen Mehrbelastungen zu tragen hat und welche diese Mehrbelastungen auf Grund von Untätigkeit zu verantworten hätte.
„Was etwa beim Sozialministeriumsservice passiert, ist das Gegenteil von dem, was beispielsweise in Deutschland zum Erfolg führt; dort bedient sich der Bund der Behörden der Länder und betreibt selbst praktisch keine eigenen Verwaltungen“, so Institutsdirektor Peter Bußjäger. Eindrucksvolles Beispiel ist etwa die Abwicklung der Behindertenparkkarten, die seit Jänner 2014 dem Sozialministeriumsservice obliegt: Bis dahin ist dies von den Bezirkshauptmannschaften – mit entsprechender örtlicher Nähe zu den Betroffenen – erledigt worden. Auch die Pflegekarenz erledigt seit 2014 das Sozialministeriumsservice, wo es für die Verwaltung dieser Agenda hohe Synergien in den vorhandenen Sozialabteilungen der Länder gäbe, was im Übrigen auch für die Abwicklung der 24-Stunden-Pflege als Unterstützung für pflegende Angehörige gilt, zumal die Finanzierung zu etwa 40% von den Länder 40% getragen wird.
Auch Aufgaben, die auf den ersten Blick in den Bereich des AMS fielen, wie etwa die Durchführung von Jugendcoachings (berufliche integrationsmaßnahmen für ausgrenzungsgefährdete Jugendliche) oder AusbildungsFit-Maßnahmen (neue Produktionsschulen) für Jugendliche werden seit 1. Jänner 2013 durch das Sozialministeriumsservice flächendeckend in Österreich durchgeführt. Hier wird offenbar erfolgreich daran gearbeitet, Parallelstrukturen innerhalb des Bundes und zu den Ländern zu errichten und ungeachtet aller Bemühungen um Verwaltungsreformen die Bundesverwaltung in den Ländern auszuweiten. Damit jedoch ein föderales System seine volle Kraft entfalten kann, braucht es Reformen und hier wäre die Beseitigung der Parallelverwaltungen in Bund und Ländern jedenfalls ein erster Schritt.
Im Oktober 2015 wurde vom Bundesrat ein Gesetzesantrag zur Entflechtung wechselseitiger Zustimmungsrechte zwischen Bund und Ländern beschlossen (869 BlgNR XXV. GP) und an den Nationalrat weitergeleitet. Darin vorgesehen sind Änderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes, des Übergangsgesetzes vom 1. Oktober 1920 und des Bundesverfassungsgesetzes betreffend die Grundsätze über die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien. Wesentliches Anliegen der Initiative, die der Umsetzung des Regierungsprogramms sowie Vorschlägen der Aufgabenreform- und Deregulierungskommission dient, ist es, die Zustimmungsrechte der Bundesregierung zu Landesgesetzen, die die Organisation von Behörden regeln, zu streichen. Hinzu kommt der Entfall des Zustimmungsrechtes der Bundesregierung hinsichtlich der Organisation des Amtes der Landesregierung und der Bestellung des Landesamtsdirektors, einschließlich der Abschaffung des Beamtenvorbehaltes, der Entfall der gegenseitigen Zustimmungsrechte in Bezug auf eine Änderung in den Sprengeln der politischen Bezirke bzw. der Bezirksgerichte sowie die Vereinheitlichung des Verfahrens zur Erteilung einer Zustimmung der Bundesregierung zu einem Gesetzesbeschluss eines Landtages.
Aus föderalistischer Sicht ist die Initiative in zweierlei Hinsicht begrüßenswert – zum einen wäre damit eine sinnvolle Entflechtung wechselseitiger Einflussnahmen verbunden, die auch im internationalen Vergleich in dieser Intensität nicht üblich sind, zum anderen erfreulich ist auch das Tätigwerden des Bundesrates als Initiator. Gesetzesanträge der zweiten Kammer in Österreich sind relativ selten anzutreffen, neben zwei Initiativen im Jahr 2015 (neben der vorliegenden betraf dies eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016), datieren die letzten aus 2011 und 2010 (BVG zur Stärkung der Rechte der Gemeinden und Lissabon-Begleitnovelle). In den vergangenen zehn Jahren gab es seitens des Bundesrates insgesamt elf Gesetzesinitiativen.
Mitte November wurden von der Bundesregierung die Eckpunkte der Bildungsreform präsentiert. Vorgesehen sind unter anderem eine Neuregelung der Schulautonomie, die Einrichtung von Modellregionen für Gesamtschulen sowie ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr. In der vor allem zwischen Bund und Ländern diskutierten Frage der Schulverwaltung hat man sich nun auf die Einrichtung von neun Bildungsdirektionen geeinigt, die sämtliche Befugnisse ausüben, die derzeit der Landesschulrat bzw die Schulabteilungen der Länder wahrnehmen. Diese neuen gemeinsamen Behörden von Bund und Ländern sollen in Zukunft Bundes- und Landeslehrer an einer Stelle verwalten, an der Spitze steht ein Bildungsdirektor, der auf Vorschlag des Landeshauptmannes vom zuständigen Bundesminister auf fünf Jahre ernannt wird. Dieser übt die Dienst- und Fachaufsicht aller Bediensteten der Bildungsdirektion aus. Die innere Organisation der Bildungsdirektion wird mittels Bundesgesetz unter Mitwirkung der Länder geregelt. Die Abrechnung der Lehrergehälter erfolgt über das Bundesrechenzentrum, im Übrigen soll die Vollziehung der Bundes- und Landesagenden strikt getrennt erfolgen.
Durch eine effiziente Medienarbeit konnte das Institut für Föderalismus zu einer realistischen Beurteilung der Kostensituation beitragen. Von verschiedener Seite war eine Verteuerung des Systems um bis zu 470 Mio Euro in den Raum gestellt worden. Bei Gesamtkosten der Bildungsverwaltung in Bund und Ländern von rund 120 Mio Euro entbehren solche Aussagen jeder Grundlage und waren nur dazu gedacht, die öffentliche Meinung zugunsten einer zentralistischen Lösung zu beeinflussen.
Mit der vorliegenden Lösung konnte man aus verwaltungsreformatorischer Sicht immerhin die bestehenden Bildungsstrukturen in den Ländern als Ausgangspunkt der Schulverwaltung sinnvoller Weise heranziehen und so zumindest ansatzweise Synergien lukrieren. Wie die konkrete Ausgestaltung der Bildungsdirektionen als gemeinsame Bund-Länder-Behörden erfolgt und ob diese überhaupt die Chance für eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat und Bundesrat haben, ist noch offen. Wirkliche Bund-Länder-Behörden als gemeinsame, „hybride“ Behörden sieht die Bundesverfassung bisher nicht vor. Auf die legistische Phantasie der Gesetzesredaktoren sind wir jetzt schon gespannt.
Die zentralen Ereignisse des Berichtsjahres in Kurzform:
1. Wichtige politische Ereignisse waren aus föderalistischer Sicht 2014 die Wahlen zum Vorarlberger Landtag und zum Europäischen Parlament sowie die Tätigkeit der neuen Landesverwaltungsgerichte. Durch die Etablierung einer Gerichtsbarkeit auf Stufe der Länder war es möglich, zahlreiche Sonderbehörden – sowohl des Bundes wie auch der Länder – aufzulassen und damit nachhaltig den Verwaltungsrechtsschutz in Österreich zu reformieren. Auch wird die bisherige Praxis der neuen Gerichte durchaus positiv bewertet.
Betreffend die Verfassungs- und Verwaltungsreform gab es im Berichtsjahr 2014 einige Initiativen, so die von der Bundesregierung eingesetzte Aufgabenreform- und Deregulierungskommission unter der Leitung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, die bis Jänner 2015 ihre Berichte vorgelegt hat. Neben punktuellen, durchaus begrüßenswerten Vorschlägen werden jedoch tiefgreifende Reformen der Verwaltungsstrukturen nach wie vor nicht angedacht. Erwähnenswert ist ferner die Fortsetzung der 2013 begonnen Reformbemühungen um eine Stärkung der direkten Demokratie, wofür im Dezember 2014 eine Enquete-Kommission im Parlament eingerichtet wurde.
2. Die Bundesverfassung wurde im Berichtsjahr 2014 erneut vielfach novelliert, unter anderem erfolgte auch eine Reform der Untersuchungsausschüsse des Nationalrates, als diese künftig ein Recht der parlamentarischen Minderheit sind. In der Bundesgesetzgebung kann nach wie vor die Tendenz beobachtet werden, dass vereinzelt Bundeszuständigkeiten außerhalb der Kompetenzbestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes normiert werden, so 2014 etwa beim Energieeffizienzpaket des Bundes.
3. Die 2014 erfolgten Änderungen in den österreichischen Landesverfassungen betrafen hauptsächlich laufende Reformvorhaben, die teilweise bereits im Jahr 2013 begonnen wurden. Dabei können die Länder auf einige erfolgreich umgesetzte Projekte blicken, so etwa die weitere Umstellung der Kundmachung der Landesgesetzblätter in elektronischer Form, die Abschaffung des Proporzsystems, sowie die Ausweitung der Gebarungskontrolle von Landesrechnungshöfen auf Gemeinden unter 10.000 Einwohnern. Hinzu kommen Änderungen im Wahlrecht, die Stärkung direkt-demokratischer Elemente sowie die Verankerung von Staatszielbestimmungen. Abgeschlossen wurde ferner die bereits im Jahre 2013 begonnene Umsetzung des Spekulationsverbots in den Ländern.
Bund und Länder gleichermaßen betreffend war die Umsetzung des Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetzes 2013. Die auf das Jahr 1962 zurückgehende Behördenstruktur, gegliedert in eine Bezirksebene (Bezirksschulräte), eine Landesebene (Landesschulräte) und eine Bundesebene (zuständiger Bundesminister) wurde mit August 2014 auf zwei Ebenen reduziert und die Bezirksschulräte aufgelöst. In den Ländern wurden dementsprechend Anpassungen in den einschlägigen organisations- und dienstrechtlichen Vorschriften notwendig.
4. Die Gemeindeebene war im Jahr 2014 vor allem mit Gemeindefusionen und der Einführung der Landesverwaltungsgerichte beschäftigt, wobei Tirol als einziges Bundesland den gemeindeinternen Instanzenzug abgeschafft hat und bisher auf gute Erfahrungen verweisen kann. Im Zuge der Gemeindestrukturreform in der Steiermark wurde mit 1. Jänner 2015 unter dem Schlagwort „Stärkere Gemeinden – Größere Chancen“ die Anzahl der steirischen Gemeinden von 539 auf 287 reduziert, womit im Berichtsjahr auch zahlreiche landesrechtliche Anpassungen verbunden waren.
5. Für den Fiskalföderalismus 2014 in Österreich erwähnenswert ist die Verlängerung des geltenden Finanzausgleichs bis 2016. Mit dieser, bereits zweiten Verlängerung und einer Geltungsdauer von insgesamt neun Jahren ist das FAG 2008 das bislang am längsten geltende österreichische Finanzausgleichsgesetz. Im Besonderen erwähnenswert ist für 2014 eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zum Konsultationsmechanismus. So entschied das Höchstgericht im März 2014 erstmals, dass in Zusammenhang mit der Eisenbahnkreuzungsverordnung, die den Gemeinden als Straßenerhalter für Gemeindestraßen bauliche Maßnahmen zur Sicherung von Eisenbahnkreuzungen vorschreibt, gegen den Konsultationsmechanismus verstoßen wurde.
6. Hinsichtlich der Zusammenarbeit von Bund und Ländern kann für das Berichtsjahr 2014 festgestellt werden, dass vor allem das Instrument der Art 15a B-VG-Vereinbarung mit insgesamt vier neuen Verträgen zwischen Bund und Ländern ein praktikables Instrument der Kooperation im Rahmen bestehender Kompetenzen darstellt. Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit ergeben sich jedoch nach wie vor im Begutachtungsverfahren von Bundesgesetzen, wobei ein vermeidbares Hauptproblem dabei in den oft sehr knapp bemessenen Begutachtungsfristen liegt. Als verbesserungsbedürftig hat sich im Jahr 2014 auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Asylwesen gezeigt. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen bedingt durch internationale Konflikte gelang es beiderseitig nur bedingt, die jeweiligen Aufgaben kooperativ zu erfüllen.
Betreffend die wechselseitigen Zustimmungsrechte zwischen den Gebietskörperschaften wurden diese – wie auch in den vorangegangen Jahren – im Regelfall erteilt, nur vereinzelt ließ man die Frist verstreichen. Erwähnenswert ist allerdings die Abweichung von einer einheitlichen Länderstellungnahme im Rahmen der EU-Mitwirkungsrechte durch den Bund in einem Fall. Insgesamt kann jedoch für die bundesstaatliche Praxis auch für das Jahr 2014 konstatiert werden, dass der österreichische Föderalismus von einem primär kooperativen Vorgehen sowohl seitens des Bundes wie der Länder geprägt ist. Auch was die grenzüberschreitende Kooperation der österreichischen Länder betrifft, sind diese neben ihrer Tätigkeit in den zahlreichen Organisationen und Konferenzen auf europäischer Ebene, vor allem mit den Regionen benachbarter Staaten in regem Kontakt und verfügen – neben den zahllosen informellen Kontakten – über die Europäischen Verbünde territorialer Zusammenarbeit nunmehr auch über eine europarechtliche Grundlage, die sich bislang bestens bewährt hat.
7. Die mediale Performance des Föderalismus war auch 2014 allgemein vergleichsweise ausgeglichener als früher, wenngleich die Bundesländer bzw. das föderale System in Einzelfällen, so vor allem etwa in Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylwerbern medial heftig kritisiert wurden. Neben vereinzelt artikulierten Wünschen nach Abschaffung der Bundesländer und Problemen in Zusammenhang mit Haftungsübernahmen des Landes Kärnten, konnten sich die Länder aber auch durchaus positiv positionieren, so etwa als Vorbild für die im Regierungsprogramm vorgesehene Schaffung des Amtes der Bundesregierung oder auch in ihren eigenen Reformbemühungen etwa in der Abschaffung des Proporzes.
Die Debatte um eine mögliche Abschaffung des Bundesrates war zu Beginn des Berichtsjahres 2014 medial sehr dominant. Von der Nationalratspräsidentin wurde dabei eine – im internationalen Vergleich untypische – Befassung der Landtage mit den Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates vorgeschlagen. Eine Reform des Bundesrates kam auch 2014 nicht zustande, auch wenn bereits zahlreiche Vorschläge artikuliert wurden. Auch die bereits 2012 unter den Ländern konsentierten Reformentwürfe wurden in der Debatte nicht berücksichtigt.
Was der Vorarlberger Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser am Beispiel der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen Europas, Deutschland und Schweiz darlegte, untermauerte David Stadelmann von der Universität Bayreuth aus theoretischer Sicht: Die Globalisierung erhöhe den Standortwettbewerb der Regionen und erfordere ein rasches regionales Anpassen der Rahmenbedingungen. Für die These, dass Föderalismus die Anreize für gute Politik erhöhe, führte Stadelmann die Entwicklung der Immobilienpreise an. In Gemeinden mit hohen Schulden sinke die Leistungsfähigkeit und damit die Attraktivität, was sich direkt auf die Nachfrage nach Immobilien auswirke. Stadelmann sprach sich für mehr Finanzautonomie von Ländern und Gemeinden aus, um den Anreiz für gute Politik und die Rückkoppelung zu den Bürgern zu verstärken. Zudem würden durch die Globalisierung die nationalen Märkte unbedeutender; die Regionen stünden in einem weltweiten Wettbewerb, der neue Entscheidungsmechanismen erfordere. Bei Staatsschulden von 243 Mrd Euro und Länderschulden (ohne Wien) von 20 Mrd Euro sei die Situation der Länderfinanzen kein Argument für die Zentralisierung der Entscheidungsgewalt, betonte Institutsdirektor Peter Bußjäger. Im Gegensatz zum Bund hätten alle Länder Schuldenbremsen in den Landesverfassungen oder in Landesgesetzen eingebaut. Die Erfahrungen in der Schweiz unterstreichen die Bedeutung dieses Instruments. Nadia Yerly vom Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung: „Die Schuldenbremsen in den Kantonen sind kein Allheilmittel, es zeigt sich aber klar: Je rigoroser sie sind, umso weniger Schulden hat der Kanton!“. Für die österreichische Situation kam Peter Bußjäger zum Schluss: „Reformbedarf besteht weniger im Hinblick auf die Eindämmung der Verschuldung der Länder, als vielmehr in der Verbesserung von Vergleichbarkeit und Transparenz“. Bußjäger appellierte auch an die Landtage, ihre Budgethoheit stringenter wahrzunehmen.
Das geplante „Durchgriffsrecht“ des Bundes zur Unterbringung von Asylwerbern ist ein punktueller, aber zweifellos massiver Eingriff in die Landeszuständigkeiten, der jedoch angesichts der prekären Situation mit Hinblick auf eine möglichst rasche Unterbringung von Flüchtlingen grundsätzlich gerechtfertigt erscheint. Das Institut für Föderalismus weist allerdings darauf hin, dass die Notmaßnahme Resultat von Versäumnissen gerade auch des Bundes ist. Diesem steht nämlich im Rahmen des Kompetenztatbestandes „Asyl“ (Art 10 Abs 1 Z 3 B-VG) jedenfalls die überörtliche Standortplanung für Betreuungseinrichtungen zur Verfügung. (vgl Wiederin Erstaufnahmezentren, Flächenwidmung und bundesstaatliche Kompetenzverteilung, bbl 2010, 83 und Berger, Netzwerk Raumplanung [2008] 115 ff) Auf dieser Basis hätte der Bund in den vergangenen Jahren bereits entsprechende Vorsorgen treffen können.
Nach dem geplanten Bundesverfassungsgesetz kann die Innenministerin Liegenschaften, die im Eigentum des Bundes oder diesem sonst zur Verfügung stehen, durch Bescheid die vorläufige Nutzung als Standorte für Asylwerberquartiere bereitstellen. Eine sohin ergangene Entscheidung ersetzt Bewilligungen, Genehmigungen oder Anzeigen nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften. Voraussetzung ist, dass das betreffende Land seine Quote nicht erfüllt und außerdem im betroffenen Bezirk die Quote ebenfalls nicht erfüllt wird.
Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang vor allem die verfahrensrechtliche Abwicklung, im Besonderen die Rolle von betroffenen Gemeinden und Nachbarn: Die Bezirkshauptmannschaft hat in einem konzentrierten Verfahren zu prüfen, ob das Vorhaben bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften entspricht und dies der Innenministerin mitzuteilen, bau- oder raumplanungsrechtliche Vorschriften sind jedoch unbeachtlich. Nach Einlangen der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft hat die Innenministerin einen Bescheid zu erlassen. Der Gemeinde muss dieser nicht einmal zur Kenntnis gebracht werden, überdies haben Nachbarn keine Parteistellung und können den Bescheid auch praktisch nicht bekämpfen, zumal keine Beschwerde zulässig ist. Vor allem letzteres erscheint vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonvention und EU-Grundrechte-Charta problematisch, ebenso wie die Nichtanwendung aller bautechnischen Vorschriften (mit Ausnahme des Brandschutzes), mag auch die temporäre Ausschaltung raumplanungsrechtlicher Regelungen noch unter gewissen Umständen gerechtfertigt sein.
Aus bundesstaatlicher Sicht schwerwiegender und bei weitem konzeptloser erscheint demgegenüber die Einführung neuer Kompetenztypen im Gentechnik-Anbauverbots-Rahmengesetz (siehe Föderalismus-Info Nr 4/2015). Im Gegensatz zum Durchgriffsrecht des Bundes kann die Einfügung einer „Rahmengesetzgesetzgebung“ in die ohnedies zerklüftete Kompetenzverteilung keineswegs mit drängenden Problemen gerechtfertigt werden und ist als schleichende Aushöhlung der Landeskompetenzen in ausgelagerten Verfassungsbestimmungen jedenfalls abzulehnen. In beiden Fällen sei an die bisher erfolgreiche Praxis des kooperativen Föderalismus in Österreich erinnert, die bislang Usus war und Lösungen im Wege der geltenden Kompetenzverteilung ermöglichte.
Die Bilanz kann sich durchaus sehen lassen: Nicht weniger als 173 Bände erschienen bislang in den institutseigenen Schriftenreihen, wo in insgesamt 637 Einzelbeiträgen auf einschlägige Probleme des internationalen, europäischen und österreichischen Föderalismus eingegangen wurde. Über 240 Ausgaben der periodisch erscheinenden „Föderalismus-Info“ sowie die wöchentlich erscheinenden Gastkommentare des Institutsdirektors kommen hinzu. Seit 1975 erstellt das Institut zudem jährlich einen Bericht über den Föderalismus in Österreich, der den Landesregierungen und Landtagen der Trägerländer vorgelegt wird. Im Herbst 2015 erscheint der 39. Bericht über den Föderalismus in Österreich (2014). Das Institut veranstaltete außerdem zahlreiche nationale und internationale Seminare, Tagungen und Workshops zu bundesstaatlichen oder demokratiepolitischen Themen. Eine Kurzfassung des Referats von Gerhart Holzinger wie auch Bemerkungen zur Institutsgeschichte finden Sie im Föderalismus-Blog unter <foederalismus.at/blog>.
Aus Anlass des 40-jährigen Bestehens ist zudem eine Broschüre des Instituts erschienen: „40 Jahre Institut für Föderalismus 1975-2015“ enthält neben Streiflichtern zur Institutsgeschichte auch eine Zusammenstellung aller Veranstaltungen sowie eine vollständige Bibliographie aller bislang erschienen Publikationen des Instituts und seiner Mitarbeiter. Die Broschüre ist kostenlos am Institut erhältlich.
Blog: Gerhart Holzinger: Der österreichische Bundesstaat. Recht und Wirklichkeit
Blog: Institut für Föderalismus: 40 Jahre Institut für Föderalismus – Geschichte und Bilanz
Blog: Peter Bußjäger: 40 Jahre IFÖ: Eine Speerspitze gegen den Zentralismus
Blog: Soeren Keil: Post-Cold War era: Is Federalism becoming a Tool of Conflict Resolution?
Blog: Melanie Plangger: „Multi-level governance“ und die makroregionale Strategie für den Alpenraum
Blog: Edgar Mayer: GVO: Bundesrat lehnt EU-Verordnungsentwurf als Scheinsubsidiarität ab
Blog: Manfred Kohler: Das europäische Dilemma
Blog: Karl Kössler: Die Föderalisierung Nepals. Nach langer Reise endlich am Ziel?
Blog: Theo Öhlinger: Braucht Österreich mehr direkte Demokratie?
Blog: Greta Klotz: Müde Wähler? Krisengebeutelte Parteien?
Blog: Stefan Börger: Umsetzung von Unionsrecht: „Faktor 10“ ist nicht das Problem
Blog: Tamara Ehs und Hannes Leo: Direkte Demokratie: Die Menschen früher und besser informieren
Blog: Francesco Palermo: Das neue italienische Wahlgesetz
Blog: Deregulierung: Investitionen fördern, Verwaltung entlasten und Kosten sparen
Blog: Peter Bußjäger: Realismus bei Kostenersparnis durch Verwaltungsreform
Hintergrund des Vorhabens ist die Richtlinie (EU) 2015/412, die nunmehr eine EU-Rechtsgrundlage zur Erlassung von Anbauverboten schafft. Damit wurde das von Österreich geforderte Recht, auf nationaler Ebene selbst entscheiden zu dürfen, ob genetisch verändertes Saat- oder Pflanzgut angebaut werden darf, unionsrechtlich verankert. In der nun vorliegenden Regierungsvorlage 673 BlgNR 25.GP ist unter anderem in § 3 eine Verfassungsbestimmung „über Maßnahmen, die von den Ländern zu erlassen sind“ enthalten, die kompetenzrechtlich bedenklich erscheint. Demzufolge wären die Länder verpflichtet, den Anbau von zugelassenen genetisch veränderten Organismen im Landesgebiet, wie auch auf Ebene der Gemeinden zu untersagen.
Aus Sicht der Länder ist das Ziel eines Gentechnik-Anbauverbots jedenfalls zu begrüßen, wie es auch bisher von der Landesgesetzgebung verfolgt wurde. Allerdings ist die Vorgangsweise seitens der Bundesregierung äußerst befremdlich. Die verfassungsgesetzliche Verankerung einer vom Bund einseitig definierten Regelungsverpflichtung ist in dieser Form weder gerechtfertigt, noch mit den Ländern abgestimmt. Außerdem ist ein „Rahmengesetz“ nach dem System des B-VG nicht vorgesehen und weicht von den Grundsätzen der Kompetenzverteilung ab. Kompetenztatbestände stellen in der Regel Ermächtigungsnormen dar, wenngleich sich eine Verpflichtung etwa zur Erlassung von Landesgesetzen aus der Richtlinienumsetzung ergeben kann insofern die genannte Bestimmung überflüssig erscheint. Im Übrigen sollten aus verfassungsrechtlicher Sicht Änderungen der Kompetenzverteilung ausschließlich im Rahmen des B-VG erfolgen, wie auch die Tendenz einer in ausgelagerten Verfassungsbestimmungen erfolgenden schleichenden Aushöhlung der Landeskompetenzen aus föderalistischer Sicht jedenfalls abzulehnen ist. Ganz abgesehen davon ist es völlig unangebracht, den verschiedenen Kompetenztypen der Bundesverfassung mit einer „Rahmengesetzgebung“ konzeptlos eine weitere anzufügen.
Gerade in Fragen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung war es aus kooperativ-föderalistischer Übung Usus, diese vorab mit den Ländern abzustimmen und andere, kompetenzkonforme Wege etwa in Form einer Art 15a B-VG-Vereinbarung zu gehen. Auch eine Verankerung der Zielsetzung des Gesetzesvorhabens als eigenständige Staatszielbestimmung und Bekenntnis der Republik Österreich wäre denkbar.
So sollen etwa bestimmte Landesgewerbe (Theater-, Kinowesen, Tanzschulen, Privatzimmervermietung, Campingwesen, Buchmacher, Ski- und Bergführer) in die Zuständigkeit des Bundes überführt werden, auch sollen Bauangelegenheiten (Bautechnik, Baustoffzulassung, Bauprodukte, anlagenbezogenes Baurecht) vereinheitlicht werden. Anzumerken ist dazu, dass die gegenwärtige Landeszuständigkeit nur selten Anlass zu Komplikationen gibt, zumal länderübergreifend notwendige Genehmigungen selten sind und auch im Regelfall kaum Kleinunternehmen betreffen. Bezeichnend auch, dass umgekehrt keine einzige Bundeszuständigkeit, die naheliegender Weise von den Ländern wahrgenommen werden könnte (man denke etwa an den Denkmalschutz oder die Wildbach- und Lawinenverbauung), aus der Hand gegeben werden soll, vielmehr nur die Vereinheitlichung als einzig mögliche Lösung betrachtet wird.
Ferner erscheint der verwaltungsreformatorische Aspekt insofern fragwürdig, als in dem vorgestellten Papier gleichzeitig neue Bundesstellen angekündigt werden, die den Reformprozess evaluieren sollen. Eine Auseinandersetzung mit Fragen der übergeordneten Strukturen wie Aufgabenstellungen und Organisation der Ministerien oder die Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird nach wie vor weitgehend ausgeblendet. Auch fehlen Vorschläge für eine echte Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, wie sie – im Übrigen von allen Seiten – seit langem gefordert werden.
In Österreich stellt sich die rechtliche Ausgangslage wie folgt dar: Nach Art 10 Abs 1 Z 3 B-VG ist der Bund zur „Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm“, für das „Ein- und Auswanderungswesen einschließlich des Aufenthaltsrechtes aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ sowie Fragen der Ausweisung, Abschiebung und Asyl zuständig. Hinzu kommt die Kompetenz hinsichtlich der Fremdenpolizei in Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG. Einschlägige Zuständigkeiten der Länder ergeben sich umgekehrt vor allem im Sozialbereich. Mit der Einrichtung des neuen „Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl“ bezweckte der Bund 2012 die „organisatorische und verfahrensrechtliche Bündelung von Zuständigkeiten“, um mit „speziell ausgebildetem Personal und Sachmitteln bestmöglich zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich des Asylrechtes“ beizutragen. Der Start der neuen Behörde mit Sitz in Wien und jeweils einer Regionaldirektion in jedem Bundesland verlief freilich nicht optimal, so wurden im ersten Jahr zahlreiche Computerpannen und lange Verfahrensdauern kolportiert, von den überbelegten Erstaufnahmezentren ganz abgesehen. Umgekehrt gerieten auch die Länder in die Kritik, als Quoten für Unterkünfte nicht fristgerecht erfüllt werden konnten. Der jüngst artikulierte Vorschlag der Zuweisung von Asylwerbern durch die Bezirkshauptmannschaften könnte wohl durch einfachgesetzliche Anpassungen möglich sein und müsste sodann in die mittelbare Bundesverwaltung übertragen werden.
Rechtsgrundlage für die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde bildet die Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern aus 2004. Demnach leistet der Bund im Wesentlichen die Betreuung für Asylwerber im Zulassungsverfahren, die Betreuung der übrigen schutz- und hilfsbedürftigen Personen sowie den gesamten damit zusammenhängenden operativen Bereich, die Quartiersuche ist den Ländern übertragen. In den vergangenen Jahren gab es laufend Konflikte in Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylwerbern in den Bundesländern, im Besonderen der Erfüllung der jeweiligen Quote für die Aufnahme von Flüchtlingen, zeitweise wurde die Grundversorgungsvereinbarung von einzelnen Bundesländern auch aufgekündigt. An dieser unbefriedigenden Situation hat sich auch 2015 nichts geändert, wiewohl die Kompetenzaufteilung hier durchaus sinnvollen Kriterien folgt, zumal die Vollziehung des allgemeinen Aufenthaltsrechts gesamtstaatlichen Interessen folgt, umgekehrt die Suche nach Unterkünften zweifellos eine dezentrale Entscheidungskompetenz erfordert.
Ähnlich gestaltet sich die Situation im Übrigen auch für andere föderale Staaten wie Deutschland, wo ähnliche Debatten stattfinden. Und auch wenn dort sowohl aufenthaltsrechtliche wie soziale Fragen von Bundesstellen vollzogen werden, ergeben sich Reibungsflächen eben zwischen diesen. Unabhängig davon sind für die gesellschaftliche Teilhabe, die Integration und nicht zuletzt die Quartiersuche Länder und Gemeinden unverzichtbar. Dies kann freilich nur durch ein Zusammenwirken aller Ebenen im Sinne des kooperativen Föderalismus sinnvoll erledigt werden, will man nicht die flüchtlingspolitische Verantwortung im Föderalismus, wie unlängst in deutschem Kontext bezeichnet „wie eine Flipperkugel hin und her schießen“ (FAZ vom 11.9.2014). Unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiches kooperativ-föderales Vorgehen ist freilich wechselseitige Kommunikation und Finanzierung – hier umso notwendiger als eben alle Ebenen aufeinander angewiesen sind.
Nach Skizzierung der Entwicklung der Eigentumsverhältnisse am Staats- und Landesvermögen bis 1920 beschreibt die Arbeit eingehend das Zustandekommen des einschlägigen § 11 des Verfassungsübergangsgesetzes 1920. Demnach stand eine Aufteilung auch des Finanzvermögens der österreichischen Monarchie weder 1920 noch in den Folgejahren zur Debatte und wäre auf Grund des völkerrechtlichen Rahmens auch gar nicht möglich gewesen, zumal in diesem Fall nicht nur die Aktiven, sondern ebenso die weitaus höheren Passiven der Habsburgermonarchie hätten aufgeteilt werden müssen. Die geplante Auseinandersetzung des Verwaltungsvermögens fand 1925 im Zuge der B-VG-Novelle statt, wenngleich in einer für die Länder nachteiligeren Form als 1920 vorgesehen. Zudem wird dargelegt, dass die bereits 1919 von Tirol, Salzburg und Wien erfolglos geltend gemachten Ansprüche auf Teile des ehemals hofärarischen Vermögens in keinem Zusammenhang mit der Frage der Vermögensauseinandersetzung im Bundesstaat standen.
Für die Finanzierung der Steuerreform will die Bundesregierung 1,1 Milliarden Euro etwa zur Hälfte durch eine Verwaltungsreform und bei den Förderungen lukrieren. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang, dass keine strukturellen Reformen angegangen würden und das wahre Einsparungspotenzial nicht ausgeschöpft werde. In der Tat sind bisher mit Ausnahme der Schulverwaltung keine konkreten Reformprojekte bekannt. Es gibt zwar mittlerweile umfangreiche Berichte der 2014 eingerichteten Aufgaben- und Deregulierungskommission, deren Vorschläge wiederum ihrerseits zum Großteil nicht neu sind (siehe dazu in der Föderalismus-Info Nr 1/2015), allerdings ist nicht klar, welche Punkte die Regierung verwirklichen will. Dass das Einsparungsziel in der Verwaltung mit 1,1 Milliarden Euro wenig erscheint, mag unter anderem daran liegen, dass sich in der Vergangenheit nicht selten namhafte Personen gegenseitig geradezu überboten haben, eine möglichst hohe Zahl an Milliarden auszurufen, die durch eine Verwaltungsreform zu holen seien. Da wurden zeitweise zwischen drei und acht Milliarden in Aussicht gestellt.
Tatsächlich sind die 1,1 Milliarden Einsparungen ein ambitioniertes und wohl durchaus realistisches Projekt, das Anerkennung verdient. Die halbe Milliarde an Einsparungen, die Bund, Länder und Gemeinden bei den Förderungen kurzfristig erbringen müssen, wird noch am leichtesten durch eine lineare Kürzung beziehungsweise Nichtanpassung an die Inflation zu erbringen sein. Entgegen landläufiger Meinung ist bei Reformen in den Verwaltungsstrukturen im Vergleich zu den Förderungen wenig zu gewinnen: So hatte vor einigen Jahren eine Gruppe von Experten ein absurd hohes Einsparungsvolumen von 1 Milliarde Euro errechnet, das sich durch eine Reform der Schulverwaltung lukrieren lasse. Mittlerweile bewegen sich hier seriöse Schätzungen bei einer Summe von etwa 50 Millionen, also etwa fünf Prozent des seinerzeit lancierten Betrages.
Die jüngsten Meldungen über die Reform der Schulverwaltung stimmen dennoch optimistisch: Offenbar hat die eingesetzte Expertengruppe die Sinnhaftigkeit einer Verschmelzung von Landesschulräten des Bundes und den Landesschulverwaltungen erkannt. Die Steuerungsfähigkeit des Bundes wird durch diese „Verländerung“ in keiner Weise gefährdet (zur Position des Instituts in der Schulverwaltung siehe Föderalismus-Info Nr 4/2010). Das Modell könnte Ansatz für weitere Reformen von vielfach kritisierten Parallelverwaltungen von Bund und Ländern, wie etwa im Sozialbereich, bieten. Hier könnten durch Eingliederung der Aufgabenbesorgung in die Landesverwaltung Synergien erzielt werden, ohne dass die Kompetenz des Bundes, Aufgaben und Ziele zu definieren, infrage gestellt ist. Insgesamt ist jedoch in der Reformdiskussion größerer Realismus gefragt. Besonders wichtig wäre die Klärung, aus welchen Aufgaben sich Bund, Länder und Gemeinden mittelfristig zurückziehen können – dort liegen die wirklich großen Einsparungspotenziale.
In Zusammenhang mit der Abweisung auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in einem baubehördlichen Verfahren wurde der Verfassungsgerichtshof befasst, der nun in seinem Erkenntnis E 58/2015-15 vom 12. März 2015 dazu Klarstellungen lieferte, die vor allem den landesgesetzlichen Spielraum im Verfahrensrecht der Landesverwaltungsgerichte betreffen. So normiert § 56 der oberösterreichischen Bauordnung (OÖ BauO 1994), dass Beschwerden grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt, diese jedoch auf Antrag der beschwerdeführenden Partei zuzuerkennen ist, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach einer Abwägung auch der Interessen anderer Parteien mit der Ausübung der kein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist. Der VfGH entkräftete die unter Verweis auf das rechtsstaatliche Prinzip und den Gleichheitsgrundsatz vorgebrachten Bedenken gegen die Bestimmung und stellte fest, dass diese weder dem Bestimmtheitsgebot der Bundesverfassung widerspreche, noch unsachlich differenziere.
Der Landesgesetzgeber ist nach Art 136 Abs 2 B-VG befugt, abweichende verfahrensrechtliche Regelungen zu treffen, sofern dies erforderlich ist, was nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers und dem Wortlaut dem Kriterium des Art 11 Abs 2 letzter Halbsatz B-VG des Art 136 Abs 2 B-VG entspreche. Wenn der Landesgesetzgeber nun festlegt, dass einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht gemäß § 56 Abs 1 OÖ BauO 1994 keine aufschiebende Wirkung zukommt, dabei aber auch in Abs 2 auf Antrag einer Partei die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auf Grundlage einer umfassenden, auf sachlichen Kriterien beruhenden Abwägung der öffentlichen Interessen sowie der Interessen des Bauwerbers und der anderen Parteien ermöglicht, gilt dem VfGH zufolge eine solche Regelung in Hinblick auf Art 136 Abs 2 B-VG als unbedenklich. Damit hat der VfGH auch den Begriff der „Erforderlichkeit“ in Art 136 Abs 2 B-VG nicht allzu eng ausgelegt.
Der neue Band 10 der Schriftenreihe Verwaltungsrecht „Effiziente Regierungsorganisation – Das Reformvorhaben ‚Amt der Bundesregierung‘ im internationalen Vergleich“ behandelt das im Regierungsprogramm der gegenwärtigen Bundesregierung angestrebte „Amt der Bundesregierung“. Dieses soll nach Vorbild der Ämter der Landesregierungen Personalverwaltungen, Informatikdienste und andere Supportleistungen der einzelnen Ministerien in einem einheitlichen Geschäftsapparat bündeln. Das Buch behandelt den Themenkomplex im Hinblick auf die bundesverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, im Vergleich mit der Organisation auf Landesebene und vor dem Hintergrund der Regierungsorganisation in Deutschland, Liechtenstein, der Schweiz, der Tschechischen Republik sowie der Organisation der Europäischen Kommission. Darüber hinaus wird auch die gegenwärtige Struktur der österreichischen Bundesregierung eingehend erörtert sowie mögliche Reformoptionen untersucht. Das Buch wird von Alexander Balthasar, Peter Bußjäger und Manfred Matzka herausgegeben, ist im Verlag new academic press erschienen und ab sofort über den Buchhandel oder das Institut erhältlich.
Der von Martin P. Schennach herausgegebene Band „Rechtshistorische Aspekte des österreichischen Föderalismus“ (Verlag Österreich, ISBN: 978-3-7046-6949-0) enthält die Beiträge zur Tagung an der Universität Innsbruck am 28. und 29. November 2013, die die Entwicklung des österreichischen Föderalismus aus rechtshistorischer Sicht beleuchten. Der deutliche Schwerpunkt liegt dabei auf dem 19. und 20. Jahrhundert. Die beiden einleitenden Beiträge beschäftigen sich mit der Genese eines „Staates Österreich“ und der diesen Staatsbildungsprozess flankierenden und legitimierenden juristischen Meistererzählung. Im Übrigen geht es stets um die Möglichkeiten und die konkret realisierten Optionen der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Zentrum und Peripherie sowie um die korrelierenden politischen und wissenschaftlichen Diskurse. Die Beiträge behandeln teils einzelne verfassungshistorische Weichenstellungen (1848/49, 1919/20 und 1945), teils größere Zeiträume und Entwicklungslinien, teils wählen sie eine wissenschaftshistorische Perspektive.
Die dritte Auflage des Kurzlehrbuchs „Einführung in das EU-Recht“ von Christian Ranacher, Fritz Staudigl und Markus Frischhut (utb.facultas, ISBN 978-3-8252-4373-9) ist im März 2015 erschienen und bietet einen gewohnt konzisen Überblick über Institutionen, Recht und Politiken der Europäischen Union. Das Buch versteht sich als Einführung in die rechtlichen Grundlagen der EU. Die Struktur, Institutionen und Rechtsprinzipien der EU werden kompakt und übersichtlich dargestellt. Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt wird auf Aspekte des EU-Rechts gelegt, die auch für Nichtjuristen interessant sind, wie Bürgerrechte, Entscheidungsprozesse und die vielfältigen Aktivitäten der EU im Rahmen der verschiedenen Politikfelder. Das Buch ist im UTB-Verlag erschienen und ab sofort im Buchhandel erhältlich.
Blog: Werner Zögernitz, 55 Prozent aller Rechtsakte stammen von der EU
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Gastkommentar: „Kärnten“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 11.3.2015
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Unbestritten ist, dass eine Gebietskörperschaft (Bund, Länder, Gemeinden) in dem Sinne zahlungsunfähig werden kann, dass sie ihren Verpflichtungen nicht mehr vollständig nachkommen kann (eine vollständige Zahlungsunfähigkeit ist undenkbar, da die Gebietskörperschaft ja stets die Einnahmen aus eigenen Steuern und aus dem Finanzausgleich hat). Sie kann aber nach geltendem Insolvenzrecht nicht in Konkurs gehen. Dies bedeutet für den Fall der (partiellen) Zahlungsunfähigkeit, dass nicht geklärt ist, nach welchen Grundsätzen die Gebietskörperschaft ihren Verpflichtungen entsprechend ihren Möglichkeiten noch nachkommen darf. Welche Verbindlichkeiten sollen getilgt werden, welche nicht? Dürfen die Gehälter der Bediensteten noch bezahlt werden? Muss die Gebietskörperschaft von einem Masseverwalter administriert werden (im Gemeinderecht gibt es dazu eine Art „Staatskommissär“). Aus diesem Grund ist der Ruf nach einem Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften nachvollziehbar. Ein solches kann allerdings nicht ohne Verfassungsänderung geschaffen werden, da die Bundesverfassung jedenfalls hinsichtlich der Länder keine Aufsichtsrechte, die mit der Stellung eines Masseverwalters vergleichbar wären, kennt, auch decken die bestehenden Bundeskompetenzen ein solches Insolvenzrecht für Länder nicht ab.
Der Entwurf über ein neues Bundesgesetz über die Schaffung einer transeuropäischen Energieinfrastruktur sieht in § 1 eine sogenannte Kompetenzdeckungsklausel vor, mit der sichergestellt werden soll, dass die „Erlassung, Änderung, Aufhebung und Vollziehung“ der Bestimmungen des Gesetzes in die Kompetenz des Bundes fallen. Ferner vorgesehen ist eine im Ressort des Vizekanzlers anzusiedelnde neue Energieinfrastrukturbehörde, die die Umsetzung von Stromprojekten mit europäischer Bedeutung koordinieren und auch im Säumnisfall der Behörden zuständig sein soll. Hintergrund der Vorhaben ist die EU-Verordnung Nr 347/2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur, die den Ausbau und die Modernisierung der transeuropäischen Energienetze verfolgt. Als Verordnung ist sie unmittelbar anwendbar; soweit die Verordnung jedoch verfahrensrechtliche Bestimmungen enthält, ist eine begleitende innerstaatliche Regelung notwendig. Die Begutachtungsfrist für den vorliegenden Entwurf wurde auf neun Tage verkürzt, was eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Entwurf seitens der eingeladenen Stellen praktisch ausschließt. Seitens einiger Bundesländer wurde die Zuständigkeitskonzentration kritisiert, wie auch die Kompetenzänderung auch für künftige Änderungen in der Materie über die zur Umsetzung der EU-Vorgaben hinausgeht.
Aus föderalistischer Sicht ist der Entwurf jedenfalls abzulehnen: punktuelle Bundeskompetenzen in einzelnen Gesetzen tragen nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit der ohnedies sehr zersplitterten Kompetenzverteilung in Österreich bei, zudem sind derartige Kompetenzverschiebungen zulasten der Länder außerhalb einer durchdachten allgemeinen Bundestaatsreform nicht zielführend. Abgesehen davon wird auch die Kompetenzverteilung im Bereich des Raumordnungsrechts ausgehöhlt, als der Entwurf vorsieht, Trassen oder Flächen für bis zu fünf Jahre zu reservieren, sodass das Gebiet nicht anderweitig gewidmet oder verbaut werden kann. Bei Starkstromleitungen wäre das Schutzgebiet 120 Meter beiderseits der Trasse breit, bei Rohrleitungen 70 Meter. Dass dies die Raumplanung vor Ort erschwert, liegt auf der Hand und erscheint auch vor dem verfassungsrechtlichen Berücksichtigungsgebot fragwürdig. Auch dass die neue Infrastrukturbehörde im Säumnisfall entscheiden soll, ist verfassungsrechtlich insofern irritierend, als seit der Einführung der neuen Verwaltungsgerichte vor zwei Jahren grundsätzlich diese entscheiden, die geplante Regelung insofern einen verfassungsrechtlich nicht gedeckten Eingriff in bestehende Zuständigkeits- und Verwaltungsstrukturen darstellt. Zu guter Letzt wäre es auch unsachlich, ausgerechnet Vorhaben, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt nach sich ziehen und daher einer besonders genauen Prüfung bedürfen, dadurch zu privilegieren, dass im Säumnisfall eine besondere Behörde entscheidet.
Die wesentlichen Ergebnisse für die Politik lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Steuerautonomie einer Gebietskörperschaft steht in Zusammenhang mit ihrer Aufgabenausstattung und dient dazu, die Lücke zwischen Ausgabenverantwortung und -finanzierung zu schließen.
2. Steuerautonomie bewirkt fiskalischen Wettbewerb und stellt eine wichtige Komponente der Standortpolitik von Gebietskörperschaften dar. Ein solcher Wettbewerb wird im föderalen System im Übrigen nicht nur über Steuern, sondern auch über andere rechtliche Rahmenbedingungen ausgetragen (zB Raumordnung, Verfahrensmanagement).
3. Steuerwettbewerb ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, staatliche Ausgabenentscheidungen stärker an den Interessen und Bedürfnissen der Bürger und Unternehmen zu orientieren.
4. In Verbindung mit einem solidarischen Finanzausgleich, der die unterschiedlichen Voraussetzungen, vor denen die Gebietskörperschaften stehen (zB Bergregionen, periphere Gebiete) maßvoll abfedert, werden negative Auswirkungen der Steuerautonomie ausgeglichen. Ruinöser Steuerwettbewerb ist weder das Ziel noch die logische Konsequenz einer Steuerautonomie.
5. Die zu stärkerer Ausgabendisziplin führende Wirkung des fiskalischen Wettbewerbs sollte zusätzlich mit Elementen aktiver direkter Demokratie unterstützt werden, um den Vorstellungen der Bürger noch mehr Geltung zu verschaffen.
6. Landes- und Gemeindesteuern müssen als solche für die Bürger erkennbar sein. Nur dann ist es ihnen möglich, bei den Wahlen ihre Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck zu bringen.
7. Steuerautonomie steigert daher nicht nur die Ausgabendisziplin, sondern auch die Transparenz staatlichen Handelns. Verantwortlichkeiten für bestimmte Ausgaben treten deutlich hervor und die Zusammenhänge zwischen Ausgaben und Finanzierung werden sichtbar.
8. Eine eigene Steuerverwaltung der Länder oder Gemeinden ist nicht zwingend erforderlich. Der administrative Mehraufwand, der bei der Gewinnabschätzung auf Grund einer Zerteilung des Bundesgebietes in verschiedene Steuergebiete erforderlich ist, wird durch Einsparungen bei den Ausgaben und die Effizienzsteigerungen in den Verwaltungen mehr als ausgeglichen.
9. Steuerautonomie kann auch schrittweise eingeführt werden. Es ist nicht erforderlich, dass sich die verschiedenen Ebenen des Staates vollständig aus eigenen Einnahmen finanzieren.
10. Steuerautonomie löst nicht alle Probleme und ist ein anspruchsvolles System. Die Erfahrungen vor allem in der Schweiz zeigen jedoch, dass in Zusammenhang mit einem solidarischen Finanzausgleich und gut ausgebauten Instrumenten der direkten Demokratie, wesentliche Effizienzvorteile zu lukrieren sind und die Ausgabendisziplin steigt.
Die Broschüre „Steuerföderalismus – Eine fachliche Auseinandersetzung mit einem komplexen Thema“ ist ab sofort am Institut oder über die Homepage erhältlich.
Während etwa in Deutschland oder der Schweiz die Dienststellen mit bundesweiter Zuständigkeit auf 24 bzw elf Standorte verteilt sind, finden sich von den 68 für Österreich herangezogenen Bundeseinrichtungen 65 in Wien. Hinzu kommt ein vergleichsweise außergewöhnlich hohes Ausmaß unmittelbarer Bundesvollziehung, wobei auch der hohe Zentralisierungsgrad ausgegliederter staatlicher Rechtsträger wie ÖBB und ORF auffällt; bei diesen befinden sich nicht nur die Zentralen, sondern – mit Ausnahme der ORF-Landesstudios – auch alle Subgesellschaften in der Bundeshauptstadt. Vor allem vor dem Hintergrund des hohen Anteils der öffentlichen Hand am Wirtschafts- und Investitionsgeschehen sind Standortentscheidungen ein zweifellos wichtiger Faktor der regionalen und überregionalen Politik, wozu auch die Arbeit aufmerksam machen soll.
Die Studie „Der Bund und seine Dienststellen – Die Standorte der Bundesvollziehung als Wirtschaftsfaktor und Potenzial der Verwaltungsreform“ von Peter Bußjäger, Georg Keuschnigg und Marija Radosavljevic erscheint als Band 35 der Reihe Föderalismusdokumente und ist über das Institut erhältlich.
Blog: Peter Josika, Gebietsreformen sind kein Allheilmittel
Blog: Hans Penz, Bundesrat: Blockadehaltung des Nationalrats überwinden
Blog: Andreas Greiter, Makroregion Alpenraum - Ziele, Strukturen und Termine
Blog: Alice Engl, EVTZ: Modellhafte Zusammenarbeit in französich-belgischer Grenzregion
Blog: Wendelin Weingartner, Europaregion Tirol - ein nicht einfaches Projekt
Blog: Josef Pühringer, Chance für mehr Subsidiarität im Bildungssystem
Blog: Wolfgang Steiner, Bunte Vielfalt trotz enger Rahmen
Gastkommentar: „Sicherheitsstaat“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 18.1.2015
Gastkommentar: „Einseitige Beurteilung“ in: Vorarlberger Nachrichten vom 25.1.2015
Gastkommentar: „Neue Verfassung?“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 1.2.2015
Gastkommentar: „Zukunft sichern“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 13.2.2015
Gastkommentar: „Lernunfähig?“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 21.2.2015
Gastkommentar: „Doppelte Verwaltungen“ in: Vorarlberger Nachrichten vom 27.2.2015
Die einzelnen Vorschläge stammen von der Kommission selbst, vom Rechnungshof, von der Landeshauptleutekonferenz, von Ministerien oder von den Sozialpartnern und werden zum Großteil nur äußerst knapp beschrieben; erfreulich jedoch, dass vor allem von Seiten der Länder vergleichsweise konkrete Ideen eingebracht wurden.
Einige der Vorschläge seien aus föderalistischer Sicht besonders erwähnt:
- Einheitliche Öffnungszeiten von Ämtern: Es handelt es sich um eine auf den ersten Blick im Interesse der Bürgerfreundlichkeit gelegene Maßnahme, die jedoch kaum Einsparungen bringt. Das Ziel kann außerdem nur für Behörden der Bundes- und Landesverwaltung gelten, da nicht jede Kleingemeinde ihr Amt ganztägig offen halten können wird. Zudem müsste auch bei Bundes- und Landesbehörden differenziert werden – die Öffnungszeiten einer Bezirkshauptmannschaft stehen vor anderen Notwendigkeiten als etwa beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen.
- Reduktion der derzeit etwa 6.000 Rechtsträger: Der Vorschlag, die Zahl der ausgegliederten Rechtsträger zu reduzieren und ihre Aufgaben zusammenzufassen, ist zweifellos sinnvoll, obgleich keine Umsetzungsvorteile erwähnt sind.
- Die vorgeschlagene Vereinheitlichung des Jugendschutzrechts allein schafft weder bei der Verwaltung noch bei den Bürgerinnen und Bürgern eine Kostenersparnis. Gleiches gilt auch für den Vorschlag der Harmonisierung der Rechtsgrundlagen für die Kinderbetreuung – Bürgerinnen und Bürger müssen in den seltensten Fällen Kinderbetreuungseinrichtungen in verschiedenen Bundesländern in Anspruch nehmen. Diese Forderungen sind unter föderalen Gesichtspunkten jedenfalls kritisch zu sehen, wenngleich eine freiwillige Harmonisierung zwischen den Ländern in bestimmten Bereichen zweifellos sinnvoll sein kann.
- Vorgeschlagen werden ferner Harmonisierungen im Bau- und Raumordnungsrecht, was aus föderalistischer Sicht auch kritisch ist. Auch in der Rechtspraxis erweist sich mehr und mehr, dass die Vereinheitlichung technischer Vorschriften auch einen enormen Kostentreiber darstellt. Aus Sicht des Instituts für Föderalismus wäre eine Harmonisierung wenn überhaupt dann nur im Wege einer Art 15a B-VG-Vereinbarung sinnvoll, wenn die Länder selbst darüber bestimmen können, wie weit harmonisiert wird. Die vorgeschlagene Harmonisierung von Gefahrenzonenplänen ist unklar, diese erstellt die Wildbach- und Lawinenverbauung gemeinsam mit dem Ministerium und logischerweise ist jeder Gefahrenzonenplan unterschiedlich.
Insgesamt ist festzustellen, dass auch im Zuge der Aufgabenreform- und Deregulierungskommission eine tiefgreifende Reform der Verwaltungsstrukturen wie sie vom Institut für Föderalismus schon lange vorgeschlagen wird (mit einer Eingliederung der unmittelbaren Bundesverwaltung in den Ländern in die Landesverwaltung nach Maßgabe der sachlichen Zusammenhänge) nach wie vor nicht angedacht wird. Es besteht die Gefahr, dass die Verwaltungsreform lediglich punktuell und konzeptlos erfolgt. Auch lange geforderte und durchaus naheliegende Verländerungen von Zuständigkeiten – etwa im Denkmalschutz – werden nicht aufgegriffen.
Die Berichte der Kommission finden Sie unter http://www.aufgabenreform.at/
Kritisch hinterfragt wurde bei der Tagung unter anderem die Problematik der „Unentrinnbarkeit“ von ÖNORMEN als verbindliche Standards bei gleichzeitiger Kostenpflichtigkeit, zudem verfassungsrechtliche Fragen der demokratischen Legitimation und des Rechtsschutzes wie auch der Organisation des Normungsinstitutes als Verein. Demgegenüber wurde seitens des Austrian Standards Institute darauf hingewiesen, dass man sich um Transparenz des Entstehungsprozesses bemühe, zudem einer Publikation in Gesetzblättern möglich sei und man vor allem für Bildungseinrichtungen die Normen zu günstige Konditionen zur Verfügung stelle. Diskutiert wurde ferner über Fragen der Deregulierung und damit verbunden auch die Notwendigkeiten derart vieler Normen (aktuell immerhin über 24.000). Das Thema erscheint vor allem vor dem Hintergrund der gegenwärtig auszuarbeitenden Normenstrategie und der anstehenden Novellierung des Normengesetzes besonders aktuell. Aus Sicht des Instituts für Föderalismus sind dabei folgende Ziele zu beachten:
- Steuerung der Normung: Über die Aufsicht und die Steuerung des Normsetzungsprozesses ist sicherzustellen, dass neben den interessierten Kreisen auch die Teilnahme der öffentlichen Hand, der Bildungs- und Forschungseinrichtungen und der Zivilgesellschaft sichergestellt ist. Damit soll erreicht werden, dass die Normen dem volkswirtschaftlichen Nutzen und einer umfassenden Nachhaltigkeit dienen. Vertreterinnen und Vertretern des öffentlichen Interesses sind Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Die Reduzierung der Zahl der nationalen und internationalen Normen muss ein übergeordnetes Ziel sein.
- Transparenz und Zugänglichkeit: Zusammensetzung und Ausgewogenheit der Normungskomitees ist der Öffentlichkeit ersichtlich zu machen, insbesondere sind die teilnehmenden Organisationen bzw. deren Organisationseinheiten zu veröffentlichen. Normungsanträge sollen beeinsprucht und Konflikte vor eine Schlichtungsstelle gebracht werden können. Konkrete Normungsanträge sind einer Vorprüfung zu unterziehen. Verpflichtend geltende Normen sind frei zugänglich zu machen.
- Normungsbereiche: Die Bereiche, für die Normen geschaffen werden dürfen, sind gesetzlich festzulegen.
- Finanzierung: Die Finanzierung des Normsetzungsprozesses muss unabhängig von der Zahl der Normen und deren Geltungsdauer geregelt sein. Insbesondere ist die Teilnahme aller relevanten Interessensgruppen sicherzustellen.
Die Unterlagen der Referenten der Veranstaltung sind über die Homepage des Instituts abrufbar, zudem werden einige der Referate demnächst in der Zeitschrift für Energie- und Technikrecht veröffentlicht: www.vwrecht.jku.at/zeitschrift_ztr/.
Blog: Tilmann Märk, Zusammenarbeit der Universitäten in der Europaregion
Blog: Christian Ranacher, Sezessionsbewegungen, Föderalismus und demokratischer Verfassungsstaat
Blog: Georg Keuschnigg, Gemeindekooperationen: Fünf Projekte, fünf Lösungen
Blog: Herwig Van Staa, Zusammenarbeit im Alpenraum - Herausforderungen und Perspektiven
Blog: Christian Keuschnigg, Was die regionale Steuerautonomie kann und was nicht
Gastkommentar: „Steuerreform finanzieren“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 9.1.2015
Gastkommentar: „Kein großer Wurf“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 2.1.2015
Gastkommentar: „Willfähriger Landtag“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 12.12.2014
Gastkommentar: „Bürokratie der Information“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 5.12.2014
Gastkommentar: „Luxemburg leaks“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 28.11.2014
Gastkommentar: „Leistbarer Wohnraum“, in: Vorarlberger Nachrichten vom 21.11.2014
Der Verfassungsgerichtshof hat in Zusammenhang mit der Anfechtung von Gemeindefusionen in der Steiermark die ersten Anträge abgewiesen und dazu auch grundsätzliche inhaltliche Aussagen getroffen. In den betreffenden Erkenntnissen und Beschlüssen (zB G 44/2014-20, V 46/2014-20 vom 23. September 2014) führte er unter anderem aus, dass einerseits keine Verfassungswidrigkeit der Gemeindestrukturreform aus formalen Gründen, etwa auf Grund fehlerhafter Kundmachung des Gesetzes bzw der Verordnung, vorliegt, zum anderen liege keine unsachliche Vorgangsweise vor. Begründend dazu heißt es, dass die Verfassung der einzelnen Gemeinde grundsätzlich kein Recht auf „ungestörte Existenz“ garantiere und der Landesgesetzgeber bei seiner Aufgabe, das Land in Gemeinden zu gliedern bzw Gemeindegebiete zu verändern, einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum habe. Gegen die Ziele der steiermärkischen Gemeindestrukturreform (insbesondere Stärkung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden, effizientere Nutzung der kommunalen Infrastruktur, bessere Nutzung von Flächen für Siedlungs- und Wirtschaftszwecke, Reaktion auf die demographische Entwicklung) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Unsachlich wären nach der Judikatur des VfGH Gemeindezusammenlegungen nur dann, wenn sie etwa „aufgrund ganz besonderer Umstände vorhersehbar völlig untauglich“ sind, um das Ziel einer Verbesserung der Gemeindestruktur zu erreichen, ferner können große Entfernungen zwischen dem künftigen Gemeindezentrum und den einzelnen Ortsteilen gegen die Sachlichkeit einer Gemeindezusammenlegung sprechen. Beides lag in den entschiedenen Fällen nicht vor. Dass eine Änderung der Gemeindestruktur nicht nur Vorteile, sondern auch manchen Nachteil bringt, mache die Maßnahme an sich jedoch nicht unsachlich. In keinem Fall der bislang entschiedenen Gemeindezusammenlegungen habe das Verfahren ergeben, dass eine unsachliche Vorgangsweise vorliegt. Die Anträge wurden daher abgewiesen (bzw teilweise auch aus formalen Gründen zurückgewiesen).Die Entwürfe zur Umsetzung der Vier-Parteien-Einigung im Nationalrat zur Neuregelung des Untersuchungsrechts (Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht) liegen nunmehr vor. Aus föderalistischer Perspektive bleibt anzumerken, dass einige Länder in dieser Frage Vorreiter waren. Untersuchungsausschüsse als Minderheitenrecht gibt es mittlerweile in Salzburg, der Steiermark, in Tirol, Vorarlberg, Wien und demnächst auch im Burgenland (siehe dazu auch Föderalismus-Info Nr 3/2014).
Der vorliegende Entwurf einer B-VG-Novelle (Antrag 718/A XXV. GP) sieht nunmehr in Art 53 Abs 1 B-VG (neu) vor, dass der Nationalrat nicht mehr nur durch Mehrheitsbeschluss, sondern auch auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen kann. Abs 2 präzisiert den Gegenstand eines solchen Untersuchungsausschusses: Dies soll ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes sein. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, sowie die Tätigkeiten beliehener Unternehmungen, soweit diese Hoheitsrechte ausüben, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist explizit ausgeschlossen. Die Bestimmung wirft die Frage auf, weshalb es sich um einen „abgeschlossenen Vorgang“ in der Bundesvollziehung handeln muss. Anzumerken ist, dass die landesverfassungsrechtlichen Regelungen über Untersuchungsausschüsse im Bereich der Landesvollziehung ohne eine derartige Einschränkung auskommen. Der Hinweis darauf, dass es sich um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang handelt, könnte auch dazu missbraucht werden, einen Untersuchungsausschuss in einer politisch brisanten Angelegenheit zu verhindern.
Art 53 Abs 3 B-VG (neu) würde demnach weiters vorsehen, dass nicht nur alle Organe des Bundes, sondern auch der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen ihre Akten vorzulegen haben. Das Institut für Föderalismus geht davon aus, dass die Erlassung vergleichbarer Regelungen auf Landesebene in der Verfassungsautonomie der Länder gelegen ist. Dementsprechend sehen verschiedene Regelungen in den Landesverfassungen über Untersuchungsausschüsse vor, dass alle Behörden und Ämter (also auch des Bundes) dem Untersuchungsausschuss des Landtages die relevanten Akten zu übermitteln haben. Bemerkenswert ist, dass die Verpflichtung zur Aktenvorlage nach Art 53 Abs 4 B-VG nicht bestehen soll, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird. Diese Ausnahmeregelung gilt für Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und Selbstverwaltungskörper nicht: Sie müssen offenbar ihre Akten auch dann dem Bund vorlegen, wenn dadurch ihre Willensbildung beeinträchtigt werden sollte.
Der Entwurf sieht neben gewissen Änderungen in den Immunitätsregelungen (in Zukunft soll keine Immunität der Abgeordneten im Falle behördlicher Verfolgung wegen Verleumdung mehr bestehen) auch noch ein neues „Organstreitverfahren“ vor dem VfGH vor: Gemäß Art 138b B-VG (neu) können verschiedene Streitigkeiten im Rahmen von Untersuchungsausschüssen, insbesondere, wenn der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates die Einsetzung des Untersuchungsausschusses für unzulässig erklärt hatte, an den VfGH heranzutragen. Diese Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Klärung ist gewiss sinnvoll, leider hat niemand daran gedacht, dass eine solches Instrument auch auf Landesebene sinnvoll sein könnte. Mangels ausdrücklicher Ermächtigung der Länder, eine Anfechtungsmöglichkeit an den VfGH zu eröffnen, wird dies bei Untersuchungsausschüssen auf Landesebene in Zukunft daher weiterhin nicht eingeführt werden können.Künftig soll die stimmenstärkste Partei zu Gesprächen über die Regierungsbildung einladen, die Zahl der Regierungsmitglieder (zwischen fünf und sieben) soll der Landtag festlegen.
Weitere Änderungen der burgenländischen Verfassungsreform:
- Abschaffung der Vorzugsstimmenhürde: Bisher waren 15% der Parteistimmen nötig, um in den Landtag einziehen zu können, künftig können Mandatare, die pro Bezirk die meisten Vorzugsstimmen erhalten, in den Landtag gewählt werden.
- Möglichkeit eines zweiten Wahltags neun Tage vor dem eigentlichen Wahltermin.
- Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird zum Minderheitenrecht und kann künftig von 25% der Abgeordneten einberufen werden. Den Vorsitz wird eine Richterin bzw ein Richter führen.
- Der Landes-Rechnungshof erhält die Kompetenz zur Prüfung der Gemeinden und soll künftig pro Jahr die Finanzen von zehn Kommunen durchleuchten können.
Wie auch bei vielen der anderen Landes-Verfassungsreformen der letzten Jahre, so zeigt sich auch hier die Innovationsfähigkeit, die sich aus der Verfassungsautonomie der Länder ergibt, vor allem darin, dass grundlegende Reformen vergleichsweise rasch angegangen werden können. Der aus 36 Abgeordneten bestehende Landtag wird in seiner Größe nicht verändert. Die Reform soll Anfang 2015 in Kraft treten.1. Das Jahr 2013 war politisch durch zahlreiche Wahlgänge auf Bundes- und Landesebene gekennzeichnet. Neben Landtagswahlen in Kärnten, Niederösterreich, Salzburg und Tirol fanden im September 2013 die Wahlen zum Nationalrat statt. Hinzu kommen zwei Volksbegehren sowie eine erstmals abgehaltene Volksbefragung auf Bundesebene zur Zukunft der Wehrpflicht in Österreich. Das im Dezember 2013 präsentierte Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung erscheint aus bundesstaatlicher Sicht insgesamt nicht innovativ. Zahlreiche Arbeitsgruppen werden in Aussicht gestellt, darunter auch eine Föderalismus-Reformkommission, konkrete Vorhaben fehlen jedoch weitgehend, wenngleich mit dem Amt der Bundesregierung eine alte Länderforderung in Umsetzung begriffen ist.
Das vergangene Jahr war daneben vor allem durch die Diskussion um den Ausbau der direkten Demokratie dominiert. Hier konnten sich die Länder gegenüber dem Bund insofern erfolgreich positionieren, als sie in der direkt-demokratischen Praxis dem Bund oftmals voraus sind bzw auch zur Diskussion stehende Modelle bereits auf regionaler Ebene erprobt wurden. Aus bundesstaatlicher Sicht ist diese Rolle der Länder jedenfalls zu begrüßen und es bleibt zu hoffen, dass die noch immer ausstehende Reform auf Bundesebene den Vorbildern in den Ländern folgt.
2. Eine wichtige Pionierrolle oblag den Bundesländern im Jahr 2013 auch in politischer Sicht, als sich im Zuge der zahlreichen Wahlgänge auch neue Koalitionsvarianten auf Ebene der Landesregierungen ergaben, so etwa die Zusammenarbeit von ÖVP und Grünen in Tirol oder die Mitwirkung des Team Stronach in einer Koalition von ÖVP und Grünen in Salzburg. In der Verwaltungsreform gab es in einigen Bundesländern ebenfalls positive Entwicklungen, wie etwa der laufende Reformprozess in Kärnten oder auch die Einführung des elektronischen Flächenwidmungsplans in Tirol zeigen. Die Gemeindereform in der Steiermark zeigt ebenso den Reformwillen der Landespolitik, wenngleich diese nicht unumstritten ist und in Sachen Gemeindefusionen in zahlreichen Fällen der Verfassungsgerichtshof angerufen wurde. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Fusionierungen allein die Erwartungen zu erfüllen vermögen oder ob die erst 2011 erweiterten Möglichkeiten interkommunaler Kooperation vermehrt genutzt werden könnten.
3. Die Bundesverfassung wurde im Berichtsjahr 2013 erneut vielfach novelliert. Unter anderem wurde mit Wirksamkeit ab 2015 die sogenannte ‚Gesetzesbeschwerde‘ in Zivil- und Strafverfahren eingeführt, ferner der Tierschutz und die Nachhaltigkeit als Staatsziele verankert sowie ein separater Kompetenztatbestand ‚Sozialentschädigungsrecht‘ eingeführt. Die einfache Gesetzgebung sowohl des Bundes wie der Länder war im Berichtsjahr 2013 von der Anpassung der Rechtsordnungen an die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit dominiert. Nachdem einzelne Bundesländer bereits im Vorjahr die entsprechenden Ausführungsgesetze sowie Anpassungen in den Landesverfassungen vornahmen, folgten im Jahr 2013 die übrigen Länder sowie der Bund mit teilweise umfassenden Sammelnovellen.
4. Der oft kritisierte österreichische Bundesrat konnte sich zwischenzeitlich vor allem in EU-Angelegenheiten erfolgreich positionieren und seiner Kontrollfunktion im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung gerecht werden. Damit wurde in den vergangenen Jahren ein bedeutsames Arbeitsfeld für die zweite Kammer des Parlaments eröffnet. Die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten konnten 2013 bereits zum zweiten Mal eine „gelbe Karte“ im Subsidiaritätsprüfungsverfahren gegenüber der Kommission erheben. Unabhängig davon verlief auch die innerösterreichische Reformdebatte um den Bundesrat weiter. 2013 gab es wieder akkordierte Reformvorschläge von Seiten der Länder, die jedoch bislang vom Verfassungsgesetzgeber nicht wahrgenommen wurden.
5. Hinsichtlich der Zusammenarbeit von Bund und Ländern kann für das Berichtsjahr 2013 festgestellt werden, dass vor allem das Instrument der Art 15a B-VG-Vereinbarung mit insgesamt sechs neuen Verträgen zwischen Bund und Ländern bzw Ländern untereinander ein praktikables Instrument der Kooperation im Rahmen bestehender Kompetenzen darstellt. Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit ergeben sich jedoch nach wie vor in der Begutachtung von Bundesgesetzen.
Vom Konsultationsmechanismus wurde nur vereinzelt Gebrauch gemacht, der Bundesrat hat seine Einspruchs- und Zustimmungsrechte überhaupt nicht ausgeübt. Auf Grund der Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform waren zahlreiche Zustimmungen der Länder zu einzelnen Kompetenzübertragungen auf das Bundesverwaltungsgericht erforderlich, die jedoch im Regelfall auch erteilt wurden, weshalb auch für das Jahr 2013 festgehalten werden kann, dass der österreichische Föderalismus von einem primär kooperativen Vorgehen sowohl seitens des Bundes wie der Länder geprägt ist.
6. Das medial beherrschende Thema aus föderalistischer Sicht war 2013 die Debatte um ein bundesweites Spekulationsverbot: Hintergrund war das Bekanntwerden von Verlusten aus Spekulationsgeschäften im Land Salzburg im Dezember 2012. In der Folge bemühte man sich vor allem von Seiten des Bundes um Vereinheitlichung und Zentralisierung der einschlägigen Vorschriften, eine neue Verfassungsbestimmung wurde diskutiert, ohne jedoch die erforderliche parlamentarische Mehrheit zu finden. Die Länder beschritten daher einen eigenen Weg unter Bewahrung der Finanzautonomie: Eine Art 15a B-VG-Vereinbarung wurde geschlossen, die Länder erließen ihrerseits Spekulationsverbote in landesgesetzlicher Form, teilweise im Verfassungsrang. Allerdings wurde die Vereinbarung vom Nationalrat nicht ratifiziert, nicht zuletzt deshalb, weil die begleitenden bundesverfassungsrechtlichen Regelungen (etwa die Ermächtigung des Städte- und Gemeindebundes) nicht erlassen wurden. Ebenso kam es nicht zum geplanten bundesverfassungsrechtlichen Spekulationsverbot. Es zeigt sich daher, dass gerade mit einem kooperativen Vorgehen vergleichsweise rasch reagiert werden kann.
7. Bemerkenswert waren 2013 die Bemühungen um die Etablierung einer ‚Westachse‘ etwa in Fragen der Bildungsreform, in der die Länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg gegen verschiedene Positionen der Bundesregierung Stellung bezogen. Medial bedeutsam waren vermehrt kritische Berichte über die Konzentration zahlreicher politischer und administrativer Institutionen in der Bundeshauptstadt Wien. Die Ergebnisse der in diesem Zusammenhang gemachten Untersuchungen waren zwar nicht neu. Sie konnten jedoch diese Problematik vermehrt ins Bewusstsein rücken.
Gegenwärtig besteht der Senat aus 315 Senatoren, die für fünf Jahre direkt vom Volk gewählt werden, wobei jede der 20 Regionen eine festgelegte Anzahl an Senatoren abhängig von der Bevölkerungszahl, stellt. Hinzu kommen noch die Senatoren auf Lebenszeit, konkret Italienische Staatspräsidenten, die nach Ende ihrer Amtszeit von Rechts wegen Senatoren werden, es sei denn, sie verzichten auf das Mandat. Der Senat hat im Gesetzgebungsprozess grundsätzlich dieselben Rechte wie die erste Kammer.
Die italienische Regierung unter Ministerpräsident Matteo Renzi hat nun beschlossen, den Senat einerseits als Länderkammer einzurichten, wobei die Mitglieder nicht mehr bei den Parlamentswahlen gewählt, sondern Vertreter der Regionen entsandt werden sollen. Ferner geplant ist eine Reduktion der Mitgliederzahl auf 148, außerdem soll die zweite Kammer auch nicht mehr die gleichen Aufgaben wie die Abgeordnetenkammer haben. Die dafür nötige Verfassungsänderung stieß erwartungsgemäß auf Widerstand, jedoch wurde das Reformprojekt mit 183 Stimmen gegen vier verabschiedet.
Aktuell dazu auch ein Beitrag auf verfassungsblog.de: http://www.verfassungsblog.de/verfassungsreform-italien-der-trend-geht-zur-kompetenzarmen-zweitkammer/
Buchtipp: Eingehend mit dem italienischen Senat im Vergleich befasst sich auch die auf aktuellen Stand befindliche Publikation von Martin C. Wittmann, „Der Senat der Italienischen Republik und der Bundesrat der Republik Österreich“. Das Buch enthält auch umfangreiches statistisches Material zu den beiden Kammern und ist als Band 114 der Schriftenreihe des Instituts erschienen.Als besonders vielversprechende Methode der partizipativen Demokratie hat sich dabei in Vorarlberg jene des Bürgerrates etabliert. Unter Teilnahme von nach dem Zufallsprinzip und unter Beachtung der Diversität ausgewählten Personen gibt es dabei die Möglichkeit, allgemeine oder konkretere Themen der Gesetzgebung und der Verwaltung in einem strukturierten Prozess zu erörtern und die einschlägigen staatlichen Entscheidungsträger zu beraten. Dadurch wird nicht unmittelbar Einfluss auf die Staatsgeschäfte genommen, vielmehr zielt die Methode auf eine gleichzeitige Rückkoppelung für die Bürger und die staatlichen Entscheidungsträger ab. Neben der Zielbestimmung in der Landesverfassung wurden auch Details über Einberufung und Durchführung der Bürgerräte sowie darüber hinausgehende Folgeprozesse in einer Richtlinie festgelegt.
Abgesehen davon gibt es in Vorarlberg, wie auch in zahlreichen andere Bundesländern, weitere vielfältige Verfahren der Bürgerbeteiligung außerhalb der klassischen Formen der direkten Demokratie, so etwa die allgemeine Bürgerbegutachtung von Gesetzesentwürfen oder die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in sie betreffenden Angelegenheiten (vgl etwa § 6 des Vorarlberger Jugendgesetzes). Reformbemühungen in diese Richtung gibt es mittlerweile auch in Salzburg und Kärnten – bleibt zu hoffen, dass auch die Diskussion auf Bundesebene zu diesem Thema wieder aufgenommen wird.Mehrere Bezirksgerichte haben beim Verfassungsgerichtshof die Bezirksgerichte-Verordnung angefochten. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH V 4/2014-17 vom 11. März 2014) hat dazu nun entschieden, dass es durch die verfügte Zusammenlegung von Bezirksgerichten aus verschiedenen politischen Bezirken Überschneidungen gibt, also der Sprengel eines (neuen zusammengelegten) Bezirksgerichts jetzt nicht mehr mit dem Sprengel des politischen Bezirks übereinstimmt. Dies ist jedoch aufgrund des (verfassungsrangigen) Übergangsgesetzes 1920 verboten.
Wiewohl den Ländern auf die Gerichtsorganisation der Zivil- und Strafgerichte grundsätzlich keine Kompetenz zukommt, ist die Regelung der Bezirksgerichte-Sprengel auch föderalistisch interessant, zumal es nach § 8 Abs 5 lit d des Übergangsgesetzes 1920 eine Restkompetenz der Länder in Form eines Zustimmungsrechts der betreffenden Landesregierung gibt. Während die Regelung der Sitze der Gerichte in die ausschließliche Bundeskompetenz fällt, ergehen Verordnungen über die Bezirksgerichte-Sprengel von Bundes- und Landesregierung gemeinsam. Es handelt dabei um eine Länder-Zuständigkeit, die ursprünglich aus einem Begutachtungsrecht der Landtage der Monarchie stammt und 1920 zu einem Zustimmungsrecht ausgebaut wurde.
Auch wenn eine von der Rechtswissenschaft lange geforderte grundlegende Reform der Gerichtsorganisation dem Bund vorbehalten ist, können die Bundesländer immerhin über ihr Zustimmungsrecht sicherstellen, dass eine sinnvolle Verteilung der gegenwärtig (noch) 128 Bezirksgerichte an den Bedürfnissen der Bevölkerung stattfindet und so eine weitere Ausdünnung des ländlichen Raumes auch in dieser Frage hintanhalten. Vorausgesetzt, die verfassungsrechtlichen Vorgaben, etwa der Sprengel werden eingehalten, wie es im vorliegenden Fall eben nicht der Fall war. Der Verfassungsgerichtshof hat die entsprechenden Passagen in der Bezirksgerichte-Verordnung aufgehoben und eine Reparaturfrist bis 30. September 2015 festgelegt.Die erst vor wenigen Jahren mit BGBl I Nr 102/2006 eingeführte zentrale Vollzugsdirektion wird nach den Reformplänen des Justizministers nun wieder in Frage gestellt. Hintergrund der damaligen Novelle war der Wunsch nach Bündelung der Verwaltungsaufgaben im Bereich des Strafvollzuges in einer zentralen Behörde für die Fach- und Dienstaufsicht über die Strafvollzugsanstalten sowie Gefangenenhäuser der Gerichtshöfe erster Instanz. Gleichzeitig sollte das Aufsichtsrecht der Gerichtspräsidenten über die in ihren Sprengeln liegenden Gefangenenhäuser entfallen und der neuen Strafvollzugsdirektion übertragen werden. Der Bundesgesetzgeber berief sich seinerzeit auf die betriebswirtschaftliche Prozessanalyse einer externen Studie der Jahre 2005 und 2006, derzufolge die Einführung einer zentralen Struktur präferiert wurde. Die Strafvollzugsdirektion könne über die zentrale Aufsicht „für den gesetzmäßigen Betrieb der Anstalten und […] für einen an den Vollzugszwecken und den Grundsätzen der Menschenwürde und Wiedereingliederung der Strafgefangenen und Untergebrachten orientierten, möglichst hohen Vollzugsstandard unter Bedachtnahme auf Sicherheit und Ordnung“ sorgen.
Nun wird auf Grund der jüngst kolportierten bedauerlichen Ereignisse rund um einen verwahrlosten Häftling in der Justizanstalt Stein die seinerzeitige Reform wieder in Frage gestellt und die Reform der Behörde diskutiert. Ungeachtet der Kritik auch seitens des Föderalismusinstituts (siehe dazu die Föderalismus-Info Nr 2/2006) an den fraglichen verwaltungsökonomischen Vorteilen der zentralen Stelle sei in diesem Zusammenhang nochmals darauf hingewiesen, dass ein dezentrales Organisationsmodell erheblich kürzere Verfahrenswege in der ersten Instanz und einen beträchtlich geringeren Rechtsmittelaufwand bedeuten würde und eine im Vergleich zum zentralistischen Modell höhere Einbindung des Fachwissens von Mitarbeitern in den Justizanstalten bringen kann. Dahingestellt sei, inwieweit die laufende Einführung und Reform von Behörden Effizienzvorteile bringen kann.Mit dem Symposium „Politik der Zukunft – Zukunft der Politik“ am 6. Mai in Linz sowie mit der Einsetzung eines Landtagsunterausschusses „Standort Oberösterreich“ punktet der Oberösterreichische Landtag in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. „Föderalismus ist ein Vorteil im Standortwettbewerb, weil wir schneller zu Entscheidungen mit hoher Treffsicherheit kommen“, betonte Landtagspräsident Viktor Sigl in der Begrüßungsrede. „Es ist zu wenig, nur gut zu sein“, ortet der Landtagspräsident auch einen Veränderungsauftrag für die Politik.
Am Beispiel der Arbeitsmarktstrategie „Arbeitsplatz OÖ 2020“ präsentierte AMS-Chefin Birgit Gerstorfer gelebten Föderalismus in einem der wichtigsten Zukunftssegmente. Die Strategie besteht in einer Bündelung aller Kräfte mit dem Ziel, den Fachkräftemangel Oberösterreichs zu bekämpfen. Konkret arbeiten Wirtschaftsressort, Arbeitsmarktservice, Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung, Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer und Regionalmanagement zusammen, die Technologie- und Marketinggesellschaft OÖ managt das Projekt. In 16 regionalen Workshops auf Bezirksebene wurden mehr als 500 Expertinnen und Experten einbezogen, in den zwölf thematischen Workshops auf Landesebene waren Entscheidungsträger aus 15 Organisationen beteiligt. Im Rahmen der Initiative wurde das erste Forschungsinstitut Österreichs für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik gegründet. Mehr dazu unter http://www.arbeitsplatz-oberoesterreich.at/.Mit den Erfahrungen der Gemeindestrukturreformen in der Steiermark und in der Schweiz setzte sich das Institut für Föderalismus bei einer Fachveranstaltung am 10. Juni in Schloss Hofen auseinander. Unbestritten ist, dass die Gemeinden zunehmend unter Druck geraten. Reto Steiner von der Universität Bern brachte es auf den Punkt: „Die Aufgaben sind vielfältiger und komplexer geworden, alle müssen den ‚public service‘ erbringen, unabhängig, wie ihre Situation ist, und die ‚Bitte-sofort-Mentalität‘ hat auch in kleinen Gemeinden Einzug gehalten“. Bei Fusionen ist Vorsicht geboten, betont Institutsdirektor Peter Bußjäger zusammenfassend: „Die Bilanz von Fusionen ist zwiespältig. Wir empfehlen, Kooperationen mit größerem Engagement als bisher in Angriff zu nehmen. Auch wenn Erfolge nicht zu verkennen sind, so erweisen sich die Potenziale als bei weitem noch nicht ausgeschöpft“.
Die Steiermark geht den Weg der freiwilligen und teilweise auch verordneten Fusionen. Dutzende Gemeinden werden den Verfassungsgerichtshof anrufen. Mit größtem Interesse wartet die Fachwelt weit über die Steiermark hinaus auf die Entscheidungen des Höchstgerichtes. Maria Bertel von der Universität Innsbruck verwies in Schloss Hofen auf das Sachlichkeitsgebot, das bisher die Spruchpraxis bestimmt hat: „Bei Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern wurde die Sachlichkeit in der Regel anerkannt, es spielen aber auch geografische und infrastrukturelle Rahmenbedingungen eine Rolle“. Als unsachlich habe der VfGH in der Vergangenheit Gemeindezusammenlegungen, die für die neue Gemeinde als Gesamtkomplex keinerlei Vorteile gebracht hätten, erachtet. Auch der anhaltende Widerstand der Bevölkerung spiele eine Rolle.
Die „harte Nuss“ der steirischen Reformpolitik
Bundesrat Ernst Gödl, selbst Bürgermeister einer betroffenen Gemeinde, berichtete über die Gemeindestrukturreform in der Steiermark, wo die Zahl der Gemeinden von 542 auf 288 sinken wird: Es gelte, drei Herausforderungen gleichzeitig zu meistern: eine juristische, eine politische und schlussendlich auch eine menschliche. Hier die Kurzfassung seiner Ausführungen:
Die juristische Herausforderung
Ende des Jahres 2013 verabschiedete der Landtag Steiermark mit den Stimmen der Reformpartner (SPÖ und ÖVP, Anm. d. Red.) das „Gemeindestrukturreformgesetz“, durch das ab dem Jahr 2015 neue Gemeinden auch gegen den Willen betroffener Kommunen entstehen. Es ist zu erwarten, dass einige Gemeinden bzw. Gemeindemandatare den Weg zum Höchstgericht beschreiten, um die Auflösung ihrer Gemeinde anzufechten. Mit Spannung warten daher Kommunalpolitiker wie Juristen auf die kommende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes: Wird er sich an der Judikatur der letzten Gebietsreformen in den 1970er Jahren orientieren und dem Landesgesetzgeber für erzwungene Zusammenlegungen prinzipiell großen Gestaltungsfreiraum einräumen oder eine neue Linie einschlagen, indem er jene Gemeinden, deren (finanzielle) Autonomie nicht gefährdet ist, unter Schutz stellt, weil die Erreichung der postulierten Ziele wie ökonomische Effizienz und höhere Professionalität in der Verwaltung auch durch gelindere Mittel (Bildung von Verbänden) erreicht werden kann?
Die politische Herausforderung
Freilich wird die juristische Frage nur ein Nebenschauplatz sein. Denn einen Erfolg können die Reformpartner jedenfalls für sich verbuchen: 306 der 385 von der Gemeindegebietsreform betroffenen Gemeinden haben der Fusion mit einer oder mehreren Nachbargemeinden schließlich mit Gemeinderatsbeschluss zugestimmt und damit jeden Rechtsstreit ausgeschlossen. Allerdings sollten die beiden Regierungsparteien nicht die Realität aus den Augen verlieren: Nicht alle Gemeinden fassten diese Beschlüsse in einer Euphorie über die neu zu bildende Gemeinde, sondern im Banne reinen Pragmatismus. Sowohl in den Gemeinden, die sich klar gegen die Reform positionierten, als auch in jenen Gemeinden, die den pragmatischen Weg gehen, liegt die große politische Herausforderung für beide Großparteien: in einem relativ kurzen Zeitraum wieder funktionierende politische Strukturen aufzubauen, die die neue Gemeinde in ihrer Gesamtheit abbilden.
Die menschliche Herausforderung
Freilich ist in der Theorie manches einfacher als in der Praxis. Aus zwei oder drei oder mehr Gemeinden mache man eine neue, größere! In der Praxis bedeutet das unweigerlich, dass viele aktive Kommunalpolitiker von heute – von der Bürgermeisterin bis zum Gemeinderat – in den neuen Gemeinden ihre Positionen nicht mehr ausüben werden können, obwohl sie bisher leidenschaftlich und mit viel Idealismus im Dienste ihrer Gemeinde tätig waren
Schweiz: Fusionen lösen keine Finanzprobleme
In der Schweiz haben zwischen 2000 und 2010 312 Gemeinden (11%) fusioniert. Reto Steiner skizzierte in seinem Referat die fachliche Ausgangslage und die Erfahrungen in der Eidgenossenschaft, hier die Ausführungen in Kurzform: Die interkommunale Zusammenarbeit hat in den vergangenen Jahrzehnten massiv zugenommen. Eine durchschnittliche Schweizer Gemeinde kooperiert in 10 von 32 definierten Funktionen. In knapp 50 Prozent der Gemeinden werden Fusionsgespräche geführt. Aber auch bei den Prozessen innerhalb der Gemeinden gibt es Reformen: 15% der Gemeinden haben die Führungsgremien verkleinert, in 13% wurden die Möglichkeiten von Initiativen und Referenden ausgeweitet. In der Frage von Fusionen setzen die Schweizer Kantone überwiegend (71%) auf das Freiwilligkeitsprinzip, in 15% versuchen die Kantone massiv zu steuern, Zwangsfusionen sind aber die Ausnahme. Die Auswirkungen von Fusionen beschreibt Steiner wie folgt: Die finanzielle Situation verbessert sich kaum, weil der gewonnene Spielraum in die Verbesserung der Leistungserbringung in Qualität und Quantität fließt. Verbessern würden sich die Standortfaktoren und auch die Gemeindeautonomie, die politische Integration nehme aber ab.
Das Institut für Föderalismus sieht zwar die Herausforderungen einer Strukturentwicklung, ist aber gegen Zwangslösungen. Institutsdirektor Bußjäger: „Gemeindefusionen könnten mitunter dazu beitragen, strukturelle Probleme der Aufgabenerledigungen durch Kleingemeinden zu beheben, sie rechtfertigen aber keineswegs immer die nicht zu vernachlässigenden sozialen Kosten einer solchen Reform“. Das Institut empfiehlt, Kooperationen mit größerem Engagement als bisher in Angriff zu nehmen, teilweise müsse auch die Landesebene eine stärkere Rolle einnehmen.
Buchtipp: Gemeindekooperationen – der rechtliche Rahmen
Im Rahmen eines Expertenworkshops hat sich das Institut für Föderalismus bereits 2012 mit den Chancen und Potenzialen von Gemeindekooperationen auseinandergesetzt. Anlass geboten hat die Implementierung der Bundesverfassungsgesetznovelle, die die Möglichkeiten interkommunaler Zusammenarbeit deutlich ausgeweitet hat. Der Tagungsband unter dem Titel „Gemeindekooperationen: Chancen nutzen – Potenziale erschließen“, herausgegeben von Peter Bußjäger und Niklas Sonntag, ist beim Institut erhältlich.Die seit vielen Jahren geführten Diskussionen über Reformen in der Schulverwaltung wurden durch die jüngst artikulierten Einsparungswünsche wieder aktuell. Bei der gegenwärtigen Debatte geht es zum einen um die Kompetenz für die Lehrer und zum anderen um längst überfällige Reformen in der Schulverwaltung, die von Doppelgleisigkeiten gekennzeichnet ist. Aus föderalistischer Sicht sei dabei wiederholt auf folgende Punkte verwiesen (siehe dazu auch die Position des Instituts in der Föderalismus-Info Nr 4/2010):
· Bundeseinheitliche Vorgaben von Lehrplänen und Bildungszielen.
· Für das Dienstrecht soll – wie bisher – der Bund zuständig sein.
· Aber: Übernahme sämtlicher Lehrer, auch jener an Bundesschulen, in die Vollziehungszuständigkeit der Länder bei transparenter Kostentragungsregelung.
· Und: Die Reform der Schulverwaltung muss mit der Abschaffung der Landesschulräte (aber auch der Bezirksschulräte) verbunden sein. Die regionale Schulverwaltung kann im Rahmen der Verwaltungsorganisation der Länder besorgt werden.
Die Reformen im Schulbereich sollen mit Vernunft angegangen werden, langfristig bieten die genannten Lösungen eine effiziente Struktur, die auch den gewünschten Einsparungen entgegenkommen würde.Die Diskussion rund um Aussagen einer Ö3-Moderatorin zur Qualität österreichischer Bands und ihrer Berücksichtigung in Ö3, hat ausgerechnet die Kultursprecherin der SPÖ, Elisabeth Hakel, veranlasst, nicht nur eine Österreich-Quote in Ö3 zu fordern, sondern gleichzeitig auch die Existenz der neun Landesstudios in Frage zu stellen. „Wieso braucht ein so kleines Land wie Österreich neun Landesstudios?“
Die Kultursprecherin der SPÖ sei erinnert, dass zu den Aufgaben der Landesstudios gerade auch die Berichterstattung über kulturelle Ereignisse in den Ländern zählen und zwar nicht etwa nur der sogenannten Volkskultur, sondern auch moderner und innovativer kultureller Aktivitäten. Über diese würde, wie über andere regionale Ereignisse auch, dann nur noch in sehr reduzierter Form berichtet. Wer die Landesstudios abschaffen will, der fördert auch eine Provinzialisierung des kulturellen Lebens in Österreich. Genau deshalb braucht Österreich die neun Landesstudios.
In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei daran erinnert, dass der Verfassungsgerichtshof 1954 die Bundeskompetenz für die Ausstrahlung von Rundfunk judiziert hat. Wenn also schon öffentlich-rechtliches Fernsehen und Rundfunk Bundessache sind, hat der Bundesgesetzgeber der föderalen Organisation Österreichs dahingehend Rechnung zu tragen, dass Landesstudios existieren, deren Aufgabe es ist, regionale Sender zu betreiben und über regionale Ereignisse Bericht zu erstatten.Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis F 1/2013-20 vom 12. März 2014 entschieden, dass in Zusammenhang mit der Eisenbahnkreuzungsverordnung, die den Gemeinden als Straßenerhalter für Gemeindestraßen bauliche Maßnahmen zur Sicherung von Eisenbahnkreuzungen vorschreibt, gegen den Konsultationsmechanismus verstoßen wurde. Der Österreichische Gemeindebund verlangte nach Übermittlung eines Verordnungsentwurfes der Verkehrsministerin die Aufnahme von Verhandlungen über die den Gemeinden daraus entstehenden Kosten, doch wurde in der Folge das Konsultationsgremium weder konstituiert noch einberufen. Der VfGH stellte nun in einem Verfahren nach Art 138a B-VG fest, dass der Bund gegenüber dem Österreichischen Gemeindebund die aus der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus folgenden Verpflichtungen bei der Verwirklichung der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 nicht erfüllt hat (siehe dazu die Beiträge von Peter Bußjäger, Rechtsfragen zum Konsultationsmechanismus, ÖJZ 2000, 581 ff und Konsultationsmechanismus auf dem Prüfstand, ÖHW 2005, 106 ff). Die Konsequenz daraus ist, dass ein Ersatz der durch die Verwirklichung des betreffenden Vorhabens zusätzlich verursachten Kosten zu leisten ist, wobei die Ersatzpflicht jene Gebietskörperschaft trifft, welche die betreffende Verordnung erlassen hat, in diesem Fall der Bund. Das Erkenntnis macht deutlich, dass der Konsultationsmechanismus ein wichtiges Instrument des kooperativen Föderalismus darstellt und jedenfalls ernst zu nehmen ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Konsultationsverfahren in Zukunft korrekt ablaufen.
Abgesehen davon macht der VfGH auch die Bedeutung der Darstellung der finanziellen Auswirkungen der Rechtssetzungsvorhaben klar. Der Literatur folgend handle es sich dabei nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift: Mit der Übermittlung eines Vorhabens im Sinne des Art 1 Abs 1 der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus, in das keine Darstellung der finanziellen Auswirkungen im Sinne des Art 1 Abs 3 leg cit aufgenommen wurde, wird den gegenbeteiligten Gebietskörperschaften „keine Gelegenheit zur Stellungnahme“ zum Rechtsetzungsvorhaben innerhalb der in Art 1 Abs 4 leg cit genannten Fristen gegeben, sodass in solchen Fällen die Kostentragungsverpflichtung die rechtsetzende Gebietskörperschaft trifft.Vorgesehen ist etwa eine grundsätzliche Verpflichtung von nunmehr auch Organen der Gesetzgebung sowie wie bisher der Verwaltung und – neu – von öffentlichen Unternehmungen auf Zugänglichmachung von Informationen. Es handelt sich dabei um Informationen von allgemeinem Interesse, insbesondere allgemeine Weisungen, Statistiken, Gutachten und Studien, die von diesen Organen erstellt oder in Auftrag gegeben wurden.
Grundsätzlich begrüßt das Institut für Föderalismus bundesverfassungsrechtliche Regelungen, die Aspekte der Informationsfreiheit und des Zugangs der Bürger zu staatlichen Informationen enthalten, als zeitgemäß und sinnvoll. Insbesondere in Bezug auf die teilweise unbestimmt gehaltenen Ausnahmen von der Informationspflicht können sich dabei allerdings in der Praxis schwierige Abgrenzungsfragen stellen. Aus föderalistischer Sicht ist es zudem wichtig, dass diese Regelungen den Charakter von grundsätzlichen Verpflichtungen der Landes- und Gemeindeorgane nicht überschreiten und auf Landesebene einen Spielraum für auf die konkreten Verhältnisse und sachlichen Erfordernisse angepasste Lösungen belassen. Aus verwaltungsökonomischer Sicht ist es erforderlich, dass diese Regelungen die Verwaltungen nicht überfordern und nicht zu einer ausufernden Bürokratie führen. Kritisch ist ferner zu sehen, dass die nähere Umsetzung der Bestimmungen hinsichtlich der Organe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände bzw weiterer Einrichtungen im Nahebereich dieser Organe in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache sein soll. Es wird nicht verkannt, dass schon bisher das Auskunftsrecht in diesem Bereich Grundsatzkompetenz des Bundes ist (Art 20 Abs 4 B-VG). Allerdings hat sich das System der Grundsatzgesetzgebung auch in diesem Bereich bisher nicht bewährt und zu in der Tendenz überschießenden Regelungen geführt, sodass die Länder in der Umsetzung ihrer bundesverfassungsrechtlich festgelegten Informationsverpflichtungen überhaupt nur durch die Bundesverfassung selbst gebunden sein sollten.Am 1. September 2012 trat die neue Eisenbahnkreuzungsverordnung in Kraft, deren Ziel es unter anderem war, die Sicherheit auf den unfallanfälligen Eisenbahnkreuzungen in Österreich zu erhöhen. Vorgesehen sind darin die Evaluierung aller Eisenbahnkreuzungen sowie anschließende Sicherungsmaßnahmen. Auf Grund der zu erwartenden Kosten vor allem für die Gemeinden, die größtenteils dafür aufkommen müssen, wurde bereits im Jahr 2011 von sieben Bundesländern sowie dem Österreichischen Städtebund und dem Österreichischen Gemeindebund der Konsultationsmechanismus ausgelöst. Gemäß der Vereinbarung haben die rechtsetzenden Gebietskörperschaften Entwürfe von Gesetzen und Verordnungen, im konkreten Fall der Bund seine Verordnungsentwürfe samt einer Darstellung der finanziellen Auswirkungen auf die Gebietskörperschaften allen Partnern zur Stellungnahme zu übermitteln. Für den Fall, dass ein Rechtsetzungsvorhaben finanzielle Belastungen anderer Gebietskörperschaften nach sich zieht, können die gegenbeteiligten Gebietskörperschaften verlangen, dass in einem sogenannten Konsultationsgremium Verhandlungen über die durch dieses Vorhaben zusätzlich verursachten finanziellen Ausgaben aufgenommen werden.
Abgesehen von einer Verlängerung der Umsetzungsfrist der Sicherungsmaßnahmen auf 17 Jahre nach Inkrafttreten wurde hinsichtlich der Kosten keine Änderung in der Verordnung vorgenommen wie auch das Konsultationsgremium bislang nicht einberufen wurde. Nachdem nun auf die Gemeinden die offenbar erwarteten Kosten zukommen und der Bund aus Sicht des Österreichischen Gemeindebundes wesentliche Pflichten des Konsultationsmechanismus verletzt hat, rief dieser im Juli 2013 erstmals den Verfassungsgerichtshof mit einem Antrag gemäß Art 138a Abs 1 B-VG an. Der Verfassungsgerichtshof wird darin ersucht, festzustellen, inwieweit der Konsultationsmechanismus verletzt wurde. Es wird seitens des Gemeindebundes nicht ausgeschlossen, dass in einem weiteren Verfahren die allenfalls bestehenden Kostentragungspflichten des Bundes klageweise geltend gemacht werden.Hauptanliegen von POP ist es, demokratische Beteiligungsformate zu hinterfragen, Inputs für eine effizientere Demokratie zu liefern sowie eine Ideenwerkstatt für nachhaltige politische Partizipation zu schaffen. Die TeilnehmerInnen dieses Projektes werden befähigt, sich aktiv an der Ausgestaltung neuer Demokratieprozesse zu beteiligen. Insgesamt werden am Projekt 45 junge Erwachsene teilnehmen, die in drei Arbeitsgruppen – jeweils in Bozen, Trient und Innsbruck – aufgeteilt sind.
In den drei einzelnen Arbeitsgruppen werden die TeilnehmerInnen eigenverantwortlich Wege der demokratischen Willensbildung analysieren, kritisch hinterfragen und revidieren. Unter Einbindung lokaler Entscheidungsträger ergibt sich dadurch ein besonderer Mehrwert sowohl für die Weiterentwicklung des Demokratieverständnisses in den jeweiligen Landesteilen, als auch für die wissenschaftliche Kooperation und deren Vernetzung im Raum der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino. Die Teilnehmer stehen mittels sozialer Netzwerke im ständigen Austausch bezüglich ihrer „Pfade der Partizipation“, koordiniert von der EURAC und seinen Projektpartnern und werden sich im Laufe des Projekts zweimal gemeinsam in Bozen treffen. Nähere Infos gibt es unter www.eurac.edu/pop.